Ernest Chuard

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Ernest Chuard

Ernest Louis Chuard (* 31. Juli 1857 in Corcelles-pres-Payerne ; † 9. November 1942 in Lausanne , heimatberechtigt in Corcelles-pres-Payerne) war ein Schweizer Politiker ( FDP ), Agrarokonom und Chemieingenieur . Mehrere Jahrzehnte war er als Forscher und Dozent tatig, ebenso als Professor an der Universitat Lausanne , deren naturwissenschaftliche Fakultat er vorubergehend leitete. Von 1907 bis 1919 war er Nationalrat , ab 1912 parallel dazu Staatsrat des Kantons Waadt . Nach seiner uberraschenden Wahl in den Bundesrat gehorte er diesem von 1920 bis 1928 an. Wahrend seiner gesamten Amtszeit in der Landesregierung stand er dem Departement des Innern vor. 1924 amtierte er als Bundesprasident .

Biografie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Studium und wissenschaftliche Tatigkeit [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Sein Vater Louis Chuard war Landwirt und ein einflussreicher Politiker, der unter anderem als Gemeindeprasident von Corcelles und als Waadtlander Staatsrat amtierte. Seine Mutter Suzanne Rapin starb, als Ernest zwolf Jahre alt war. Die Primarschule und die Sekundarschule absolvierte er im benachbarten Payerne . 1875 schloss er die Ecole industrielle in Lausanne mit Auszeichnung ab und studierte Chemieingenieurwesen an der technischen Fakultat der Lausanner Akademie. 1879/80 setzte er sein Studium an der Universitat Wurzburg fort. Wahrend seiner Studienzeit gehorte er der Verbindung Helvetia an. Ab 1880 war Chuard als Assistent am Chemielaboratorium der Universitat Wurzburg tatig, ab 1882 unterrichtete er Physik an der Ecole industrielle . Von 1884 bis 1899 war er Chemielehrer am kantonalen Gymnasium und an der Waadtlander Landwirtschaftsschule. [1]

An der Akademie, die 1890 in die Universitat Lausanne umgewandelt wurde, lehrte Chuard als ausserordentlicher Professor fur analytische Chemie und angewandte Chemie in der Landwirtschaft. Von 1894 bis 1896 leitete er als Dekan die naturwissenschaftliche Fakultat. Chuard erforschte intensiv die Pilzkrankheiten der Weinreben , die um die Jahrhundertwende die Existenz des Waadtlander Weinbaus akut bedrohten. Als Leiter des Chemielaboratoriums der Lausanner Forschungsstation fur Weinbau und spater als dessen Direktor verfasste er zahlreiche Studien uber Boden, Wasserhaushalt, Rebkrankheiten und Dungemittel. Hinzu kamen Vortrage und mehrere popularwissenschaftliche Werke. 1888 war er Mitbegrunder der Fachzeitschrift Chronique agricole , von 1891 bis 1895 redigierte er die Revue agricole . Er prasidierte mehrere landwirtschaftliche Verbande, war Mitglied des Schulrates des Eidgenossischen Polytechnikums in Zurich (heute ETH Zurich ) und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bauernverbandes . 1911/12 war er Direktor der Landwirtschaftsschule Champ de l’Air. [2]

Chuard, der seit 1884 mit Amelie Pittet verheiratet war, verfolgte auch eine militarische Karriere. In der Schweizer Armee befehligte er als Major ein Fusilierbataillon, als Oberstleutnant ein Infanterieregiment. 1919 erlangte er den Rang eines Obersten . [3]

Kantons- und Bundespolitik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Vergleich zu vielen seiner Weggefahrten stieg Chuard relativ spat in die Politik ein. 1890 wurde er in den Gemeinderat (Legislative) von Lausanne gewahlt, den er 1894 prasidierte und dem er bis 1897 angehorte. Daraufhin folgte eine mehrjahrige Pause. 1900 suchte seine Partei nach einem Nachfolger fur Staatsrat Marc Ruchet . Chuard musste eine Kandidatur jedoch ablehnen, da sein Vater als Regierungsstatthalter des Bezirks Payerne amtierte und somit ein Interessenkonflikt entstanden ware. In der Folge verfasste er unter anderem Berichte uber die Wiederherstellung der von der Reblaus befallenen Weinberge. Er setzte seine politische Karriere fort und kandidierte bei den Nationalratswahlen 1907 mit Erfolg im Wahlkreis Waadt-Nord . Zusatzlich zu seinem Mandat im Nationalrat liess er sich zwei Jahre spater auch ins Kantonsparlament , den Grossen Rat, wahlen. [3]

Das Kantonsparlament wahlte Chuard im August 1912 in den Staatsrat (das Volk durfte die Kantonsregierung erst ab 1917 selbst bestimmen). Als Nachfolger von Camille Decoppet leitete er zunachst das Erziehungs- und Kultusdepartement, das seinen Interessen und Fahigkeiten am ehesten entsprach. Ohne Mithilfe erarbeitete er ein neues Universitatsgesetz, das 1916 in einer Volksabstimmung angenommen wurde. 1917 wechselte er ins Landwirtschafts-, Handels- und Industriedepartement. Die mangelnde Organisation der Gemeindebehorden bei der Versorgung der Bevolkerung wahrend des Ersten Weltkriegs veranlasste ihn dazu, ein kantonales Versorgungsamt zu schaffen und den landwirtschaftlichen Anbau zu intensivieren. Zusammen mit Ferdinand Porchet gelang es ihm, die Anhangerschaft der neu gegrundeten Bauernpartei zu begrenzen und die bauerliche Bevolkerung mehrheitlich an die FDP zu binden. [4]

Diplomatische Missionen nach Paris im Rahmen der Societe suisse de surveillance economique und seine Mitgliedschaft in der Neutralitatskommission verliehen Chuard ein hohes Ansehen und das Image eines geborenen Vermittlers. Nachdem Camille Decoppet seinen Rucktritt aus dem Bundesrat erklart hatte, versuchten Parteikollegen vergeblich, Chuard zu einer Sprengkandidatur zu uberreden. Er selbst fuhlte sich zu alt dafur und wollte sich eigentlich aus der Politik zuruckziehen. Offizieller Kandidat der FDP war der Lausanner Stadtprasident Paul Maillefer , dem viele Parlamentarier aber nicht vertrauten. Die Wahl durch die Bundesversammlung fand am 11. Dezember 1919 statt. Als Chuard im ersten Wahlgang 75 Stimmen erhielt (nur neun weniger als Maillefer), bat er die Parlamentarier, fur den offiziellen Kandidaten zu stimmen. Diese kamen der Bitte nicht nach und wahlten Chuard schliesslich im funften Wahlgang mit 159 von 216 gultigen Stimmen (auf Maillefer entfielen 57 Stimmen). Nach eintagiger Bedenkzeit nahm er die Wahl an. [5]

Bundesrat [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Chuard, der verschiedentlich als ≪Bundesrat wider Willen≫ bezeichnet worden ist, ubernahm am 1. Januar 1920 von Gustave Ador das Departement des Innern . Dessen Aufgabenbereiche waren weit gefachert und sagten ihm aufgrund seiner beruflichen und wissenschaftlichen Erfahrung zu. Als Naturwissenschaftler war er der einzige Nichtjurist in der Regierung. Wahrend seiner gesamten Amtszeit leitete er Gesetzesrevisionen in mehreren Bereichen. Dazu gehoren die Baupolizei, Gewasser, Betaubungsmittel, die Jagd, der Wild- und Vogelschutz sowie Walder. Weitere Anliegen waren unter anderem das internationale Opiumabkommen , ein Staatsvertrag zur Fortfuhrung der Rheinregulierung , der Ausbau des Basler Rheinhafens und des meteorologischen Dienstes , Stromexporte, und offentliche Bibliotheken. [6]

Ein besonderes Anliegen Chuards war die Forderung von Kultur und Wissenschaft. Der Zustandigkeitsbereich seines Departements schloss auch den Bau offentlicher Gebaude mit ein. Dazu gehorten Erweiterungsbauten und Laboratorien der ETH Zurich sowie das neue Bundesgerichtsgebaude in Lausanne, dessen Eroffnung er 1927 vornahm. Eines seiner nachhaltigsten Gesetzgebungsverfahren betraf Massnahmen gegen die Tuberkulose . Hingegen scheiterte 1923 die von ihm ausgearbeitete Revision des Alkoholgesetzes in einer Volksabstimmung. 1924 amtierte er als Bundesprasident , der Staatsbesuch des rumanischen Konigs Ferdinand I. pragte sein Prasidialjahr. [6]

Weitere Tatigkeiten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Per Jahresende 1928 trat Chuard als Bundesrat zuruck. Bei seiner Wahl hatte er erklart, er sei lediglich ein ≪Ubergangsbundesrat≫, blieb dann aber doch neun Jahre im Amt. Seine Nachfolge trat Marcel Pilet-Golaz an. Chuard liess sich in Lausanne nieder und ubernahm ein Mandat als Verwaltungsrat des Kabelwerks in Cossonay . Er beteiligte sich in besonderem Masse an Sitzungen der wissenschaftlichen Gesellschaften des Kantons Waadt, hielt Vortrage und Reden zu verschiedenen Themen und wirkte in Baukommissionen fur mehrere Kirchen mit. Daneben verfasste er zahlreiche Zeitungsartikel und historische Studien. Am 9. November 1942 verstarb er im Alter von 85 Jahren. [7]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 306.
  2. Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 306?307.
  3. a b Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 307.
  4. Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 307?308.
  5. Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 308.
  6. a b Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 309.
  7. Chuard, Meuwly: Das Bundesratslexikon. S. 310.
Vorganger Amt Nachfolger
Camille Decoppet Mitglied im Schweizer Bundesrat
1920?1928
Marcel Pilet-Golaz