Erik Charell

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Erik Charell (* 8. April 1894 in Breslau ; † 15. Juli 1974 in Munchen ; eigentlich Erich Karl Loewenberg ) war ein deutscher Regisseur und Schauspieler .

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gedenktafel , Friedrichstraße 107, in Berlin-Mitte

Charell studierte Tanz und wurde laut eigener Angabe 1913 bei einer Auffuhrung der Ballett-Pantomime Venezianische Abenteuer eines jungen Mannes von Karl Gustav Vollmoeller am Deutschen Theater (Inszenierung Max Reinhardt ) erstmals von der Presse bemerkt. [1] Charell grundete das Charell-Ballet und tourte damit wahrend und nach dem Ersten Weltkrieg erfolgreich durch Europa (kunstlerische Leitung: Ludwig Kainer; musikalischer Direktor: Friedrich Hollander ). Er demonstrierte sein schauspielerisches Talent in zwei Stummfilmen , Paul Lenis Prinz Kuckuck (1919) und Richard Oswalds Nachtgestalten (1920). 1923 engagierte Max Reinhardt Charell als Assistant Stage Manager fur das New York-Gastspiel von Vollmollers The Miracle . 1924, nach der Ruckkehr nach Deutschland, bot Reinhardt Charell und seinem alteren Bruder Ludwig die Leitung des Großen Schauspielhauses in Berlin an, das zu den Reinhardt-Buhnen gehorte.

1924 brachte Charell seine erste Revue heraus. Sie hatte den Titel An Alle . Als Sensation wurde empfunden, dass er es schaffte, die weltberuhmten Tiller-Girls aus London zu verpflichten. Es folgten 1925 die Revuen Fur Dich und 1926 Von Mund zu Mund , jeweils mit international zusammengestellter Musik von Irving Berlin, Jerome Kern, Ralph Benatzky u. a.

Nach der Serie von reinen Revuen brachte Charell nach 1926 modernisierte Operettenklassiker wie Der Mikado , Wie einst im Mai , Madame Pompadour und Die lustige Witwe als zeitgemaße Jazz-Spektakel. Danach schuf er zusammen mit dem Komponist Ralph Benatzky eigenstandige Operetten, wobei jene Trilogie von historischen Revue-Operetten entstand, auf denen bis heute Charells Ruhm ruht: Casanova (1928), Die drei Musketiere (1929) und Im weißen Roßl (1930). Gerade das Rossl sollte zur erfolgreichsten Kreation von Charells Karriere werden, er inszenierte das Stuck in den Folgejahren selbst in London (1931), Paris (1932) und New York (1936). Dabei entstanden jeweils eigenstandige Fassungen, mit neu hinzugefugter Musik, neuen Ubersetzungen, teils auch mit neuen Instrumentationen. Der spatere Film mit Johannes Heesters (1952) ist eine Charell-Produktion.

Viele spater sehr beruhmte Schauspieler und Sanger traten zuerst unter Charells Regie auf, darunter Marlene Dietrich , Joseph Schmidt , Max Hansen und Camilla Spira . Auch die Comedian Harmonists wurden von Charell fur Casanova entdeckt und durch ihr Auftreten in der Produktion im Großen Schauspielhaus (und der Anwesenheit der internationalen Presse bei der Premiere) uber Nacht weltberuhmt.

Wegen seines Talents zur prunkvollen Inszenierung ubertrug Ufa-Produzent Erich Pommer ihm 1931 zusammen mit seinem Ausstatter Ernst Stern die Regie des Films Der Kongreß tanzt , einem der ersten und zugleich auch erfolgreichsten Musikfilme der fruhen Tonfilm-Ara. 1933 loste die Ufa wegen Charells judischer Abstammung einen Vertrag uber weitere Filmvorhaben. Drei Jahre spater wurde er erfolgreich vor einem deutschen Gericht verklagt auf Ruckzahlung von 26.000 Reichsmark , die man ihm als Vorschuss gezahlt hatte fur ein Odysseus -Tonfilm Operettenprojekt (mit Hans Albers in der Titelrolle). [2] Das Reichsgericht als Revisionsinstanz berief sich dabei auf eine Vertragsklausel, nach welcher der Vertrag nichtig werde, wenn Charell das Projekt nicht verwirklichen konne:

?Wenn in Nr. 6 des Manuskriptvertrages v. 24.Febr.1933 davon die Rede ist, dass Charell ?durch Krankheit, Tod oder ahnlichem Grund nicht zur Durchfuhrung seiner Regietatigkeit imstande sein sollte‘, so ist unbedenklich eine aus gesetzlich anerkannten rassepolitischen Gesichtspunkten eingetretene Anderung in der rechtlichen Geltung der Personlichkeit dem gleichzuachten, sofern sie die Durchfuhrung der Regietatigkeit in entsprechender Weise hindert, wie Tod oder Krankheit es tate.“

? Urteil RG v. 27. Juni 1936)

Charell war zu dem Zeitpunkt bereits in die USA emigriert, wo er zuvor in Hollywood erfolglos die Tonfilmoperette Caravan gedreht hatte (mit Musik von Werner Richard Heymann ): ein Flop, der seine kaum gestartete Hollywoodkarriere sofort wieder beendete. So wurde auch ein geplanter Musikfilm uber den Tanzer Nijinsky fur die Firma MGM nicht realisiert.

Neben der erwahnten und sehr erfolgreichen White Horse Inn -Produktion 1936 (im Center Theatre) arbeitete Charell bis 1945 an verschiedenen Theatern in Manhattan , wo er unter anderem 1939 eine Musicaladaption von Shakespeares Sommernachtstraum unter dem Titel Swingin’ the Dream herausbrachte (nur mit schwarzen Darstellern, Buhnenbildern nach Motiven von Walt Disney und Musik von Jimmy van Heusen). Nach dem Krieg kehrte Charell nach Munchen zuruck, wo ihm am Staatstheater am Gartnerplatz mit der Musikalischen Komodie Feuerwerk (Musik von Paul Burkhard ) ein großer Wurf gelang; der Hit O mein Papa aus Feuerwerk wurde international bekannt. In den 1950er Jahren schuf Charell in Frankreich eine Buhnenfassung von Der Kongreß tanzt , die aber keine weitere Verbreitung fand. Außerdem produzierte er Verfilmungen seiner Erfolgsstucke, neben dem erwahnten Rossl -Film von 1952 Feuerwerk mit der jungen Romy Schneider sowie Lilli Palmer .

Aus Frustration uber die Nachkriegs-Operettenszene und einen gescheiterten Versuch, zusammen mit Robert Gilbert einen 2. Teil des Rossl zu schreiben, konzentrierte sich Charell in den 1960er-Jahren zunehmend aufs An- und Verkaufen von Kunst; er besaß zusammen mit seinem Bruder Ludwig eine bedeutende Sammlung von Toulouse-Lautrec -Lithographien und Moderner Malerei.

Erik Charell erhielt 1969 fur ?langjahriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film“ das Filmband in Gold .

Er starb im Alter von 80 Jahren in Munchen und wurde auf dem Ostfriedhof eingeaschert. In einem Nachruf heißt es: ?28 Freunde entboten ihm den letzten Gruß in der Stadt, der seine besondere Liebe galt. Ein Filmproduzent sprach zu seinem Gedachtnis, und zu Ehren des Charmeurs, der seine anmutigen Gaben gewissenhaft und umsichtig verwaltete, erklang der Triumphmarsch aus Verdis festlicher Oper ?Aida‘.“ [3] Die Urne wurde zuerst in der Urnenhalle auf dem Waldfriedhof Grunwald bei Munchen beigesetzt. Im Jahr 1999 wurde die Asche auf der anonymen Flache im dortigen Feld 2a umgebettet. [4] [5] Charells Lebenspartner Friedrich Zanner wurde als Nachlassverwalter eingesetzt, zusammen mit dem Munchner Rechtsanwalt Wolf Schwarz.

Die Sammlung von Lautrec-Lithographien wurde 1978 bei Sotheby’s versteigert.

Das Schwule Museum Berlin widmete Charell und seinem kunstlerischen Schaffen vom 7. Juli bis 27. September 2010 erstmals eine eigene Ausstellung.

Am 18. November 2015 weihte der Friedrichstadt-Palast Berlin zu Ehren seiner Grunder Max Reinhardt , Hans Poelzig und Erik Charell feierlich ein Denkzeichen an der Friedrichstraße 107 ein.

Filmografie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Darsteller [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Regisseur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Produzent [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Buhnenwerke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Marita Berg : ?Det Jeschaft ist richtig!“ Die Revueoperetten des Erik Charell. In: Ulrich Tadday (Hrsg.): Im weißen Rossl. Zwischen Kunst und Kommerz (= Musik-Konzepte. NF Bd. 133/134). Edition Text + Kritik, Munchen 2006, ISBN 3-88377-841-9 , S. 59?79.
  • Kevin Clarke : Im Rausch der Genusse. Erik Charell und die entfesselte Revueoperette im Berlin der 1920er Jahre. In: Kevin Clarke (Hrsg.): Glitter and Be Gay. Die authentische Operette und ihre schwulen Verehrer. Mannerschwarm Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-939542-13-1 , S. 108?139.
  • C. Bernd Sucher (Hg.): Theaterlexikon . Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Buhnenbildner, Kritiker. Von Christine Dossel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher . 1995, 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, Munchen 1999, ISBN 3-423-03322-3 , S. 112 f.
  • Kay Weniger : Das große Personenlexikon des Films . Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostumbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 2: C ? F. John Paddy Carstairs ? Peter Fitz. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3 , S. 50 f.
  • Kay Weniger: 'Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …'. Lexikon der aus Deutschland und Osterreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtubersicht. S. 120 ff., ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8

Anmerkungen und Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Interview mit Paul Marcus in: Pem (d. i.: Paul Marcus): Heimweh nach dem Kurfurstendamm. Aus Berlins glanzvollsten Tagen und Nachten. Blanvalet, Berlin 1952, S. 104?120.
  2. Der fiktive Tod fur Nichtarier. In: Pariser Tageszeitung , 3. Oktober 1937, ZDB -ID 721303-7 .
  3. Wolfgang Drews: Letzter Gruß fur Eric [sic] Charell. In: Tagesspiegel , vom 24. Juli 1974.
  4. Udo Watter: Totengedenken: Wenn Ruhm und Ruhestatte verblassen. 29. Juni 2023, abgerufen am 1. September 2023 .
  5. Erich Scheibmayr : Letzte Heimat. Personlichkeiten in Munchner Friedhofen 1784?1984. Eigenverlag, Munchen 1985; und Erich Scheibmayr: Graber in Oberbayern, außerhalb von Munchen. Eigenverlag, Munchen 1995, ISBN 3-9802211-2-1 .
  6. Dora Kasan and Erik Charell in Galante Promenade , Postkarte, National Portrait Gallery (npg.org.uk)

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Erik Charell  ? Sammlung von Bildern