Der
Dekan
oder
Dechant
(von
lateinisch
decanus
von
decem
?zehn‘) ist in der romisch-katholischen Kirche der Vorsteher einer Gruppe von Priestern. Auch in der
Anglikanischen Kirche
als
Dean
und in manchen
evangelischen
Landeskirchen
gibt es die Amtsbezeichnung ?Dekan“ fur einen Pfarrer, der Fuhrungsfunktionen auf der mittleren Verwaltungsebene wahrnimmt. Diese Amtsbezeichnung lautet in anderen Landeskirchen auch
Superintendent
.
Fur die romisch-katholische Kirche nennt das allgemeine
katholische Kirchenrecht
:
- 1. in Can. 352
CIC
den Dekan des
Kardinalskollegiums
(vgl. dazu
Kardinaldekan
)
- 2. in Can. 553 CIC den Dechanten (auch: Dekan, Erzpriester) als Vorsteher der Priesterschaft mehrerer Pfarreien; sein Amtsbezirk heißt
Dekanat
Daruber hinaus gibt es im Partikularrecht vieler Diozesen insbesondere im deutschsprachigen Raum noch:
- 3. den
Domdekan
als
Dignitat
eines
Domkapitels
- 4. den
Stiftsdekan
als Vorsteher eines
Kollegiatstifts
Die folgenden Abschnitte beziehen sich auf den Dechanten oder Dekan als Vorsteher der Priesterschaft mehrerer romisch-katholischer Pfarreien, mitunter auch als Stadtdechant/Kreisdechant oder Stadtdekan, und Regionaldechant oder Regionaldekan.
Wenn es im Bistumsrecht nicht anders geregelt wurde, obliegt dem
Diozesanbischof
die Ernennung des Dechanten, wobei er den Rat der im betroffenen Dekanat tatigen Priester einholen muss. In vielen
Diozesen
ist das Amt des Dechanten an bestimmte
Pfarreien
gebunden. Ernennt der
Bischof
fur solche einen neuen Pfarrer, ist dieser automatisch Dechant. Ist dies nicht der Fall, kann der Bischof einen beliebigen Pfarrer des Sprengels zum Dechanten berufen. Dann kann er die Ausubung des Amtes auch zeitlich begrenzen. (Die Ubertragung einer Pfarrei erfolgt im Gegensatz dazu immer auf Lebenszeit bzw. bis zur freiwilligen Resignation.)
Aufgaben der Dechanten sind gemaß
CIC
:
- Koordination und Forderung der gemeinsamen pastoralen Tatigkeit im Dekanat,
- Aufsicht uber die Kleriker seines Bezirks, damit diese ihren Amtspflichten gewissenhaft nachkommen und eine fur Priester angemessene Lebensweise pflegen,
- Sorge zu tragen, dass die Gottesdienste gemaß den Vorschriften der
Liturgie
gefeiert werden, dass die Kirchen und heiligen Gerate sich in gutem Zustand befinden und dass die
konsekrierten Hostien
ordentlich aufbewahrt werden,
- Kontrolle der Kirchenbucher sowie der Vermogens- und Gebaudeverwaltung in den einzelnen Pfarreien,
- die Priester zur Teilnahme an theologischen Weiterbildungen,
Exerzitien
und ahnlichem anzuhalten.
Die Diozesanbischofe konnen ihren Dechanten zusatzlich auch noch andere Aufgaben ubertragen. Die im CIC festgelegten Rechte und Pflichten charakterisieren den Dechanten aber in erster Linie als Aufsichtsorgan des Bischofs, an dessen Weisungen er ? wie alle ubrigen Diozesanpriester ? in vollem Umfang gebunden ist. Dechanten haben keine eigene
Jurisdiktionsgewalt
, sondern handeln stets im Auftrag des Bischofs.
Der Dechant
visitiert
regelmaßig im Auftrag des Bischofs die Pfarreien seines Sprengels. Bei der pastoralen Arbeit stehen ihm in den Diozesen des deutschen Sprachraums verschiedene aus Priestern und Laien gebildete Gremien zur Seite: Priester- und Pastoralrat (Letzterer umfasst neben Geistlichen auch andere hauptamtliche kirchliche Angestellte), schließlich der Dekanatsrat; in diesen entsenden die Pfarreien gewahlte Laien als ihre Vertreter. Je nach Große und Finanzkraft der Bistumer hat der Dechant eine Anzahl von Mitarbeitern, die aus dem Diozesanhaushalt bezahlt werden und spezielle Aufgaben in der Seelsorge oder der kirchlichen Verwaltung haben. Zu einem Dekanat gehoren ublicherweise 8 bis 15 Pfarreien. In dicht besiedelten katholischen Regionen werden mehrere Dekanate zu
Stadt- oder Kreisdekanaten
zusammengefasst.
Die
Kirchliche Heraldik
sieht fur Dekane, Dechanten oder Priore ein eigenes Wappenmuster vor. In vielen Diozesen des deutschen Sprachraums erhalten Priester, die uber einen langeren Zeitraum als Dechant fungieren, traditionell den
Ehrentitel
eines
Papstlichen Ehrenkaplans
(mit der
Anrede
?
Monsignore
“) verliehen.
Das fruhe Christentum war zunachst eine stadtische Religion. Fast in jeder romischen Stadt hatten sich bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts christliche Gemeinden gebildet, die jeweils von einem Bischof geleitet wurden. An seiner Kirche hatte der jeweilige Bischof ein Kollegium von
Priestern
,
Presbyterium
, das ihn bei der Feier der Liturgie und in der Seelsorge unterstutzte. Die landlichen Gebiete blieben noch lange heidnisch. Die im Entstehen begriffenen Bistumer jener Zeit waren oft in etwa deckungsgleich mit den politischen Gemeinden
municipia
, die aus der Stadt selbst und einem großeren Umland (durchsetzt mit Dorfern,
Villen
und Einzelhofen) bestanden.
Spatestens mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion durch Kaiser
Theodosius I.
breitete sich die christliche Religion vermehrt auf das flache Land aus. Viele Priester waren nun dauerhaft auf dem Land tatig und hatten dort eigene Kirchen. Die
Pfarreien
entstanden. In den Wirren der Volkerwanderung verschwanden dann viele Stadte und mit ihnen auch die alten Bischofssitze. Die verbliebenen Bischofe mussten nun große Territorien verwalten. Deshalb wurde es notwendig, Beauftragte zu ernennen, die im Auftrag des jeweiligen Bischofs die Arbeit der Pfarrer kontrollierten.
Dieses neue Amt wurde in verschiedenen Regionen unterschiedlich genannt und auch die Aufgaben variierten teilweise. Aber noch im 4. Jahrhundert wurde im Osten auf verschiedenen Synoden geklart, dass diese neuen Amtstrager keine Jurisdiktionsrechte haben durften, damit die Amtsgewalt der Bischofe nicht eingeschrankt wurde. So schaffte die
Synode von Laodicea
(380) die so genannten
Chorepiskopoi
(deutsch
Chorbischofe
oder landliche Bischofe) ab und ersetzte sie durch
Periodeutai
. Dies waren Priester, deren Aufgaben und deren Verhaltnis zum Bischof ziemlich genau denen der heutigen Dechanten entsprach.
Im lateinischsprachigen Teil des Romischen Reiches und seinen Nachfolgestaaten hießen die Helfer des Bischofs
decanus
. Der Titel ist mit
decurio
verwandt. Damit wurde im romischen Reich der Vertreter oder Vorsteher einer Gruppe von zehn Personen bezeichnet (beispielsweise einer Einheit von zehn Soldaten im fruhen romischen Heer). Auch der Dechant war und ist bis heute fur etwa zehn Pfarreien zustandig.
Im
Frankischen Reich
, das ganzlich bauerlich und feudal gepragt war, forderte Kaiser Karl d. Große die Ausbreitung des Dekanats, um so mit Hilfe der Kirche die weiten Raume seines Reiches besser kontrollieren zu konnen. Auch im Westen wurden die Chorbischofe im 9. Jahrhundert (Synoden von Paris und Aachen, 829 bzw. 836) abgeschafft und durch
Archidiakone
ersetzt, die seitdem eine mittlere Verwaltungsebene zwischen Bischofen und Dechanten waren. Letztere wurden in vielen Diozesen auch Erzpriester genannt. So gliederte sich zum Beispiel das
Bistum Meißen
in Archidiakonate, denen wiederum einige Erzpriestersitze zugeordnet waren.
Zur besseren Anbindung an den Bischof, aber auch zur finanziellen Absicherung der Amtstrager waren die Dekanate und Archidiakonate haufig mit gut dotierten
Kanonikaten
am Kathedralkapitel oder in Kollegiatkapiteln verbunden.
Bis zur Kodifizierung des Kanonischen Rechts im Codex Iuris Canonici von 1917 waren die Rechte und Pflichten der Dechanten fast ausschließlich in den Partikularechten der Diozesen beschrieben. Erst im 20. Jahrhundert erfolgte eine gewisse Vereinheitlichung, die dann im Can. 553 des neuen CIC (1983) auch ihren kirchenrechtlichen Niederschlag fand.
Der
Superintendent
(
lateinisch
superintendens
, wortlich ?Aufseher“,
Lehnubersetzung
von
altgriechisch
?π?σκοπο?
episkopos
?
Bischof
‘) ist ein zum Dekan vergleichbares kirchliches Amt in einigen deutschen evangelischen
Landeskirchen
, in der
Evangelischen Kirche A.B. in Osterreich
, in vielen
methodistischen Kirchen
und in der
Selbstandigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
. Der Superintendent ist der leitende Geistliche eines
Kirchenkreises
, einer
Diozese
(
Superintendentur
oder
Superintendenz
in Osterreich) bzw. eines
Kirchenbezirks
.
In einigen evangelischen Landeskirchen heißt dieses Amt auch
Dekan
, siehe
Dekanat (Evangelische Kirchen)
.
Alteres (nach Erscheinungsdatum):
- Bernhard Dietrich Haage:
Ein bislang unveroffentlichter Brief des Johannes von Indersdorf. Schulischer Alltag im Mittelalter.
In:
Fachprosaforschung ? Grenzuberschreitungen.
Band 10, 2014, S. 81?88 (zu einem die Alltagsaufgaben eines
decanus
aufzeigenden Brief aus dem Jahr 1431).
- Andreas Muller:
Lexikon des Kirchenrechts und der romisch-katholischen Liturgie: In Beziehung auf Ersteres mit steter Rucksicht auf die neuesten Concordate, pabstlichen Umschreibungs-Bullen, und die besonderen Verhaltnisse der katholischen Kirche in den verschiedenen deutschen Staaten.
Band 2 (von 5)
D?F
. 2. Auflage. Verlag Etlinger, 1838, Stichwort
Decani rurales: Dechante auf dem Lande und Decanate.
S. 13?99 ? ausfuhrlicher Artikel zur historischen Stellung und Aufgaben (S. 24?75 Osterreich, ab S. 75 weitere deutsche Staaten;
Google eBook, vollstandige Ansicht
).
- Artikel
Dean
und
Archpriest
. In:
Charles George Herbermann
u. a. (Hrsg.):
The Catholic encyclopedia
.
New York 1913 ff.
- Franz Gescher:
Der kolnische Dekanat und Archidiakonat in ihrer Entstehung und ersten Entwicklung. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter.
(=
Kirchenrechtliche Abhandlungen.
Hrsg. von
Ulrich Stutz
, Band 95). Stuttgart 1919 (Nachdruck: Edition Schippers, 1963); zugleich Theologische Dissertation Freiburg 1919.
- Dekan.
In:
Die Religion in Geschichte und Gegenwart
(RGG). Band 2. 3. Auflage. 1958.