Ferdynand Goetel

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Ferdynand Goetel (1936)
Grab in Zakopane

Ferdynand Goetel (geboren 15. Mai 1890 in Sucha Beskidzka , Osterreich-Ungarn ; gestorben 24. November 1960 in London ) war ein polnischer Schriftsteller und Emigrant.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ferdynand Goetel besuchte verschiedene Schulen und begann 1909 ein Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Wien . Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs hielt er sich in Warschau im Russischen Kaiserreich auf und wurde als feindlicher Auslander ins Landesinnere nach Taschkent interniert. Nach der Machtergreifung durch die Bolschewiki (?Oktoberrevolution“) schloss er sich 1918 der Roten Armee im Kaukasus an, seine Erfahrungen dabei verarbeitete er in dem Roman ?Kar Chat“ (1922). [1]

Doch desertierte er 1919 aus der Roten Armee, um in das wieder entstandene Polen zuruckzukehren. Seine Reise uber den Iran, Afghanistan, Indien und Großbritannien dauerte vierzehn Monate. [2]

Goetel schrieb Romane und Reisebucher, die gut aufgenommen wurden. Er schrieb auch fur das Theater. Sein Roman Z dnia na dzie? (?Von Tag zu Tag“), dem seine Erfahrungen im zaristischen Internierungslager zugrunde liegen, wurde von Jozef Lejtes 1929 verfilmt, Goetel lieferte auch das Drehbuch. Bis 1939 wirkte er an insgesamt neun Filmen als Drehbuchschreiber mit. [3]

Er war ab 1932 Vorsitzender des polnischen Schriftstellerverbandes und von 1926 bis 1933 Prasident des polnischen P.E.N. 1936 wurde er auf Vorschlag von Karol Irzykowski unter die funfzehn Mitglieder der Polnischen Literaturakademie gewahlt. In seinem Essayband ?Pod znakiem faszyzmu“ (Im Zeichen des Faschismus, 1938) außerte Goetel Sympathien fur den italienischen Faschismus und sprach sich fur ein Lager der nationalen Einheit aus. Darin hatten jedoch die polnischen Juden keinen Platz, sie mussten daher zur Emigration gedrangt werden. Allerdings lehnte Goetel den deutschen Nationalsozialismus als ?primitiv und brutal“ entschieden ab. [4] Auch forderte er den Anschluss der Freien Stadt Danzig an Polen. [5]

Nach dem deutschen Einmarsch in Polen im September 1939 wirkte er im polnischen Widerstand. [4] Wahrend der deutschen Besatzung wurde er zunachst der Sympathien fur das NS-Regime verdachtigt; wegen seiner angeblichen Kooperation mit dem deutschen Propagandaamt in Warschau wurde er vom polnischen Widerstand verwarnt. [6] Allerdings wurde Goetel wiederholt von der Gestapo festgenommen und bei Verhoren im Gestapo-Gefangnis Pawiak geschlagen. Auch publizierte er nicht wahrend der deutschen Besatzung. [7]

Goetel und seine Frau Jadwiga halfen judischen Burgern, der Verfolgung durch die deutschen Besatzer zu entkommen. Jadwiga Goetel wurde 2004 postum als Gerechte unter den Volkern geehrt. [8]

Goetel gehorte 1943 als prominenter Literat zu den Polen, die von den Besatzern aufgefordert wurden, vor Ort die Exhumierung der Opfer des Massakers von Katyn zu besichtigen. [6] [4] Er informierte Mitglieder der polnischen Widerstandsbewegung uber die Einladung der Deutschen nach Katyn, ihm wurde geraten, diese anzunehmen, da auf diese Weise das Schicksal der vermissten polnischen Offiziere, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten waren, aufgeklart werden konne. [9] Er wurde in einer kleinen Gruppe, zu der der Schriftsteller Jan Emil Skiwski und der Direktor der polnischen Fursorge (RGO), Edmund Seyfried , gehorten, [10] nach Smolensk geflogen.

Nach seiner Ruckkehr aus Katyn verfasste er einen Bericht fur den polnischen Untergrund, der auch zur polnischen Exilregierung in London weitergeleitet wurde. Auch berichtete Goetel bei geheimen Zusammenkunften von AK-Fuhrern uber die Reise. Der Oberkommandierende der AK, General Stefan Rowecki , bescheinigte ihm, sich damit ?um Polen verdient gemacht zu haben“. Die nach London weitergeleiteten Berichte bestarkten die Exilregierung in ihrem Verdacht, dass die Offiziere der polnischen Streitkrafte von der Sowjetunion ermordet worden waren. [11]

Nach der Errichtung eines kommunistischen Regimes in Polen wurde im gesamten Ostblock die sowjetische Verantwortung fur diesen Massenmord geleugnet, und Andersdenkende wurden verfolgt, auch unter dem Vorwurf der Kollaboration mit dem Naziregime. Goetel versteckte sich zunachst in einem Krakauer Kloster. [12] Mit einem gefalschten niederlandischen Pass konnte er im Sommer 1946 uber die Tschechoslowakei nach Bayern fliehen. [13] Von dort reiste er weiter zum Generalstab der polnischen Streitkrafte, die unter dem Kommando des Generals Władysław Anders unter britischem Oberbefehl auf Seiten der Alliierten gegen die Wehrmacht gekampft hatten, in das italienische Ancona . Nachdem eine Uberprufung ergeben hatte, dass die Vorwurfe, Goetel habe im Krieg mit den deutschen Besatzern kollaboriert, gegenstandslos seien, wurde er dem Pressestab der Anders-Armee zugeteilt. [14]

Mit Tausenden von demobilisierten Soldaten der Anders-Armee ließ sich Goetel mit seiner Frau in London nieder, wo er die nachsten funfzehn Jahre unter armseligen Verhaltnissen im politischen Exil lebte und fur Exilorganisationen arbeitete. Er sagte 1952 vor dem Untersuchungsausschuss des amerikanischen Kongresses zu Katyn ( Madden-Kommission ) aus. [15]

Die sterblichen Uberreste Goetels wurden 2003 nach Zakopane ubergefuhrt.

Werke (Auswahl) [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Kar Chat . Roman. 1922
  • Przez płon?cy Wschod : wra?enia z podro?y . Warschau, 1922
  • P?tnik Karapeta . Erzahlungen. 1923
  • Ludzko?? : dwa opowiadania . Warschau, 1925
  • Z dnia na dzie? . Warschau, 1926 (dt. Ausgabe: Von Tag zu Tag . Roman. Ubers. von J. M. Schubert. Berlin : Zsolnay, 1931)
  • Egipt . Lwow, 1927
  • Humoreski . 1927
  • Der Fluchtling von Taschkent . Ubers. von J. M. Schubert. Berlin : Neufeld & Henius, 1927
  • Wyspa na chmurnej połnocy . Warschau, 1928
  • Menschheit . Zwei Erzahlungen. Ubertr. v. A. von Guttry. Berlin : Die Horen, 1928
  • Samuel Zborowski : Rycerz na podolu : sztuka historyczna . 1929
  • Serce lodow . Roman. 1930
  • Dziesi?ciu z Pawiaka . Drama. 1931
  • Podro? do Indii . Warschau, 1933
  • Dzie? wielkiej przygody . Drama. 1935. Film
  • Vorarbeiter Czy? . Aus d. Poln. ubertr. von Heinrich Koitz. Breslau : Paul Kupfer, 1935
  • Pod znakiem faszyzmu . Warschau : Roj, 1938
  • Cyklon . Warschau, 1939
  • Czasy wojny . Autobiografie. London, 1955
  • Nie warto by? małym . 1959
  • Anakonda . Roman. 1964 (postum)
  • Patrz?c wstecz . Tagebuch. London : Polska Fundacja Kulturalna, 1966 (postum)

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Thomas Urban : Katyn 1940. Geschichte eines Verbrechens Munchen : C. H. Beck, 2015
  • Krzysztof Polecho?ski: Pisarz w czasach wojny i emigracji : Ferdynand Goetel i jego tworczo?? w latach 1939?1960 Breslau : Wydział Filologiczny Uniwersytetu Wrocławskiego, 2012 (enthalt eine Zusammenfassung in Deutsch: Der Schriftsteller in Zeiten des Krieges und im Exil : Ferdynand Goetel und sein Werk in den Jahren 1939?1960 )
  • Artikel Ferdynand Goetel in: Stanley S. Sokol, Sharon F. Mrotek Kissane, Alfred L. Abramowicz: The Polish biographical dictionary . Bolchazy-Carducci Publishers, 1992, S. 129. ISBN 0-86516-245-X Google Books (en)
  • Klaus-Peter Friedrich: Der ?Fall Jozef Mackiewicz“ und die polnische Zeitgeschichte , in: Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft , 2000, S. 697?717
  • Anna M. Cienciala , Natalia S. Lebedeva, Wojciech Materski (Hrsg.): Katy?. A crime without punishment , Ubersetzung der Dokumente Marian Schwartz, Anna M. Cienciała, Maia A. Kipp. New Haven : Yale University Press, 2007, S. 390

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Ferdynand Goetel  ? Sammlung von Bildern

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Czesław Miłosz : The history of Polish literature. Stanford 1983, S. 423.
  2. Tomasz Zbigniew Zapert, Ferdynand Goetel ? ostatnia ofiara Katynia , in: Rzeczpospolita , 29. Februar 2008, S. 8.
  3. Eintrag Goetel, Ferdynand , in: Stanley S. Sokol, Sharon F. Mrotek Kissane, Alfred L. Abramowicz: The Polish biographical dictionary . Bolchazy-Carducci Publishers. S. 129. ISBN 0-86516-245-X .
  4. a b c Thomas Urban: Katyn 1940 , 2015, S. 92?94
  5. Marek Gał?zowski, Inny ?wiadek Katynia , in: Do Rzeczy Historia , 8/2022, S. 52.
  6. a b John P. Fox: Der Fall Katyn und die Propaganda des NS-Regimes. In: Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte , 30. Jahrgang 1982, Heft 3, S. 462?499 ( PDF )
  7. Tomasz Wolsza: ?To co wiedziałem przekracza sw? groz? naj?mielsze fantazje.“ Wojenne i powojenne losy Polakow wizytuj?cych Katy? w 1943 roku. Warschau 2015, S. 30.
  8. More Righteous Honoured in Krakow ( Memento des Originals vom 27. Dezember 2015 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.sprawiedliwi.org.pl , bei sprawiedliwi, 30. April 2015
  9. Tomasz Wolsza: ?To co wiedziałem przekracza sw? groz? naj?mielsze fantazje.“ Wojenne i powojenne losy Polakow wizytuj?cych Katy? w 1943 roku. Warschau 2015, S. 150.
  10. Tomasz Wolsza: ?To co wiedziałem przekracza sw? groz? naj?mielsze fantazje.“ Wojenne i powojenne losy Polakow wizytuj?cych Katy? w 1943 roku. Warschau 2015, S. 230.
  11. The Katyn Forest Massacre . US Government Printing Office. Washington 1952, vol. IV, S. 847.
  12. Ferdynand Goetel: Czasy wojny. Krakow 2005, S. 99?101.
  13. Ferdynand Goetel: Czasy wojny. Krakow 2005, S. 145?147.
  14. Tomasz Wolsza: ?To co wiedziałem przekracza sw? groz? naj?mielsze fantazje.“ Wojenne i powojenne losy Polakow wizytuj?cych Katy? w 1943 roku. Warschau 2015, S. 98.
  15. The Katyn Forrest Massacre, vol. IV, S. 760?768.