Elektronische Musik

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Josef Tal in seinem Studio fur elektronische Musik in Jerusalem (ca. 1965)

Elektronische Musik bezeichnet Musik , die durch elektronische Klangerzeuger (Generatoren) hergestellt und mit Hilfe von Lautsprechern wiedergegeben wird. Im deutschen Sprachgebrauch war es bis zum Ende der 1940er Jahre ublich, alle Instrumente, an deren Klangentstehung bzw. -ubertragung in irgendeiner Weise elektrischer Strom beteiligt war, als elektrische Instrumente zu bezeichnen. Konsequenterweise sprach man daher auch von elektrischer Musik . [1] Bis heute besteht eine Kontroverse in der Terminologie, da einerseits ein wissenschaftlicher Begriff der Akustik und gleichzeitig aber auch ein Oberbegriff uber neue Musikstile der Unterhaltungsmusik gemeint ist. Andererseits kategorisiert man mit elektronischer Musik auch eine Gattung der Neuen Musik , wobei sich hier der Begriff der elektroakustischen Musik etabliert hat.

In der Zeit um 1980 erlebte die elektronische Musik durch die zunehmende Verfugbarkeit und Etablierung synthetischer Klangerzeugungsmoglichkeiten einen rasanten Aufschwung. Insbesondere im Bereich der speziell fur die Clubszene produzierten Musik nahmen synthetisch produzierte Songs ab etwa 1980 eine stetig wichtigere Stellung ein und losten den in den 1970er-Jahren ublichen, vornehmlich akustisch produzierten Disco -Sound sehr schnell ab. Es begann die Phase der elektronischen Tanzmusik , die im Verlauf der 1980er zum Sound der Ara werden sollte und mit Musikstilen wie Synthpop , Euro Disco , House und schließlich Techno nicht nur den Sound der Dekade, sondern auch den der nachfolgenden Jahrzehnte entscheidend pragen sollte. Seit dieser Zeit sind synthetisch produzierte Musikstucke in hochstem Ausmaß popular und haben traditionell akustisch aufgenommene Songs, vor allem im Bereich der Clubmusik, aber auch im Bereich der Popmusik allmahlich mehr oder weniger verdrangt.

Vorgeschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In der elektronischen Musik begegnen sich zwei gegensatzliche Spharen menschlichen Schaffens: die kunstlerisch-asthetische der Musik und die naturwissenschaftliche der Physik und Elektrotechnik. Daher muss die Entwicklung ihrer Voraussetzungen aus einem ideengeschichtlichen und einem technischen Blickwinkel heraus betrachtet werden. Im Zuge der radikalen musikalischen Veranderungen, die das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert der Neuen Musik haben werden lassen, spielt die elektronische Musik eine wichtige Rolle. Von grundlegender Bedeutung sind zunachst diejenigen Konzepte, die schon Moglichkeiten der elektronischen Musik voraussetzten, noch bevor diese tatsachlich (technisch) zur Verfugung standen:

Das erste Musikinstrument, das Elektrizitat verwendete, war das Clavecin electrique von Jean-Baptiste Delaborde . Das oft genannte Denis d’or des tschechischen Erfinders Pater Prokop Divi? aus den fruhen 1750er-Jahren war zwar in der Lage, dem Spieler aus Spaß kleine elektrische Schlage zu versetzen, benutzte aber wahrscheinlich keine Elektrizitat bei der Klangerzeugung. [2] 1867 konstruierte der Direktor der Telegraphenfabrik Neuchatel Hipp ein elektromechanisches Klavier. Ein erstes Patent auf dem Gebiet elektronischer Klangerzeugung wurde am 12. Marz 1885 an E. Lorenz aus Frankfurt am Main erteilt. [3] [4]

Eine ungewohnliche Erfindung des elektronischen Instrumentenbaus war das von Thaddeus Cahill 1897 entwickelte Teleharmonium oder Dynamophon . Es arbeitete nach dem Prinzip eines Zahnradgenerators, wog 200 Tonnen und war so groß wie ein Guterwaggon. Cahill benutzte fur jeden Halbton einen riesigen dampfgetriebenen Mehrfachstromerzeuger, der ihm die sinusformigen Ausgangsspannungen lieferte. [3] In seinem 1907 erschienenen Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst [5] entwickelte Ferruccio Busoni seine Theorie der Dritteltone, wobei er fur dessen klangliche Umsetzung das Dynamophon am geeignetsten hielt. [6]

Leon Theremin konstruierte als Leiter des Laboratoriums fur elektrische Schwingungen des staatlichen physikalisch-technischen Instituts in Leningrad von 1920 bis 1928 das aufsehenerregende Instrument Atherophon , das spater nach ihm Theremin benannt wurde. Das Instrument war technisch gesehen eine Schwebungssummerkonstruktion, d. h. die Erzeugung eines horbaren Tones erfolgte durch Uberlagerung zweier hochfrequenter und nicht mehr horbarer Tone. [3] Diese Eigenschaft der Klangerzeugung inspirierte einige Komponisten zu Werken speziell fur das Theremin. [7] Vom Komponisten Anis Fuleihan wurde auf diese Weise ein Konzert fur Theremin und Orchester geschaffen, das 1945 mit dem New York Symphony Orchestra unter Leopold Stokowski und der Solistin Clara Rockmore am Theremin uraufgefuhrt wurde. [3]

Etwa zeitgleich beschaftigte sich der deutsche Volksschullehrer und Organist Jorg Mager mit der exakten Erzeugung von Mikrointervallen und stellte Erfindungen wie das Elektrophon (1921) und das Spharophon (1928) vor. Mager war ein Anhanger des tschechischen Komponisten Alois Haba , der sich, durch Anregung von Ferruccio Busoni , bereits mit Mikrointervallen praktisch beschaftigte. Zudem leitete Mager sein Interesse an Mikrointervallen von der Beobachtung des Akustikers und Musikethnologen Erich Moritz von Hornbostel ab, dass die Melodie bei einer Veranderung der Tonhohenlage, aber auch der Notenlange, stets als ein und dieselbe Gestalt erscheint. So wurden spater sein Spharophon II , sein Kaleidosphon und seine Elektrotonorgel fertiggestellt. [3]

Beim Ondes Martenot handelte es sich ebenfalls um einen Tonfrequenz erzeugenden Schwebungssummer mit dem Unterschied, dass zusatzlich an einem Seil gezogen wurde, womit Tonhohen verandert werden konnten. Olivier Messiaen verwendete dieses Instrument in seiner Turangalila-Symphonie , der schweizerische Komponist Arthur Honegger setzte es im Oratorium Johanna auf dem Scheiterhaufen ein. Bereits 1907 hatte Busoni in seiner visionaren und einflussreichen Schrift Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst mogliche Entwicklungslinien aufgezeigt, die erst mit den Mitteln der elektronischen Musik ab den 1950er-Jahren realisiert werden konnten. Er griff darin unter anderem die Idee der Klangfarbenmelodie , die Arnold Schonberg erstmals in seiner Harmonielehre (1911) vorstellte und in den folgenden Jahren wiederholt angesprochen hat, von Relevanz fur das musikalische Konzept der fruhen elektronischen Musik. Weiterhin kann die kompositorische Konzeption Edgar Vareses mit ihrer gleichermaßen von Busoni und den italienischen Futuristen beeinflussten Gerauschhaftigkeit als Vorwegnahme rein elektronischer Moglichkeiten der Klanggestaltung betrachtet werden.

Durch die Bedeutung des Rundfunks als Medium zunachst zur Durchsetzung politischer Ziele und spater der Unterhaltung wurde der Weg fur Ubertragungen von Musik geebnet.

In dieselbe Zeit fallt die Entwicklung des Trautoniums durch Friedrich Trautwein im Jahre 1930, das spater durch Oskar Sala weiterentwickelt wurde. [8] Aus diesem Jahr stammen auch die ersten Trautoniumstucke von Paul Hindemith : Sieben Stucke fur drei Trautonien mit dem Untertitel Des kleinen Elektromusikers Lieblinge . [9]

Im Jahr 1935 konkurrierten die Hammondorgel und die Lichttonorgel , wobei Erstere die Oberhand gewann.

Entstehung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Geschichte der elektronischen Musik ist eng an die Geschichte der elektronischen Klangerzeugung (Instrumente, Apparate) gekoppelt. Im Allgemeinen spricht man bis ca. 1940 von der elektrischen Musik und von elektrischen Musikinstrumenten . Ab Anfang der 1950er Jahre wurde eine bestimmte, mit elektronischen Geraten realisierte Kompositionstechnik elektronische Musik genannt.

Musique concrete aus Paris [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1943 rief der Ingenieur Pierre Schaeffer eine Forschungsstelle fur radiophone Kunst in Paris, den Club d’Essai , ins Leben, der bald Kunstler wie Pierre Henry , Pierre Boulez , Jean Barraque , Olivier Messiaen und Anfang der 1950er-Jahre dann Karlheinz Stockhausen anzog. Am 5. Oktober 1948 gingen beim Pariser Rundfunk Schaeffers Cinq etudes de bruits in einem als Concert des Bruits betitelten Radioprogramm uber den Ather und markieren damit die Geburtsstunde der Musique concrete . Am 18. Marz 1950 fand dann das erste offentliche Konzert konkreter Musik in der Ecole normale de musique de Paris statt. Da in der Anfangszeit des Club d’Essai außerhalb Deutschlands noch keine Tonbandmaschinen zur Verfugung standen, wurden die Gerausche auf Schallplatten festgehalten und in einem Arbeitsgang aus bis zu acht Schallplatten gleichzeitig abgemischt. Bei der Bearbeitung dieser Klange, die einfache Alltagsgerausche waren, handelte es sich um deren Transformation und collagenartige Kombination. Asthetisch erweist sich die fruhe Musique concrete damit als Vorstufe zum Horspiel und der radiophonen Collage. Der Terminus ?Konkrete Musik“, den Schaeffer 1949 vorschlug, tragt zum einen der Verwendung vorgefundener Gerausche ? sogenannter ?Klangobjekte“ ? Rechnung, sollte aber auch als Abgrenzung gegenuber der komponierten und damit ?abstrakten“ Musik ( Serialismus ) verstanden werden. Mit diesem radikalen ( bruitistischen ) Ansatz sorgte Schaeffer auch im eigenen Lager fur einige Irritation. In den 1950er-Jahren erlaubte die Tonaufnahme auf Magnetband auch in Paris die Einfuhrung weiterer Bearbeitungstechniken wie Schnittmoglichkeiten, Geschwindigkeitstransformationen und damit Tonhohenveranderungen. Durch diese Moglichkeiten entstand zu dieser Zeit das Phonogen , eine Art Mellotron mit Klangtransponiermoglichkeit, und das Morphophon , vergleichbar einem Bandschleifen-Verzogerungsgerat.

In Großbritannien war Daphne Oram (1925?2003) [10] eine Vorreiterin mit ihrer Musique concrete . Inspiriert von Schaeffer und von einem Besuch des RTF (Radiodiffusion-Television Francaise) in Paris, baute sie, trotz Widerstanden, fur die BBC ab 1958 ein ahnliches Studio auf ? den BBC Radiophonic Workshop . [11] Der von ihr als Oramics bezeichnete Prozess ist eine Technik der grafischen Tonerzeugung , bei der direkt auf 35mm-Filmmaterial gezeichnet wird. 1962 entwickelte sie eine darauf basierende Maschine. [12]

Im Bewusstsein der interessierten Offentlichkeit befand sich die Musique concrete damit in direkter Rivalitat zur gleichzeitig in Erscheinung tretenden ?elektronischen Musik“ aus Koln. Anfang der 1950er-Jahre wurde die Arbeit Schaeffers und seines Mitarbeiters Pierre Henry in eine Art ideologischen und zum Teil auch chauvinistisch motivierten Streit verwickelt. Eine debakulose Auffuhrung ihrer Gemeinschaftskomposition Orphee 53 , die anlasslich der Donaueschinger Musiktage am 10. Oktober 1953 stattfand, besiegelte ihre ?Niederlage“ und schadete dem internationalen Ansehen der Musique concrete auf Jahre hinaus. Die Komponisten, die Anfang der 1950er Jahre der Groupe de Recherches de Musique concrete (die 1951 aus dem Club d’Essai hervorgegangen war) nahestanden, haben durchaus versucht, in die Musique concrete kompositorische Ordnungsprinzipien einzufuhren, konnten sich aber zunachst nicht gegen die Gerauschkonzeption Schaeffers durchsetzen. 1954 realisierte Edgar Varese als Gast die Tonbander fur seine Komposition Deserts . Erst ab 1956/57 entstanden Arbeiten von Luc Ferrari , Iannis Xenakis , Francois Bayle und anderen, die in viel starkerem Maße kompositorische Gesichtspunkte und spater sogar serielle Prinzipien in den Vordergrund stellten. Folgerichtig gab Schaeffer den Begriff Musique concrete nun zu Gunsten von ?elektroakustischer Musik“ auf und benannte auch seine Groupe de Recherches de Musique concrete 1958 in Groupe de Recherches Musicales um.

Elektronische Musik aus Koln [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Werner Meyer-Eppler fur eine bestimmte Art des Komponierens mit technischen Hilfsmitteln den Terminus ?elektronische Musik“ vorschlug, ging es ihm dabei vor allem um eine Abgrenzung gegenuber den bisherigen Entwicklungen der elektrischen Klangerzeugung, der elektrischen Musik, zu der er auch die Musique concrete und die Music for Tape (s. u.) zahlte. [3]

Der Physiker Werner Meyer-Eppler, der Tonmeister Robert Beyer , der Techniker Fritz Enkel und der Komponist Herbert Eimert grundeten 1951 mit Hilfe des NWDR das Kolner Studio fur Elektronische Musik. Das erste offentliche Konzert fand dann am 26. Mai 1953 auf dem Kolner ?Neuen Musikfest 1953“ statt. Im Unterschied zur Musique concrete wurde hier versucht, elektronisch erzeugte Tone nach physikalischen Regeln wie der Fourier-Analyse wissenschaftlich zu erfassen. Die Klangfarbe , als Resultat der Uberlagerung mehrerer Sinustone , und die Parameter Frequenz, Amplitude und Dauer wurden dabei ausfuhrlich analysiert.

Zunachst ging es Eimert und Beyer (nur) um die differenzierte Gestaltung von Klangfarben. Erst eine zweite Generation junger Komponisten, unter ihnen Henri Pousseur , Karel Goeyvaerts und Karlheinz Stockhausen , arbeitete dann ab 1953 vor allem an der konsequenten Durchfuhrung serieller Kompositionsmethoden mit elektronischen Mitteln. Signifikant fur diese fruhe musikalische Konzeption des Kolner Studios ist die ausschließliche Verwendung ?synthetisch“ hergestellter Klange sowie deren direkte Verarbeitung und Speicherung auf Magnettonband und schließlich die Wiedergabe uber Lautsprecher. Dadurch wurden (zumindest theoretisch) zwei musikhistorisch revolutionare Dinge erreicht: zunachst die vollstandige Kontrolle uber den Parameter Klangfarbe , der bisher fur die Komponisten immer unwagbar geblieben war und nun ebenfalls der seriellen Organisationsmethode unterworfen werden konnte. Zweitens wurde der Interpret als vermittelnde ? und damit die kompositorische Absicht potentiell verfalschende ? Instanz ausgeschaltet. Zum ersten Mal in der Geschichte der abendlandischen Musik schien es den Komponisten mit Werken wie Stockhausens Studie II moglich, ihre Ideen ?unvermittelt“ an den Horer weiterzugeben. Die jahrhundertealten Versuche, die musikalische Absicht immer praziser durch Notenschrift zu fixieren, waren damit uberholt.

Da die klanglichen Ergebnisse dieser fruhen Arbeiten aber deutlich hinter den in sie gesetzten Erwartungen zuruckblieben, beschritt man in der Technik der Klangsynthese neue Wege und verließ bereits 1954 das ursprungliche Sinuston-Konzept wieder. Mit wachsender Komplexitat des Herstellungsprozesses nahm nun einerseits die Klangqualitat ab und andererseits entzogen sich die Klangkomponenten auch zunehmend der Kontrolle durch die Komponisten. Eine erste Konsequenz daraus zog Stockhausen in seiner Komposition Gesang der Junglinge (1955/56), die konzeptuell zwischen elektronischen Klangen und Phonemen vermittelt und statistische Ordnungsprinzipien ( Aleatorik ) durch im Raum verteilte Lautsprechergruppen zur Anwendung brachte.

Die Idee der klanglichen Vermittlung zwischen heterogenen Ausgangsmaterialien fuhrt dann konsequent zum Entwurf der Live-Elektronik und auch zur Transformation von Klangen beliebiger Herkunft, womit die Entwicklung der elektronischen Musik Kolner Auspragung ihre großte Annaherung zum einstigen ?Erbfeind Musique concete“ vollzogen hat. Das Kolner Studio war nicht der einzige Ort, an dem Techniker und Musiker an der Entstehung der Elektronischen Musik zusammenarbeiteten. Einflussreich waren das Siemens-Studio fur elektronische Musik ab 1956 in Munchen unter der kunstlerischen Leitung von Orff-Schuler Josef Anton Riedl und das Columbia-Princeton Electronic Music Center in New York. Bereits ein Jahr zuvor, am 1. Marz 1955, wurde das Studio fur Elektronische Komposition Darmstadt eingeweiht, mit dessen Leitung der Komponist Hermann Heiß beauftragt wurde. 1957 privatisierte Hermann Heiß das Studio unter dem Namen Studio fur Elektronische Komposition Hermann Heiß Darmstadt . 1977 kam das IRCAM im Pariser Centre Pompidou von Pierre Boulez hinzu. Das Elektronische Studio Basel und das Studio fur Elektronische Musik in Dresden wurden erst in den 1980er-Jahren eingerichtet. Weitere Studios fur elektronische Musik standen oder stehen in Mailand, Stockholm und Utrecht.

Music for Tape [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im sogenannten Tape Music Studio der Columbia-Princeton Universitat in New York unterrichteten Vladimir Ussachevski und Otto Luening Studenten in einer speziellen Art des Umgangs mit auf Tonband aufgezeichneten Klangen. Sie gingen davon aus, dass die große Bandbreite moglicher elektronischer Manipulation die Herkunft des Klanges mehr und mehr in den Hintergrund treten lasst. [3] Erste bekannt gewordene Studien der Music for Tape stammen vom New Yorker Ehepaar Louis und Bebe Barron , die sich seit 1948 in ihrem eigenen professionellen Aufnahmestudio mit erweiterten Moglichkeiten des Tonbandes zur Musikproduktion beschaftigten. [3] Im Studio der Barrons realisierte John Cage 1951 das Project of Music for Magnetic Tape , gemeinsam mit den Komponisten Earle Brown, Morton Feldman , David Tudor , und Christian Wolff .

Bei der Music for Tape war vor allem die Vielseitigkeit bei Auswahl und Bearbeitung von Klangquellen fur die musikalische Umsetzung von Bedeutung. In Amerika wurde die Unterscheidung in kontrollierbare (elektronische) und ?unkontrollierbare“ (mechanische) Klange als nicht sinnvoll betrachtet. [3]

Ein weiterer bedeutender Vorreiter der elektronischen Musik in den USA war der unabhangig von den im Aufbau begriffenen Hochschulstudios wirkende Richard Maxfield .

Der kanadische Physiker Hugh Le Caine machte entscheidende Experimente in der Anschlagsdynamik eines Keyboards zwischen 1945 und 1948. [3] Bei dem von ihm erfundenen Sackbut konnte der Spieler sogar durch wechselnden seitlichen Druck der Taste subtile Veranderungen der Tonhohe, Lautstarke und Klangfarbe ermoglichen und zusatzlich expressive Merkmale wie Vibrato, Intensitat und Einschwingvorgange kontrollieren. 1955 erfand er den Special Purpose Tape Recorder , bei dem es sich um eine Synthese aus Mehrkanal-Bandmaschine und Mellotron handelt, mit der sich bei der Arbeit mit konkreten Klangen ungeahnte Moglichkeiten ergaben. [3] Das 1955 von Le Caine komponierte Stuck Dripsody ist nur etwas uber eine Minute lang und besteht aus dem mit dem Recorder aufgenommenen Gerausch eines Wassertropfens, welches vielfach kopiert und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in einer pentatonischen Skala angeordnet wurde, woraus sich unterschiedliche Tonhohen ergaben. Beginnend mit dem Originaltropfen, steigern sich Intensitat und Dichte durch weitere Bandschleifen zu einem Climax, bis hin zu zwolftonigen Arpeggien, die alle aus dem Klangmaterial des Tropfens abgeleitet sind. [3] [13]

Computermusik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Lejaren Hiller grundete in der University of Illinois at Urbana-Champaign 1958 das zweite US-amerikanische Studio fur elektronische Musik, das Experimental Music Studio . Er experimentierte dort neben anderen Forschern mit dem ILLIAC-Rechner und spater dem IBM 7090-Rechner .

Neben der Verwendung in studiotechnischen Geraten lassen sich heute drei große musikalische Anwendungsbereiche fur Computer ausmachen, die mit den Stichworten Komposition (Partitursynthese), Klangerzeugung (durch Simulation) und Klangsteuerung umrissen werden. [3]

Beim ?Grand Price Of Ars Electronica “ wurde 1979 der von Kim Ryrie und Peter Vogel in Australien entwickelte Fairlight Musikcomputer erstmals einem großeren internationalen Publikum vorgefuhrt. Diese aufwandige (8-Bit-)Rechenmaschine brachte als wesentliche Neuerung die Sampling-Methode hervor: Sie ermoglichte es erstmals alle Klange unserer Welt in einen Computer sowohl zu speichern als auch sie mittels der Tastatur jederzeit nicht nur einfach abrufen zu konnen, sondern sie auf jede gewunschte Tonhohe bringen zu konnen und uberdies formbar zu machen.

Dies offnete Komponisten und Produzenten vollig neue musikalische und konzeptionelle Dimensionen. Im Januar 1982 beispielsweise erschien auf einem eigens fur solche Art von Musik von Ulrich Rutzel in Hamburg gegrundeten Label und -Verlag das Album ? Erdenklang Computerakustische Klangsinfonie“. Es war der erste verfugbare Tontrager mit dieser neuen Produktionstechnologie. In ihren Linernotes zu diesem Album vermerkte Wendy Carlos : ?Erdenklang darf nicht mehr ausschließlich als technische, sondern muss weitgehend als musikalische Errungenschaft betrachtet werden. Etwas, worum die elektronische Musik, seit es sie gibt, kampft.“ [14]

Hubert Bognermayr und Ulrich Rutzel fuhrten fur diese Musik-Gattung den Begriff Computerakustische Musik ein. Die 1983 erschienene ? Bergpredigt ? Oratorium fur Musikcomputer und Stimmen“ verfestigte diese musikhistorische Entwicklung und stellt bis heute einen Meilenstein in der Computermusik dar. [15]

Bei dem am 25. April 1987 vom WDR veranstalteten Konzert ?Million Bits In Concert“ [16] mit den Elektronik-Musikern Hubert Bognermayr , Harald Zuschrader , Johannes Schmoelling , Kristian Schultze und Matthias Thurow kamen erstmals verschiedene Computersysteme (wie z. B. der Fairlight) auch in einem Livekonzert zum Einsatz. Mike Oldfield ließ sich von Bognermayr und Zuschrader in diese Technologie einfuhren und ging mit dem Fairlight und Harald Zuschrader auf Tournee.

Vereinzelt wird Computermusik inzwischen auch fur technisch gesteuerte Theater- und Freiluft- Inszenierungen verwendet, z. B. als Schaltmusik fur Feuerwerke .

Entwicklung der elektronischen Musik in der Popularmusik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Erstes Auftreten elektronischer Musik im Film [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die 1970er [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In den 1970er-Jahren entstanden im Kontext von Rockmusik der Progressive Rock und Psychedelic Rock , die durch einen pragnanten Einsatz von elektronischen Tasteninstrumenten zum Teil Elemente elektronischer Musik verarbeiten. Durch den Einfluss von Instrumenten der Computermusik entstanden Synthesizer und Sequencer neben Soundmodulen . Besonders der Synthesizer wurde zum pragenden Instrument der Popmusik. Wendy ?Walter“ Carlos , die an der Columbia-Universitat Kompositionslehre studierte, war eine der ersten, die sich fur den Moog-Synthesizer interessierten, und beriet seit 1964 Robert Moog bei seiner Herstellung. Keith Emerson verwendete den Moog-Synthesizer ebenfalls oft, der durch seine virtuose Spielart stilbildend auf jungere Musiker wirkte. Die neue Moglichkeit, beliebig lang anhaltende Tone langsamen klanglichen Veranderungen zu unterwerfen, zeigte eine starke Affinitat zur ?zerfliessenden Formlosigkeit“ des Psychedelic Rock [3] ( The United States of America , Silver Apples und Fifty Foot Hose ). In den 1970er-Jahren entstand in Deutschland die sogenannte Berliner Schule , die spater den Krautrock beeinflusste.

Bis in die 1980er-Jahre hinein entstanden nebeneinander zahlreiche Musikgenres, die elektronisch erzeugte Musik als asthetisches Mittel verwendeten; aus New Wave wurde Electro Wave , aus Funk wurde Electro Funk und spater Hip-Hop , aus Disco wurde House .

Die 1980er [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Bereich der Synthesizer -orientierten Musik hatten Gruppen wie Kraftwerk , Depeche Mode und Suicide , die fur kommende Stile wie EBM , Elektropop , Hip-Hop und Techno Pionierarbeit leisteten, großen Einfluss auf viele spatere Musiker.

Die 1990er [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das Sampling im Techno wurde durch mehrere Genres ( Funk , Electro Funk , New Wave , Electronic Body Music ) Ende der 1980er-Jahre geschaffen. Ferner liegen Einflusse in der Perkussionbetonung der Afroamerikanischen und Afrikanischen Musik .

Der Schwerpunkt liegt im elektronisch erzeugten Schlagzeug - Rhythmus durch Drumcomputer . Durch Sampling werden Loops erzeugt, wodurch ein Repetitives Arrangement als charakteristisches Klangbild entsteht.

Ab 2000 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ende der 1990er-Jahre wurden Elemente der elektronischen Musik in die bis dahin oft als konservativ angesehenen Genres des klassischen Rock und Folk ubernommen. Bands wie Radiohead oder Tortoise , aber auch Stereolab verarbeiteten elektronische Elemente in Strukturen des klassischen Songwritings und trugen zu einer Neuetablierung elektronischer (Tanz-)Musik außerhalb der Techno -Szene bei.

Seit 2014 gibt es auch auf dem Electric Love Festival in Salzburg eine eigene Hardstyle-Stage.

Weitere Musikstile [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Begriffliche Abgrenzung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Rockmusik wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht zur elektronischen Musik gerechnet, obwohl auch dort elektronische Instrumente und besonders elektronische Effektgerate eingesetzt werden. Bei Elektrogitarren sind zwar die klangverandernden Wirkungen von Verstarker und Effektgeraten essenziell, trotzdem werden sie nicht zu den Elektrophonen gezahlt. Im Psychedelic Rock (z. B. Led Zeppelin oder Deep Purple ) kommen auch ?echte“ Elektrophone (z. B. Theremin oder Hammondorgel ) vor, aber auch er wird von der elektronischen Musik abgegrenzt. Im Metal spielen ? je nach Substil ? analoge Effektgerate eine bedeutende Rolle, aber Musiker und Szenemitglieder haben oft klare Vorstellungen, welche Gerate verboten sind, um nicht zur elektronischen Musik zu gehoren. Digitale Effektgerate oder digitale Produktion gelten in der ganzen Musikrichtung als Tabu (wobei Keyboards mit analogem Ausgang toleriert werden), und es besteht bei Gitarrenverstarkern eine Ablehnung von Halbleitern .

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Elektronische Musik  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Wolfgang Martin Stroh : Elektronische Musik (1975). In: Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.): Handworterbuch der musikalischen Terminologie . 14. Auslieferung. Franz Steiner, Wiesbaden 1987.
  2. Peer Sitter: Das Denis d’or: Urahn der ?elektroakustischen“ Musikinstrumente? ( Memento vom 3. Januar 2016 im Internet Archive ) (PDF; 297 kB) In: Wolfgang Auhagen , Bram Gatjen, Klaus Wolfgang Niemoller (Hrsg.): Perspektiven und Methoden einer systemischen Musikwissenschaft: Bericht uber das Kolloquium im Musikwissenschaftlichen Institut der Universitat zu Koln 1998 (Band 6 von Systemische Musikwissenschaft ), Verlag Lang, 2003, S. 303; Systemische Musikwissenschaft. ( Memento vom 26. Juni 2012 im Internet Archive ) Festschrift Jobst Peter Fricke zum 65. Geburtstag. 2003, Revision 2010, Musikwissenschaftliches Institut Universitat zu Koln, Abt. Systematik.
  3. a b c d e f g h i j k l m n Andre Ruschkowski ? Soundscapes
  4. Patentschau, Patent Nr. 33507. In: ETZ: Elektrotechnische Zeitschrift : Ausgabe A. 1885, Band 6 (November), S. 504.
  5. Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst , Volltext bei Wikisource .
  6. Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst , S. 42 f.
  7. Matthias Sauer: Die Thereminvox ? Konstruktion, Geschichte, Werke , S. 72 ff.
  8. Hore dazu auch die spateren Arbeiten Salas aus den Jahren 1990 und 1997 ( My Faszinating Instrument (1990, Erdenklang 90340) und Subharmonische Mixturen (1997, Erdenklang 70962)). Die Kombination mit neuerer Computertechnik ist nachzulesen in dem Artikel zu Ulrich Rutzel .
  9. Klaus Ebbeke: Paul Hindemith und das Trautonium.
  10. Stephanie Metzger: Utopistinnen des Sounds: Die Klangwelten von Daphne Oram, Maddalena Fagandini und Delia Derbyshire (www.br.de).
  11. Ingo Techmeier: Elektronikpionierin Daphne Oram: Private Traume, offentliche Alptraume . In: Die Tageszeitung : taz . 10. Juli 2015, ISSN   0931-9085 ( taz.de [abgerufen am 18. Juni 2020]).
  12. Daphne Oram. 10. September 2016, abgerufen am 18. Juni 2020 (englisch).
  13. Gayle Young en ? Hugh Le Caine en .
  14. Siehe die Liner-Notes unter Teldec 6.25030/LC 81558
  15. Zu dieser Bewertung kommt Veronica Matho in: Veronica Matho: Die 100 besten Rock- und Pop LPs . Ullstein Buch UTB Nr. 36537, Berlin 1987, S. 24.
  16. Siehe http://www.johannesschmoelling.de/html/mbic.htm