Exterritorialitat

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Exterritorialitat ( lateinisch ex terra , ?aus dem Land heraus“), teilweise auch als Extraterritorialitat bezeichnet, beschreibt die Ausnahmestellung gegenuber der Hoheit des Aufenthaltsstaates. [1] Der Begriff ist zwischenzeitlich einem Bedeutungswandel unterlegen. Wahrend er ursprunglich dazu diente, die besondere volkerrechtliche Stellung von Personen ( Staatsoberhauptern , Regierungsvertretern , Diplomaten ) zu beschreiben, [2] wird er heute zumeist nur noch im Zusammenhang mit dem Status von diplomatischen Liegenschaften verwendet. Der genaue Bedeutungssinn ist dabei jedoch oft unklar.

Ursprungliche Bedeutung im Volkerrecht

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Das Gesandtschaftsviertel in Peking (hier vor 1912) galt aus chinesischer Sicht als exterritorial.
Karte des Pekinger Gesandtschaftsviertels um 1903.

Der Begriff bezeichnete ursprunglich die Vorzugsstellung, die vor allem Diplomaten im Empfangsstaat genossen. Die altere auf Hugo Grotius zuruckgehende Exterritorialitatslehre erklarte die privilegierte Stellung mittels einer Fiktion : Der diplomatische Vertreter wurde wahrend seines Aufenthalts im Empfangsstaat als außerhalb des Staatsgebietes des Empfangsstaates befindlich behandelt. Dieser war fur die Reprasentanten des Empfangsstaates absolut unangreifbar und unterlag weder der Polizeigewalt noch der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates. [3]

Hiermit einher ging, dass in fruheren Zeiten der Bereich, der dem Diplomaten zur uneingeschrankten Nutzung uberlassen war, ungleich großer war als heute. Der Umfang der privilegierten Zone bestand nicht nur aus dem eigentlichen Gesandtschaftsgebaude (franchise de l’hotel) , sondern aus der Freiheit eines ganzen Viertels (franchise du quartier) . Der Bezirk, in dem sich die Gesandtschaft befand, mit den dort wohnenden oder zufallig dort anwesenden Menschen unterstand der alleinigen Jurisdiktion der Mission. Gesandtschaftsviertel ( engl. legation quarter , franzosisch quartier des legations ) und Gesandtschaftsgebaude galten als im eigentlichen Sinne extraterritorial , geradezu als Gebiet des Staates, dessen Mission sich dort aufhielt. [4]

Von der Exterritorialitat zur diplomatischen Immunitat

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Die neuere Lehre von der funktionalen Notwendigkeit (Funktionstheorie) hat diese Fiktion aufgegeben. Diplomaten und ihre Liegenschaften unterliegen grundsatzlich der Rechtsordnung des Empfangsstaates. Die wirksame Erfullung der Aufgaben der diplomatischen Mission als Vertretungsorgan des Entsendestaates wird aber durch die Einraumung von Privilegien sichergestellt. [5] Statt Exterritorialitat genießen Diplomaten Immunitat und erhalten gewisse Vorrechte und Befreiungen . [6] Ihr jeweiliger Umfang hangt von der Zielrichtung der Mission, aber auch vom Rang des Betroffenen ab. Je hoher sein Rang ist, desto weitgehender sind die ihm zuerkannten Vorrechte und Befreiungen. Das diplomatische Personal einer Mission ( Botschafter , Gesandte , Attaches ) genießt starkere Immunitat als das Verwaltungs- und technische Personal (z. B. Schreibkrafte, Sicherheitspersonal, Fahrer) einer Mission. Im konsularischen Dienst ist die Immunitat ? auch auf der Leitungsebene ? in der Regel auf den dienstlichen Bereich beschrankt. Ebenso ist es bei den meisten Angehorigen von Internationalen Organisationen . Nach Art. 105 der UN-Charta [7] genießen die Vereinten Nationen im Hoheitsgebiet jedes Mitglieds nur die Vorrechte und Immunitaten, die zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind . Die Vertreter der Mitglieder und die Bediensteten der UN genießen ebenfalls nur die Vorrechte und Immunitaten, derer sie bedurfen, um ihre mit der Organisation zusammenhangenden Aufgaben in voller Unabhangigkeit wahrnehmen zu konnen. Die genauen Einzelheiten werden haufig in einem Sitzabkommen zwischen Sitzstaat und UN vereinbart (Art. 105 Abs. 3 UN-Charta).

Ausdrucklich hervorgehoben wird die Funktionstheorie in der Praambel zum Wiener Ubereinkommen uber diplomatische Beziehungen (WUD): Die Gewahrung von Vergunstigungen und Befreiungen dient nicht der individuellen Bevorzugung einer Person, sondern dem Ziel, die wirksame Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen als Vertretungen von Staaten zu gewahrleisten. [8]

Anstelle von fiktiver Exterritorialitat hat der Diplomat die Pflicht, die Gesetze des Empfangsstaates zu beachten ( Art. 41 Abs. 1 WUD); er darf aber wegen einer Missachtung nicht bestraft werden ( Art. 31 Abs. 1 WUD). Dem Gebot staatlicher Zuruckhaltung als Reaktion auf die Betatigung des Diplomaten steht die gleichrangige Verpflichtung des Empfangsstaates gegenuber, ihn vor Schaden zu bewahren. Ein infolge eines Verkehrsunfalls bewusstloser Diplomat darf auch ohne seine ausdruckliche Zustimmung von Stellen des Empfangsstaates arztlich versorgt werden, solange Angehorige der Mission des Entsendestaates, die unverzuglich zu benachrichtigen sind, keinen gegenteiligen Willen außern. [9]

Der Spagat , den der Empfangsstaat zuweilen zwischen Zuruckhaltung und Schutzgewahr durchlauft, zeigt sich am Beispiel eines Diplomaten, der betrunken in einem Kraftfahrzeug angetroffen wird. Der Diplomat ist verpflichtet, auf Handzeichen der Polizei anzuhalten und sich auszuweisen. Besteht die Gefahr einer Selbstgefahrdung, darf er auch durch Wegnahme seiner Autoschlussel an der Weiterfahrt gehindert werden. Schließlich ist es moglich (und haufig auch sinnvoll), ihn zu seinem Schutz durch die Polizei nach Hause oder zu seiner Mission zu bringen. Maßnahmen der Strafverfolgung, wie die Durchfuhrung eines Alkohol-Atem-Tests gegen den Willen des Betroffenen zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration , die Durchsuchung , die Beschlagnahme , auch des Fuhrerscheins, oder die vorlaufige Festnahme , sind dagegen nicht erlaubt. Außert der Diplomat nach einer Trunkenheitsfahrt den Wunsch, die Fahrt mit einem Taxi fortzusetzen, darf er daran nicht gehindert werden. [10] Exterritorial im Sinne einer absoluten Unantastbarkeit seiner Person ist der Diplomat daher heute nicht mehr. [11]

Zu den naheren Einzelheiten der diplomatischen Immunitat siehe Hauptartikel Diplomatenstatus .

Heutige Verwendung des Begriffs

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Exterritorialitat ist heute kein Rechtsbegriff mehr. Im geschriebenen Volkerrecht wird der Begriff ebenso wenig verwendet wie in der volkerrechtlichen Literatur. Er ist nur noch in der Umgangssprache (vor allem in Zeitungsartikeln) [12] anzutreffen und kennzeichnet dann zumeist stark vereinfachend und schlagwortartig das Verbot des Empfangsstaates, die Liegenschaften des Entsendestaates oder der Internationalen Organisation zu betreten. Die ursprungliche Personenbezogenheit des Begriffs ist nahezu vollstandig verloren gegangen. [13]

Exterritoriale Liegenschaften im Sinne von Bereichen, uber die der Empfangsstaat keine Gebietshoheit hatte, mit der Folge, dass sie zu Exklaven eines anderen Staates werden, gibt es im modernen Volkerrecht nicht mehr. [14] Die Grundstucke einer auslandischen Mission sind integraler Bestandteil des Staatsgebietes , auf dem sie liegen. [15] Die Gebaude und Wohnungen des diplomatischen Personals liegen nicht mehr außerhalb des Empfangsstaates, und sie werden auch nicht so behandelt, als ob dies der Fall sei. Straftaten, die dort begangen werden, sind auf dem Gebiet des Empfangsstaates begangen; im Gesandtschaftsgebaude geschlossene Vertrage sind nicht auf dem Gebiet des Entsende-, sondern dem des Empfangsstaates geschlossen worden. [16] Die gangige Formel von der ?Exterritorialitat“ von Botschaften ist daher irrefuhrend. [17] Das deutsche Reichsgericht hat bereits in einem Urteil des Jahres 1934 den Mord an dem afghanischen Gesandten Sardar Mohammed Aziz Khan auf dem Gelande der afghanischen Gesandtschaft in Berlin als Inlandstat gewertet und deutsches Strafrecht angewendet. [18]

Gesandtschaftsviertel mit weitlaufigen Arealen, die dem Entsendestaat zur autonomen Verfugung uberlassen werden, gibt es heute ebenfalls nicht mehr. [19] In der Regel besteht die Vertretung aus einem oder mehreren Einzelgebauden, bei kleinen Staaten manchmal auch nur aus einer Buroetage. Auf den zur Verfugung gestellten Grundstucken hat der Entsendestaat die Gesetze des Empfangsstaates zu beachten, z. B. die lokalen Bauvorschriften bei der Errichtung des Missionsgebaudes. Eingeschrankt ist lediglich die zwangsweise Durchsetzbarkeit der Gesetze des Empfangsstaates, was sich vor allem darin außert, dass das Missionsgelande im volkerrechtlichen Sprachgebrauch unverletzlich ist ( Art. 22 WUD) und nicht ohne Zustimmung des Leiters der Mission von Reprasentanten des Empfangsstaates betreten werden darf.

Vom absoluten Zutrittsverbot gibt es einige Durchbrechungen, die sich einerseits aus dem volkerrechtlichen Schutzgewahranspruch, andererseits aus dem dem Empfangsstaat eingeraumten Notwehr- und Notstandsrecht ableiten lassen: Ist z. B. auf dem Missionsgelande ein Feuer ausgebrochen und sind Menschenleben in Gefahr, darf das Missionsgelande nach pflichtgemaßem Ermessen von der Feuerwehr betreten werden, wenn die Zustimmung des Missionsleiters nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. [20] Hier hat der Schutz von Menschenleben Vorrang vor der grundsatzlichen Unantastbarkeit des Missionsgelandes. Ein Zutrittsrecht soll auch in Notstandssituationen bestehen. Droht das Feuer von der Botschaft auf benachbarte Gebaude uberzugreifen, darf das Botschaftsgelande auch ohne Zustimmung des Botschafters betreten werden. [21] Heikel ist die Frage, ob der Empfangsstaat ein Zutrittsrecht hat, wenn ihm bekannt wird, dass in der Botschaft Sprengstoff in gefahrlicher Menge gelagert wird, der auch fur die Umgebung eine erhebliche Gefahr darstellt. Hier wird teilweise angenommen, dass der Empfangsstaat aus dem Notwehraspekt ein Eingriffsrecht hat, wobei es als Verstoß gegen das Volkerrecht zu werten ist, wenn bei einer etwaigen Durchsuchung nichts gefunden wird. [22] Diskutiert wird letztlich die Frage, ob schwerste Menschenrechtsverletzungen (? Folter in der Botschaft“) den Empfangsstaat zum Zutritt berechtigen. [23]

Der Zugang zu Missionsgelanden in Notfallen ist volkerrechtlich nicht unumstritten und muss vom Empfangsstaat sorgfaltig bedacht werden. Wahrend in Bezug auf Konsulate die Zustimmung des Konsuls zum Betreten in Notfallen unterstellt werden darf ( Art. 31 Abs. 2 Satz 2 des Wiener Ubereinkommens uber konsularische Beziehungen [WUK]), fehlt eine vergleichbare Regelung im WUD fur die Botschaften. Das ist nicht zufallig unterblieben, denn die Missbrauchsgefahr (durch den Empfangsstaat) wird von der Staatengemeinschaft als erheblich eingeschatzt. [24]

Internationale Organisationen

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Bei Internationalen Organisationen hangt der Umfang der Sonderrechte vom jeweiligen Sitzabkommen ( engl. headquarters agreement ) ab, das die Organisation mit dem Sitzstaat abgeschlossen hat. Von einer absoluten Exterritorialitat kann auch hier keine Rede sein. Der Empfangsstaat gewahrt in Ubereinstimmung mit dem Volkerrecht Befreiungen und Vorrechte der Organisation und ihrer Mitglieder regelmaßig nur zu dienstlichen Zwecken und allenfalls in Bezug auf den Leiter (analog zum Botschafter) auch fur den privaten (personlichen) Bereich. Die Staatenpraxis ist hier uneinheitlich. Wahrend in Deutschland der Umfang der Befreiungen einerseits vom Rang der Internationalen Organisation, und andererseits vom Rang des Betroffenen abhangt und zumeist vergleichbaren Positionen bei Botschaften folgt, gewahrt die Schweiz teilweise schon bei Verstoßen im Straßenverkehr, auch soweit sie aus Anlass einer dienstlichen Verrichtung geschehen, keinem Mitglied der Organisation Immunitat. [25] Dahinter steht der Gedanke mangelnder Reziprozitat : Die Mitglieder Internationaler Organisationen sind bei dem Sitzstaat nicht akkreditiert und stehen zu ihm in keinem Rechtsverhaltnis. Aus dem allgemeinen Volkerrecht steht dem Sitzstaat kein Recht zu, ein Mitglied einer Internationalen Organisation zur persona non grata zu erklaren, wenn es gegen die Gesetze des Sitzstaates verstoßt (siehe hierzu den Hauptartikel Akkreditierung ). Der Sitzstaat hat daher ein Interesse, die Privilegien der Bediensteten Internationaler Organisationen auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Hinzu kommt, dass der Internationalen Organisation haufig keine eigene Strafgewalt gegenuber den bei ihr tatigen Beschaftigten zukommt. Deswegen haben Angehorige einer Internationalen Organisation sich wegen ihrer Vergehen am Sitz der Internationalen Organisation nicht ohne weiteres zu verantworten, auch nicht vor der staatlichen Gewalt ihres Heimatstaates, dem sie die Immunitat der Internationalen Organisation und ihrer Bediensteten haufig entgegenhalten konnen. [26]

Internationaler Seegerichtshof in Hamburg

Ein Beispiel aus der volkerrechtlichen Praxis ist der Status des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg . Die Vorrechte und Befreiungen des Gerichtshofs sind in dem am 23. Mai 1997 in New York geschlossenen Ubereinkommen uber die grundsatzlichen Vorrechte und Immunitaten des Internationalen Seegerichtshofs [27] festgelegt worden. Es regelt nicht nur den Status des Gelandes, die Unverletzlichkeit des Vermogens und die Befreiung des Gerichtshofs von Steuern und Abgaben des Gastlandes (Art. 3 bis 12), sondern auch die zur Sicherstellung seiner Unabhangigkeit vom Gastland notwendigen Sonderrechte seiner Mitglieder, wie Richter (Art. 13), Kanzler und Verwaltungspersonal (Art. 14). Außerdem werden den Verfahrensbeteiligten, namlich Sachverstandigen (Art. 15), Rechtsbeistanden und Rechtsanwalten (Art. 16) sowie Zeugen (Art. 17) wahrend der Dauer ihrer Auftrage einschließlich der im Zusammenhang mit diesen Auftragen stehenden Reisen Immunitaten und Erleichterungen gewahrt.

Dass auch eine Privatperson (z. B. ein Rechtsanwalt ) Inhaber von Immunitat sein kann, ist eine Auspragung der Funktionstheorie , die in Art. 19 ausdrucklich hervorgehoben wird: Die Vorrechte werden nicht zum personlichen Vorteil gewahrt, sondern dienen der Sicherstellung der unabhangigen Wahrnehmung der mit dem Gerichtshof zusammenhangenden Aufgaben. Alle hiervon Begunstigten sind unabhangig von der Immunitat verpflichtet, die Gesetze und sonstigen Vorschriften des Aufenthaltsstaates zu beachten. Der Gerichtshof bzw. der Staat, den die Person in einem Verfahren als Rechtsbeistand vertritt, haben im Falle von Missbrauch uber die Aufhebung der Immunitat zu beschließen (Art. 20).

In einem weiteren Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Internationalen Seegerichtshof uber den Sitz des Gerichtshofs vom 14. November 2004 [28] wird das Ubereinkommen von 1997 prazisiert: Sowohl der Status des Grundstucks des Seegerichtshofs (Art. 3 bis 16) als auch der Umfang der Immunitaten seiner Mitglieder und der Verfahrensbeteiligten (Art. 17 bis 26) werden dort genauestens geregelt. Das Zusatzabkommen geht dem allgemeinen Ubereinkommen von 1997 im Falle eines Widerspruchs vor (Art. 32).

Soweit das Zusatzabkommen dem Gerichtshof keine Sonderrechte einraumt, gelten auf dem Sitzgelande deutsche Gesetze und Vorschriften (Art. 4 Abs. 4 des Abkommens). Insoweit uben hinsichtlich der auf dem Sitzgelande vorgenommenen Handlungen und Rechtsgeschafte deutsche Behorden und Gerichte die Hoheitsgewalt aus (Art. 4 Abs. 5 des Abkommens). Nach Art. 5 Abs. 1 des Abkommens ist das Sitzgelande unverletzlich, darf also zur Wahrnehmung einer Amtspflicht nur mit ausdrucklicher Zustimmung des Kanzlers von deutschen Behorden betreten werden. Art. 5 Abs. 3 bestimmt jedoch das Zugangsrecht der deutschen Stellen im Falle von Feuer und anderen Unglucksfallen. Art. 5 Abs. 5 verpflichtet den Seegerichtshof, Straftatern oder Personen, deren Abschiebung aus Deutschland vorgesehen ist, keine Zuflucht zu gewahren. Solche Personen muss der Gerichtshof an die deutschen Behorden uberstellen.

Bei von einem anderen Staat umschlossenen Staaten (z. B. San Marino oder Vatikanstadt ) und bei von einem anderen Staat umschlossenen Exklaven eines Staates (z. B. Busingen am Hochrhein als deutsche Exklave, die von Schweizer Hoheitsgebiet umgeben ist) oder bei den in Deutschland gelegenen Grundstucken der Vennbahn handelt es sich nur um eine Schein-Exterritorialitat , die sich aus dem Inseldasein und der vollstandigen Umschlossenheit eines Staatsgebietes von einem anderen Staat ergibt. Aus Sicht des umgebenden Staates sind solche Gebiete ( Enklaven ) so wenig bzw. so viel exterritorial wie jeder andere Nachbarstaat auch.

Fremde Streitkrafte auf eigenem Staatsgebiet

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Die Liegenschaften fremder Streitkrafte sind nicht exterritorial, sondern Teil des Hoheitsgebietes, in dem sie sich befinden. Die fremde Streitmacht hat daran aber haufig ein vertraglich zugesichertes ausschließliches Nutzungsrecht, auf dem der Schusswaffengebrauch ahnlich moglich ist wie auf Grundstucken des nationalen Militars. Die Immunitat von auf auslandischem Territorium stationierten Soldaten und ihrer Liegenschaften richtet sich nach Volkervertragsrecht, in Deutschland vor allem nach dem NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut . [29]

Ausnahmen bilden etwa die britischen Militarbasen Akrotiri und Dekelia auf Zypern , die durch die Zurcher und Londoner Abkommen tatsachlich zum Teil des Hoheitsgebietes des Vereinigten Konigreichs wurden. Dies gilt hingegen z. B. (entgegen einer weit verbreiteten Annahme) nicht fur die US-amerikanische Guantanamo Bay Naval Base auf Kuba , die lediglich gepachtet ist.

Gemeinsame und vorgezogene Grenzabfertigungen

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Abmachungen uber eine gemeinsame oder vorgezogene Grenzabfertigung (z. B. zwischen Großbritannien und Frankreich uber die Grenzkontrolle am Armelkanaltunnel auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates) fuhren regelmaßig nicht zu einem exterritorialen Sonderstatus des Gelandes. Das Gelande der Grenzkontrollstelle verbleibt beim Hoheitsgebiet des Sitzstaates. Welche hoheitlichen Befugnisse die fremden Grenzkontrollbehorden auf diesem Gelande haben, ergibt sich aus den geschlossenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen.

Kirchengrundstucke

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Schild mit Hinweis auf den exterritorialen Status am Tor des Lateranpalastes in Rom.

Kirchengrundstucke gehoren zum Staatsgebiet, auf dem sie liegen, und sind nicht exterritorial. Staatliche Stellen haben uber Kirchengrundstucke die uneingeschrankte Gebietshoheit. In Deutschland sind die großen Landeskirchen Korperschaften des offentlichen Rechts und organisatorisch in die staatliche Verwaltung eingebunden ( Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung [WRV] i. V. mit Art. 140 GG). Ihre inneren Angelegenheiten unterliegen jedoch nicht der staatlichen Aufsicht (Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. mit Art. 140 GG).

Einen Sonderfall bildet der Vatikan : Bei diesem handelt es sich um einen eigenen Staat, dessen Territorium nur aus dem 0,44 km² großen Vatikanhugel besteht. Daruber hinaus genießen nach den Lateranvertragen mehrere Grundstucke des Heiligen Stuhls innerhalb und außerhalb Roms einen besonderen Status, der teilweise als exterritorialer Status bezeichnet wird. [30] Diese Grundstucke gehoren zum italienischen Staatsgebiet, haben aber den Status der nach dem Volkerrecht besonders geschutzten Residenzen der diplomatischen Vertreter auswartiger Staaten (vgl. Art. 1 Buchstabe i WUD).

Schiffe und Luftfahrzeuge

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Volkerrechtlich anerkannt ist ein Immunitatsschutz von Kriegsschiffen in fremden Gewassern oder Hafen. Bei Handelsschiffen und Luftfahrzeugen kommt es darauf an, ob sie hoheitlichen Funktionen (dann Immunitat) oder wirtschaftlichen Interessen dienen (dann keine Immunitat). [31] Sie werden nicht als ?schwimmendes Staatsgebiet“ ( franzosisch territoire flottant ) des Flaggenstaates angesehen. [32] Kriegsschiffe haben die Rechtsordnung des Kustenstaates zu beachten; hoheitliche Maßnahmen des Kustenstaates auf dem Kriegsschiff wie Betreten, Durchsuchungen und Verhaftungen sind jedoch nicht zulassig. Bei Verstoßen gegen die Rechtsordnung kann das Schiff aus den Gewassern des Kustenstaates verwiesen werden ( Art. 29 und Art. 30 UN-Seerechtsubereinkommen). [33] Unterseeboote und andere Unterwasserfahrzeuge mussen im Kustenmeer uber Wasser fahren und ihre Flagge zeigen ( Art. 20 UN-Seerechtsubereinkommen); dann genießen sie wie ein gewohnliches Kriegsschiff Immunitat.

Einzelnachweise

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  1. Der neue Brockhaus , Lexikon und Worterbuch, 4. neu bearbeitete Auflage 1971.
  2. Siehe auch Jurgen Simon, Juristische Fremdworter und Abkurzungen, Flensburg 1981, Stichwort ?Exterritorialitat“: ?Freiheit auslandischer Staatsoberhaupter, Diplomaten usw. von der Gebietshoheit des Aufenthaltsstaates’.
  3. Ipsen, Volkerrecht, § 35 Rdnr. 34; v. Arnauld, Volkerrecht, § 8 Rdnr. 559 (S. 229).
  4. Wolfrum in Dahm/Delbruck/Wolfrum, Volkerrecht, Bd. I/1, S. 287.
  5. Ipsen, Volkerrecht, § 35 Rdnr. 34; v. Arnauld, Volkerrecht, § 8 Rdnr. 559 (S. 229).
  6. Siehe im Kapitel ?Staatenimmunitat und Diplomatenrecht“ bei Stein/v. Buttlar, Volkerrecht.
  7. Art. 105 der UN-Charta , abgerufen am 22. November 2014.
  8. So die vierte Erwagung in der Praambel des WUD.
  9. Rundschreiben des Auswartigen Amtes, S. 1157.
  10. Rundschreiben des Auswartigen Amtes, S. 1157, 1171.
  11. Wolfrum in Dahm/Delbruck/Wolfrum, Volkerrecht, Bd. I/1, S. 281.
  12. Vgl. Abgeordnetenhaus seit Montag exterritoriales Gebiet , Meldung des Bonner Generalanzeigers vom 16. Juli 2013; Kardinale des Geldes , Meldung des Tagesspiegels vom 5. September 2010.
  13. Ein Relikt aus fruheren Zeiten sind heute noch Uberschrift und Wortlaut von § 15 ZPO (?Allgemeiner Gerichtsstand fur exterritoriale Deutsche“), die die historische Sichtweise widerspiegeln. Die amtliche Uberschrift stammt aus 2002; die Vorschrift selbst geht auf das Jahr 1877 zuruck (siehe § 16 der Urfassung ) und ist heute sachlich uberholt.
  14. Doehring, Volkerrecht, § 12 Rdnr. 676 (S. 293).
  15. Stein/v. Buttlar, Volkerrecht, § 2 Rdnr. 736 (S. 259); v. Arnauld, Volkerrecht, § 2 Rdnr. 72 (S. 27).
  16. So ausdrucklich Wolfrum in Dahm/Delbruck/Wolfrum, Volkerrecht, Bd. I/1, S. 281.
  17. Herdegen, Volkerrecht, § 38 Rdnr. 1 (S. 281); v. Arnauld, Volkerrecht, § 2 Rdnr. 72 (S. 27).
  18. Reichsgericht, Urt. v. 8. November 1934 ? 2 D 1204/34 ?, RGSt 69, 54 (55/56), zitiert und besprochen in dem Bericht zu Entscheidungen nationaler Gerichte in volkerrechtlichen Fragen, ZaoRV 1936, S. 404 , hier S. 408/409 (PDF; 1,7 MB).
  19. Wolfrum in Dahm/Delbruck/Wolfrum, Volkerrecht, Bd. I/1, S. 288.
  20. Vgl. hierzu ausfuhrlich Stein/v. Buttlar, Volkerrecht, § 2 Rdnr. 739 ff. (S. 260 f.); Rundschreiben des Auswartigen Amtes, S. 1165.
  21. Doehring, Volkerrecht, § 12 Rdnr. 676 (S. 293).
  22. Doehring, Volkerrecht, § 12 Rdnr. 676 (S. 293).
  23. Vgl. das fiktive Beispiel des Botschafters, der in seinen Privatraumen minderjahrige Madchen zu seiner Befriedigung gefangen halt, bei v. Arnauld, Volkerrecht, § 8 Rdnr. 562 (S. 230), der in diesem Fall ein Zutrittsrecht der Behorden des Empfangsstaats zur Rettung der Madchen bejaht.
  24. Stein/v. Buttlar, Volkerrecht, § 2 Rdnr. 738 (S. 260).
  25. Vgl. bezuglich der Angehorigen der Bank fur Internationalen Zahlungsausgleich in Basel : Art. 17 des Abkommens zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Bank fur Internationalen Zahlungsausgleich zur Regelung der rechtlichen Stellung der Bank in der Schweiz vom 10. Februar 1987; hiernach scheidet Immunitat bezuglich eines Schadens, den ein dem Bediensteten der Bank gehorendes oder von ihm gelenktes Fahrzeug verursacht hat, einer Haftpflichtklage, die gegen ihn gerichtet wird, oder bei Ubertretung von Straßenverkehrsvorschriften des Bundes, sofern diese mit einer Ordnungsbuße geahndet werden kann, aus.
  26. Vgl. zur Haftung der Internationalen Organisation: Stein/von Buttlar, Volkerrecht, § 2 Rdnr. 388 (S. 123).
  27. Ubereinkommen uber die Vorrechte und Immunitaten des Internationalen Seegerichtshofs vom 23. Mai 1997 ( BGBl. 2007 II S. 143 , 145), (PDF; 231 kB), abgerufen am 8. Februar 2015.
  28. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Internationalen Seegerichtshof uber den Sitz des Gerichtshofs vom 14. November 2004 ( BGBl. 2007 II S. 143 , 159), (PDF; 231 kB), abgerufen am 8. Februar 2015.
  29. Stein/von Buttlar, § 2 Rdnr. 728 (S. 257); Doehring, Volkerrecht, § 12 Rdnr. 692 (S. 299).
  30. Heiliger Stuhl/Vatikan ? Zwei Volkerrechtssubjekte besonderer Art , Information der osterreichischen Außenministeriums (Osterr. Botschaft beim Heiligen Stuhl), abgerufen am 15. Marz 2015.
  31. Fur Schiffe: Art. 17 bis 32 UN-Seerechtsubereinkommen vom 10. Dezember 1982 ( BGBl. 1994 II S. 1798 ); Stein/von Buttlar, § 2 Rdnr. 728 (S. 257).
  32. von Arnauld, Volkerrecht, § 10 Rdnr. 791 (S. 331).
  33. Doehring, Volkerrecht, § 12 Rdnr. 694 (S. 300).