Unter
Erdkrummung
versteht man die
Krummung
der großraumig betrachteten
Erdoberflache
als Folge der Tatsache, dass die Form der
Erde
ungefahr einer
Kugel
entspricht. Ihre gekrummte Oberflache weicht daher von einer
Tangentialebene
ab, was am Beispiel der Meeresoberflache schon bei verhaltnismaßig kurzen Distanzen offensichtlich wird.
Dass die Erde annahernd
kugelformig
ist, war
ionischen
Wissenschaftlern um 600 v. Chr. bereits bekannt.
[1]
Dass die
Erdfigur
von der Kugelform derart abweicht, dass sie durch ein passendes
Ellipsoid
besser anzunahern ist, liegt an der
Rotation
der Erde, die zur
Erdabplattung
fuhrt. Der fur den Umfang des
Aquators
angenaherte Durchmesser ist um etwa 0,3 % großer als der Abstand zwischen den
Polen
. Beim derzeitigen
Referenzellipsoid
(
WGS 84
) macht der Unterschied knapp 43 km aus. Hingegen betragt die bezuglich des mittleren Meeresspiegels angegebene Differenz zwischen dem hochsten Punkt der Erdoberflache, am Gipfel des
Mount Everest
, und dem tiefstgelegenen Punkt der bekannten Oberflache der (
ozeanischen
)
Erdkruste
im
Marianengraben
knapp 20 km.
Nimmt man fur die Erde die Figur einer Kugel an und rechnet mit einem mittleren
Erdradius
von 6371 km ? tatsachlich hat die Erdfigur eine
Abplattung
von knapp 0,3 Prozent: die
Halbachsen
des mittleren
Erdellipsoids
sind ca. 6378 km bzw. ca. 6357 km lang; der minimale
Krummungsradius
betragt etwa 6334 km, der maximale etwa 6400 km ?, so weicht die ideale
Erdoberflache
von einer Tangentialebene folgendermaßen radial, in Richtung Erdmittelpunkt, nach unten ab:
- 0,8 mm auf 100 m
- 20 mm auf 500 m
- 78 mm auf 1 km
- 1,96 m auf 5 km
- 7,85 m auf 10 km
Als einfache Naherungsformel fur kleine Distanzen
kann die Formel
dienen, wobei
die Entfernung,
der Erdradius von 6.371.000 Metern und
die Abweichung in Metern ist.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Zwei Personen befinden sich auf der als Kugel angenommenen Erde 10.000 m voneinander entfernt. Betragt bei beiden die Augenhohe 1,96 m uber der Erdoberflache, so konnen sie eben noch Sichtkontakt haben (der Beruhrungspunkt ihrer gemeinsamen Tangentialebene mit der Erdoberflache liegt jeweils in
= 5000 m Entfernung). Wurden die Augen der einen Person sich genau auf Hohe der Erdoberflache befinden, so musste die 10.000 m entfernte andere Person fur Sichtkontakt eine Augenhohe von mindestens 7,85 m uber der Erdoberflache einnehmen.
Mit einer etwas genaueren Naherungsformel
mit
= Erdradius,
= Entfernung und
= Erniedrigung, das ist die Hohe, die bei ?Geradeaussicht“ (siehe auch
Geodatische Sichtweite
) unter der Tangentialebene verschwindet, ergeben sich folgende Werte von
bei vorgegebenem
(berechnet mit
):
- 000
0,31 m bei
0
2 km
- 000
1,96 m bei
0
5 km
- 000
7,85 m bei 10 km
- 00
31 m bei
0
20 km
- 0
196 m bei
0
50 km
- 0
784 m bei 100 km
- 1764 m bei 150 km
- 3135 m bei 200 km
- 4898 m bei 250 km
Unter der Annahme einer idealen Kugelform der Erde, errechnet sich uber die folgende Formel ein exakter Wert.
Aufgrund der Abweichung der Erdoberflache von einer idealen Kugelform kann dies jedoch nur als weitere Naherung betrachtet werden.
Die
Korrektur von Hohenmessungen
wegen der Erdkrummung ist also schon auf kurze Strecken unerlasslich und wachst
quadratisch
mit der Distanz. Bei
Vermessungen
der
Lage
wirkt sich die Erdkrummung erst in großerer Entfernung aus und fuhrte zur Unterscheidung zwischen ?
niederer
“ und ?
hoherer Geodasie
“.
Bei einem praktischen Beispiel, der Hohenwinkelbestimmung von Bergen im Gebirge, ergeben sich rechnerisch durch die Erdkrummung z. B. fur den
Mont Blanc
mit 4810 m Hohe in Abhangigkeit von der Entfernung folgende Hohenwinkel (unter der Annahme eines Blickpunktes auf Seehohe, in Klammern die Werte ohne Erdkrummung):
- bei
0
50 km +5,27° (5,49°)
- bei 100 km +2,30° (2,75°)
- bei 150 km +1,16° (1,83°)
- bei 200 km +0,48° (1,38°)
- bei 250 km ?0,02°
Der 250-km-Wert besagt, dass bei dieser Entfernung die Spitze des Mont Blanc unter der ?Horizontlinie“ liegt. Fur Beobachtungspunkte oberhalb der Seehohe vergroßert sich der rechnerische Hohenwinkel, weil die sich die ?Horizontlinie“ vom Beobachter entfernt und nur der Erdkrummungsanteil jenseits davon wirksam wird. In der Praxis spielt auch noch die
terrestrische Refraktion
eine Rolle. Durch sie werden die Lichtstrahlen in Richtung Erdkrummung gebrochen, so dass die Hohenwinkel leicht vergroßert werden. Man kann sie so deuten, dass die durch die Erdkrummung verursachten Erniedrigungen um 5 bis 15 % verringert werden, abhangig von meteorologischen Bedingungen. Wenn z. B. der Einfluss der Refraktion 15 % ware, dann wurde sich im letzten Fall ein Hohenwinkel von 0,04° ergeben.
Die Erdkrummung kann beispielsweise mit
Teleobjektivaufnahmen
weit entfernter Schiffe auf Wasserflachen oder von Bergen bei guter
Fernsicht
mit entsprechender
Sichtweite
dokumentiert werden. Weit entfernte Objekte erscheinen nicht nur aufgrund des
Sehwinkels
(
Perspektive
) kleiner, sondern liegen aufgrund der Erdkrummung daruber hinaus tiefer im Bild als dies auf einer geometrischen Ebene der Fall ware. Dabei werden die unteren Bereiche des Motivs vom Horizont verdeckt. Die Große des Effekts unterliegt einigen Schwankungen, die vor allem der
terrestrischen Refraktion
zuzuordnen sind.
-
Serie von Teleobjektivaufnahmen: Ein sich zunehmend weiter entfernendes Boot verschwindet schließlich hinter dem Horizont
-
Serie von Teleobjektivaufnahmen: Ein Frachtschiff scheint mit zunehmender Entfernung nicht nur kleiner zu werden, sondern auch zu ?sinken“
-
Weiter entfernte Rotoren dieses
Offshore-Windparks
(
Naben
knapp 100 m uber dem
Meeresspiegel
) erscheinen tiefer liegend
-
Aufnahme der Erde von der
ISS
in 400 km Hohe aus (Lage des Horizonts nahe Bildmitte; gerade horizontale Vergleichlinien im Vordergrund)
Nicht geeignet sind Aufnahmen mit nicht
verzeichnungsfrei
abbildenden
Weitwinkelobjektiven
aus niedrigen Hohen. Die gebogene Horizontlinie zeigt dort nicht die Erdkrummung, sondern einen
Abbildungsfehler
des
Objektivs
. Der Fehler nimmt in Richtung der Bildrander zu und ist bei einer durch die Bildmitte des Objektivs (
optische Achse
) verlaufenden Horizontlinie unauffallig. Auf Weitwinkelaufnahmen aus ublichen
Reiseflughohen
von etwa 10,5 km lasst sich die Erdkrummung technisch nachweisen, deutlich sichtbar wird die gekrummte Horizontlinie jedoch erst ab Hohen von etwa 15 km.
[2]
[3]
- ↑
Die
Naturphilosophen
kannten drei Beweise, die spater
Aristoteles
in seine Schriften ubernahm: 1) Unterschiedlicher Sternhimmel je nach
Breitenkreis
, 2) Sinkende Sichtbarkeit von Schiffen nach der Ausfahrt, 3) Kreisformiger
Erdschatten
bei Mondfinsternissen.
- ↑
David K. Lynch:
Visually discerning the curvature of the Earth
. In:
Applied Optics
.
Band
47
,
Nr.
34
, Dezember 2008,
S.
H39?43
(englisch,
thulescientific.com
[PDF;
4,4
MB
; abgerufen am 17. August 2018]).
- ↑
Andrea Schorsch:
Von wo sieht man die Erdkrummung?
In:
NTV.de.
8. Mai 2018,
abgerufen am 23. August 2018
.