Ein
Doppelbesteuerungsabkommen
(DBA) ? korrekte Bezeichnung:
Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung
? ist ein
volkerrechtlicher Vertrag
zwischen Staaten, in dem geregelt wird, in welchem Umfang das Besteuerungsrecht einem Staat fur die in einem der beiden Vertragsstaaten erzielten Einkunfte oder fur das in einem der beiden Vertragsstaaten belegene Vermogen zusteht. Ein DBA soll vermeiden, dass bei naturlichen oder juristischen Personen, die Einkunfte im Ausland erzielen, diese auslandischen Einkunfte sowohl vom Ansassigkeitsstaat (Wohnsitz- oder Sitzstaat) als auch vom Quellenstaat (Staat, in dem die Einkunfte erzielt werden) besteuert werden (Vermeidung der Doppelbesteuerung). Sonderabkommen bestehen zu Einkunften und Vermogen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen.
Es bestehen daruber hinaus
Abkommen auf dem Gebiet der Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs
, die aktuell im Zuge der Diskussion uber Steueroasen,
Steuervermeidung
und
Steuerhinterziehung
in den politischen Fokus gelangten. In diesen Abkommen sind die Grundlagen und der Umfang zwischenstaatlichen Informationsaustausches zu Zwecken der Besteuerung geregelt. Außerhalb des Ertragssteuerrechts bestehen zudem
Abkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern
sowie
Abkommen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugsteuer
.
In bestimmten Fallen kommt es zu sogenannten
weißen Einkunften
, weil die in den Doppelbesteuerungsabkommen verwendeten Begriffe nach dem jeweiligen nationalen Verstandnis ausgelegt werden und die betroffenen Rechtsordnungen nicht harmonisiert sind. In diesen Fallen unterbleibt die Besteuerung ? regelmaßig gegen den gesetzgeberischen Willen ? in beiden Staaten. In neueren Abkommen werden weiße Einkunfte vermehrt durch sog. Ruckfallklauseln vermieden, wonach eine subsidiare Besteuerung durch den Ansassigkeitsstaat erfolgt (vgl.
Subject-to-tax-Klausel
).
Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den betroffenen Staaten, so richtet sich eine Vermeidung von Doppelbesteuerung nach den hierfur vorgesehenen Regelungen des jeweiligen innerstaatlichen Rechts. Innerhalb der
Europaischen Union
werden die Doppelbesteuerungsabkommen durch das vorrangige EU-Recht, insbesondere das
primare EU-Recht
, die Regelungen des
EU-Vertrages
und hier insbesondere durch die
Grundfreiheiten
uberlagert.
In der Praxis des internationalen Steuerrechts, d. h. der Besteuerung von grenzuberschreitenden Sachverhalten durch die souveranen Einzelstaaten, werden im Regelfall die folgenden Prinzipien zugrunde gelegt, die dann auch Anknupfungspunkte der Abkommenspolitik sind:
- Wohnsitzlandprinzip
: Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, in dem sie ihren
Wohnsitz
oder ihren
gewohnlichen Aufenthalt
hat. Bei juristischen Person tritt der Ort der geschaftlichen Oberleitung an die Stelle des Wohnsitzes.
- Quellenlandprinzip
: Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, aus dem ihr
Einkommen
stammt.
- Welteinkommensprinzip
: Der Steuerpflichtige wird im Wohnsitzstaat mit seinem Welteinkommen besteuert.
- Territorialitatsprinzip
: Der Steuerpflichtige wird im Quellenstaat nur mit dem Einkommen veranlagt, das er auf dem Territorium des betreffenden Staates erwirtschaftet hat.
Experten der
OECD
erarbeiten in unregelmaßigen Abstanden Musterabkommen (OECD-MA). Die letzte Uberarbeitung wurde im November 2017 beschlossen
[1]
und am 18. Dezember 2017 veroffentlicht
[2]
. Der zum Musterabkommen veroffentlichte Kommentar kann teilweise zur Auslegung von tatsachlich abgeschlossenen Abkommen herangezogen werden. Als Muster fur die Verhandlungen von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Industrie- und Entwicklungslandern gibt es das von den
Vereinten Nationen
entwickelte Musterabkommen.
[3]
Das Bundesfinanzministerium hat eine eigene Verhandlungsgrundlage fur Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermogen veroffentlicht.
[4]
Die
Vereinigten Staaten von Amerika
haben zudem ein eigenes Musterabkommen.
[5]
Die Mitgliedstaaten der Europaischen Union verwenden bei Neuverhandlungen in der Regel das Musterabkommen der OECD.
Fur unbeschrankt steuerpflichtige naturliche Personen, d. h. solche mit Wohnsitz oder gewohnlichem Aufenthalt im Inland (
§ 1
Abs. 1 EStG), gilt im deutschen Einkommensteuerrecht grundsatzlich das
Wohnsitzlandprinzip
und das
Welteinkommensprinzip
. Das bedeutet zunachst, dass das gesamte irgendwo auf der Welt erzielte Einkommen einer naturlichen Person, die ihren Wohnsitz oder gewohnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, in Deutschland steuerbar ist.
Fur naturliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewohnlichen Aufenthalt haben (
§ 1
Abs. 4 EStG), gilt im deutschen Einkommensteuerrecht grundsatzlich das
Quellenlandprinzip
und das
Territorialitatsprinzip
.
Ein in Deutschland unbeschrankt Steuerpflichtiger ist demzufolge mit seinen Einkunften aus auslandischen Quellen in Deutschland steuerpflichtig. So unterliegen z. B. die Zinsen aus einer Kapitalanlage im Ausland auch in Deutschland grundsatzlich der Besteuerung. Unterwirft jedoch auch der auslandische Staat diese Zinsen der Besteuerung, ist es die Aufgabe eines Doppelbesteuerungsabkommens, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zu vermindern.
Hierzu werden zwei Standardmethoden angewandt:
- Freistellungsmethode
(u. U. unter Einbezug des
Progressionsvorbehaltes
); in diesem Fall werden die auslandischen Einkunfte von der inlandischen Besteuerung ausgenommen
- Anrechnungsmethode
; in diesem Fall werden die Einkunfte zwar in beiden Staaten besteuert, der Wohnsitzstaat rechnet jedoch die im Ausland hierauf erhobene Steuer auf seine Steuer an, d. h. vermindert seine Steuerlast um die bereits im Ausland erhobene Steuer.
Bei der Freistellungsmethode bleibt es somit beim Besteuerungsniveau des anderen Vertragsstaates, bei der Anrechnungsmethode wird (in der Summe) das hohere Steuerbelastungsniveau hergestellt.
Zwei weitere Methoden, die als Unterfalle der Anrechnungsmethode anzusehen sind, sorgen lediglich fur eine Verminderung der Doppelbesteuerung:
Zudem besteht die Moglichkeit des Erlasses der Steuer auf Einkunfte, die bereits im Quellenstaat besteuert worden sind, durch den Wohnsitzstaat (vgl.
§ 34c
Abs. 5 EStG).
Nach
§ 2 AO
genießen volkerrechtliche Vertrage Vorrang vor nationalen Steuergesetzen, wenn die Vertrage durch Transformations- oder Zustimmungsgesetz (vgl.
Art. 59 Abs. 2 GG
) innerstaatliches Recht geworden sind. Gleichwohl versucht der Gesetzgeber, durch spezielle nationale Vorschriften bestimmte Rechtsfolgen der Doppelbesteuerungsabkommen auszuschließen. Dieser gesetzliche Ausschluss der Doppelbesteuerungsabkommen wird als
Treaty override
bezeichnet (zu deutsch etwa: ?Vertragsaußerkraftsetzung“). Das Bundesverfassungsgericht bejaht grundsatzlich die Vereinbarkeit eines Treaty override mit dem Grundgesetz.
[6]
Beispiele fur ein Treaty override sind:
- § 50i EStG
: Die Vorschrift soll bewirken, dass bestimmte Veraußerungsvorgange ? entgegen DBA-Regelungen ? dem unternehmerischen Bereich zugeordnet werden. Hintergrund sind Steuergestaltungen, die von der Finanzverwaltung akzeptiert wurden, weil sie darin irrtumlich nur einen Steuerstundungseffekt sah. Nach einem Urteil des
Bundesfinanzhofs
drohten hingegen endgultige Steuerausfalle.
[7]
Deutschland hat im Laufe vieler Jahre ein umfangreiches Netz an Doppelbesteuerungsabkommen geschaffen. Der jeweils aktuelle Abkommensstand zum Beginn eines jeden Kalenderjahres einschließlich des Standes der aktuellen Abkommensverhandlungen wird vom Bundesfinanzministerium jeweils im Januar veroffentlicht.
[8]
Im konkreten Anwendungsfall muss zeitpunktbezogen die zeitliche Anwendbarkeit des einschlagigen DBA bzw. allfalliger Anderungsvereinbarungen und ggf. einzelner Bestimmungen des Abkommens ermittelt werden.
Die Schweiz hat 108 Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Wichtig ist auch das mit der EU bestehende
Zinsbesteuerungsabkommen
.
Die Schweiz hat gegenuber der OECD im Jahre 2003 Zugestandnisse gemacht, um nicht auf eine ≪schwarze Liste≫ der
Steueroasen
gesetzt zu werden. Seither ist die Schweiz bei der Revision der Doppelbesteuerungsabkommen verpflichtet, den OECD-Mitgliedstaaten unter anderem die große Amtshilfe fur Holdinggesellschaften im Sinne von Art. 28 Abs. 2 StHG zu gewahren.
[9]
12 entsprechende Abkommen sind erforderlich, damit die Schweiz auch von der ?grauen Liste“ der OECD uber jene Staaten gestrichen wird, die eine Zusammenarbeit in Steuerfragen bislang nur versprochen haben. Im Juli 2009 hatte die Schweiz 12 DBA mit Danemark, Luxemburg, Norwegen, Frankreich, Mexiko, den USA, Japan, den Niederlanden, Polen, Großbritannien, Osterreich und Finnland abgeschlossen oder
paraphiert
.
[10]
Am 5. Februar 2015 wurde das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Furstentum Liechtenstein paraphiert.
[11]
- Wassermeyer:
Doppelbesteuerung
Loseblattkommentar, 62. Aufl., 138. Erganzungslieferung, Munchen 2017 (Stand Juli 2017), Verlag C.H. Beck,
ISBN 978-3-406-67764-9
- Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl. 2015, Verlag C.H. Beck,
ISBN 978-3-406-64929-5
- Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. 2015, C.H. Beck,
ISBN 978-3-406-67870-7
- Rupp/Knies, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2014, Verlag Schaffer-Poeschel,
ISBN 978-3-7910-3127-9
- Wilke/Weber, Lehrbuch Internationales Steuerrecht, 13. Aufl. 2016, NWB-Verlag,
ISBN 978-3-482-63963-0
.
- ↑
OECD Council approves the 2017 update to the OECD Model Tax Convention.
OECD
, 23. November 2017,
abgerufen am 25. April 2020
.
- ↑
OECD
(Hrsg.):
Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017
. 18. Dezember 2017,
doi
:
10.1787/mtc_cond-2017-en
(
oecd-ilibrary.org
[abgerufen am 25. April 2020]).
- ↑
[1]
- ↑
BMF 17.4.2013 IV B 2 ? S 1301/10/10022-32, Schreiben betr. Verhandlungsgrundlage fur Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermogen, BeckOnline BeckVerw 271189
- ↑
[2]
- ↑
Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12
. Abgerufen am 24. April 2016.
- ↑
BR-Drs. 139/13, Seite 142
- ↑
Bundesministerium der Finanzen: Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen am 1. Januar 2023
- ↑
Doppelbesteuerungsabkommen ? Eine Herausforderung fur die Schweiz
(
Memento
des
Originals
vom 25. Marz 2016 im
Internet Archive
)
Info:
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@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.itera.ch
- ↑
Zwolftes Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standard paraphiert
(
Memento
vom 23. Januar 2010 im
Internet Archive
) handelszeitung.ch 23. Juli 2009
- ↑
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Furstentum Liechtenstein und der Schweiz paraphiert
Regierung des Furstentums Liechtenstein, 5. Februar 2015.