Ein
Einzelfallgesetz
oder
Individualgesetz
ist eine
Rechtsnorm
, die nicht generell-abstrakt, sondern nur auf eine
Person
oder einen einzigen
Sachverhalt
im
Einzelfall
anwendbar ist.
[1]
Einzelfallgesetze, die ein
Grundrecht
einschranken, sind gem.
Art. 19
Abs. 1 Satz 1 GG unzulassig. Aus dem
allgemeinen Gleichheitssatz
folgt insoweit ein absolutes Diskriminierungs- und Privilegierungsverbot (
Verbot des Einzelfallgesetzes
).
[2]
[3]
Im ubrigen konnen Einzelfallgesetze als sachlich gerechtfertigte Sonderregelung (Singulargesetze) zulassig sein, wenn es nur einen zu regelnden Fall gibt und die Regelung dieses Sachverhalts von sachlichen Grunden getragen wird.
[4]
[5]
Beispiele sind die sog.
Platow-Amnestie
mit dem
Straffreiheitsgesetz von 1954
[6]
oder die
Investitionsmaßnahmegesetze
im Zusammenhang mit den
Verkehrsprojekten Deutsche Einheit
.
Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet grundrechtseinschrankende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur fur den Einzelfall gelten. Ein Gesetz ist allgemein, wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestande nicht absehen lasst, auf wie viele und welche Falle das Gesetz Anwendung findet,
[7]
wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen moglich ist.
[8]
Dass der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Falle vor Augen hat, die er zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser nicht den Charakter eines Einzelfallgesetzes, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Falle zu regeln.
[9]
Die abstrakt-generelle Formulierung darf jedoch nicht zur Verschleierung einer einzelfallbezogenen Regelung dienen.
[10]
Gesetze, zu deren Erlass ein Einzelfall Anlass gibt, durfen sich auf in der Vergangenheit abgeschlossene Vorgange beziehen und lediglich einen sachlich und personlich eng beschrankten Bereich erfassen. Diese sog.
Anlass-
oder
Maßnahmegesetze
sind nach dem Grundgesetz nicht unzulassig.
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
Sie unterliegen keiner strengeren verfassungsrechtlichen Prufung als andere Gesetze. Der Begriff des Maßnahmegesetzes ist insoweit verfassungsrechtlich irrelevant.
[16]
Enteignungsgesetze
sind keine grundrechtseinschrankenden Einzelfallgesetze im Sinne des Art. 19 Abs. 1 GG ein, sondern in
Art. 14
Abs. 3 Satz 2 GG speziell geregelt. Die Enteignung durch Gesetz (
Legalenteignung
) ist jedoch gegenuber der
Administrativenteignung
nur in eng begrenzten Fallen zulassig.
[17]
- ↑
Christoph Degenhart
:
Staatsorganisationsrecht
, 32. Auflage 2016, Rn. 127
- ↑
vgl. fur die
Besteuerungsgleichheit
:
BVerfG, Urteil vom 19. Marz 1991 - 2 BvR 1493/89
.
- ↑
Paul Kirchhoff
, in:
Maunz/Durig
GG, Art. 3 Abs. 1, Stand: September 2015, Rdnr. 121.
- ↑
BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1969 - 2 BvL 15/67
.
- ↑
Steffi Menzenbach, Heiko Wenzel:
Einzelfallgesetze
Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages
, Nr. 25/09 (18. Marz 2009).
- ↑
BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1959 - 1 BvL 10/55
Rdnr. 34 ff.
- ↑
BVerfGE 10, 234, 242; st. Rspr.
- ↑
BVerfGE 25, 371, 396
- ↑
BVerfGE 10, 234, 243 f.
- ↑
BVerfGE 24, 33, 52
- ↑
BVerfG, Urteil vom 25. Juni 1968 - 2 BvR 251/63
Rdnr. 60
- ↑
BVerfGE 15, 126, 146 f.
- ↑
Jorg Kinzig
:
Nur fur Eingeweihte in glucklichen Stunden verstandlich
LTO
, 9. August 2013 zum
Therapieunterbringungsgesetz
- ↑
BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - I ZR 131/13
Rdnr. 12 ff. zum
Olympiaschutzgesetz
- ↑
Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Januar 2007 - Vf. 11-VII-05
(
Memento
vom 20. Januar 2014 im
Internet Archive
) V.1.a); zu Art. 59 Abs. 2 Satz 3
BayEUG
(Tragen eines Kopftuchs im Unterricht durch muslimische Lehrerinnen).
- ↑
BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1969 - 2 BvL 15/67
Rdnr. 86.
- ↑
BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65
.