Ennio De Giorgi

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Ennio De Giorgi (* 8. Februar 1928 in Lecce ; † 25. Oktober 1996 in Pisa ) war ein einflussreicher italienischer Mathematiker. Er leistete entscheidende Beitrage auf dem Gebiet der Minimalflachen, der Variationsrechnung und partieller Differentialgleichungen. Er ist unter anderem bekannt fur seine Beitrage zur Losung von Hilberts 19. Problem .

Leben und wissenschaftliches Werk

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De Giorgi besuchte ab 1946 die Universitat Rom, wo er zunachst ein Ingenieursstudium begann, dann aber zur Mathematik wechselte. 1950 erhielt er sein Diplom (Erwerb der Laurea) und wurde von Mauro Picone promoviert, dessen Assistent am Institut Castelnuovo er wurde. 1958 wurde er Professor fur Analysis an der Universitat Messina und 1959 an der Scuola Normale Superiore in Pisa . Bis zu seinem Tod war er in der Forschung aktiv. De Giorgi war sehr religios. [1] Er lehrte von 1966 bis 1973 einmal im Jahr einen Monat an der von Nonnen geleiteten University of Asmara in Eritrea . Zudem war er ein Verfechter der Menschenrechte und aktives Mitglied bei Amnesty International . [1]

De Giorgi schreibt Picone einen großen Einfluss auf seinen akademischen Werdegang zu, den er als außerst liberal im wissenschaftlichen Dialog aber respektvoll gegenuber den akademischen Gepflogenheiten seiner Zeit beschreibt. [1] De Giorgi wird von seinen Schulern und Kollegen als frohlicher und offener Mensch beschrieben, der sich intensiv um seine Studenten bemuhte. [2] Er hatte erheblichen Einfluss auf die italienische Mathematik. Zu seinen Schulern gehoren Giovanni Alberti , Luigi Ambrosio , Andrea Braides , Giuseppe Buttazzo , Gianni Dal Maso und Paolo Marcellini . [3]

De Giorgis fruhe Arbeiten beschaftigten sich vor allem mit der geometrischen Maßtheorie. Bereits wahrend seines Studiums hort er Vorlesungen uber dieses Gebiet bei Renato Caccioppoli . Zu seinen wichtigsten Leistungen gehoren die prazise Definition des Randes von Borel-Mengen und seine Arbeiten uber Minimalflachen (teilweise in Zusammenarbeit mit Enrico Bombieri ). Er bewies 1960 die Regularitat dieser Flachen in einer großen Klasse von Fallen. Zu seinen herausragendsten Leistungen zahlt sein Beitrag zur vollstandigen Losung des Bernstein-Problems. Sergei Natanowitsch Bernstein hatte um 1914 gezeigt, dass im euklidischen Raum von zwei Dimensionen eine vollstandige Minimalflache (Graph einer Funktion ) eine Hyperflache (affine Funktion ) ist. Das Problem, ob der Satz auch fur hohere Dimensionen gilt, war als Bernstein-Problem der Differentialgeometrie bekannt ( Wendell Fleming ). De Giorgi bewies, dass der Satz auch fur und d=3 gilt [4] und Frederick Almgren fur d=4. James Simons erweiterte den Satz 1968 auf alle Dimensionen . 1969 zeigten dann De Giorgi, Bombieri und Enrico Giusti , dass diese Aussage fur alle Raumdimensionen falsch ist (das Gegenbeispiel, der Simons-Kegel, hatte schon James Simons geliefert). [5]

1955 gab De Giorgi das erste Beispiel fur Nicht-Eindeutigkeit des Anfangswertproblems fur lineare parabolische partielle Differentialgleichungen mit regularen Koeffizienten.

De Giorgi trug 1957 wesentlich zur Losung des 19. Hilbertproblems ? die Frage der Analytizitat von Minimierern in der Variationsrechnung ? bei, wie sie beispielsweise in der Variation der Wirkungsfunktion in der Physik auftreten (Variation eines Mehrfachintegrals einer analytischen Funktion mit einer Konvexitatsbedingung fur die Funktion). De Giorgi bewies die Analytizitat (Stetigkeit und Differenzierbarkeit der Losungen) unabhangig und etwa gleichzeitig mit John Nash . Dazu bewies er die folgende Aussage: Jede Losung einer elliptischen Differentialgleichung zweiter Ordnung mit beschrankten Koeffizienten ist Holder-stetig . Gemeinsam mit Lamberto Cattabriga bewies er 1971 die Existenz von analytischen Losungen elliptischer partieller Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten in zwei Dimensionen.

Einen wesentlichen Beitrag zur Variationsrechnung lieferte er 1973 mit der Einfuhrung der Γ-Konvergenz , einem speziellen Konvergenzbegriff fur Funktionale. Dieser findet eine große Zahl von Anwendungen bei Problemen, wie z. B. der Dimensionsreduktion oder dem Ubergang von diskreten (Atom-) zu kontinuierlichen Modellen in der Physik.

Gemeinsam mit Ferruccio Colombini und Sergio Spagnolo zeigte er 1978/79 die Existenz von Losungen fur hyperbolische partieller Differentialgleichungen mit analytischen Koeffizienten und gab ein Beispiel fur die Nichtexistenz einer Losung bei nicht-analytischen Koeffizienten an.

In den 1980er Jahren beschaftigte sich De Giorgi vermehrt mit den Anwendungen der geometrischen Maßtheorie. Er fuhrte den Raum der Funktionen ein, der speziellen Funktionen von beschrankter Variation und bewies in Zusammenarbeit mit Michele Carriero und Antonio Leaci die Existenz von schwachen Losungen des Mumford-Shah-Funktionals im Raum . Dieses Funktional ? eingefuhrt durch David Mumford und Jayant Shah ? ist von erheblicher Bedeutung in der Theorie der Bildverarbeitung.

Zudem erhielt De Giorgi Ehrendoktorate der Sorbonne (1983) und der Universitat Lecce . Er war Mitglied der Accademia dei Lincei , der papstlichen , Turiner und lombardischen Akademie , der Academie des sciences und der National Academy of Sciences (USA, seit 1995).

1966 war er Invited Speaker auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Moskau ( Hypersurfaces of minimal measure in pluridimensional euclidean spaces ) und 1983 in Warschau ( G-operators and Gamma-convergence ).

Bedeutende Schriften

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De Giorgi verfasste 149 Arbeiten, von denen der uberwiegende Teil auf italienisch veroffentlicht wurde.

  • Un teorema di unicita per il problema di Cauchy, relativo ad equazioni differenziali lineari a derivate parziali di tipo parabolico. Ann. Mat. Pura Appl. (4) 40, 371-377, 1955.
  • Un esempio di non unicita della soluzione di un problema di Cauchy, relativo ad un'equazione differenziale lineare di tipo parabolico. Rend. Mat. e Appl. (5) 14, 382-387, 1955.
  • Sull'analiticita delle estremali degli integrali multipli. Atti Accad. Naz. Lincei Rend. Cl. Sci. Fis. Mat. Natur. (8) 20, 438-441, 1956.
  • Una estensione del teorema di Bernstein. Ann. Scuola Norm. Sup. Pisa (3) 19, 79-85, 1965.
  • mit E. Bombieri und E. Giusti: Minimal cones and the Bernstein problem. Invent. Math. 7, 243-268, 1969,
  • mit L. Cattabriga: Una dimonstratzione diretta dell esistenza di soluzione analitiche nel piano reale di equazioni a derivate partiali a coefficienti constanti, Boll. Un. Mat. Ital., Band 4, 1971, 1015-1027
  • mit S. Spagnolo: Sulla convergenza degli integrali dell'energia per operatori ellittici del secondo ordine. Boll. Un. Mat. Ital. (4) 8, 391-411, 1973.
  • mit T. Franzoni: Su un tipo di convergenza variazionale. Atti Accad. Naz. Lincei Rend. Cl. Sci. Fis. Mat. Natur. (8) 58, 842-850, 1975.
  • Gamma-convergenza e G-convergenza. Boll. Un. Mat. Ital. (5) 14-A, 213-220, 1977.
  • mit F. Colombini und S. Spagnolo: Existence et unicite des solutions des equations hyperboliques du second ordre a coefficients ne dependant que du temps. C. R. Acad. Sci. Paris Ser. A 286, 1045-1048, 1978.
  • mit F. Colombini und S. Spagnolo: Sur les equations hyperboliques avec des coefficients qui ne dependent que du temps. Ann. Scuola Norm. Sup. Pisa Cl. Sci. (4) 6, 511-559, 1979.
  • mit M. Carriero und A. Leaci: Existence theorem for a minimum problem with free discontinuity set. Arch. Rational Mech. Anal. 108, 195-218, 1989.

Aufsatzsammlungen

  • De Giorgi: Selected Papers. Springer-Verlag 2006.
  • Andrea Parlangeri, Uno Spirito Puro. Ennio De Giorgi, genio della matematica, Edizione Millela Lecce 2015
  • Nachruf von Jacques-Louis Lions, Francois Murat, Notices AMS, Oktober 1997, pdf

Einzelnachweise

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  1. a b c Interview mit Ennio De Giorgi (PDF-Datei; 105 kB)
  2. Biographie von De Giorgi
  3. Mathematics Genealogy Project
  4. De Giorgi: Una estensione del teorema di Bernstein , Ann. Scuola Normale Superiore Pisa, Band 19, 1965, S. 78?85, Digitalisat
  5. Bernstein Problem, Encyclopedia of Mathematics, Springer