Die
Disputation
ist ein wissenschaftliches
Streitgesprach
, das als
Verteidigung
eine der Prufungsformen zur Erlangung von
akademischen Graden
darstellt. In Osterreich nennt man die Form
Defensio
.
[1]
Solche Diskussionen beginnen mit einer Aussage oder These, die bezweifelt wird oder zu der eine Gegenthese aufgestellt wird. Das wird dann solange besprochen, bis eine gemeinsame Erkenntnis oder Losung gefunden wird.
In der Promotionsschrift des Chemikers
Franz Leopold Sonnenschein
wurden, wie 1851 an der Berliner Universitat ublich, auch die Thesen der mundlichen Prufung (Verteidigung) dokumentiert.
Heinz Kellermann
: Bekanntgabe der Opponenten und, auf der nachsten Seite, der Thesen. Berlin, 1937
Die Bezeichnung
Disputation
kann aus dem
lateinisch
disputatio
und
quaestio disputata
(
Quaestio
) und dem
mittelhochdeutschen
disputazie
abgeleitet werden. Es war damit im akademischen Zusammenhang ein offentlicher Wortkampf der Gelehrten uber ein feststehendes Thema gemeint ? also eine Art ?Podiumsdiskussion“.
In der Zeit
Luthers
beispielsweise, als die Theologie noch die bestimmende Disziplin an den Universitaten war, verteidigte man seine Doktorthesen mit einer Disputation. Die Thesen hangte man in den ?benachbarten“ Universitatsstadten offentlich aus, wie etwa an die Tur der
Wittenberger Schlosskirche
. Dieser Aushang am ?Schwarzen Brett“ war die Einladung zu den Disputationen, die zunachst als
Einblattholzschnitt
und im 17. Jahrhundert auch als
Thesenblatt
im großformatigen
Kupferstich
gedruckt wurde. Wer kommen wollte, kam hinzu, wobei immer ein Gelehrter besonders geladen war, um mit dem Kandidaten zu disputieren. Die Protokolle dieser Disputationen wurden auch meistens veroffentlicht, meist nicht vom Kandidaten, sondern vom Prufer. Jeder Gelehrte musste also mindestens einmal in seiner Laufbahn eine Disputation bestehen; man lud aber auch selbst zu weiteren offentlichen Disputationen ein, wenn man bereits Doktor war: In der fruhen Neuzeit war dies der ubliche Weg des wissenschaftlichen Austausches.
Bei der
disputatio
stellte der
Proponent
, auch
Respondent
oder
Defendant
eine Behauptung auf bzw. vertrat eine
These
, die der
Opponent
durch eine Gegenthese oder Antithese zu widerlegen suchte. Die Zuhorer (
corona
) standen hinter den Schranken (
carceres
). Das Verfahren einer Disputation baute auf der Lehrmethode der
Scholastik
auf:
- Zweifel
- Untersuchung
- Erkenntnis
- Einwand
- Losung
Die Disputation war vom
Mittelalter
bis in die
Neuzeit
die ubliche Methode zur Klarung wissenschaftlicher
Streitfragen
. Beruhmt ist die
Leipziger Disputation
zwischen
Luther
und
Eck
im Jahre
1519
auf der
Leipziger
Pleißenburg
.
Gleichzeitig war die Disputation aber auch eine Art Prufung bei der Erlangung wissenschaftlicher Grade. Es gab eine
vor der versammelten
Fakultat
.
Im
Spatmittelalter
wurde die Disputation auch zur Verbesserung der Redegewandtheit der Schuler und Studenten gepflegt.
Christian Wilhelm Kindleben
sprach aber schon 1781 davon, dass die Disputationes seltener wurden. In Deutschland war die Disputation vor dem
Zweiten Weltkrieg
nur noch an den theologischen, philosophischen und juristischen Fakultaten ublich und wurde ansonsten zumeist durch das
Kolloquium
oder
Rigorosum
ersetzt.
Im Unterschied zum
Rigorosum
bezieht sich die heutige Disputation als mundliche Doktorprufung an vielen ? aber nicht allen ? Universitaten auf das Thema der
Dissertation
oder
Habilitation
. Sie dient der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sowie der Abwagung der Argumente (pro und contra) und ist nicht personenbezogen. Die Disputation als Form der mundlichen Doktorprufung ist (anders als das Rigorosum) grundsatzlich offentlich; Details unterscheiden sich aber auch in diesem Punkt von Fall zu Fall. Auch zur Erlangung des akademischen Grades als
Bachelor
oder
Master
wird heute in einigen Studiengangen eine Disputation verlangt.
Die Disputation wird heutzutage an vielen Universitaten wieder eingefuhrt, nicht zuletzt wegen ihrer traditionellen Verwendung an den Universitaten und Hochschulen in den
mittelosteuropaischen
Staaten. So findet die Verteidigung der Doktorarbeit an tschechischen und polnischen Universitaten ausschließlich in Form einer offentlichen Disputation statt.
- Marion Gindhart
,
Ursula Kundert
(Hrsg.):
Disputatio 1200?1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitarer Wissenskultur.
De Gruyter, Berlin 2010,
ISBN 978-3-11-173984-7
.
- Olga Weijers:
In Search of the Truth. A History of Disputation Techniques from Antiquity to Early Modern Times.
Brepols, Turnhout 2013 (=
Studies on the Faculty of Arts: History and Influence
1)
ISBN 2-503-55051-7
.
- ↑
Informationen der Universitat Wien
(
Memento
vom 21. Mai 2016 im
Internet Archive
)