Die
Geschichte Guyanas
umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet der
Kooperativen Republik Guyana
von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Vor 400 Jahren siedelten sich die ersten Europaer im heutigen Guyana an. In der Vergangenheit wechselte Guyana zwischen niederlandischer, franzosischer und britischer Herrschaft. Am 26. Mai 1966 wurde Guyana unabhangig.
Die
Besiedlung Amerikas
erfolgte von Norden. Die ersten Siedler erreichten den Doppelkontinent vor fruhestens 18.000 Jahren. Sie waren Nomaden, die allmahlich uber Zentralamerika nach Sudamerika gelangten. Eine der Hinterlassenschaften der indigenen Volker war das Wort ?Guyana“, das nicht nur das heute so genannte Land meinte, sondern auch den Raum von
Suriname
(Niederlandisch-Guyana) und
Franzosisch-Guayana
, sowie Teile des heutigen Brasiliens und Venezuelas umfasste. Das Wort ?Guyana“ bedeutet so viel wie ?Land des Wassers“. Tatsachlich ist Guyana reich an Flussen und Bachen.
Um 1500 lebten vor allem zwei Volker in Guyana: die
Arawak
und die
Kariben
, wobei die Kariben am Ende des 15. Jahrhunderts bereits einen Großteil der Arawak in Richtung Kleine Antillen vertrieben hatten.
Obwohl der Spanier
Alonso de Ojeda
die Kuste des heutigen Guyana im Jahre 1499 entdeckte, erfolgte ? uber einzelne Vorstoße zur Erkundung des Hinterlandes hinaus ? keine wirkliche Inbesitznahme und Besiedlung durch die Spanier. Denn dieser Landstrich erschien ihnen weit weniger Gewinn verheißend als andere Teile Sudamerikas und Mittelamerikas.
Es waren Niederlander, die im Gebiet des heutigen Guyana als erste Kolonien grundeten: 1581 eine Kolonie am
Pomeroon
, 1616 die Kolonie
Essequibo
, 1627 die Kolonie
Berbice
und 1745 die Kolonie
Demerara
. Die Niederlande erschienen in der Karibik und in Sudamerika als ?verspatete Kolonialmacht“. Denn erst als die
Republik der Sieben Vereinigten Provinzen
im
Achtzigjahrigen Krieg
seit 1568 Schritt fur Schritt ihre Unabhangigkeit von der spanischen Krone erkampfte, war wahrend des
Goldenen Zeitalters
der Weg frei zum Aufbau eines eigenen Kolonialreiches. An der Nordkuste Sudamerikas mussten die Niederlander dabei mit dem Gebiet zwischen dem
Essequibo
und dem
Oyapock
vorliebnehmen, das von den Spaniern (im Westen) und den Portugiesen (im Osten) noch nicht in Beschlag genommen worden war: heute in etwa das Gebiet von Guyana, Suriname und Franzosisch-Guayana.
Die ersten Stutzpunkte an der Kuste und an den ins Hinterland fuhrenden Flussen dienten dem Handel mit den indigenen Volkern. Doch schon bald wurden Plantagen zum Anbau von Kaffee, Tabak,
Indigopflanzen
, Kakao, Baumwolle und vor allem
Zucker
angelegt. Um diese zu bewirtschaften, wurden Sklaven aus Afrika ?importiert“, die auf den Feldern unter erbarmlichen Bedingungen fur den Profit ihrer Herren schuften mussten.
1763
kam es in der Kolonie Berbice unter Fuhrung des Sklaven
Cuffy
(heute der Nationalheld Guyanas) zum
Sklavenaufstand
gegen die Niederlander. Rund 3000 Sklaven kampften fur ihre Freiheit und ihr Land. Der Aufstand begann am 23. Februar 1763 auf der Plantage Magdalenenberg am Canje, einem Nebenfluss des Berbice, und ergriff schnell Plantage um Plantage.
[1]
Erst nach 13 Monaten konnten die niederlandischen Truppen, unterstutzt von britischen und franzosischen, den Aufstand niederwerfen.
Die Entwicklung des
Frauenwahlrechts
ist mit der
Kolonialgeschichte des Gebietes
verknupft. 1812 wurde nach Frank A. Narain Frauen das Stimmrecht zugestanden, wenn sie Sklaven besaßen oder Einkommensteuer auf mindestens 10 000 Gulden zahlen konnten; in der Quelle finden sich keine Angaben dazu, ob damit Gleichheit zwischen Frauen und Mannern hergestellt wurde.
[2]
Der Besitz der drei Kolonien Essequibo, Berbice und Demerara (die Kolonie am Pomeroon war in der Kolonie Essequibo aufgegangen) wechselte bis 1814 mehrmals zwischen den Kolonialmachten Niederlande,
Großbritannien und Irland
und
Frankreich
.
Aufgrund des 1814 in London geschlossenen
Britisch-Niederlandischen Vertrages
traten die Niederlande die drei Kolonien Essequibo, Berbice und Demerara an das
Vereinigte Konigreich von Großbritannien und Irland
ab.
[3]
Der Vertrag bestatigte den Niederlanden ihre dortigen fruheren Handelsrechte. 1831 wurden die drei Kolonien zur Kolonie
Britisch-Guayana
vereinigt.
Nachdem 1834 die
Sklaverei
abgeschafft wurde, importierten die Briten ab 1838 vor allem Kontraktarbeiter aus
Britisch-Indien
als Ersatz fur die von
Zuckerrohr
-Plantagen wegziehenden Afro-Guyaner, außerdem ab 1835 Portugiesen vor allem aus
Madeira
.
[4]
Ab 1849 durften nur noch mannliche britische Staatsburger wahlen; durch Anforderungen an das Vermogen war deren Wahlrecht weiterhin eingeschrankt.
[2]
Nach Frank A. Narain erhielten 1928 die Frauen das aktive Wahlrecht zuruck; das Wahlrecht war auch weiterhin an ein bestimmtes Vermogen gekoppelt.
[2]
Eine andere Quelle nennt 1945 als Jahr fur die Einfuhrung des aktiven
Frauenwahlrechts
zum gesetzgebenden Gremium von
Britisch-Guayana
.
[5]
Im Jahre 1953 intervenierten britische Truppen in Britisch-Guayana. Großbritannien befurchtete, dass das Ehepaar
Janet
und
Cheddi Jagan
und die von ihnen gegrundete
People’s Progressive Party
(PPP) aus Guyana ein kommunistisches Land machen wollten.
Guyana erreichte die Unabhangigkeit vom
Vereinigten Konigreich
schließlich am 26. Mai 1966 und wurde am 23. Februar 1970 unter Premier
Forbes Burnham
vom
People’s National Congress
(PNC) zur Kooperativen Republik erklart.
Seit den 1960er Jahren spielen ethnische Konflikte zwischen den Afro-Guyanern und den Indisch-Guyanern in Gesellschaft und Politik immer wieder eine Rolle.
[6]
Zudem kam in den 60er Jahren der Grenzkonflikt mit
Venezuela
wieder auf, der in der venezolanischen Besetzung von
Ankoko Island
gipfelte.
Am 11. Oktober 1974 wurde Guyana zum ersten Mal fur zwei Jahre in den
UN-Sicherheitsrat
gewahlt und war damit das erste Land in dem Gremium, das weniger als eine Million Einwohner hatte. 1982/83 war das Land erneut Mitglied des Sicherheitsrats.
Im Jahr 1978 war Guyana durch das
Blutbad in Jonestown
in den Weltnachrichten. Sektenfuhrer
Jim Jones
des
Peoples Temple
gab nach der Ermordung eines amerikanischen Politikers seinen Anhangern den Auftrag zum kollektiven Selbstmord.
Im Jahre 1980 wurde ein neues Grundgesetz angenommen. Hierbei wurde das Amt des Premierministers in der Macht eingeschrankt und das exekutive Prasidentschaftsamt eingefuhrt.
1989 startete die Regierung Guyanas ein Wirtschaftsprogramm, welches eine drastische Wende weg von staatlich kontrollierter Planwirtschaft, hin zu einer freien Marktwirtschaft mit offenen Markten, bewirkte.
Nach den Prasidentschaftswahlen von 1992, die durch Cheddi Jagan von der PPP gewonnen wurde, kam es durch militante Anhanger der unterlegenen PNC zu heftigen Ausschreitungen in der Hauptstadt Georgetown. Nachdem Jagan 1997 gestorben war, wurde im Dezember 1997 seine Witwe, Janet Jagan zur neuen Prasidentin gewahlt. Im August 1999 trat sie aus gesundheitlichen Grunden zuruck und
Bharrat Jagdeo
wurde neuer Staatsprasident von Guyana.
Bei den Parlamentswahlen am 19. Marz 2001 wurde Bharrat Jagdeo in seinem Amt als Prasident bestatigt,
[7]
ebenso bei den folgenden Wahlen am 2. September 2006. Nach dem erneuten Wahlerfolg der PPP im Jahre 2011 wurde ihr Kandidat
Donald Ramotar
am 3. Dezember 2011 Prasident und Nachfolger des bisherigen Amtsinhabers Bharrat Jagdeo, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte. 2015 unterlag Ramotar dem neuen Prasidenten
David Arthur Granger
. Am 21. Dezember 2018 sprach das Parlament Granger das Misstrauen aus. Der Verfassung gemaß hatte daraufhin innerhalb von 90 Tagen ein neues Parlament gewahlt werden mussen. Die Regierung focht das
Misstrauensvotum
jedoch gerichtlich an und konnte so Zeit gewinnen. Am 18. Juni 2019 entschied der
Caribbean Court of Justice
(CCJ) in letzter Instanz, dass die Regierung Neuwahlen anzusetzen habe. Die gerichtlich angeordneten Wahlen fanden schließlich am 2. Marz 2020 statt. Die Wahlkommission erklarte die regierende APNU-AFC-Koalition mit 59.077 Stimmen Vorsprung vor der PPP zur Wahlsiegerin. Die Stimmauszahlung war jedoch nach den Feststellungen internationaler Wahlbeobachter teilweise regelwidrig erfolgt. Nach anhaltenden Protesten verstandigten sich Regierung und Opposition schließlich auf eine Neuauszahlung. Diese lief jedoch sehr schleppend an. Am 18. Mai 2020 waren erst 642 von 2339 Wahlurnen neu ausgezahlt. Nach der Neuauszahlung trat schließlich
Irfaan Ali
von der PPP im August 2020 sein Amt an.
Am 3. Dezember 2023 fand in Venezuela ein
Referendum
uber die
Annexion
eines Teils von Guyana statt. Rund 96 Prozent der Teilnehmer bejahten die Frage, ob ein neuer venezolanischer Bundesstaat namens
Guayana Esequiba
geschaffen und die dortige Bevolkerung die venezolanische Staatsburgerschaft bekommen soll.
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Jay R. Mandle:
The Plantation Economy. Population and Economic Change in Guyana 1838?1960
. Temple University Press, Philadelphia 1973.
- Walter Rodney
:
A History of the Guyanese Working People, 1881?1905
. Johns Hopkins University Press; Baltimore 1981.
- Chaitram Singh:
Guyana. Politics in a Plantation Society
. Praeger, London 1988.
- Andrew Morrison:
Justice: The Struggle for Democracy in Guyana, 1952?1992
. Red Thread Women’s Press, Georgetown 1998.
- ↑
Alvin Thompson:
The Berbice Revolt 1763-64
. In: Winston F. McGowan, James G. Rose and David A. Granger (Hg.):
Themes in African-Guyanese History
. Free Press, Georgetown 1998; Nachdruck: Hansib, London 2009,
ISBN 978-1-906190-18-7
, hier S. 80.
- ↑
a
b
c
Frank A. Narain:
Historical Information Events and Dates on the Parliament of Guyana from 1718 to 2006
Parliament of Guyana, 2009, S. 112.
- ↑
George W. Bennett:
An illustrated history of British Guiana, compiled from various authorities
. Richardson & Co., Georgetown 1866, S. 22.
- ↑
Mary Noel Menezes:
The Portuguese of Guyana. A study in culture and conflict
. Georgetown 1993, Neuausgabe 2010.
- ↑
Guyana ? National Assembly
.
In:
IPU Parline: Global data on national parliaments.
Abgerufen am 3. Mai 2021
(englisch).
- ↑
Bernd Hillebrands:
?Dem is one race, de Caribbean man?“ Ethnische Segmentierung in der Commonwealth-Karibik
. In:
Karibische Vielfalt ? Karibische Einheit
(= Lateinamerika. Analysen ? Daten ? Dokumentation, Bd. 27). Institut fur Iberoamerika-Kunde / Deutsches Ubersee-Institut, Hamburg 1994, S. 25?48.
- ↑
Charles Ritterband
:
Umstrittener Sieg der Regierungspartei in Guyana
. In: Neue Zurcher Zeitung, 26. Marz 2001.
Geschichte neuzeitlicher Staaten Sudamerikas