Gipfeltreffen in Reykjavik

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Ronald Reagan und Michail Gorbatschow

Das Gipfeltreffen in Reykjavik war das zweite Gipfeltreffen zwischen US-Prasident Ronald Reagan und dem Generalsekretar des ZK der KPdSU Michail Gorbatschow . Es fand am 11. und 12. Oktober 1986 in Reykjavik , der Hauptstadt Islands , statt. Beide Staaten befanden sich im Kalten Krieg . Im Mittelpunkt der Gesprache stand die Abrustung und der Frieden zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Am Gipfeltreffen nahmen auch die beiden Außenminister George Shultz und Eduard Schewardnadse teil. [1] [2] [3]

Verhandlungsort

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Hofði am Rande der Hauptstadt Reykjavik

Das Gipfeltreffen fand im Gastehaus Hofði am Rande der Hauptstadt Reykjavik statt. Das einfache weiße Holzhaus war das ehemalige franzosische Konsulat (1909?1921) und die britische Botschaft (1938?1952). Das Treffen wurde bewusst schlicht durchgefuhrt, ohne roten Teppich, ohne Bankett und ohne Staatshymnen.

Die Fuhrer der beiden Supermachte trafen sich erstmals im November 1985 anlasslich der Genfer Gipfelkonferenz . Der freundliche Geist von Genf wurde in der Zwischenzeit durch die angebliche Spionageaffare Nicholas Daniloff belastet. [4]

In Genf hatten die beiden Staatschefs beschlossen, die Ende 1983 unterbrochenen Rustungskontrollgesprache (Genfer INF -Verhandlungen) wieder aufzunehmen. Die Sowjets hatten in den 1970er Jahren neue atomare Mittelstreckenraketen, die SS-20 , aufgestellt und bedrohten damit Westeuropa . Die NATO reagierte 1979 mit dem NATO-Doppelbeschluss , welcher die Aufstellung neuer mit Atomsprengkopfen bestuckter Raketen und Marschflugkorper ? der Pershing II und BGM-109 Tomahawk ? in Westeuropa vorsah.

In Reykjavik versuchte Reagan, nebst der Abrustung auch uber die Menschenrechte, die Auswanderung sowjetischer Juden und Dissidenten und die sowjetische Intervention in Afghanistan zu diskutieren. Gorbatschow wollte die Gesprache jedoch auf die Rustungskontrolle beschranken. [5] Er bot an, die Menge aller strategischen Atomwaffen zu halbieren und alle Mittelstreckenraketen der beiden Militarblocke abzubauen. Er verzichtete auf die Einbeziehung der britischen und franzosischen Atomwaffen, erlaubte Abrustungskontrollen auf sowjetischem Boden und stimmte zu, Menschenrechte zum wesentlichen Thema kunftiger Gipfeltreffen zu machen. Damit verknupfte er die Forderung, die USA sollten ihre Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) , ein weltraumgestutztes Raketenabwehrsystem, auf reine Labortests beschranken. Dies lehnte Reagan ab. [6]

Die amerikanische Delegation reagierte mit dem Vorschlag, alle ballistischen Raketen innerhalb von zehn Jahren abzuschaffen, forderte aber das Recht auf die strategische Verteidigung SDI gegen die verbleibenden Bedrohungen. Gorbatschow schlug darauf vor, alle Atomwaffen innerhalb eines Jahrzehnts abzuschaffen. Er verwies jedoch auf den Wunsch, den Anti-Ballistic Missile Treaty (ABM-Vertrag) zu starken, und fugte hinzu, dass jede Forschung im Bereich der SDI auf Laboratorien fur den fraglichen Zeitraum von zehn Jahren beschrankt sein musse. Reagan argumentierte, dass seine vorgeschlagene SDI-Forschung durch jede angemessene Deutung des ABM-Vertrages erlaubt sei. [7] Außerdem verwies er auf sein Versprechen gegenuber den Amerikanern, sie durch SDI zu schutzen. Er versprach auch, die SDI-Technologie zu teilen. Dies zweifelte Gorbatschow an, da die Amerikaner nicht einmal Olbohrtechnik teilen wurden.

Reagan und Gorbatschow

Trotz vier Gesprachsrunden scheiterten die Verhandlungen in letzter Minute an unuberbruckbaren Gegensatzen in der Frage des amerikanischen Weltraum-Forschungsprogramms SDI. Gorbatschow beharrte auf der Forderung, die SDI-Forschung fur einen Zeitraum von zehn Jahren auf das Labor zu begrenzen, Reagan lehnte dies ab und fragte darauf Gorbatschow, ob er wirklich eine historische Gelegenheit wegen eines einzelnen Worts ?Laborversuch“ gefahrden wolle. Gorbatschow betonte, es handle sich um eine Grundsatzfrage, und der Gipfel war zu Ende: kein Abkommen, nicht einmal eine Absichtserklarung. Die Jahrhundert-Chance, mit einem großen Wurf das umfassendste Abrustungspaket des Atomzeitalters abzuschließen, war vertan. [8]

Der Gipfel bot trotzdem beiden Parteien die Gelegenheit, auszuloten, wie weit die Zugestandnisse der anderen Seite gehen wurden. [5] Ein bedeutender Schritt nach vorn in der Rustungskontrolle war das Einverstandnis von Gorbatschow uber Vor-Ort-Kontrollen, eine anhaltende amerikanische Forderung, die im Teilteststoppvertrag von 1963 oder im ABM - und SALT-I-Pakt von 1972 nicht erreicht worden war, zu verhandeln. Außerdem wurden die Menschenrechte erstmals konstruktiv diskutiert.

Vor seinem Ruckflug nach Moskau griff Gorbatschow zu einer List. Da er die marode Sowjetunion von den enormen Rustungsausgaben befreien musste, konnte er sich ein Scheitern des Gipfels innenpolitisch nicht leisten. Auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz stellte Gorbatschow den Gipfel von Reykjavik als erfolgreich dar. Zuruck in Washington geriet Reagan dadurch in Zugzwang. Ihm blieb nichts anderes ubrig, als das Treffen ebenfalls als Durchbruch darzustellen: ?Es waren gute Gesprache. Wir sind bereit, dort weiterzumachen, wo wir aufgehort haben.“

Folgen des Gipfels

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Trotz des offensichtlichen Scheiterns bezeichneten die Teilnehmer und Beobachter den Gipfel als einen gewaltigen Durchbruch, der letztendlich den INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) ermoglichte, der auf dem Washingtoner Gipfel am 8. Dezember 1987 unterzeichnet wurde.

  • Jack Matlock : Reagan and Gorbachev: How the Cold War Ended. Random House, New York 2004.

Einzelnachweise

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  1. Jahresruckblick 1986: Gipfeltreffen in Reykjavik auf tagesschau.de
  2. 11. Oktober 1986 - Abrustungsgipfel in Reykjavik beginnt Auf: WDR vom 11. Oktober 2010
  3. The Reykjavik Summit. The Reagan Vision, archiviert vom Original am 15. September 2014 ; abgerufen am 15. September 2014 .
  4. Die Großen drehen sich im Kreise In: Die Zeit vom 26. September 1986
  5. a b James Mann, The Rebellion of Ronald Reagan: A History of the End of the Cold War (New York: Penguin Group, 2009), 45.
  6. Philipp Gassert und andere: Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Munchen 2011, S. 88.
  7. Jack F. Matlock Jr., Reagan and Gorbachev: how the Cold War ended (New York: Random House, 2004).
  8. Christoph Bertram: Die bittere Wahrheit uber den Gipfel: In Reykjavik wurde eine historische Chance vertan In: Die Zeit vom 17. Oktober 1986