Dschabal Sindschar
|
Dschabal Sindschar aus dem Orbit
|
Hochster Gipfel
|
Cel Mera (
1463
m
)
|
Lage
|
Provinz
Ninawa
,
Irak
|
|
|
Koordinaten
|
36° 22′
N
,
41° 42′
O
36.361388888889
41.7
1463
Koordinaten:
36° 22′
N
,
41° 42′
O
|
f
Der
Dschabal Sindschar
(
arabisch
??? ?????
Dschabal Sindsch?r
,
DMG
?abal Sin??r
;
kurdisch
???? ??????? / ???????
Ciyaye ?ingal/?ingar
) ist ein
Hohenzug
im
Nordirak
westlich der Stadt
Mossul
nahe der
syrischen
Grenze, der von der bereits in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts endgultig zerstorten
jesidischen
Bauern- und Hirtenkultur gepragt worden ist.
[1]
Der lang gestreckte, weitgehend
verkarstete
Dschabal Sindschar erhebt sich in einer relativen Hohe von etwa 500 bis 1000 Metern unvermittelt aus einer
semiariden
, teils im
Trockenfeldbau
genutzten Ebene zwischen den beiden Flussen
Tigris
und
Chabur
und gehort zu
Dschazira
.
[2]
Er erstreckt sich uber etwa 60 km ungefahr von Osten nach Westen. An seiner hochsten Stelle erreicht der Dschabal Sindschar mit dem
Cel Mera
(auch
Chermera
, deutsch ?Vierzig Manner“) 1463 Meter. Seine Scheitelregion ist
abgetragen
, sodass er heute aus mehreren
Schichtkammen
besteht, in denen Gesteine des
Eozans
und der
Kreidezeit
zutage treten. Die hochsten Gipfel werden von machtigen
Kalkblocken
gebildet.
[3]
Am sudlichen Fuß des Hohenzuges liegt die Stadt
Sindschar
. Dort verlauft eine seit dem 11. Jahrhundert benutzte Straße von Mossul nach
Ar-Raqqa
in Syrien.
Der Dschabal Sindschar liegt im Nordosten der
Nordarabischen Platte
und ist der an der Erdoberflache sichtbare Teil des gleichnamigen, etwa 150 km langen Sindschar-Hebungsgebietes. Die im Zentrum des Hebungsgebietes um bis zu 1,5 km gehobenen Gesteinsschichten entstammen einem Zeitraum vom
Palaozoikum
bis zum
Kanozoikum
. Das
kristalline
Grundgebirge
liegt in etwa sechs Kilometer Tiefe. Die genaue Zusammensetzung der tieferen Schichten des
Deckgebirges
ist nicht bekannt, denn Gesteine des
Kambriums
wurden bisher nicht erbohrt.
Machtige
Tonsteine des
Ordoviziums
sind allerdings mehrfach angetroffen worden, ebenso das untere
Silur
. Gesteine des oberen Silurs und des
Devons
fehlen komplett, erst im
Karbon
wurden wieder
klastische Gesteine
in einer langgestreckten
Grabenzone
abgelagert
. Aus dem Oberkarbon wie auch aus dem unteren
Perm
sind keine Ablagerungen uberliefert. Dies konnte auf
Erosion
der betreffenden Schichten in der fruhen
Trias
zuruckzufuhren sein. Bis zum Ende des
Jura
wurden danach Flachwassersedimente abgelagert (
Dolomite
,
Kalksteine
,
Mergel
und
Sandsteine
), von denen vor allem die machtigen Dolomite der Trias uberliefert sind, wahrend die jungeren Schichten wiederum weitgehend erodiert wurden. Wahrend des Oberen Jura und der Kreide wurde die Sedimentation wesentlich von Grabenbildung beherrscht, die vor einer nordlichen
Hauptabschiebung
zu Ablagerung der machtigen Shiranish-Formation fuhrte. Auch im fruhen
Tertiar
bis ins
Miozan
herrschte Ablagerung im Gebiet des spateren Dschabal Sindschar, die vorher so regen Grabenbildungsvorgange waren jedoch zum Erliegen gekommen. Die Ablagerungen sind vor allem von Kalksteinen,
Gips
und
Anhydrit
bestimmt, die im
Pliozan
in Ton- und Sandsteine und
Konglomerate
ubergehen.
[4]
Im Gefolge der
Zagros
-
Faltung
des Pliozans unterlag das gesamte Gebiet der nordlichen Arabischen Platte einer starken, in etwa von Nord nach Sud gerichteten Spannung. Vor allem die machtige Sedimentfolge, die sich in der zwischen Karbon und Oberkreide immer wieder aktiven Grabenzone abgelagert hatte, wurde an der nordlichen Grabenstorung nach Norden
aufgeschoben
und das Grabeninnere emporgehoben. Die am hochsten aufgewolbten Gesteinsschichten wurden erodiert, so dass zwischen den in der Umgebung verbreitet die Oberflache bildenden Schichten des
Quartars
und jungeren Tertiars im Kern der Aufwolbung altere Schichten zu Tage traten.
[5]
Ahnlich wie der weiter westlich in Syrien gelegene
Dschabal Abd el-Aziz
ist der Hohenzug des Dschabal Sindschar so der oberflachliche Ausdruck einer
erdgeschichtlich
sehr jungen
Antiklinale
mit einer komplizierten Entstehungsgeschichte.
[6]
[7]
Der asymmetrische Aufbau dieser Antiklinale spiegelt sich in der heutigen Oberflachenform wider: tief eingeschnittene Taler zerfurchen den maßig steilen Sudhang und fast flach lagernde Schichtkamme bilden seinen Scheitel, wahrend der Nordhang steil abfallt (s. nebenstehendes Foto).
Am Dschabal Sindschar herrscht ein semiarides
subtropisches
Klima mediterraner Auspragung mit heißen trockenen Sommern und kuhlen feuchten Wintern. Vergleichbare Klimawerte liegen fur die Stadt Sindschar am Fuß des Hohenzuges vor. Dort liegt das
Temperaturmaximum
mit einem Tagesdurchschnitt von 33,9 °C im Juli und im August, das Maximum der
Niederschlage
mit 84 mm im Januar. Die
Jahresdurchschnittstemperatur
betragt 20 °C. Die Jahresniederschlage haben eine Hohe von 449 mm. Je nach Hohenlage liegen die Temperaturwerte im Dschabal Sindschar im Schnitt niedriger und die Niederschlagswerte hoher.
[8]
Das fuhrt dazu, dass die Kammregionen im Winter eine dauerhafte Schneekappe tragen.
[9]
[10]
Die Zone oberhalb von 800 Metern ist
potentielles
Waldgebiet, doch aufgrund menschlicher Einwirkungen wie Holzeinschlag und
Beweidung
sind die dort zu erwartenden Eichenwalder fast nur noch sehr licht oder in unzuganglichen Gebieten zu finden. Sie wurden weitgehend durch eine an die Hohenlage angepasste
Steppenflora
ersetzt. Große Bereiche dieser Zone werden von
Gesteinsfluren
gepragt. Wegen der geringeren Niederschlage herrscht unterhalb von 800 Metern eine warmeliebende Steppenflora vor. In den tief eingeschnittenen Talern, an meist temporaren Wasserlaufen gedeiht dort, wo sie nicht durch Ackerterrassen ersetzt worden ist, eine artenreiche Schluchtenvegetation, fur die die wilde, von den Jesiden kultivierte
Feige
(
Ficus carica
) typisch erscheint.
[11]
Ab 1965 wurden viele jesidische Dorfer zerstort und die Bewohner umgesiedelt.
[12]
Seitdem unterliegen ehemals gepflegte Nutzflachen einer sekundaren naturlichen
Sukzession
. Sie verkrauten und verbuschen. Wo Terrassen zusammenbrechen und die Bewasserungsanlagen zerfallen, kann sich eine mediterrane
Macchie
ausbreiten. Die Bodenerosion schreitet voran.
Eichen
- und
Ahornwalder
(beispielsweise
Acer monspessulanum subsp. cinarescens
[13]
) dagegen konnen sich erholen, wenn sie weiterhin nicht mehr der Holzgewinnung und Beweidung dienen.
[1]
Die Bodennutzung des von den Jesiden gepragten Dschabal Sindschar geschieht hauptsachlich durch Beweidung. Neben den offenen Flachen, die weitgehend
uberweidet
sind, werden auch
Walder als Schafweiden
genutzt. Außerdem werden, meist auf in den Talern gelegenen und teilweise
terrassierten
und
bewasserten
Ackerflachen, hauptsachlich
Getreide
,
Gemuse
und
Tabak
angebaut. Im islamischen Mittelalter wurden hier auch
Maulbeeren
fur eine florierende
Seidenproduktion
kultiviert. An den Hangen folgen Obsthaine. Historische Berichte ruhmen vor allem die
Feigen
und
Datteln
des Dschabal Sindschar.
[14]
(
Karte
36.371136
41.707849
)
[15]
Ein Großteil des Viehbestandes kommt saisonal mit
Wanderhirten
aus Dorfern außerhalb des Dschabals, entspricht also dem
Transhumanz
-System. Die Bewohner des Dschabals dagegen pflegen eine ganzjahrige Beweidung, die nur unterbrochen wird, wenn das Vieh im Sommer zwischenzeitlich auf abgeerntete
Weizen
- und
Gerstefelder
getrieben wird. Im Winter wird zugefuttert. Alle Hirten haben freien Zugang zum Weideland, fur das keine speziellen Eigentumsrechte bestehen und fur das es auch keine offentlichen Institutionen gibt, die die Beweidung organisieren.
Der Vergleich von Satellitenaufnahmen der Jahre 1988 und 1995 zeigt eine starke
Degradation
der naturlichen Pflanzendecke, wofur auch die
Uberweidung
verantwortlich ist. Dieser Prozess dauert weiterhin an. Er wird verstarkt durch ein Nachlassen der Niederschlage in den letzten Jahren.
[16]
[17]
Mit der Zerstorung jesidischer Dorfer, der Umsiedlung ihrer Bewohner in Zentraldorfer außerhalb des Hohenzuges im Rahmen der irakischen Arabisierungspolitik und der damit einhergehenden Landflucht ist die angestammte jesidische Bauern- und Hirtenkultur untergegangen.
[18]
[19]
Der Acker- und Gemusebau innerhalb des Dschabal Sindschar dient heute großteils der
Selbstversorgung
. Die jesidischen Bauern, die in den Zentraldorfern wohnen, gelangen nur auf beschwerlichen Wegen zu ihren manchmal weit entfernten Nutzflachen im Innern des Hohenzuges. Sie betreiben die Land- und Weidewirtschaft oft nur mehr im
Nebenerwerb
. Sie
pendeln
in weit entfernte Stadte, in denen sie Arbeit finden konnen, und kommen nur in mehrmonatigem Abstand zu den im Dschabal Sindschar oder in den Zentraldorfern verbliebenen Familien zuruck.
[20]
Die großen Kalkstein- und
Gipsvorkommen
des Dschabal Sindschar sind die Grundlage fur eine 1981 gegrundete
Zementfabrik
, die 1985 den Betrieb aufgenommen hat und wegen der Kriege in der Region von Beginn an immer wieder außer Betrieb war. Sie liegt etwa 20 Kilometer ostlich der Stadt Sindschar an der Fernstraße 715 Richtung Mossul. Das Rohmaterial stammt von den ostlichen Auslaufern des Hohenzuges (
Karte
36.350664
42.076757
).
[21]
Der zerkluftete und mit naturlichen Hohlen ausgestattete Hohenzug war in der Geschichte ein bekanntes Ruckzugsgebiet fur die Menschen der Region. Am Fuß des Dschabal Sindschar befindet sich das antike
Singara
, dessen Name
etymologisch
mit Sindschar verwandt ist. Der Hohenzug war ein Schauplatz der Kriege zwischen dem
Romischen Reich
und dem
Partherreich
. Singara diente nach der romischen Eroberung der Gegend als Stutzpunkt der
romischen Legion
Legio I Parthica
. Der Dschabal selbst gehorte zur neuen romischen Provinz
Mesopotamia
, die aber nur kurze Zeit bestand. Spater war der Hohenzug Schauplatz der Kampfe zwischen
Byzanz
und dem
Sassanidenreich
. Fur die Region sind mehrere
Bischofe
, die entweder
nestorianisch
oder
jakobitisch
waren, bezeugt. Des Weiteren lebten hier auch
Zoroastrier
und
Juden
. Die islamische Eroberung des Gebietes bewirkte einen Niedergang der christlichen Kultur. Der Dschabal Sindschar wurde Teil der Provinz
Diyar Rabia
und
arabische
Stamme kamen in die Region.
Das Gebiet wurde 970 von den
Hamdaniden
erobert und bluhte spater unter einem Seitenzweig der
Zengiden
auf. Diesen folgten in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts die
Ayyubiden
. Mundlich tradierte Berichte von Jesidenstammen des ostlichen Dschabal Sindschar verbinden das Eindringen des Jesidentums in den Dschabal in der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts mit Scharaf al-Din Muhammad.
Ibn Battuta
dagegen berichtete im 14. Jahrhundert von kurdischen Stammen im nordlichen Dschabal Sindschar, ohne die Jesiden ausdrucklich zu erwahnen.
[23]
Wenig spater herrschten zunachst die
Qara Qoyunlu
uber die Region, danach die
Aq Qoyunlu
, die 1507/1508 von den
Safawiden
besiegt wurden.
1534 entrissen die
Osmanen
den Safawiden die Macht. Unter ihnen war das Gebiet um den Dschabal Sindschar ein
Sandschak
der Provinz
Diyarbakır
. In fruher osmanischer Zeit kamen weitere Jesiden in mehreren Siedlungswellen hauptsachlich aus dem
Scheichan
-Gebiet in den Dschabal Sindschar. Dabei ersetzten und erganzten sie allmahlich die vorhandene christliche Bevolkerung, die ihre Identitat erhalten konnte.
[23]
Im 17. Jahrhundert lebten laut dem osmanischen Reisenden
Evliya Celebi
am Dschabal Sindschar, der damals in Anspielung auf die Haartracht der Jesiden auch
Saclı Da?ı
(?Berg der Haarigen“) genannt wurde, etwa 45.000 jesidische und sufitische Kurden (?Bapiri“), wahrend in der Stadt Sindschar auch Araber wohnten. Evliya beschrieb ausfuhrlich, wie im Jahr 1640 osmanische Truppen unter dem Kommando von Mustafa Pascha Firari 300 Dorfer der Jesiden verheerten und etwa 1000 bis 2000 Jesiden, die in Hohlen Zuflucht gesucht hatten, toteten.
[24]
Bis 1830 war das Gebiet Teil des Sandschaks
Mardin
. Danach gehorte es zu Mossul. In den 1830er Jahren begann der ambitionierte kurdische Furst
Mohammed Pascha Rewanduz
von
Soran
einen Feldzug gegen die Jesiden. Dabei kamen viele Menschen ums Leben und viele Jesiden flohen nach Mossul. Der britische Archaologe
Austen Henry Layard
nahm im Oktober 1846 an einer osmanischen Expedition Tajar Paschas in den Dschabal Sindschar teil, bei der das durch einen fruheren Gouverneur von Mossul zugrunde gerichtete Gebiet untersucht werden sollte. Die Unternehmung endete mit der Zerstorung eines jesidischen Dorfes und der Totung vieler Bewohner. Layard berichtete daruber und uber die Lebensumstande der Jesiden im Dschabal Sindschar. Er war der erste Europaer, der umfangreich uber die Jesiden schrieb, deren ?Fest der Versammlung“
(Cejna Cema?iye)
er in
Lalisch
erleben konnte. Layard fuhrte aus, dass die jesidischen Bewohner des Hohenzugs nicht nur immer Gefahr liefen verfolgt zu werden, sondern auch selbst eine standige Gefahr fur die Durchreisenden der Region waren:
?Daher war es denn auch nichts Unnaturliches, daß die Jezidi jede sich bietende Gelegenheit benutzten, sich an ihren Unterdruckern zu rachen. Sie bildeten Banden und waren lange Zeit der Schrecken des Landes. Kein Bekenner Allahs, der in ihre Hande fiel, wurde geschont. Karawanen wurden geplundert und Kaufleute mitleidlos ermordet. Den Christen fielen sie aber nicht beschwerlich; denn die Jezidi betrachteten sie als Leidensbruder auf dem Felde der Religion.“
?
Austen Henry Layard
:
Auf der Suche nach Ninive
[25]
Dem osmanischen Gouverneur von Bagdad beugten sich die Jesiden nicht.
[25]
So kam es von 1850 bis 1864 zu einem Aufstand gegen den Gouverneur. Einige christliche Familien ubernahmen im Laufe der osmanischen Herrschaftszeit hauptsachlich in den Orten am Fuße des Dschabals, zum Beispiel in Sindschar,
Jaddala
,
Bardahali
und
Sakiniyya
, den Handel mit den landwirtschaftlichen Produkten aus dem Innern des Dschabals und exportierten sie in die großen Stadte wie Mossul und Bagdad und weiter ins gesamte Osmanische Reich. Von den osmanischen Regierungen auch im Dschabal Sindschar geplante
Bodenreformen
hatten keinen Erfolg. Sie scheiterten hauptsachlich an den sehr selbstandigen jesidischen Scheichs und
M?rs
und deren Familien, die als Mitglieder privilegierter Kasten um ihren Unterhalt aus den Abgaben der Stamme furchteten.
[26]
[27]
Ab den 1880er Jahren erfuhr das Lesepublikum im deutschsprachigen Raum einiges uber die Vorgange am Dschabal Sindschar und uber die Lebensweise der Jesiden aus
Karl Mays
Veroffentlichungen, die im
Orientzyklus
zusammengefasst wurden. May stutzte sich darin auf die Schriften Austen Henry Layards, wobei er auch dessen Irrtumer ubernahm.
[28]
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die Verfolgungen der Jesiden des Dschabal Sindschar durch die Osmanen zu. Manche Jesiden nutzten außer der Konversion zum Islam auch den Ubertritt zum Christentum, um dem zu entkommen. Als im Laufe des
Ersten Weltkriegs
1915/16 auch die Christen des Osmanischen Reiches verfolgt wurden, fluchteten viele christliche
Armenier
,
Nestorianer
(
Assyrer
und katholisch unierte
Chaldaer
) und
Jakobiten
in den Dschabal Sindschar. Sie wurden von einigen jesidischen Stammen aufgenommen und bildeten etwa 4 Prozent der Einwohner des Hohenzuges. Gleichzeitig verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Jesiden und Muslimen dramatisch und damit auch zwischen jesidischen Stammen, bei denen entweder Christen oder Muslime lebten.
[23]
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Dschabal Sindschar als Teil des
Vilayets Mossul
von den Briten besetzt und 1924 dem
Britischen Mandat Mesopotamien
zugeschlagen. In dieser Zeit investierten hauptsachlich christliche und muslimische Handler aus Mossul in die Landwirtschaft des Dschabals, wie das ansatzweise auch schon in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts geschehen war. Sie unterhielten Niederlassungen in der Stadt Sindschar, finanzierten Rinder-, Schaf- und Ziegenherden und schlossen Vertrage mit den jesidischen Bauern und Hirten bzw. deren Oberhauptern uber die Lieferung von landwirtschaftlichen Gutern wie Feigen, Baumwolle, Wolle, Milchprodukten und Fleisch. Im Gegenzug kauften die Dorfbewohner und Viehnomaden vermehrt Guter, die sie nicht selbst gewinnen oder herstellen konnten, wie Zucker, Kaffee, Kleidung und Spirituosen. Damit wandelte sich ihre Subsistenzwirtschaft in Richtung auf eine angehende Marktwirtschaft. Die Guterstrome liefen meist uber Mossul, selbst der Export der Waren nach Syrien nahm diesen Weg.
[29]
Wahrend des britischen Mandats gab es unter den Fuhrern der Jesiden des Dschabals Tendenzen, sich von der religiosen Dominanz Scheichans und der Vormachtstellung einer aus Scheichan stammenden Mir-Familie sowie von der Administration in Mossul zu losen. Von ihnen wurde beispielsweise vorgeschlagen, das Gebiet des Dschabal Sindschar dem franzosisch verwalteten Syrien anzugliedern. Erreicht werden sollte eine Dezentralisierung und damit eine Starkung der tribalen Zustandigkeiten. Diese politischen Turbulenzen konnte die irakische Administration mit Ruckendeckung durch die fur Sicherheit und Verwaltung des Dschabal Sindschar zustandige britische
Royal Air Force
beenden und ebenso die Anspruche, die die
kemalistische
Turkei
auf das Gebiet stellte, zuruckweisen. Als der neue Staat Irak geschaffen wurde, verblieb der Dschabal Sindschar innerhalb von dessen Grenzen.
[30]
Seit der Unabhangigkeit des Iraks 1932 ist der Dschabal Sindschar Teil der Provinz
Ninawa
. Seit 1965, insbesondere in den 1970er und den 1980er Jahren wurde die kurdische Bevolkerung aus mehr als 160 Dorfern der Sindschar-Region aufgrund der Konflikte zwischen der irakischen Regierung und den Kurden im Nordirak deportiert und gezwungen, in zwolf Zentral-, Sammel- oder Modelldorfern
(mudschamma?at)
zu leben. Ihre ursprunglichen Dorfer wurden entweder zerstort oder aber Angehorigen arabischer Stamme uberlassen.
[32]
[33]
[34]
Seit dem
Irakkrieg
2003 gab es in der Region immer wieder Anschlage sunnitischer Extremisten gegen die Jesiden. Der bisher großte Anschlag ereignete sich im August 2007 und kostete 336 Menschen das Leben. Rund 1000 Familien wurden obdachlos.
[35]
Der Dschabal Sindschar war auch Kampfgebiet der auf seinen Hohenzugen und in seiner Umgebung stationierten US-Streitkrafte.
Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob der Dschabal Sindschar an die
Autonome Region Kurdistan
angeschlossen werden soll.
[32]
Im Juni 2014 nahmen kurdische
Peschmerga
mit Hilfe der kurdisch-syrischen
Volksverteidigungseinheiten
der
PYD
bei militarischen Auseinandersetzungen mit den Truppen des
Islamischen Staats
(IS) Ortschaften rund um den Dschabal Sindschar ein.
[36]
Im August 2014 unterstutzte die US-Marine die Peschmerga bei der Rettung von 20.000?30.000 Jesiden vor dem IS mit Luftschlagen, bei diesen Gefechten trat zum ersten Mal die
jesidische Burgerwehr
in Erscheinung.
[37]
Am 20. Oktober traten die IS-Milizen zur Großoffensive an, konnten dabei rasch vorrucken und die
Pilgerstatte Scharaf ad-Din
einkesseln. Laut Augenzeugen seien die IS-Milizen mit 40
Humvees
vorgeruckt. Teile der jesidischen Burgerwehren unter dem Kommando von
Qasim ?e?o
hatten sich dorthin zuruckgezogen. 7000 Zivilisten und einige hundert Kampfer sollen sich ins Gebirge gefluchtet haben. Die IS-Milizen konnten die Verteidiger wieder im Sindschal-Gebirge
einkesseln
. Am 24. Oktober gelang es den IS-Milizen, an der Sudseite des Gebirges aufzusteigen und die heilige Statte Meme Reshan unter Morserbeschuss zu nehmen. Die Verteidiger im Kessel setzten sich aus Einheiten der
YPG
,
HPG
,
HP?
und
YB?
zusammen. Die Versorgung der eingeschlossenen Zivilisten und Kampfer erfolgte sporadisch uber den Luftweg.
- 1980 wurde im
Geroll
eines in den Dschabal Sindschar eingeschnittenen
Wadis
ein neues
Mineral
entdeckt, das den Namen
Sinjarit
erhielt. Es handelt sich um ein vom
Grundwasser
ausgefalltes
Calciumchlorid
mit der chemischen Formel CaCl
2
· 2 H
2
O. Der Sinjarit ist wenig bestandig, da er sich leicht in Wasser
lost
.
[38]
[39]
- In ihrem Bestand gefahrdete
Sakerfalken
wurden im Dschabal Sindschar gefangen und als ?Sinjari“-Falken in die
Golfstaaten
exportiert bzw. geschmuggelt.
[40]
- Der bereits fur 7500 vor Christus durch Knochenfunde fur die Region des Dschabal Sindschar bezeugte und inzwischen ausgestorbene
Syrische Halbesel
(auch
Syrischer Onager
genannt,
Equus hemionus hemippus
) war die kleinste
Unterart
des
Asiatischen Halbesels
. Ein Exemplar wurde 1911 im irakisch-syrischen Grenzgebiet, im Vorland des Dschabal Sindschar, gefangen und lebte bis 1929 im
Wiener
Tiergarten Schonbrunn
.
[41]
[42]
- Im Dschabal Sindschar konnen in
Formationen
des oberen
Campaniums
unterschiedlichste
Arten
von
Ammoniten
gefunden werden.
[43]
- Nur vermutet werden kann, dass Menschen aus den fruhesten Siedlungen, die unweit ostlich des Dschabal Sindschar liegen, ihn besucht oder genutzt haben.
Tell Maghzaliyah
beispielsweise ist eine befestigte Siedlung aus dem
Prakeramischen Neolithikum B
des 8.?7. Jahrtausends v. Chr.
[44]
Kulturell und chronologisch lasst sich diese Siedlung mit den Fundstatten von
Jarmo
und
Cayonu
vergleichen. Andere Fundstatten aus der naheren Umgebung sind
Qermez Dere
,
Tell Sotto
und
Yarim Tepe
I bis IV.
[44]
[45]
Der damals weitgehend bewaldete Dschabal Sindschar konnte den damaligen Menschen das Baumaterial Holz und die Fruchte der
Wilden Pistazie
(
Pistacia atlantica
oder
P. khinjuk
) sowie die Jagd auf
Wildschwein
und
Wildziegen
bieten.
[41]
[46]
- Sudlich des Dschabal Sindschar verlauft ein Durchzugsgebiet zwischen dem Osten und dem Westen des alten Orients. Hier wird seit 2001 von Christine Kepinski in
Grai Re?
, an der Straße 715 von Sindschar nach Osten, ein Ort ausgegraben, dessen oberflachliche Schichten aus dem 4. Jahrtausend vor Christus stammen und der den Ubergang vom Dorf zur Stadt veranschaulicht.
[47]
- Der an den Sudhangen des Dschabal Sindschar entspringende
Wadi Adschidsch
quert durch seinen sudwestlichen Verlauf die Staatsgrenze nach Syrien. In der
Salzpfanne
von
ar-Rauda
versickert er. Sein Wasser versorgte Siedlungen, deren
archaologische
Standorte 1981 entdeckt wurden. Dort fand man beispielsweise
mittelassyrische
Keramik
.
[48]
[49]
[50]
- ↑
a
b
Eugen Wirth
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Yazidi. Gottes auserwahltes Volk oder die 'Teufelsanbeter' vom Jebel Sinjar, Irak.
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Graham Brew:
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PDF, 5,6 MB, abgerufen am 19. Dezember 2009.
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Topographie von
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aus
Graham Brew:
Tectonic Evolution Of Syria Interpreted From Integrated Geophysical And Geological Analysis.
PDF, 5,6 MB, abgerufen am 19. Dezember 2009.
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Klimawerte fur Sindschar bei Latitude: 36°19′N, Longitude: 41°49′E, Elevation: 1562.0 ft, Distance: 1.48 mi
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Siehe auch ein Photo von Ackerterrassen
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- ↑
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