Als
Erdfigur
(oder auch
Erdgestalt
) wird eine
mathematisch
moglichst einfach definierbare Annaherung an die Form der
Erde
bezeichnet. Eine solche
Bezugsflache
wird in vielen Bereichen der
Geowissenschaften
fur Berechnungen und fur
Positionsangaben
benotigt.
Erste Gedanken dazu durften bereits auf
sudamerikanische
Hochkulturen,
Indien
und
Babylonien
zuruckgehen, vor allem aber auf die
ionische
Naturphilosophie
. Anstelle der
fruhgeschichtlichen
Vorstellung von einer ?
Erdscheibe
“ trat wahrend der
griechischen Antike
das Modell der ?Erdkugel“.
Eine theoretische ideale ?Erdkugel“ (
Globus
) ist als
Rechenflache
fur die Wissenschaften nur bedingt geeignet, weil die Erde durch ihre
Rotation
an den
Polen
abgeflacht ist. Diese
Abplattung
macht etwa 21 Kilometer aus.
Die zonalen Abweichungen vom ublichen ?mittleren
Erdradius
“ von 6371 Kilometern betragen zwischen ?14 Kilometer an den Polen und +7 Kilometer am
Aquator
. Sie wurden sich mit einem
Kugelradius
von 6368 Kilometern zwar auf ?11 Kilometer/+10 Kilometer verringern (zweidimensionale Betrachtung), doch ergaben sich damit viel zu kleine Werte fur
Oberflache
und
Volumen
der Erde (
dreidimensionale
Betrachtung: bei der Berechnung von Oberflache und Volumen geht jeweils der Abstand des betrachteten Elements von der
Erdachse
mit ein). Die mit unserem Planeten volumengleiche Kugel hat einen Radius von 6371,2 Kilometern; der Radius einer oberflachengleichen Kugel weicht um wenige Meter ab. Kugelformige Modelle sind fur die Erde nur dann brauchbar, wenn keine
Genauigkeit
besser als 10 Kilometer erforderlich ist. Die
geozentrische Breite
und die
geografische Breite
unterscheiden sich voneinander um bis zu 0,19° oder 22 Kilometer.
Prinzipiell kann die Form der Erde auf mehrere Arten definiert werden:
- als vereinfachte
Erdoberflache
mit Meereshohen von 0 Metern (genauer ?400 Meter beim
Toten Meer
) bis +9000 Meter (
Himalaya
)
- als Flache der ?festen Erde“ mit
Hohen
von ?11 Kilometern (tiefster
Meeresboden
) bis +9 Kilometer
- als idealisierte Flache des
Meeresspiegels
(ohne die naturbedingten Schwankungen von 1 bis 5 Metern) ? das seit 1870 sogenannte
Geoid
- ein dem Geoid angepasstes,
rotationssymmetrisches Ellipsoid
Die ersten zwei Moglichkeiten scheiden in der Praxis aus, weil sie fur den Großteil der Anwendungen zu kompliziert sind. Berechnungen auf einer schragen, variabel geneigten Flache erfordern einen deutlich hoheren Aufwand. Auch sind die hierfur erforderlichen
digitalen Gelandemodelle
(DGM, international
DTM
) erst seit den 1990er Jahren ausreichend genau und weltweit verfugbar.
Eine idealisierte Flache des Meeresspiegels scheidet im Regelfall ? trotz des relativ gleichmaßigen Meeresspiegels ? aus, weil auch diese Flache mathematisch zu kompliziert ist. Eine Uberlagerung von
Kugelflachenfunktionen
, die den Meeresspiegel auch nur auf 2 bis 4 Kilometer genau darstellt, erfordert bereits eine Formelgruppe mit 2
10
= 1024
Koeffizienten
.
[1]
Fur eine Genauigkeit von ±1 Kilometer steigt der Aufwand auf mindestens das Zehnfache, mithin die 100-fache Rechenzeit.
Die idealisierte Flache des Meeresspiegels wird fur spezielle Zwecke (
Ozeanografie
,
physikalische Geodasie
und
Geoidforschung
) verwendet. Sie entspricht einem gemischt
physikalisch-mathematischen
Modell.
Fur die praktische Anwendung wird das Geoid im Rahmen einer
Geoidbestimmung
durch seine Abweichung von einem Bezugsellipsoid festgelegt: In einem regelmaßigen
Raster
werden die
Lotabweichung
(Unterschied zwischen Ellipsoidnormale und Lotlinie) und die Geoidundulation (Hohenunterschied zwischen Ellipsoid und Geoid) angegeben. So lassen sich trotz der Unregelmaßigkeiten im
Schwerefeld
prazise
Vermessungsnetze
berechnen und mit
Gravimetrie
kombinieren.
Im Juni 2011 veroffentlichte das
Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ)
in
Potsdam
das Schweremodell
EIGEN-6C
.
[2]
[3]
Dieses Modell wurde aus den kombinierten Daten verschiedener Sat-Messungen von
LAGEOS
,
GRACE
,
GOCE
und anderen Messmethoden erstellt und hat eine raumliche Auflosung von rund zwolf Kilometern.
Bei der uberwiegenden Zahl von Anwendungen und Berechnungen wird nicht eine
physikalisch
, sondern rein
geometrisch
definierte
Rotationsfigur
zugrunde gelegt, die durch die zwei
Achsen
Aquatorradius
a
und Polradius
b
festgelegt ist.
Die konkreten Werte
a
und
b
hangen von der jeweiligen Anwendung und Region ab. Details dazu sind in den Artikeln zu den Ellipsoiden von
Bessel
(1842),
Clarke
(1866/1880),
Hayford
(1924) und
Krassowski
(1940) sowie
WGS 84
nachzulesen. Fur die
Landesvermessung
einzelner Staaten wurde meist das
Referenzellipsoid
benutzt, das fur das jeweilige Land am besten angepasst war. Nur wenige
Bezugssysteme
sind fur globale Vermessungen geeignet. Verschiedene Referenzellipsoide in Kombination mit einem anderen
Geodatischem Datum
konnen schnell zu sehr unterschiedlichen Positionsangaben fuhren, bei genaueren Ortsangaben sollte daher auch immer das entsprechende Bezugssystem angegeben werden.
- Friedrich Robert Helmert
:
Die mathematischen und physikalischen Theorien der
Hoheren Geodasie
.
Band I. Verlag B.G. Teubner, Leipzig 1880.
- Veikko Heiskanen
,
Helmut Moritz
:
Physical Geodesy.
Freeman-Verlag, San Francisco 1967, Nachdruck Graz 1979 (
das
klassische
Lehrbuch
bis 2005).
- Bernhard Hofmann-Wellenhof
(Hrsg.):
Physical Geodesy.
Springer-Verlag, Wien 2005,
ISBN 3-211-23584-1
(modernster Nachfolger des o. g. Lehrbuches).
- Wolfgang Torge
,
Geodasie
.
1. Aufl. Goschen/De Gruyter, Berlin 1975.
- Volker Bialas
:
Erdgestalt, Kosmologie und Weltanschauung. Die Geschichte der Geodasie als Teil der Kulturgeschichte der Menschheit.
Stuttgart: Verlag Konrad Wittwer 1982,
ISBN 978-3-87919-135-2
(
Rezension
des Buches von
Karl-Eugen Kurrer
in:
Das Argument
.
Nr. 154, 1985, S. 885?887).
- ↑
Karl Ledersteger
,
Gottfried Gerstbach
:
Die horizontale Isostasie. Das isostatische Geoid 31. Ordnung
. In:
Geowissenschaftliche Mitteilungen
Band 5, TU Wien 1975.
- ↑
Die jahreszeitliche Kartoffel.
(
Memento
des
Originals
vom 16. Oktober 2017 im
Internet Archive
)
Info:
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Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.gfz-potsdam.de
Bei:
gfz-potsdam.de
, abgerufen am 7. Februar 2012.
- ↑
Jahreszeitliche Schwankungen der planetaren ?Kartoffel“ messbar.
Bei:
derstandard.at
, abgerufen am 17. Februar 2019.