Die
Egreniermaschine
(englisch
Cotton Gin
, deutsch auch
Entkornungsmaschine
) ist eine
Maschine
zum
Entkornen
,
Egrenieren
oder
Ginnen
von
Baumwolle
, das heißt zur Abtrennung der
Baumwollfasern
von den Samenkernen.
[1]
[2]
Das Entkornen findet in der Regel direkt nach der
Ernte
statt, die erzeugten
Kuppelprodukte
sind zu
Ballen
gepresste Baumwollfasern, Baumwollsamen und
Linters
. Bei den heute eingesetzten Maschinen unterscheidet man zwei Bauarten, wobei die Sagezahn-Egreniermaschine deutlich haufiger eingesetzt wird.
Historisch war das Entkornen ein so aufwandiger Prozess, dass die
Naturfaser
Baumwolle nur dort in großerer Menge verarbeitet wurde, wo einfache
Werkzeuge
und Maschinen bekannt waren, die die Arbeit erleichterten. Ein Zentrum dieser Entwicklung war der Suden
Asiens
. Ende des 18. Jahrhunderts wurde in den
Vereinigten Staaten
die Sagezahnmaschine entwickelt, die einen wesentlichen Fortschritt darstellte und dort den Baumwollanbau zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor machte. Seit dem spaten 19. Jahrhundert wurde Baumwolle zunehmend industriell in eigenen
Fabriken
entkornt.
Das Entkornen findet nach der Ernte in den Anbauregionen statt.
[3]
Je nachdem, wie verunreinigt die geerntete Roh-, Samen- oder Saatbaumwolle ist, muss sie vorher von Pflanzenteilen befreit werden.
[4]
Beim Entkornen werden die langen Fasern (Lint) von den Samen abgerissen.
[5]
Sehr kurze Fasern, Linters oder Grundwolle genannt, bleiben am Samen.
[6]
[7]
Aus einer Kapsel mit etwa 4 g Samenbaumwolle bleiben nach dem Entkornen 1,5 g Fasern ubrig.
[4]
Mit sogenannten Lintermaschinen, Lintergins oder Entwollmaschinen wird die Grundwolle von den Samen entfernt. Sie wird vor allem zur
Papierherstellung
, als
Filz
oder als Polstermaterial verwendet.
[5]
[8]
[9]
[10]
Aus den als
Nebenprodukt
anfallenden Baumwollsamen gewinnt man
Baumwollsamenol
oder
Fette
fur die Herstellung von
Seifen
oder
Kerzen
.
[4]
Der
Presskuchen
kann zu Viehfutter oder Dungemittel verarbeitet werden.
[5]
Bei den Entkornungsmaschinen (Gins) unterscheidet man zwei verschiedene Bauarten:
[4]
- die Sagezahn-Egreniermaschine (Saw-Gin)
- die Walzen-Egreniermaschine (Roller-Gin).
Die Sagezahnmaschine arbeitet aufgrund ihrer weiterentwickelten
Mechanisierung
und
Automatisierung
wirtschaftlicher als die Walzenmaschine.
[4]
Es werden bis zu 8000 kg pro Stunde und Anlage vor allem Kurz- und Mittelstapel-Baumwolle verarbeitet, allerdings werden die Fasern mit diesem Mechanismus stark beansprucht, so dass es zu Faserschadigungen und hoheren Staub- und Kurzfaseranteilen kommt.
[11]
Die schonendere Walzenmaschine wird fur besonders
langstapelige
Baumwolle eingesetzt.
[5]
Allerdings liegt die Produktivitat nur bei 500 bis 1000 kg pro Stunde und Anlage.
[12]
Entkornungs- oder Egrenieranlagen fur Baumwolle heißen im
englischen
Cotton Gin
. Das Wort Gin hat hier keine Beziehung zu dem Getrank
Gin
, sondern stammt von dem alten
mittelenglischen
Wort
gin
?Vorrichtung, Falle‘, eine
Kurzform
des ursprunglich
altfranzosischen
engin
? (Kriegs-)Maschine, Gerat, Erfindung. In der Verbindung mit Baumwollentkornung ist es im
amerikanischen Englisch
seit Ende des 18. Jahrhunderts verbreitet.
[13]
[14]
Baumwolle
wird seit der
Jungsteinzeit
in den
Tropen
angebaut, sowohl als
Naturfaser
als auch als
Olfrucht
. Nur bei der Neuwelt-Art
Gossypium barbadense
, die in
Sudamerika
heimisch war und in der
Karibik
verbreitet wurde, konnten die
Baumwollfasern
einfach mit der Hand vom Samen getrennt werden. Die Menschen in Sudamerika
zuchteten
die Art so, dass die Samen zusammenwuchsen und sich leicht ablosen ließen.
[15]
Außerhalb Sudamerikas erfanden die Menschen einfache
Werkzeuge
zum Entkornen. Diese ersten Gins bestanden aus einer eisernen Handwalze (spater auch mit den Fußen bedient) und einem flachen Sockel, ahnlich einem
Mahlstein
. Die alteste bekannte Darstellung dieser Technik ist eine Malerei aus dem
5. Jahrhundert
in den indischen
Ajanta-Hohlen
. Die Werkzeuge waren in
Asien
um den
Jangtsekiang
und den
Indus
, in
Afrika
am
Niger
und im vorkolonialen
Sudwesten der Vereinigten Staaten
bekannt.
[15]
Der Prozess war aber so aufwandig, dass die Baumwolle als
Textilfaser
nur eine untergeordnete Rolle spielte.
[5]
Handbetriebene Walzenmaschinen (Churka und Roller-Gin)
[
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]
In Indien und China wurden bessere Techniken zur Entkornung erfunden. Die fruhen Roller-Gins waren einfache
Maschinen
mit zwei gegenlaufigen Walzen aus
Hartholz
oder Eisen, die von Hand angetrieben wurden. Eine Variante dieser Walzenmaschine, die indische Churka (auch
charkha
oder
belna
) mit einem
Schneckengetriebe
. Sie verbreitete sich von Indien bis in die
Levante
und nach
Sudostasien
. In China setzten sich zwei andere Typen von Walzenmaschinen durch.
[15]
Im Laufe der Zeit wurden der Antrieb und die Art der Walzen verbessert. Ein anderes Gerat reinigte die entkornte Baumwolle mit Hilfe einer gespannten Saite, die in Schwingung versetzt wurde und Verunreinigungen wegschleudert.
[5]
Es wird vermutet, dass handbetriebene Walzenmaschinen etwa funf Mal effizienter als Handwalzen waren und schon im
Mittelalter
die meiste Baumwolle so entkornt wurde. Die Churka wurde seit Mitte des 18. Jahrhunderts auch auf den
Plantagen
in den amerikanischen
Sudstaaten
eingesetzt. Sie wurde fur den dortigen Gebrauch angepasst und Roller-Gin genannt. Großere Anlagen wurden von Tieren oder
Wasserkraft
angetrieben.
[16]
[17]
Nach dem
Amerikanischen Unabhangigkeitskrieg
hatten die USA sich von Textilimporten aus England weitgehend unabhangig gemacht. Gleichzeitig wuchs durch die Verbreitung der
Spinnmaschinen
die weltweite Nachfrage nach Baumwolle. Die Hochland-Baumwolle (
Gossypium hirsutum
)
, die in den Sudstaaten am besten gedieh, musste aber aufwandig entkornt werden.
[19]
[20]
[21]
Um die Menge an entkornter Baumwolle wesentlich zu erhohen, kamen in den 1780er Jahren erste Ideen zur Nutzung von gezahnten Egreniermaschinen auf. Es wurden sogenannte Erfindungsvorbehalte (
Caveats of Invention
) durch das Kriegsministerium vergeben, da es noch kein
Patentamt
in den USA zu dieser Zeit gab. Der Erfinder hatte einen Schutz von 5 Jahren fur seine Erfindung. Diese Moglichkeit nutzte auch
Hogden Holmes
fur seine Arbeiten an einer Sagezahnegreniermaschine, die er 1787 begann und fur die er am 14. Marz 1789 einen Erfindungsvorbehalt erhielt. Ein Patent hatte er aber bis dahin nicht angemeldet, so dass
Eli Whitney
fur seine Erfindung einer Egreniermaschine, die er 1793 einreichte, genau am Tag des Auslaufens von Holmes Erfindungsvorbehalt am 14. Marz 1794 ein Patent erhalten konnte.
[22]
[18]
Holmes meldete spater seine Erfindung ebenfalls beim Patentamt an, das ihm am 12. Mai 1796 unter dem US-Patent X115 gewahrt wurde.
[23]
Daher wird die Erfindung haufig Whitney zugeschrieben, der damals auf
Catharine Littlefield Greenes
Plantage arbeitete, der
Mulberry Grove Plantation
(heute bei
Port Wentworth
im
Chatham County
).
[17]
[19]
[20]
Umstritten ist auch, welchen Anteil Greene an seiner Erfindung hatte. Sie soll die Arbeit von Whitney finanziert haben.
Matilda Joslyn Gage
schrieb 1883, dass Greene ihm außerdem vorschlug, statt den unzureichenden Zahnen aus Holz solche aus Draht zu verwenden.
[24]
Whitney und sein Geschaftspartner Phineas Miller wollten die Gins an Plantagen vertreiben und fur die Nutzung eine Gebuhr verlangen. Da die Maschine aber mechanisch relativ einfach war, begannen viele, selber ahnliche Maschinen zu bauen. Whitney und Miller konnten sich dagegen nicht wehren und machten so mit der Erfindung keinen großen Profit.
[17]
[19]
[25]
[26]
Um die Patentprozesse zu finanzieren, hat Greene sogar ihre Plantage verkauft.
[27]
Zudem hatte Holmes’ Maschine den Vorteil, dass sie durchgehend betrieben werden konnte, wahrend bei Whitneys Erfindung die Samen zwischendurch entfernt werden mussten.
[21]
Die Sagezahn-Egreniermaschine besteht aus einer Kombination aus einem Rost und kleinen Drahthaken bzw. Kreissageblattern, die die Baumwollfasern durch die engen Offnungen des Rosts ziehen, wahrend die Samen zuruckbleiben. Bursten entfernen dabei kontinuierlich die losen Baumwollfasern, um Verstopfungen zu verhindern.
[25]
[28]
Kleine Cotton Gins arbeiteten mit Handantrieb, wahrend großere mit Pferde- oder Wasserkraft betrieben wurden.
[17]
[20]
Erst die Erfindung der Egreniermaschine machte in den
Sudstaaten
der USA den Baumwollanbau erst wirklich profitabel und beforderte den Einsatz von
Sklaven
. Dies wiederum zog eine enorme Ausdehnung der Anbauflachen nach sich und machte Baumwolle zu einem der wichtigsten Exportguter der USA.
[17]
[19]
[20]
[25]
[26]
Die Sklavenwirtschaft in den durch
Agrarproduktion
gepragten Sudstaaten brachte diese im Laufe des
19. Jahrhunderts
zunehmend in Konflikt mit den industriell gepragten
Nordstaaten
und fuhrte schließlich zum
Amerikanischen Burgerkrieg
.
Etwa ab 1820 entstanden die ersten
Fabriken
, die erfolgreich Gins bauten.
[17]
Die Funktionsweise der Maschinen wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Wichtige Schritte waren etwa die Erfindung der ersten mechanischen Aufgabeeinheit im Jahr 1834
[21]
und Verbreitung von Ballenpressen ab 1840.
[29]
Spatere Fortschritte betrafen vor allem die Vorbehandlung: Trocknungs- und Sauberungsgerate fur die Saatbaumwolle setzten sich in den USA in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch, vor allem nachdem das Pflucken von Hand durch
Baumwollernter
ersetzt wurde, bei denen die Rohbaumwolle starker verunreinigt war.
[21]
Auch nach der Erfindung der Saw-Gin wurde extralangstapelige Baumwolle weiter mit den Churkas und ihren Weiterentwicklungen egreniert. 1840 erfand
Fones McCarthy
eine effizientere Roller-Gin, die sich auch fur langstapelige Baumwolle gut eignete.
[30]
[31]
Die MacCarthy-Maschine arbeitet mit einer Walze, die mit aufgerautem Leder bezogen ist, und zwei Messern. Die Rohbaumwolle wird gegen die Walze gedruckt, die Samen schlupfen unter das auf der Walze liegende obere Messer. Mit beweglichen Untermessern werden die Fasern dann vom Samen abgeschnitten. Die Walzen-Egreniermaschine wurde vor allem in England weiterentwickelt und in den
britischen Kolonien
eingesetzt, etwa ab 1857 in
Agypten
.
[5]
Um 1960 wurde in den Vereinigten Staaten eine Walzenegrenieraschine mit rotierenden Messern entwickelt, die sich dort durchgesetzt hat.
[31]
Zunachst betrieb jede Baumwoll
plantage
eine Entkornungs- und Pressanlage. Dann ging man dazu uber, die Anlagen zu
zentralisieren
und mit
Dampfkraft
zu betrieben.
[5]
In den USA setzte dieser Prozess nach dem Burgerkrieg und dem Ende der Sklaverei ein.
Robert S. Munger
entwickelte Mitte der 1880er-Jahre die Entkornungsanlagen zur System-Ginnerei (englisch
system gin
) mit mehreren Gins (englisch
gin stands
) weiter. Mit der
automatischen
Beschickung der Maschinen und einer Ballenpresse war die vorindustrielle Entkornung endgultig veraltet.
[17]
In modernen Entkornungs- oder Egrenierfabriken (
ginnery
oder
ginning mill
) stehen meist mehrere Egreniermaschinen nebeneinander, die von Flugkanalen oder anderen Fordersystemen beschickt werden. Fur eine Vorreinigung kann ein Offner eingesetzt werden. Zum
Weitertransport
wird die entkornte Baumwolle zu
Ballen
gepresst, mit Bandern gesichert und in Stoff oder Plastik verpackt.
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