Elektronische Musik
bezeichnet
Musik
, die durch
elektronische
Klangerzeuger (Generatoren)
hergestellt und mit Hilfe von
Lautsprechern
wiedergegeben wird. Im deutschen Sprachgebrauch war es bis zum Ende der 1940er Jahre ublich, alle Instrumente, an deren Klangentstehung bzw. -ubertragung in irgendeiner Weise elektrischer Strom beteiligt war, als
elektrische Instrumente
zu bezeichnen. Konsequenterweise sprach man daher auch von
elektrischer Musik
.
[1]
Bis heute besteht eine
Kontroverse
in der Terminologie, da einerseits ein wissenschaftlicher Begriff der
Akustik
und gleichzeitig aber auch ein Oberbegriff uber
neue Musikstile der Unterhaltungsmusik
gemeint ist. Andererseits kategorisiert man mit elektronischer Musik auch eine Gattung der
Neuen Musik
, wobei sich hier der Begriff der
elektroakustischen Musik
etabliert hat.
In der Zeit um 1980 erlebte die elektronische Musik durch die zunehmende Verfugbarkeit und Etablierung synthetischer Klangerzeugungsmoglichkeiten einen rasanten Aufschwung. Insbesondere im Bereich der speziell fur die
Clubszene
produzierten Musik nahmen synthetisch produzierte Songs ab etwa 1980 eine stetig wichtigere Stellung ein und losten den in den 1970er-Jahren ublichen, vornehmlich akustisch produzierten
Disco
-Sound sehr schnell ab. Es begann die Phase der
elektronischen Tanzmusik
, die im Verlauf der 1980er zum Sound der Ara werden sollte und mit Musikstilen wie
Synthpop
,
Euro Disco
,
House
und schließlich
Techno
nicht nur den Sound der Dekade, sondern auch den der nachfolgenden Jahrzehnte entscheidend pragen sollte. Seit dieser Zeit sind synthetisch produzierte Musikstucke in hochstem Ausmaß popular und haben traditionell akustisch aufgenommene Songs, vor allem im Bereich der Clubmusik, aber auch im Bereich der
Popmusik
allmahlich mehr oder weniger verdrangt.
In der elektronischen Musik begegnen sich zwei gegensatzliche Spharen menschlichen Schaffens: die kunstlerisch-asthetische der Musik und die naturwissenschaftliche der Physik und Elektrotechnik. Daher muss die Entwicklung ihrer Voraussetzungen aus einem ideengeschichtlichen und einem technischen Blickwinkel heraus betrachtet werden. Im Zuge der radikalen musikalischen Veranderungen, die das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert der
Neuen Musik
haben werden lassen, spielt die elektronische Musik eine wichtige Rolle. Von grundlegender Bedeutung sind zunachst diejenigen Konzepte, die schon Moglichkeiten der elektronischen Musik voraussetzten, noch bevor diese tatsachlich (technisch) zur Verfugung standen:
Das erste Musikinstrument, das Elektrizitat verwendete, war das
Clavecin electrique
von
Jean-Baptiste Delaborde
. Das oft genannte
Denis d’or
des tschechischen Erfinders Pater
Prokop Divi?
aus den fruhen 1750er-Jahren war zwar in der Lage, dem Spieler aus Spaß kleine elektrische Schlage zu versetzen, benutzte aber wahrscheinlich keine Elektrizitat bei der Klangerzeugung.
[2]
1867 konstruierte der Direktor der Telegraphenfabrik Neuchatel Hipp ein elektromechanisches Klavier. Ein erstes Patent auf dem Gebiet elektronischer Klangerzeugung wurde am 12. Marz 1885 an E. Lorenz aus Frankfurt am Main erteilt.
[3]
[4]
Eine ungewohnliche Erfindung des elektronischen Instrumentenbaus war das von
Thaddeus Cahill
1897 entwickelte Teleharmonium oder
Dynamophon
. Es arbeitete nach dem Prinzip eines Zahnradgenerators, wog 200 Tonnen und war so groß wie ein Guterwaggon. Cahill benutzte fur jeden Halbton einen riesigen dampfgetriebenen Mehrfachstromerzeuger, der ihm die sinusformigen Ausgangsspannungen lieferte.
[3]
In seinem 1907 erschienenen
Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst
[5]
entwickelte
Ferruccio Busoni
seine Theorie der Dritteltone, wobei er fur dessen klangliche Umsetzung das Dynamophon am geeignetsten hielt.
[6]
Leon Theremin
konstruierte als Leiter des Laboratoriums fur elektrische Schwingungen des staatlichen physikalisch-technischen Instituts in Leningrad von 1920 bis 1928 das aufsehenerregende Instrument
Atherophon
, das spater nach ihm
Theremin
benannt wurde. Das Instrument war technisch gesehen eine Schwebungssummerkonstruktion, d. h. die Erzeugung eines horbaren Tones erfolgte durch Uberlagerung zweier hochfrequenter und nicht mehr horbarer Tone.
[3]
Diese Eigenschaft der Klangerzeugung inspirierte einige Komponisten zu Werken speziell fur das Theremin.
[7]
Vom Komponisten
Anis Fuleihan
wurde auf diese Weise ein Konzert fur Theremin und Orchester geschaffen, das 1945 mit dem
New York Symphony Orchestra
unter
Leopold Stokowski
und der Solistin
Clara Rockmore
am Theremin uraufgefuhrt wurde.
[3]
Etwa zeitgleich beschaftigte sich der deutsche Volksschullehrer und Organist
Jorg Mager
mit der exakten Erzeugung von
Mikrointervallen
und stellte Erfindungen wie das
Elektrophon
(1921) und das
Spharophon
(1928) vor. Mager war ein Anhanger des tschechischen Komponisten
Alois Haba
, der sich, durch Anregung von
Ferruccio Busoni
, bereits mit Mikrointervallen praktisch beschaftigte. Zudem leitete Mager sein Interesse an Mikrointervallen von der Beobachtung des Akustikers und Musikethnologen
Erich Moritz von Hornbostel
ab, dass die Melodie bei einer Veranderung der Tonhohenlage, aber auch der Notenlange, stets als ein und dieselbe Gestalt erscheint. So wurden spater sein
Spharophon II
, sein
Kaleidosphon
und seine
Elektrotonorgel
fertiggestellt.
[3]
Beim
Ondes Martenot
handelte es sich ebenfalls um einen Tonfrequenz erzeugenden Schwebungssummer mit dem Unterschied, dass zusatzlich an einem Seil gezogen wurde, womit Tonhohen verandert werden konnten.
Olivier Messiaen
verwendete dieses Instrument in seiner
Turangalila-Symphonie
, der schweizerische Komponist
Arthur Honegger
setzte es im Oratorium
Johanna auf dem Scheiterhaufen
ein. Bereits 1907 hatte Busoni in seiner visionaren und einflussreichen Schrift
Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst
mogliche Entwicklungslinien aufgezeigt, die erst mit den Mitteln der elektronischen Musik ab den 1950er-Jahren realisiert werden konnten. Er griff darin unter anderem die Idee der
Klangfarbenmelodie
, die
Arnold Schonberg
erstmals in seiner
Harmonielehre
(1911) vorstellte und in den folgenden Jahren wiederholt angesprochen hat, von Relevanz fur das musikalische Konzept der fruhen elektronischen Musik. Weiterhin kann die kompositorische Konzeption
Edgar Vareses
mit ihrer gleichermaßen von Busoni und den
italienischen Futuristen
beeinflussten Gerauschhaftigkeit als Vorwegnahme rein elektronischer Moglichkeiten der Klanggestaltung betrachtet werden.
Durch die Bedeutung des
Rundfunks
als Medium zunachst zur Durchsetzung politischer Ziele und spater der Unterhaltung wurde der Weg fur Ubertragungen von Musik geebnet.
In dieselbe Zeit fallt die Entwicklung des
Trautoniums
durch
Friedrich Trautwein
im Jahre 1930, das spater durch
Oskar Sala
weiterentwickelt wurde.
[8]
Aus diesem Jahr stammen auch die ersten Trautoniumstucke von
Paul Hindemith
: Sieben Stucke fur drei Trautonien mit dem Untertitel
Des kleinen Elektromusikers Lieblinge
.
[9]
Im Jahr 1935 konkurrierten die
Hammondorgel
und die
Lichttonorgel
, wobei Erstere die Oberhand gewann.
Die Geschichte der elektronischen Musik ist eng an die Geschichte der elektronischen Klangerzeugung (Instrumente, Apparate) gekoppelt. Im Allgemeinen spricht man bis ca. 1940 von der
elektrischen Musik
und von
elektrischen Musikinstrumenten
. Ab Anfang der 1950er Jahre wurde eine bestimmte, mit elektronischen Geraten realisierte Kompositionstechnik
elektronische Musik
genannt.
1943 rief der Ingenieur
Pierre Schaeffer
eine Forschungsstelle fur radiophone Kunst in Paris, den
Club d’Essai
, ins Leben, der bald Kunstler wie
Pierre Henry
,
Pierre Boulez
,
Jean Barraque
,
Olivier Messiaen
und Anfang der 1950er-Jahre dann
Karlheinz Stockhausen
anzog. Am 5. Oktober 1948 gingen beim Pariser Rundfunk Schaeffers
Cinq etudes de bruits
in einem als
Concert des Bruits
betitelten Radioprogramm uber den Ather und markieren damit die Geburtsstunde der
Musique concrete
. Am 18. Marz 1950 fand dann das erste offentliche Konzert konkreter Musik in der
Ecole normale de musique de Paris
statt. Da in der Anfangszeit des
Club d’Essai
außerhalb Deutschlands noch keine
Tonbandmaschinen
zur Verfugung standen, wurden die Gerausche auf Schallplatten festgehalten und in einem Arbeitsgang aus bis zu acht Schallplatten gleichzeitig abgemischt. Bei der Bearbeitung dieser Klange, die einfache Alltagsgerausche waren, handelte es sich um deren Transformation und collagenartige Kombination. Asthetisch erweist sich die fruhe Musique concrete damit als Vorstufe zum Horspiel und der radiophonen Collage. Der Terminus ?Konkrete Musik“, den Schaeffer 1949 vorschlug, tragt zum einen der Verwendung vorgefundener Gerausche ? sogenannter ?Klangobjekte“ ? Rechnung, sollte aber auch als Abgrenzung gegenuber der komponierten und damit ?abstrakten“ Musik (
Serialismus
) verstanden werden. Mit diesem radikalen (
bruitistischen
) Ansatz sorgte Schaeffer auch im eigenen Lager fur einige Irritation. In den 1950er-Jahren erlaubte die Tonaufnahme auf Magnetband auch in Paris die Einfuhrung weiterer Bearbeitungstechniken wie Schnittmoglichkeiten, Geschwindigkeitstransformationen und damit Tonhohenveranderungen. Durch diese Moglichkeiten entstand zu dieser Zeit das
Phonogen
, eine Art
Mellotron
mit Klangtransponiermoglichkeit, und das
Morphophon
, vergleichbar einem Bandschleifen-Verzogerungsgerat.
In
Großbritannien
war
Daphne Oram
(1925?2003)
[10]
eine Vorreiterin mit ihrer
Musique concrete
. Inspiriert von Schaeffer und von einem Besuch des RTF (Radiodiffusion-Television Francaise) in Paris, baute sie, trotz Widerstanden, fur die BBC ab 1958 ein ahnliches Studio auf ? den
BBC Radiophonic Workshop
.
[11]
Der von ihr als
Oramics
bezeichnete Prozess ist eine Technik der
grafischen Tonerzeugung
, bei der direkt auf
35mm-Filmmaterial
gezeichnet wird. 1962 entwickelte sie eine darauf basierende Maschine.
[12]
Im Bewusstsein der interessierten Offentlichkeit befand sich die
Musique concrete
damit in direkter Rivalitat zur gleichzeitig in Erscheinung tretenden ?elektronischen Musik“ aus Koln. Anfang der 1950er-Jahre wurde die Arbeit Schaeffers und seines Mitarbeiters Pierre Henry in eine Art ideologischen und zum Teil auch chauvinistisch motivierten Streit verwickelt. Eine debakulose Auffuhrung ihrer Gemeinschaftskomposition
Orphee 53
, die anlasslich der Donaueschinger Musiktage am 10. Oktober 1953 stattfand, besiegelte ihre ?Niederlage“ und schadete dem internationalen Ansehen der
Musique concrete
auf Jahre hinaus. Die Komponisten, die Anfang der 1950er Jahre der
Groupe de Recherches de Musique concrete
(die 1951 aus dem
Club d’Essai
hervorgegangen war) nahestanden, haben durchaus versucht, in die
Musique concrete
kompositorische Ordnungsprinzipien einzufuhren, konnten sich aber zunachst nicht gegen die Gerauschkonzeption Schaeffers durchsetzen. 1954 realisierte
Edgar Varese
als Gast die Tonbander fur seine Komposition
Deserts
. Erst ab 1956/57 entstanden Arbeiten von
Luc Ferrari
,
Iannis Xenakis
,
Francois Bayle
und anderen, die in viel starkerem Maße kompositorische Gesichtspunkte und spater sogar serielle Prinzipien in den Vordergrund stellten. Folgerichtig gab Schaeffer den Begriff
Musique concrete
nun zu Gunsten von ?elektroakustischer Musik“ auf und benannte auch seine
Groupe de Recherches de Musique concrete
1958 in
Groupe de Recherches Musicales
um.
Als
Werner Meyer-Eppler
fur eine bestimmte Art des Komponierens mit technischen Hilfsmitteln den Terminus ?elektronische Musik“ vorschlug, ging es ihm dabei vor allem um eine Abgrenzung gegenuber den bisherigen Entwicklungen der elektrischen Klangerzeugung, der elektrischen Musik, zu der er auch die
Musique concrete
und die
Music for Tape
(s. u.) zahlte.
[3]
Der Physiker Werner Meyer-Eppler, der Tonmeister
Robert Beyer
, der Techniker Fritz Enkel und der Komponist
Herbert Eimert
grundeten 1951 mit Hilfe des
NWDR
das Kolner Studio fur Elektronische Musik. Das erste offentliche Konzert fand dann am 26. Mai 1953 auf dem Kolner ?Neuen Musikfest 1953“ statt. Im Unterschied zur Musique concrete wurde hier versucht, elektronisch erzeugte Tone nach physikalischen Regeln wie der
Fourier-Analyse
wissenschaftlich zu erfassen. Die
Klangfarbe
, als Resultat der Uberlagerung mehrerer
Sinustone
, und die Parameter Frequenz, Amplitude und Dauer wurden dabei ausfuhrlich analysiert.
Zunachst ging es Eimert und Beyer (nur) um die differenzierte Gestaltung von Klangfarben. Erst eine zweite Generation junger Komponisten, unter ihnen
Henri Pousseur
,
Karel Goeyvaerts
und
Karlheinz Stockhausen
, arbeitete dann ab 1953 vor allem an der konsequenten Durchfuhrung serieller Kompositionsmethoden mit elektronischen Mitteln. Signifikant fur diese fruhe musikalische Konzeption des Kolner Studios ist die ausschließliche Verwendung ?synthetisch“ hergestellter Klange sowie deren direkte Verarbeitung und Speicherung auf Magnettonband und schließlich die Wiedergabe uber Lautsprecher. Dadurch wurden (zumindest theoretisch) zwei musikhistorisch revolutionare Dinge erreicht: zunachst die vollstandige Kontrolle uber den Parameter
Klangfarbe
, der bisher fur die Komponisten immer unwagbar geblieben war und nun ebenfalls der seriellen Organisationsmethode unterworfen werden konnte. Zweitens wurde der Interpret als vermittelnde ? und damit die kompositorische Absicht potentiell verfalschende ? Instanz ausgeschaltet. Zum ersten Mal in der Geschichte der abendlandischen Musik schien es den Komponisten mit Werken wie Stockhausens
Studie II
moglich, ihre Ideen ?unvermittelt“ an den Horer weiterzugeben. Die jahrhundertealten Versuche, die musikalische Absicht immer praziser durch Notenschrift zu fixieren, waren damit uberholt.
Da die klanglichen Ergebnisse dieser fruhen Arbeiten aber deutlich hinter den in sie gesetzten Erwartungen zuruckblieben, beschritt man in der Technik der Klangsynthese neue Wege und verließ bereits 1954 das ursprungliche Sinuston-Konzept wieder. Mit wachsender Komplexitat des Herstellungsprozesses nahm nun einerseits die Klangqualitat ab und andererseits entzogen sich die Klangkomponenten auch zunehmend der Kontrolle durch die Komponisten. Eine erste Konsequenz daraus zog Stockhausen in seiner Komposition
Gesang der Junglinge
(1955/56), die konzeptuell zwischen elektronischen Klangen und
Phonemen
vermittelt und statistische Ordnungsprinzipien (
Aleatorik
) durch im Raum verteilte Lautsprechergruppen zur Anwendung brachte.
Die Idee der klanglichen Vermittlung zwischen heterogenen Ausgangsmaterialien fuhrt dann konsequent zum Entwurf der
Live-Elektronik
und auch zur Transformation von Klangen beliebiger Herkunft, womit die Entwicklung der elektronischen Musik Kolner Auspragung ihre großte Annaherung zum einstigen ?Erbfeind Musique concete“ vollzogen hat. Das Kolner Studio war nicht der einzige Ort, an dem Techniker und Musiker an der Entstehung der Elektronischen Musik zusammenarbeiteten. Einflussreich waren das
Siemens-Studio fur elektronische Musik
ab 1956 in Munchen unter der kunstlerischen Leitung von Orff-Schuler
Josef Anton Riedl
und das
Columbia-Princeton Electronic Music Center
in New York. Bereits ein Jahr zuvor, am 1. Marz 1955, wurde das
Studio fur Elektronische Komposition Darmstadt
eingeweiht, mit dessen Leitung der Komponist
Hermann Heiß
beauftragt wurde. 1957 privatisierte Hermann Heiß das Studio unter dem Namen
Studio fur Elektronische Komposition Hermann Heiß Darmstadt
. 1977 kam das
IRCAM
im Pariser
Centre Pompidou
von
Pierre Boulez
hinzu. Das
Elektronische Studio Basel
und das
Studio fur Elektronische Musik
in Dresden wurden erst in den 1980er-Jahren eingerichtet. Weitere Studios fur elektronische Musik standen oder stehen in Mailand, Stockholm und Utrecht.
Im sogenannten
Tape Music Studio
der
Columbia-Princeton Universitat
in New York unterrichteten
Vladimir Ussachevski
und
Otto Luening
Studenten in einer speziellen Art des Umgangs mit auf Tonband aufgezeichneten Klangen. Sie gingen davon aus, dass die große Bandbreite moglicher elektronischer Manipulation die Herkunft des Klanges mehr und mehr in den Hintergrund treten lasst.
[3]
Erste bekannt gewordene Studien der
Music for Tape
stammen vom New Yorker Ehepaar Louis und
Bebe Barron
, die sich seit 1948 in ihrem eigenen professionellen Aufnahmestudio mit erweiterten Moglichkeiten des Tonbandes zur Musikproduktion beschaftigten.
[3]
Im Studio der Barrons realisierte
John Cage
1951 das
Project of Music for Magnetic Tape
, gemeinsam mit den Komponisten Earle Brown,
Morton Feldman
,
David Tudor
, und
Christian Wolff
.
Bei der
Music for Tape
war vor allem die Vielseitigkeit bei Auswahl und Bearbeitung von Klangquellen fur die musikalische Umsetzung von Bedeutung. In Amerika wurde die Unterscheidung in kontrollierbare (elektronische) und ?unkontrollierbare“ (mechanische) Klange als nicht sinnvoll betrachtet.
[3]
Ein weiterer bedeutender Vorreiter der elektronischen Musik in den USA war der unabhangig von den im Aufbau begriffenen Hochschulstudios wirkende
Richard Maxfield
.
Der kanadische Physiker
Hugh Le Caine
machte entscheidende Experimente in der
Anschlagsdynamik
eines Keyboards zwischen 1945 und 1948.
[3]
Bei dem von ihm erfundenen
Sackbut
konnte der Spieler sogar durch wechselnden seitlichen Druck der Taste subtile Veranderungen der Tonhohe, Lautstarke und Klangfarbe ermoglichen und zusatzlich expressive Merkmale wie Vibrato, Intensitat und Einschwingvorgange kontrollieren. 1955 erfand er den
Special Purpose Tape Recorder
, bei dem es sich um eine Synthese aus Mehrkanal-Bandmaschine und
Mellotron
handelt, mit der sich bei der Arbeit mit konkreten Klangen ungeahnte Moglichkeiten ergaben.
[3]
Das 1955 von Le Caine komponierte Stuck
Dripsody
ist nur etwas uber eine Minute lang und besteht aus dem mit dem
Recorder
aufgenommenen Gerausch eines Wassertropfens, welches vielfach kopiert und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in einer pentatonischen Skala angeordnet wurde, woraus sich unterschiedliche Tonhohen ergaben. Beginnend mit dem Originaltropfen, steigern sich Intensitat und Dichte durch weitere Bandschleifen zu einem Climax, bis hin zu zwolftonigen Arpeggien, die alle aus dem Klangmaterial des Tropfens abgeleitet sind.
[3]
[13]
Lejaren Hiller
grundete in der
University of Illinois at Urbana-Champaign
1958 das zweite US-amerikanische Studio fur elektronische Musik, das
Experimental Music Studio
. Er experimentierte dort neben anderen Forschern mit dem
ILLIAC-Rechner
und spater dem
IBM 7090-Rechner
.
Neben der Verwendung in studiotechnischen Geraten lassen sich heute drei große musikalische Anwendungsbereiche fur Computer ausmachen, die mit den Stichworten
Komposition
(Partitursynthese),
Klangerzeugung
(durch Simulation) und
Klangsteuerung
umrissen werden.
[3]
Beim ?Grand Price Of
Ars Electronica
“ wurde 1979 der von Kim Ryrie und Peter Vogel in Australien entwickelte
Fairlight Musikcomputer
erstmals einem großeren internationalen Publikum vorgefuhrt. Diese aufwandige (8-Bit-)Rechenmaschine brachte als wesentliche Neuerung die Sampling-Methode hervor: Sie ermoglichte es erstmals alle Klange unserer Welt in einen Computer sowohl zu speichern als auch sie mittels der Tastatur jederzeit nicht nur einfach abrufen zu konnen, sondern sie auf jede gewunschte Tonhohe bringen zu konnen und uberdies formbar zu machen.
Dies offnete Komponisten und Produzenten vollig neue musikalische und konzeptionelle Dimensionen. Im Januar 1982 beispielsweise erschien auf einem eigens fur solche Art von Musik von
Ulrich Rutzel
in Hamburg gegrundeten Label und -Verlag das Album ?
Erdenklang
Computerakustische Klangsinfonie“. Es war der erste verfugbare Tontrager mit dieser neuen Produktionstechnologie. In ihren Linernotes zu diesem Album vermerkte
Wendy Carlos
: ?Erdenklang darf nicht mehr ausschließlich als technische, sondern muss weitgehend als musikalische Errungenschaft betrachtet werden. Etwas, worum die elektronische Musik, seit es sie gibt, kampft.“
[14]
Hubert Bognermayr
und
Ulrich Rutzel
fuhrten fur diese Musik-Gattung den Begriff
Computerakustische Musik
ein. Die 1983 erschienene ?
Bergpredigt
? Oratorium fur Musikcomputer und Stimmen“ verfestigte diese musikhistorische Entwicklung und stellt bis heute einen Meilenstein in der Computermusik dar.
[15]
Bei dem am 25. April 1987 vom WDR veranstalteten Konzert ?Million Bits In Concert“
[16]
mit den Elektronik-Musikern
Hubert Bognermayr
,
Harald Zuschrader
,
Johannes Schmoelling
,
Kristian Schultze
und
Matthias Thurow
kamen erstmals verschiedene Computersysteme (wie z. B. der Fairlight) auch in einem Livekonzert zum Einsatz.
Mike Oldfield
ließ sich von Bognermayr und Zuschrader in diese Technologie einfuhren und ging mit dem Fairlight und Harald Zuschrader auf Tournee.
Vereinzelt wird Computermusik inzwischen auch fur technisch gesteuerte Theater- und Freiluft-
Inszenierungen
verwendet, z. B. als Schaltmusik fur
Feuerwerke
.
Entwicklung der elektronischen Musik in der Popularmusik
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In den 1970er-Jahren entstanden im Kontext von Rockmusik der
Progressive Rock
und
Psychedelic Rock
, die durch einen pragnanten Einsatz von elektronischen Tasteninstrumenten zum Teil Elemente elektronischer Musik verarbeiten. Durch den Einfluss von Instrumenten der Computermusik entstanden
Synthesizer
und
Sequencer
neben
Soundmodulen
. Besonders der Synthesizer wurde zum pragenden Instrument der Popmusik.
Wendy ?Walter“ Carlos
, die an der
Columbia-Universitat
Kompositionslehre studierte, war eine der ersten, die sich fur den
Moog-Synthesizer
interessierten, und beriet seit 1964
Robert Moog
bei seiner Herstellung.
Keith Emerson
verwendete den Moog-Synthesizer ebenfalls oft, der durch seine virtuose Spielart stilbildend auf jungere Musiker wirkte. Die neue Moglichkeit, beliebig lang anhaltende Tone langsamen klanglichen Veranderungen zu unterwerfen, zeigte eine starke Affinitat zur ?zerfliessenden Formlosigkeit“ des Psychedelic Rock
[3]
(
The United States of America
,
Silver Apples
und
Fifty Foot Hose
). In den 1970er-Jahren entstand in Deutschland die sogenannte
Berliner Schule
, die spater den
Krautrock
beeinflusste.
Bis in die 1980er-Jahre hinein entstanden nebeneinander zahlreiche Musikgenres, die elektronisch erzeugte Musik als asthetisches Mittel verwendeten; aus
New Wave
wurde
Electro Wave
, aus
Funk
wurde
Electro Funk
und spater
Hip-Hop
, aus
Disco
wurde
House
.
Im Bereich der
Synthesizer
-orientierten Musik hatten Gruppen wie
Kraftwerk
,
Depeche Mode
und
Suicide
, die fur kommende Stile wie
EBM
,
Elektropop
,
Hip-Hop
und
Techno
Pionierarbeit leisteten, großen Einfluss auf viele spatere Musiker.
Das Sampling im
Techno
wurde durch mehrere Genres (
Funk
,
Electro Funk
,
New Wave
,
Electronic Body Music
) Ende der 1980er-Jahre geschaffen. Ferner liegen Einflusse in der Perkussionbetonung der
Afroamerikanischen und Afrikanischen Musik
.
Der Schwerpunkt liegt im elektronisch erzeugten
Schlagzeug
-
Rhythmus
durch
Drumcomputer
. Durch
Sampling
werden
Loops
erzeugt, wodurch ein
Repetitives Arrangement
als charakteristisches Klangbild entsteht.
Ende der 1990er-Jahre wurden Elemente der elektronischen Musik in die bis dahin oft als konservativ angesehenen Genres des klassischen
Rock
und
Folk
ubernommen. Bands wie
Radiohead
oder
Tortoise
, aber auch
Stereolab
verarbeiteten elektronische Elemente in Strukturen des klassischen
Songwritings
und trugen zu einer Neuetablierung elektronischer (Tanz-)Musik außerhalb der
Techno
-Szene bei.
Seit 2014 gibt es auch auf dem Electric Love Festival in Salzburg eine eigene Hardstyle-Stage.
- Noise
,
Power Electronics
,
Dark Ambient
,
Electronic Body Music
sind
Post-Industrial
-Musikstile.
- House
-Musikstile:
2 Step
,
Acid House
,
Chicago House
,
Deep House
,
Dream House
,
French House
,
Funky House
,
Future House
,
Hard House
,
Hip House
,
Italo Dance
,
Minimal House
/
Microhouse
,
Progressive House
,
Tech House
,
Tribal House
,
Tropical House
- Psychedelic Trance
, eine
Trance
-Musikkultur
- Anfang der 1990er-Jahre entstand das Genre
Jungle
durch schnelle Wiederholungen von
Breakbeats
, woraus schließlich, durch elektronische Klange angereichert,
Drum and Bass
wurde. Etwa gleichzeitig entstand auch die sogenannte
Intelligent Dance Music
in England.
- Clownstep
,
Drumfunk
,
Neurofunk
,
Liquid Funk
,
Techstep
sind Drum-and-Bass-Sub-Genres,
Dubstep
ist kein Sub-Genre, es entstand aus dem
Garage
und dem
2 Step
Genre. etwas entfernter auch
Grime
,
Breakcore
,
Digital Hardcore
,
Big Beat
,
Nu-Skool Breaks
,
Harsh
und
Broken Beat
.
- Hardcore Techno
,
Hardstyle
,
Jumpstyle
, Hardbass, HandsUp, Hard Dance
- Ambient
,
Ambient Techno
,
Ambient Dub
,
Space-Musik
- Illbient
,
Downbeat
und
Trip-Hop
sind
Ambient
-artige Stile mit Beat.
Rockmusik
wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht zur elektronischen Musik gerechnet, obwohl auch dort elektronische Instrumente und besonders elektronische Effektgerate eingesetzt werden. Bei
Elektrogitarren
sind zwar die klangverandernden Wirkungen von
Verstarker
und
Effektgeraten
essenziell, trotzdem werden sie nicht zu den
Elektrophonen
gezahlt. Im
Psychedelic Rock
(z. B.
Led Zeppelin
oder
Deep Purple
) kommen auch ?echte“ Elektrophone (z. B.
Theremin
oder
Hammondorgel
) vor, aber auch er wird von der elektronischen Musik abgegrenzt. Im
Metal
spielen ? je nach Substil ? analoge Effektgerate eine bedeutende Rolle, aber Musiker und Szenemitglieder haben oft klare Vorstellungen, welche Gerate verboten sind, um nicht zur elektronischen Musik zu gehoren. Digitale Effektgerate oder digitale Produktion gelten in der ganzen Musikrichtung als Tabu (wobei
Keyboards
mit analogem Ausgang toleriert werden), und es besteht bei Gitarrenverstarkern eine Ablehnung von
Halbleitern
.
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- Andre Ruschkowski:
Elektronische Klange und musikalische Entdeckungen.
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- Matthias Sauer:
Die Thereminvox ? Konstruktion, Geschichte, Werke.
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- Elena Ungeheuer:
Wie die elektronische Musik ≫erfunden≪ wurde…
Quellenstudie zu Werner Meyer-Epplers Entwurf zwischen 1949 und 1953. Schott, Mainz 1992,
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- Sebastian Vogt:
Ich bin der Musikant mit Laptop in der Hand!? Vom Einfluss technischer Innovationen auf den Produktionsprozess von elektronischer Musik; ein Ruckblick auf die Jahre 1997 bis 2007.
Universitats-Verlag Ilmenau, Ilmenau 2011,
ISBN 978-3-86360-006-8
.
- Christoph von Blumroder
:
Die elektroakustische Musik, Eine kompositorische Revolution und ihre Folgen.
Signale aus Koln ? Beitrage zur Musik der Zeit, Band 22. Verlag Der Apfel, Wien 2017,
ISBN 978-3-85450-422-1
.
- ↑
Wolfgang Martin Stroh
:
Elektronische Musik
(1975). In: Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.):
Handworterbuch der musikalischen Terminologie
. 14. Auslieferung. Franz Steiner, Wiesbaden 1987.
- ↑
Peer Sitter:
Das Denis d’or: Urahn der ?elektroakustischen“ Musikinstrumente?
(
Memento
vom 3. Januar 2016 im
Internet Archive
) (PDF; 297 kB) In:
Wolfgang Auhagen
, Bram Gatjen,
Klaus Wolfgang Niemoller
(Hrsg.):
Perspektiven und Methoden einer systemischen Musikwissenschaft: Bericht uber das Kolloquium im Musikwissenschaftlichen Institut der Universitat zu Koln 1998
(Band 6 von
Systemische Musikwissenschaft
), Verlag Lang, 2003, S. 303;
Systemische Musikwissenschaft.
(
Memento
vom 26. Juni 2012 im
Internet Archive
)
Festschrift
Jobst Peter Fricke
zum 65. Geburtstag.
2003, Revision 2010, Musikwissenschaftliches Institut Universitat zu Koln, Abt. Systematik.
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Andre Ruschkowski ? Soundscapes
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Patentschau, Patent Nr. 33507. In: ETZ:
Elektrotechnische Zeitschrift
: Ausgabe A. 1885, Band 6 (November), S. 504.
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Ferruccio Busoni:
Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst
, Volltext bei
Wikisource
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Ferruccio Busoni:
Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst
, S. 42 f.
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Matthias Sauer:
Die Thereminvox ? Konstruktion, Geschichte, Werke
, S. 72 ff.
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Hore dazu auch die spateren Arbeiten Salas aus den Jahren 1990 und 1997 (
My Faszinating Instrument
(1990, Erdenklang 90340) und
Subharmonische Mixturen
(1997, Erdenklang 70962)). Die Kombination mit neuerer Computertechnik ist nachzulesen in dem Artikel zu
Ulrich Rutzel
.
- ↑
Klaus Ebbeke:
Paul Hindemith und das Trautonium.
- ↑
Stephanie Metzger:
Utopistinnen des Sounds: Die Klangwelten von Daphne Oram, Maddalena Fagandini und Delia Derbyshire
(www.br.de).
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Ingo Techmeier:
Elektronikpionierin Daphne Oram: Private Traume, offentliche Alptraume
. In:
Die Tageszeitung
: taz
. 10. Juli 2015,
ISSN
0931-9085
(
taz.de
[abgerufen am 18. Juni 2020]).
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Daphne Oram.
10. September 2016,
abgerufen am 18. Juni 2020
(englisch).
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Gayle Young
en
? Hugh Le Caine
en
.
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Siehe die Liner-Notes unter Teldec 6.25030/LC 81558
- ↑
Zu dieser Bewertung kommt Veronica Matho in: Veronica Matho:
Die 100 besten Rock- und Pop LPs
. Ullstein Buch UTB Nr. 36537, Berlin 1987, S. 24.
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Siehe
http://www.johannesschmoelling.de/html/mbic.htm