Brian O’Nolan

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Brian O’Nolan , irisch Brian O Nuallain (* 5. Oktober 1911 in Strabane , County Tyrone , Nordirland ; † 1. April 1966 in Dublin ), war ein irischer Schriftsteller . Unter dem Namen Flann O’Brien veroffentlichte er vier Romane in englischer Sprache: At Swim-Two-Birds (1939), The Hard Life (1962), The Dalkey Archive (1964) und The Third Policeman (1968, postum); mit Myles na gCopaleen zeichnete er seine von 1940 bis zu seinem Tod 1966 in der Irish Times erscheinende satirische Kolumne Cruiskeen Lawn sowie An Beal Bocht (1941), seinen einzigen Roman in irischer Sprache.

Plakette am Geburtshaus des Brian O’Nolan/Brian O Nuallain in Bowling Green

Brian O’Nolan wurde als drittes von zwolf Kindern geboren. Von 1929 bis 1935 studierte er am University College Dublin und an der Universitat Koln Irisch, Englisch und Deutsch . Schon wahrend des Studiums veroffentlichte er Artikel unter zahlreichen Pseudonymen und war Herausgeber der Zeitschrift Blather . Ab 1935 arbeitete er als Regierungsbeamter, lehrte zeitweilig am University College Dublin und schrieb fur verschiedene Zeitungen. Um 1940 schrieb er die drei Romane Auf Schwimmen-zwei-Vogel , An Beal Bocht ? in irischer Sprache unter dem Pseudonym Myles na gCopaleen (dt. Myles von den Pferdchen; die irisch-englische Schreibung ?gC-“ zeigt die Anlautmutation des Irischen) ? sowie Der dritte Polizist. Der dritte Polizist wurde jedoch vom Verleger abgelehnt und erst postum veroffentlicht. Das Pseudonym hatte er einer Figur aus Dion Boucicaults Melodrama The Colleen Bawn entliehen. Ab 1940 veroffentlichte er taglich in der Irish Times ebenfalls unter diesem Pseudonym die satirische Kolumne Cruiskeen Lawn (anglisierte Version von irisch Cruiscin Lan , ?Voller Krug“) [1] , von der in 25 Jahren fast 3.000 erschienen sind. In seiner Umwelt wurde aus dem Beamten O’Nolan , gegen die Absicht des Schopfers, ein Myles .

Die Kolumne Cruiskeen Lawn ist ein Beispiel fur den multilingualen Humor, den man bei Brian O’Nolan haufig findet. Anfanglich Irisch, war die Kolumne ublicherweise auf Englisch verfasst, manchmal aber wieder auf Irisch oder auch Franzosisch, Latein oder Deutsch, und manchmal in einer von ihm selbst erfundenen englisch-irischen Mischform. Damit wollte er ?linguistische Nationalisten“ und ihr Trugbild von irischer Unabhangigkeit lacherlich machen. Auch beschrieb er in der Kolumne ironisch zahlreiche geniale Erfindungen und Plane zur Verbesserung der Lage der irischen Nation. In den fruhen 1940er-Jahren kritisierte er die neutrale Außenpolitik der damaligen irischen Fianna-Fail-Regierung und trug so zur politischen Meinungsbildung bei. Unter den irischen ?Allzweckliberalen“ wurde von ihm der Literat Sean O’Faolain am scharfsten verspottet. [2]

Grab von Brian O’Nolan/Brian O Nuallain, seiner Eltern und seiner Frau, Dean’s Grange Cemetery, Dublin

1953 musste er den offentlichen Dienst verlassen, nachdem er in seiner Zeitungskolumne eine Satire uber einen Minister verfasst hatte. Obwohl er fortan mehr Zeit zum Schreiben hatte, konnte O’Brien zunachst nicht an seine erfolgreiche Zeit als Schriftsteller anknupfen.

Brian O’Nolan ist als einzigartiger Schopfer bizarrer Charaktere und als Meister des Wortspiels in die Literaturgeschichte eingegangen. Zentrale Themen seiner Werke sind: Irisches Leben, der Tod, ?wissenschaftliche“ Theorien, Trunksucht und Fahrrader sowie die Schafe als Gegenstand molekularphysikalischer Gedankenexperimente als Teil O’Brienscher Wissenschaftsparodie .

O’Nolans Romane haben dank ihres bizarren Humors und ihrer kunstvollen, der Moderne zugehorigen Metafiktion eine große Leserschaft gefunden. Auf Schwimmen-zwei-Vogel , benannt nach der Furt Snamh da Ean, englisch: Swim-Two-Birds , am Shannon , ist ein Roman uber einen Studenten, der mehrere Geschichten verfasst, in denen die handelnden Personen miteinander agieren, indem sie sich beispielsweise gegen den von dem Studenten erdachten Autor verbunden und ihrerseits selbst einen Roman schreiben. Der dritte Polizist hat hingegen eine vordergrundige Handlung uber die Hollenvision eines jungen auf dem Lande lebenden Iren, dargestellt vor dem Hintergrund einer als akademische Debatte verkleideten Satire uber einen exzentrischen Naturwissenschaftler und Philosophen namens de Selby . Im selben Werk fand O’Brien auch noch Raum, die Atomtheorie des Fahrrades einzufuhren, gemaß welcher Mensch und Fahrrad durch zu intensiven Kontakt Atome austauschen: die Fahrrader ?vermenscheln“, die Menschen ?verfahrradeln“. Der Protagonist in Aus Dalkeys Archiven , ein weiterer junger Mann, begegnet einem bußfertigen altlichen James Joyce , der angeblich nie eines seiner Bucher schrieb und lediglich versucht, von den Jesuiten aufgenommen zu werden. Bis dies gelingt, arbeitet Joyce als Aushilfskellner in einem Ferienort. Wie in dem Roman Der dritte Polizist taucht auch in diesem Buch der ratselhafte Wissenschaftler de Selby auf, der hier plant, den gesamten Sauerstoff aus der Atmosphare zu entfernen. Das Fahrradmotiv wird in Aus Dalkeys Archiven wiederum durch einen Polizisten eingefuhrt.

Andere Romane sind Das harte Leben , eine fiktive Autobiografie, und Irisches Tagebuch bzw. Das Barmen , das O’Brien auf Irisch verfasste und selbst ins Englische ubersetzte. Auch hierbei handelt es sich um eine fiktive Autobiografie, die eine Parodie der Autobiografie von Tomas O Criomhthain namens An tOileanach ist.

Als Romanautor war O’Nolan stark von James Joyce beeinflusst. Er hatte sich sogar bemuht, dasselbe College wie Joyce zu besuchen, und benutzte dazu ein gefalschtes Interview mit Joyce’ Vater. Er blieb trotzdem skeptisch, was den Kult um Joyce anging: Ich erklare vor Gott, dass ich Schaum vor dem Maul haben werde, wenn ich den Namen Joyce noch einmal hore!

Auch Harry Rowohlt ubersetzte O’Nolan ins Deutsche

Brian O’Nolan wird als bedeutender irischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts angesehen. Der britische Schriftsteller Anthony Burgess sagte uber ihn: Wenn wir das Werk von Flann O’Brien nicht wertschatzen, sind wir dumme Narren, die es nicht verdient haben, bedeutende Manner zu haben. Flann O’Brien ist ein sehr bedeutender Mann. Burgess nahm Auf Schwimmen-zwei-Vogel in seine Liste der 99 großartigen Romane auf. [3]

Auf Schwimmen-zwei-Vogel wird heute als einer der wichtigsten Romane der Moderne vor 1945 anerkannt. Es kann sogar als Pionierroman der Postmoderne gesehen werden [4] , obwohl der Akademiker Keith Hopper uberzeugend argumentierte, dass Der dritte Polizist ? oberflachlich weniger radikal ? in Wirklichkeit ein sehr subversives und proto-postmodernes Buch ist. Auf Schwimmen-zwei-Vogel war eines der letzten Bucher, das Joyce las. Er lobte es Freunden gegenuber. Dieses Lob wurde anschließend fur viele Jahre auf den Buchdeckeln von O’Briens Buchern benutzt. Der Titel des wahrend des Osteraufstands 1916 spielenden Romans At Swim, Two Boys von Jamie O’Neill (2001) ist ein Verweis auf Flann O’Brien.

Der Science-Fiction -Schriftsteller und Satiriker Robert Anton Wilson nahm den fiktiven, von O’Nolan erfundenen Wissenschaftler de Selby in seinen Romanzyklus Die Illuminaten-Chroniken auf.

Werke (Auswahl)

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  • Anne Clissman: Flann O’Brien; A critical introduction to his writings. Dublin 1975.
  • Peter Costello, Peter van de Kamp: Flann O’Brien: An Illustrated Biography. Bloomsbury, London 1987, ISBN 0-7475-0328-1 .
  • Anthony Cronin : Flann O’Brien. Eine Biographie. FVA, Frankfurt 1991 (Originaltitel: No Laughing Matter: The Life and Times of Flann O’Brien . 1989).
  • Keith Hopper: Flann O’Brien: A Portrait of the Artist As a Young Post-Modernist. Cork 1995, ISBN 1-85918-042-6 .
  • Heiko Postma : ≫Falls Sie verstehen, was ich meine≪ Uber den irischen Humoristen Flann O’Brien (1911?1966). jmb, Hannover 2010, ISBN 978-3-940970-30-5 .
  • Christian Schuldt: Selbstbeobachtung und die Evolution des Kunstsystems. Transcript Verlag, Bielefeld 2005, ISBN 3-89942-402-6 (systemtheoretische Analyse von O’Briens metafiktionalen Romanen At Swim-Two-Birds und The Third Policeman ).
  • Thomas F. Shea: Flann O’Brien’s Exorbitant Novels. Associated University Presses, Cranbury, London, Mississauga 1992, ISBN 0-8387-5220-9 .

Einzelnachweise, Fußnoten

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  1. Die Times-Kolumnen wurden ausgewahlt von John Wyse Jackson, ubersetzt von Harry Rowohlt. Auswahlen publiziert als Trost und Rat und Golden Hours
  2. John Wyse Jackson: Einfuhrung des Herausgebers. In: Flann O’Brien: Golden hours: die goldenen Stunden des Myles na gCopaleen. Heyne, Munchen 2006, S. 17.
  3. nytimes.com
  4. Vgl. Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literaturlexikon Bd. 12, 1996, S. 576.