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David Christopher Kelly
CMG
(*
17. Mai
1944
in
Rhondda
,
Wales
; †
18. Juli
2003
[1]
in
Longworth
,
[2]
Oxfordshire
) war ein
britischer
Mikrobiologe
,
UN
-
Biowaffenexperte
[3]
und Berater des
britischen Verteidigungsministeriums
. Er wurde vor allem aufgrund seiner mysteriosen Todesumstande einer großeren Offentlichkeit bekannt.
[4]
Kelly begann 1963 ein Studium der Chemie, Botanik und Biophysik an der
University of Leeds
, das er vier Jahre spater mit dem
Bachelor of Science
mit einer Spezialisierung auf das Fach
Bakteriologie
abschloss. Er setzte seine Studien an der
University of Birmingham
fort, wo er den
Master of Science
in
Virologie
erwarb. Im Jahr 1971 folgte die
Promotion
in
Mikrobiologie
am
Linacre College
der
University of Oxford
. Es folgte ein Aufenthalt an der
University of Warwick
, bevor Kelly Mitte der 70er Jahre nach Oxford zuruckkehrte, wo er am Institut fur Virologie und Umweltmikrobiologie tatig war. In seiner akademischen Laufbahn stieg er bis zum
Chief Scientific Officer
seines Instituts auf und forschte vor allem uber Insektenvirologie.
Im Jahr 1984 erhielt Kelly eine Anstellung beim
Ministry of Defence
, das ihm die Leitung der
Defence Microbiology Division
in
Porton Down
ubertrug. Ein wichtiger Teil der Arbeit der Abteilung war die Unterstutzung bei der Dekontamination von
Gruinard Island
, das im Zweiten Weltkrieg fur Experimente mit
Milzbranderregern
genutzt worden war. Kelly setzte sich erfolgreich fur eine Erweiterung des Auftrags seiner Abteilung im Hinblick auf eine Verteidigung gegen Biowaffen ein, was maßgeblich dazu beitrug, dass der
British Army
bei der
Invasion Iraks 1991
entsprechende Fahigkeiten zur Verfugung standen.
Nachdem Kelly seit 1989 an der Befragung des sowjetischen Uberlaufers
Wladimir Passetschnik
uber das geheime
sowjetische Biowaffenprogramm
beteiligt gewesen war, untersuchte er von 1991 bis 1994 im Rahmen einer gemeinsamen britisch-amerikanischen Mission Anlagen vor Ort. Kelly war ferner als Mitglied der
United Nations Special Commission
(UNSCOM) an der ersten Biowaffen-Kontrollmission im
Irak
ab August 1991 beteiligt und leitete insgesamt 10 Inspektionsteams in der Golfregion. 1998 nahm er den
Bahai
-Glauben an. Kelly arbeitete ab 2000 auch fur die Nachfolgekommission der UNSCOM, die
Uberwachungs-, Verifikations- und Inspektionskommission der Vereinten Nationen
(UNMOVIC). Im Umfeld des
Irakkriegs
von 2003 wurde Kelly verschiedentlich von Journalisten fur Interviews uber den Wahrheitsgehalt der Behauptungen der US- und britischen Regierungen zu irakischen
Massenvernichtungswaffen
im Vorfeld des Krieges angefragt.
Kelly wurde von Journalisten als Hauptquelle fur einen am 29. Mai 2003 in der Sendung
Today
von
BBC Radio 4
ausgestrahlten Bericht hingestellt, wonach die britische Regierung Geheimdienst-Berichte uber irakische Massenvernichtungswaffen aufgebauscht habe. Kelly selbst hielt sich zu diesem Zeitpunkt in New York auf, um an einer Sitzung der UNMOVIC teilzunehmen. Nach der Interpretation von
Andrew Gilligan
, dem Autor des Berichts, soll vor allem
Alastair Campbell
, der Kommunikationsdirektor des Premierministers
Tony Blair
, darauf bestanden haben, in das Dossier gegen den Widerstand des
Secret Intelligence Service
folgenden Satz einzubringen: ?Irakische ABC-Waffen konnten innerhalb von 45 Minuten gefechtsbereit sein.“ Die Regierung wies diese Behauptung umgehend als unwahr zuruck. Eine interne Untersuchung des MoD, dem Kelly unterstand, kam Anfang Juli zu dem Schluss, dass keine Maßnahmen gegen Kelly, der seine Vorgesetzten nachtraglich uber seine Kontakte zu den verantwortlichen Journalisten informiert hatte, einzuleiten seien, und dass der BBC-Bericht vermutlich dessen Aussagen falsch interpretiert habe. Kelly wurde darauf hingewiesen, dass im Zuge des Skandals sein Name in der Presse auftauchen konne.
Nach einem Artikel der
Times
, der Hinweise auf die Identitat des mutmaßlichen Informanten gab, entschied die
Regierung Blair
am 8. Juli, der Presse die Identitat des MoD-Mitarbeiters nicht von sich aus bekanntzugeben, diese jedoch zu bestatigen, falls der Name von Pressevertretern erraten werden wurde, was wenig spater geschah. Am 11. Juli wurde Kelly von einem Vorgesetzten informiert, dass er vor zwei Ausschussen des britischen Parlaments Auskunft werde geben mussen, dem Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss und dem Ausschuss fur auswartige Angelegenheiten. Letztere Anhorung wurde im Fernsehen ubertragen.
Am 15. Juli 2003 wurde Kelly vom Ausschuss fur auswartige Angelegenheiten befragt. Dabei wurde er psychologisch unter Druck gesetzt. Unter anderem wurden ihm Fragen gestellt, die der BBC-Reporter Gilligan selbst formuliert hatte. Kelly gab zu, sich mit Gilligan getroffen zu haben. Er bestritt jedoch, dass die Informationen des BBC-Berichts eine wahrheitsgetreue Wiedergabe seiner Außerungen gegenuber diesem gewesen seien. Am 16. Juli folgte eine nichtoffentliche Anhorung vor dem Ausschuss fur Geheimdienste und Sicherheit.
David Kelly verließ am 18. Juli 2003 um 15 Uhr sein Haus in
Abingdon
, um spazieren zu gehen. Einen Tag spater wurde er ein paar Kilometer entfernt von seinem Wohnsitz mit durchgeschnittener
Ellenarterie
tot aufgefunden. Die Arterie war mit seinem Taschenmesser durchtrennt worden, das jedoch keine
Fingerabdrucke
[5]
aufwies. Neben ihm lag eine leere Schachtel mit Schmerztabletten seiner Frau. Die in seinem Korper gefundene Menge des Schmerzmittels
Coproxamol
entsprach etwa einem Drittel der
todlichen Dosis
.
Nach Angaben der Polizei, deren Untersuchung ?Operation Mason“ offiziell bereits begann, bevor Kelly zu seinem Spaziergang aufbrach,
[6]
gab es keinen Hinweis auf Fremdeinwirkung.
Kelly wurde am 6. August 2003 in Longworth beigesetzt. An der Beerdigung nahmen unter den etwa 160 Trauergasten auch Lordrichter
Brian Hutton
, der die Untersuchung zu den naheren Todesumstanden leitete, sowie der stellvertretende Premierminister
John Prescott
teil.
Am 11. August 2003 begann im High Court die richterliche Untersuchung der Todesumstande. Die Ergebnisse wurden im
Hutton-Bericht
veroffentlicht.
Funf Jahre nach seinem Tod zitierte die
Daily Mail
eine Freundin Kellys mit der Aussage, er habe niemals jemanden toten konnen, geschweige denn sich selbst.
[3]
Der am 22. Oktober 2010 vom
Ministry of Justice
veroffentlichte Bericht des
Pathologen
sowie das ebenfalls veroffentlichte
toxikologische
Gutachten belegen die These des Selbstmordes.
[3]
[7]
Lt. einem Artikel der
Frankfurter Rundschau
vom 3. Februar 2019 bezweifeln britische Mediziner trotz der Indizien, dass Kelly ?sich selbst totete. Sie fordern, den Fall neu aufzurollen. … Die These, dass er sich
selbst totete
, wie die von Blair 2003 eingesetzte Kommission des ehemaligen Richters Lord Hutton nach funfmonatiger Untersuchung befand, halten die acht Unterzeichner des Briefs indes fur anfechtbar. …
Kenneth Clarke
… erwagt, die Dokumente der Untersuchung freizugeben. Lord Hutton hatte empfohlen, sie 70 Jahre lang unter Verschluss zu halten.“
[1]
- Norman Baker:
The Strange Death of David Kelly.
Methuen, 2007.
- Miles Goslett:
An Inconvenient Death ? How the Establishment Covered Up the David Kelly Affair.
Head of Zeus, London, 2018.
ISBN 978-1788543095
- Robert Lewis:
Dark Actors: The Life and Death of David Kelly.
Simon and Schuster, 2013.
- ↑
a
b
Barbara Klimke:
Zweifel am Suizid.
In:
Frankfurter Rundschau.
Frankfurter Rundschau GmbH, 3. Februar 2019,
abgerufen am 20. Januar 2024
.
- ↑
Post-mortem-Analysebericht.
Ministry of Justice, 25. Juli 2003,
abgerufen am 19. Januar 2024
(englisch).
- ↑
a
b
c
Fall David Kelly: Geheimdokumente erhellen Tod von Uno-Waffeninspekteur
. In:
Der Spiegel
. 22. Oktober 2010,
ISSN
2195-1349
(
spiegel.de
[abgerufen am 19. Januar 2024]).
- ↑
Dr David Kelly: Controversial death examined
. In:
BBC News
. 9. Juni 2011 (
bbc.com
[abgerufen am 26. April 2023]).
- ↑
Nico Schwieger, Curdt Blumenthal:
Die großten Whistleblower der Geschichte: Felt, Assange, Snowden und Co.
In:
RND Redaktionsnetzwerk Deutschland
.
28. April 2023,
abgerufen am 19. Januar 2024
.
- ↑
file referenz TVP/10/0099 - 0105
(
Memento
vom 19. Mai 2006 im
Internet Archive
)
- ↑
MOJ:
Dr Kelly post mortem and toxicology reports
. MOJ (
gov.uk
[abgerufen am 19. Januar 2024]).
- ↑
Interview Peter Kosminsky
(
Memento
vom 21. Oktober 2009 im
Internet Archive
) In:
Arte
.
23. Juni 2005.