Friedrich Cerha
(*
17. Februar
1926
in
Wien
; †
14. Februar
2023
ebenda
[1]
) war ein
osterreichischer
Komponist
und
Dirigent
.
Friedrich Cerha erhielt 1933 im Alter von sieben Jahren seinen ersten Violinunterricht bei
Anton Pejhovsky
.
[2]
[3]
Im Jahr 1943 wurde er mit 17 Jahren als
Luftwaffenhelfer
verpflichtet und musste seinen Dienst in
Achau
, sudlich von Wien, verrichten. Schon dort beteiligte er sich an Widerstandshandlungen. Nach einem Semester an der Universitat wurde er im November 1944 in eine
Offizierschule
in das
besetzte Danemark
beordert. Dort nahm er einen Stoß blanko unterschriebener
Marschbefehle
an sich und
desertierte
. Nach einiger Zeit, in der er es geschafft hatte, sich innerhalb des deutschen Gebiets mit Hilfe seiner Marschpapiere unentdeckt aufzuhalten, wurde er bei einem sowjetischen Vorstoß in der Nahe von Pommern in eine Einheit eingegliedert. Spater desertierte er ein zweites Mal und schlug sich bis ins westliche Osterreich durch. Dort lebte er mehrere Monate in den Tiroler Alpen, um als
Soldat
der
Wehrmacht
der Gefangenschaft durch die Alliierten zu entgehen.
[4]
[5]
Cerha erhielt seine Ausbildung an der
Wiener Musikakademie
(Violine, Komposition, Musikerziehung) und an der
Universitat Wien
(Musikwissenschaften, Germanistik, Philosophie). Im Jahr 1958 grundete er gemeinsam mit
Kurt Schwertsik
das
Ensemble die reihe
, das vor allem zeitgenossische Musik in Osterreich auffuhrte. Neben seiner Kompositionstatigkeit trat er als Interpret von Werken
Alban Bergs
,
Arnold Schonbergs
und
Anton Weberns
auf. Fur Alban Bergs Oper
Lulu
, die Berg selbst nicht vollenden konnte, instrumentierte Cerha nach Notizen Bergs unausgefuhrt gebliebene Abschnitte des 3. Akts. Die Urauffuhrung der komplettierten Oper fand 1979 unter
Pierre Boulez
in Paris statt.
Ab 1959 war Cerha Lehrer an der
Hochschule fur Musik und darstellende Kunst
in Wien und von 1976 bis 1988 dort Professor fur ?Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik“. Zu seinen Schulern zahlten unter anderem
Georg Friedrich Haas
,
Dirk D’Ase
,
Karlheinz Essl
,
Christian Ofenbauer
und
Benet Casablancas
.
Der auch im hohen Alter weiterhin kompositorisch tatige Cerha trat vor allem als Komponist orchestraler Werke hervor, so z. B. ein Konzert fur Schlagwerk und Orchester fur
Martin Grubinger
(UA 2009).
Der
Musikwissenschaftler
Werner Grunzweig
charakterisiert das Fruhwerk Cerhas im Loseblatt-Lexikon
Komponisten der Gegenwart
wie folgt: ?Nach Kriegsende setzte sich Cerha zunachst mit dem im Konzertleben und Unterrichtsbetrieb vorherrschenden
Neoklassizismus
auseinander. Das 1947/1948 geschriebene, 1954 uberarbeitete
Divertimento
ist eine
Hommage
an
Strawinsky
. Spater wurden die Werke
Anton Weberns
und ab 1956 die
seriellen Techniken
der
Avantgarde
zu Ausgangspunkten fur weitere selbstandige kompositorische Entwicklungen (
Relazioni fragili
,
Espressioni fondamentali
,
Intersecazioni
). Mit
Mouvements
,
Fasce
und seinem
Spiegel
-Zyklus (1960/1961) hat er sich eine von traditionellen Formulierungen ganzlich freie Klangsprache geschaffen.“
[6]
Die Musik- und Theaterwissenschaftlerin Sigrid Wiesmann beschreibt diese Phase im
Metzler Komponisten Lexikon
ahnlich: ?C., von Jugend auf kompositorisch interessiert, hat alle Stromungen der Musik unserer Zeit erfahren und sich in seinen Klangkombinationen doch nie diesen Stromungen untergeordnet. Wenige Anklange an Stravinsky sind sehr fruh uberwunden, die Musik der
Wiener Schule
wird nur als gedankliche Basis erarbeitet. Selbst seriell konzipierte Stucke wie
Relazioni fragili
fur
Cembalo
und Orchester (1956?57/1975) sind anders seriell, als man es gelernt hat. Klangkompositionen wie
Trois mouvements
fur Orchester (1960) werden nicht zu Wolkenbildern, sondern zu Zustanden, innerhalb derer sich Klangliches konsequent in kleinsten Schritten verandert. Vielleicht ist dies C.s ?Ausbrechen‘: daß er in allen seinen kompositorischen Entwicklungsphasen schon außerhalb einer Stromung denkt und schreibt, ehe sie noch als solche deklariert wurde.“
[7]
In den
Spiegeln
von 1960/61 bahne sich, schreibt Wiesmann, ?zum ersten Mal ein theatralischer Aspekt an, da C. die musikalischen Vorgange mit bildhaften Vorstellungen verknupft hat.“
[7]
Lothar Knessl
, Musikjournalist mit Schwerpunkt auf der
Neuen Musik
, findet die Kompositionen Cerhas ?unangepasst“. Dies bedeute ?einerseits, dass Cerhas Kompositionen fur die Buhne ? und nicht nur diese ? zwar von den Klangbildern ihrer Entstehungszeit durchdrungen sind, vielleicht auch subkutan den Zeitgeist reflektieren.“ Er fuhrt weiter aus: ?Vorrangig aber sind sie abseits von einer meist fluchtigen Modestromung formuliert, gefestigt durch eine wandlungsfahige Tonsprache, die sich summarisch als Personalstil agnoszieren lasst: unverkennbar Cerha, abseits von jeglichem polystilistischen Mischmasch und schon dadurch unangepasst. Andererseits bezieht sich ?unangepasst‘ existenziell auf die
Protagonisten
seiner Buhnenwerke. Wie diesen, außerhalb von Gesellschaftsnormen stehenden, Individuen zu begegnen ist, liegt im Ermessen des Rezipienten, Sympathie nicht ausgeschlossen.“
[8]
Die Opern
Baal
(1974?1981),
Der Rattenfanger
(1984?1986) und
Der Riese vom Steinfeld
(1997?1999), die alle unter der Kurzformel (oder ?
Label
“
[9]
) ?Mechanismen der Macht“ zusammengefasst werden konnen,
[10]
sind die meistbeachteten Werke von Cerha. Das Ausmaß der medialen Aufmerksamkeit, die deren Urauffuhrungen entgegengebracht wurde, ?ubertrifft deutlich, was Urauffuhrungen anderer zeitgenossischer Opern im zeitlichen Umfeld zuteil wurde“.
[11]
Dabei polarisierte insbesondere
Baal
: ?Zwischen uberschwanglicher Bewunderung und Zustimmung […] bis zu stark kritischen Positionen […] reicht die Spannbreite der medialen Berichterstattung, fur die Tageszeitungen in ihren Kulturteilen großzugig Platz einraumen.“
[12]
- Der Turandotstoff in der deutschen Literatur.
Dissertation. Universitat Wien, 1950.
- Schriften: ein Netzwerk
. Verlag Lafite, Wien 2001 (Textsammlung und Werkeinfuhrungen).
- Texte zu Entwicklungsstufen und Werken 1935 bis 2017.
Musikzeit, Wien 2018.
- Duo fur 2 Violinen
(1934)
[20]
- Gschwandtner Tanze
? Fur 2 Violinen, Viola und Kontrabass (1938)
[20]
- Zwei Lieder fur Singstimme und Klavier
(1942)
[20]
- Schlaf ein
? Ein Wiegenlied fur Singstimme und Klavier, Text: Hildegard Haustein (1945)
[20]
- Arie und Fuge
? Fur Blaseroktett (1946)
[20]
- Ein Buch von der Minne
? 4 mal 11 Lieder nach alten Texten fur Singstimme und Klavier (1946?1964)
[20]
- Sonnengesang des Heiligen Franz von Assisi
? Fur Soli, gemischten Chor und Streichorchester (1948?1952)
[20]
- Divertimento fur acht Blaser und Schlagzeug
? Hommage a Igor Strawinsky (1954)
[20]
- Deux eclats en reflexion
? Fur Violine und Klavier (1956)
[20]
- Spiegel I?VII
? Fur großes Orchester und Tonband, Gesamtzyklus (1960?1961)
[20]
- Sinfonie
? Fur Orchester (1975)
[20]
- Requiem fur Hollensteiner
? Fur Bariton, Sprecher, gemischten Chor und Orchester (1983)
[20]
- Baal-Gesange
? Fur Bariton und Orchester (1981)
[20]
- Monumentum fur
Karl Prantl
? Fur großes Orchester (1988)
[20]
- Impulse
? Fur großes Orchester (1992?1993) UA 1996 Musikverein, Grosser Saal mit den
Wiener Philharmonikern
[20]
- Funf Stucke fur Klarinette in A, Violoncello und Klavier
(2000)
[20]
- Konzert fur Sopransaxophon und Orchester
(2003?2004) UA 2006 in
Frederiksvaerk
unter
Heinz Karl Gruber
[20]
- Konzert fur Violine und Orchester
(2004)
[20]
- Quintett
? Fur Oboe und Streichquartett, 2007
[21]
[20]
- Konzert fur Schlagzeug und Orchester
(2007?2008)
[20]
- Like a Tragicomedy
? Fur großes Orchester (2008?2009)
[20]
- Bruchstuck, getraumt
? Fur Ensemble (2009)
[20]
- Paraphrase uber den Anfang der 9. Symphonie von Beethoven
? Fur Orchester (2010)
[20]
- Zebra-Trio
? Fur Violine, Viola und Violoncello (2011)
[20]
- Tagebuch
? Fur Orchester (2012)
[20]
- Drei Situationen
? Fur Orchester (2015)
[20]
- Ballade fur Klavier.
1945?1946.
[20]
- Sechs Lieder fur Singstimme und Klavier.
1945?1947.
[20]
- Marchenland.
Ein Zyklus von Klavierstucken, Text: Hildegard Haustein (1946)
[20]
- Sonatine fur Traudl’s Hande.
Fur Klavier (1948/1951)
[20]
- Suite fur Violoncello solo.
(2016)
[22]
- Toccata fur Orgel solo
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[22]
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