David William Donald Cameron, Baron Cameron of Chipping Norton
[1]
[2]
PC
(*
9. Oktober
1966
in
London
) ist ein
britischer
Politiker
(
Conservative Party
) und seit dem 13. November 2023
Außenminister des Vereinigten Konigreichs
. Er war vom 11. Mai 2010 bis zum 13. Juli 2016
Premierminister des Vereinigten Konigreichs
und von 2005 bis 2016 Parteifuhrer der Conservative Party. Cameron war Initiator des
Referendums uber die Unabhangigkeit Schottlands
sowie des
Brexit-Referendums
. Nach der Entscheidung der britischen Wahler fur den Austritt des Vereinigten Konigreiches aus der Europaischen Union trat er zuruck. Seine Nachfolgerin im Amt des Premierministers wurde am 13. Juli 2016
Innenministerin
Theresa May
. Im November 2023 kehrte er als
Außenminister
im Kabinett von
Rishi Sunak
in die Politik zuruck.
David Cameron wuchs als drittes von vier Kindern in
Peasemore
(
Berkshire
) in
England
auf. Seine Mutter ist Mary Fleur Mount, eine Tochter von Sir William Malcolm, dem zweiten
Baronet
Mount. Sein Vater Ian Donald Cameron (1932?2010) arbeitete als Borsenmakler und war eine Zeitlang Chairman des prestigetrachtigen Londoner
White’s Club
.
David Cameron verbrachte seine Schulzeit auf zwei renommierten privaten Schulen: zunachst auf der Heatherdown School, einer Vorbereitungsschule in Winkfield (nahe Ascot), und dann am
Eton College
. Sein fruhes Interesse galt der Kunst. Nach einem
Gap Year
, in dem er in Hongkong fur
Jardine Matheson Holdings
und als Assistent fur den konservativen Abgeordneten Tim Rathbone (1933?2002) arbeitete, studierte er am
Brasenose College
an der
University of Oxford
. Wahrend seines Studiums war er Mitglied der exklusiven Studentenvereinigung
Bullingdon Club
; politischen Debattierclubs trat er nicht bei.
[3]
Einer seiner Professoren,
Vernon Bogdanor
, bezeichnete ihn als einen seiner fahigsten Studenten und beschrieb seine politischen Ansichten als die eines gemaßigten und vernunftigen Konservativen.
[4]
1988 beendete Cameron sein Studium in dem interdisziplinaren Studiengang PPE (
Philosophy, Politics and Economics
) mit Auszeichnung.
Von 1988 bis 1992 arbeitete Cameron im
Conservative Research Department
der Conservative Party, das damals weithin als eine Kaderschmiede fur zukunftige konservative Fuhrungskrafte galt; zustandig war er fur den Bereich
Trade and Industry, Energy and Privatisation
(Handel und Industrie, Energie und Privatisierung). Seine Aufgaben umfassten dabei auch das Redenschreiben und die Vorbereitung auf offentliche Auftritte von Kabinettministern. 1991 arbeitete er auch im Beratungsteam von Premierminister
John Major
in der
Downing Street
, um diesen fur die damals noch zweimal wochentlich stattfindenden
Prime Minister’s Questions
mit Material vorzubereiten. Außerdem wurde er spater personlicher Berater der Regierung unter John Major, zunachst als Berater des britischen Schatzamtes unter
Norman Lamont
; in dieser Zeit ereignete sich die
Pfundkrise am ?Schwarzen Mittwoch“
1992, welche Majors Regierung einen schweren Schlag versetzte.
[5]
Danach folgte eine Zeit im
britischen Innenministerium
fur
Michael Howard
. In dieser Zeit freundete sich Cameron mit anderen aufstrebenden jungen Tories wie
Ed Vaizey
, Steve Hilton und Edward Llewellyn an.
1994 wechselte Cameron in die Wirtschaft. Von 1994 bis 2001 war er beim Medienunternehmen Carlton Communications tatig und stieg innerhalb von zwei Jahren zum
Director of Corporate Affairs
auf. Bis August 2005 war er Manager bei Urbium plc, einem Unternehmen, das eine Kette von Bars namens 'Tiger Tiger' betreibt. Im Juni 2001 wurde er
ins britische Unterhaus gewahlt
.
David Cameron heiratete am 1. Juni 1996
Samantha Sheffield
(* 1971). Mit ihr hat er vier Kinder, von denen der 2002 geborene Sohn Ivan an
zerebraler Kinderlahmung
und schwerer
Epilepsie
litt und am 25. Februar 2009 im Alter von sechs Jahren starb. Ivan galt als privater Mittelpunkt fur Cameron und seine Familie. Ungewohnlich offentlich nahmen auch das britische
Unterhaus
[6]
sowie weite Teile der Bevolkerung an der Trauer der Familie Anteil.
Sowohl David Cameron, der ein Nachfahre von
Wilhelm IV.
ist, als auch seine Frau Samantha, deren Abstammung auf Konig
Karl II.
zuruckgeht, sind weitlaufig mit dem britischen Konigshaus verwandt und gehoren der englischen Landeskirche
Church of England
an.
Cameron bewarb sich
1997
erstmals um ein Mandat im Unterhaus und trat dabei als Kandidat der Conservative Party fur den umkampften Wahlkreis
Stafford
an. Er unterlag dem Kandidaten der
Labour Party
David Kidney. Fur die Wahl 2001 gelang es ihm, im
Wahlkreis Witney
,
Oxfordshire
, einem traditionell konservativ dominierten Wahlkreis, als Nachfolger von Shaun Woodward, der zu Labour gewechselt war, fur die Konservativen zu kandidieren. Er gewann diesen Wahlkreis sowohl bei der
Unterhauswahl im Juni 2001
als auch bei spateren Wahlen mit einer komfortablen Mehrheit.
In Bezug auf die Befurwortung des
Irakkrieges
folgte Cameron, wie auch in anderen Fragen, der offiziellen Parteilinie. Anders als seine langjahrigen Freunde und engen Verbundeten Michael Gove und
George Osborne
, die beide den Krieg und die neokonservative Agenda voll unterstutzten, schwenkte Cameron erst nach anfanglichem Zogern auf die Linie der Blair-Regierung und der konservativen Fuhrung. Seine Entscheidung begrundete er damit, dass er die
special relationship
zwischen den USA und Großbritannien, die er fur ?instrumental“ fur den Fortbestand der
NATO
und die Friedensordnung nach 1945 hielt, anderenfalls fur gefahrdet ansah.
Cameron hielt seine erste Rede im House of Commons noch im Juni 2001 und wurde auch schon im Juni 2003 Mitglied des
Schattenkabinetts
und
Shadow Deputy Leader of the House of Commons
. 2004 wurde er zu einem fuhrenden Schattenminister ernannt.
Am Entwurf des
Wahlmanifests
2005 der
Tories
war er maßgeblich beteiligt. Nach der Wahlniederlage der Konservativen bei der
Unterhauswahl
ubernahm er einen kultusminister-ahnlichen Posten im Schattenkabinett. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf Reformen im Schulsystem.
Nach dem Sieg der
Labour Party
bei der Unterhauswahl im Mai 2005 gab der konservative Parteifuhrer
Michael Howard
seinen Rucktritt bekannt. Er legte den Termin fur die Wahl seines Nachfolgers zunachst auf Anfang Dezember, um Zeit fur eine Reform des komplizierten Wahlverfahrens zu gewinnen. Dies konnte er allerdings nicht durchsetzen.
Am 29. September 2005 gab Cameron offiziell seine Kandidatur fur die Parteifuhrung bekannt. Er wurde dabei von vielen hochrangigen Parteikollegen unterstutzt, hatte aber vor dem
Parteitag
der Konservativen Partei Anfang Oktober 2005 keine weitere nennenswerte Unterstutzung bekommen. Ein bedeutender Wendepunkt seines innerparteilichen
Wahlkampfes
war seine Nominierungsrede auf dem Parteitag selbst. Neben seinem Versprechen, die inhaltliche Aufstellung und die damit einhergehende Wahrnehmung der Partei als elitar und altmodisch zu modernisieren, verbreiterte sein Verzicht auf einen
Teleprompter
und jegliche Notizen nach Einschatzung der BBC seine Stimmbasis in erheblichem Umfang.
[7]
Auch bei spateren bedeutenden Anlassen (zum Beispiel Parteitagen) sprach Cameron frei.
Im Laufe des Wahlkampfes zum Parteichef geriet Cameron wegen angeblichen fruheren Drogenkonsums unter Druck. Als er am Rande einer Konferenz gefragt wurde, ob er Drogen genommen habe, antwortete er, er habe ?normale“ Erfahrungen auf der Universitat gemacht. Als er wahrend der
BBC
-Sendung
Question Time
zu einer Antwort gedrangt wurde, bestand er darauf, dass jeder das Recht habe, in seiner Jugend Fehler zu machen, und Anspruch auf ein
Privatleben
vor der politischen Karriere habe.
[8]
Er merkte zudem an, dass Mitglieder des regierenden
Labour
-Kabinetts auf solche Fragen auch nicht antworteten. Auch Camerons sozialer Hintergrund sorgte wahrend des
Wahlkampfes
fur Gesprachsstoff und wurde immer wieder mit der Aufsteigervita seines Rivalen
David Davis
verglichen.
Im ersten
Wahlgang
am 18. Oktober 2005 erzielte Cameron mit 56 Stimmen zwar ein besseres Ergebnis als erwartet, lag aber dennoch hinter David Davis, der 62 Stimmen erhielt. Im zweiten Wahlgang am 20. Oktober 2005 gewann Cameron haushoch gegen Davis. Daraufhin wurde nun eine
Urwahl
durchgefuhrt, bei der alle Parteimitglieder wahlberechtigt waren. Cameron erhielt mehr als doppelt so viele Stimmen wie Davis.
Cameron wurde am 6. Dezember als Parteifuhrer der Konservativen und gleichzeitig als Oppositionsfuhrer vereidigt. Mit nur vier Jahren im Parlament war er der dienstjungste Abgeordnete nach
William Pitt dem Jungeren
, der jemals die Fuhrung einer großen britischen Partei ubernahm. Als Oppositionsfuhrer wurde er Mitte Dezember 2005 zum Mitglied des
Privy Council
ernannt.
Bei der
Unterhauswahl am 6. Mai 2010
wurde Camerons Conservative Party die starkste politische Kraft, erhielt aber keine absolute Mehrheit der Sitze. Es gab erstmals seit 1974 wieder ein
hung parliament
: Die starkste Partei kann nicht aus eigener Kraft regieren, sondern ist auf einen Koalitionspartner angewiesen.
[9]
Sowohl Cameron als auch Amtsinhaber
Gordon Brown
nahmen Koalitionsverhandlungen mit den
Liberal Democrats
auf.
Brown erklarte am 11. Mai die Verhandlungen der Labour Party mit den Liberaldemokraten fur gescheitert und reichte sein Rucktrittsgesuch ein. Noch am selben Tag wurde Cameron von
Elisabeth II.
zum Premierminister ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt.
[10]
Er bildete das
Kabinett Cameron I
.
Bei der
Unterhauswahl am 7. Mai 2015
erreichten die Konservativen unter Camerons Fuhrung entgegen allen Prognosen und Meinungsumfragen vor der Wahl knapp die absolute Mehrheit der Parlamentssitze (bei einem Stimmenanteil von 36,9 %). Cameron konnte nach der Wahl eine nur aus Konservativen bestehende
neue Regierung
bilden.
Nachdem beim
Referendum am 23. Juni 2016
51,89 % der Abstimmenden fur den Austritt des Vereinigten Konigreichs aus der Europaischen Union votiert hatten, kundigte der Premierminister an, bis zum Oktober 2016 zuruckzutreten.
[11]
[12]
Darauf meldeten
Stephen Crabb
,
Liam Fox
,
Michael Gove
,
Andrea Leadsom
und
Theresa May
aus der Fraktion ihre Kandidatur fur das Amt des Premierministers an. Das
1922-Komitee
organisierte den Ablauf der Wahl. Am 5. und 7. Juli 2016 fanden Vorwahlgange innerhalb der Fraktion statt. Fox, Gove und Crabb schieden aus.
[13]
Leadsom zog ihre Kandidatur am 11. Juli 2016 zuruck und ermoglichte so Theresa Mays Amtsantritt als Premierministerin ohne parteiinterne Wahl.
[14]
Am 13. Juli beantwortete David Cameron letztmals die
Prime Minister’s Questions
im Unterhaus.
[15]
Anschließend trat er als Premierminister zuruck; Theresa May wurde am selben Tag zu seiner Nachfolgerin ernannt.
[16]
Nach dem Fuhrungswechsel kehrte Cameron auf die
backbenches
zuruck.
[17]
Cameron beschrieb sich selbst vor seiner Wahl zum Premierminister als ?modernen, mitfuhlenden Konservativen“. Er pladierte fur einen politischen Stilwechsel und außerte, er habe vom Hin und Her der Regierung von
Gordon Brown
(2007?2010) genug.
Um die Popularitat der Conservative Party zu steigern, sollte ihr Schwerpunkt in Zukunft auf fur britische Konservative bislang eher untypischen Themen wie beispielsweise
Umweltschutz
liegen. In gesellschaftspolitischen Fragen gilt Cameron als liberaler als seine Amtsvorganger, vor allem bezuglich des Themas
Homosexualitat
. Cameron unterstutzte 2004 bei einer Abstimmung im Parlament den
Civil Partnership Act
(die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ? siehe
Homosexualitat im Vereinigten Konigreich
). Cameron nahm Bezug auf das beruhmte Zitat von
Margaret Thatcher
, dass es so etwas wie Gesellschaft nicht gebe (“
there is no such thing as society
”) und betonte wiederholt, dass es
Gesellschaft
sehr wohl gebe, sie aber nicht mit dem Staat gleichzusetzen sei (“
There is such a thing as society. It’s just not the same thing as the state.
”).
Cameron setzte sich auch fur einen Ausbau der gesetzlichen
Krankenversicherung
, einen Umbau des
National Health Service
und eine flexible
Einwanderungspolitik
ein.
Im Juli 2005 sagte er in einer Rede vor der
Denkfabrik
Zentrum fur Soziale Gerechtigkeit
, die großte Herausforderung, der sich
Großbritannien
stellen musse, sei nicht die Bewaltigung der wirtschaftlichen, sondern die Bewaltigung der gesellschaftlichen Probleme. Cameron bezeichnete sein Konzept als
Big Society
. Um die ?krankende Gesellschaft“ Großbritanniens wieder aufzubauen, wolle er traditionelle Werte, ehrenamtliche Arbeit und soziale Einrichtungen fordern. So sollten Probleme bekampft werden, von denen so viele Gemeinden betroffen waren, wie heruntergekommene offentliche Anlagen, schlechte Wohnverhaltnisse, zerruttete Familien, Drogenmissbrauch und hohe Kriminalitat. Zuvor hatte er gesagt, die Konservativen sollten Kurse fur Eltern unterstutzen, die ihre Kinder nicht ausreichend fordern. Diese sollten vorzugsweise von ehrenamtlichen Mitarbeitern angeboten werden.
Camerons Erfolg bei der Wahl zum Parteifuhrer der Konservativen kann darauf zuruckgefuhrt werden, dass ihm zugetraut wurde, frischen Wind in die Partei zu bringen, so wie
Tony Blair
(Premierminister 1997?2007) das seinerzeit in der Labour Party getan hatte. Nicht nur aufgrund seiner Jugend und Unerfahrenheit wurde Cameron wiederholt mit dem jungen Tony Blair verglichen; auch bei seinen rhetorischen Fahigkeiten, der Prasentation von Inhalten und in puncto Selbstdarstellung als unkonventioneller Politiker einer neuen Generation seien Parallelen zu Blair erkennbar. Beide haben Gemeinsamkeiten abgestritten, indem sie auf die Unterschiede ihrer politischen Uberzeugung, beispielsweise hinsichtlich
Europapolitik
oder Steuerpolitik, hinwiesen.
Der zum konservativen Flugel der
Church of England
gehorende
Peter Hitchens
kritisierte 2005, Cameron habe die letzten Unterschiede zwischen seiner Partei und der etablierten Linken abgeschafft.
[18]
Zu Beginn seiner Amtszeit unterstutzte Cameron einen
EU-Beitritt der Turkei
.
[19]
Im Zuge der
Finanzkrise des EU-Mitglieds Griechenland
vertrat Cameron nachdrucklich die Position, dass das Vereinigte Konigreich dem Euro nicht beigetreten und deshalb auch nicht verpflichtet sei, Geld fur Griechenland zur Verfugung zu stellen (außer durch den
IWF
).
[20]
Nach Camerons eigenen Angaben (in der 2019 ausgestrahlten BBC-Dokumentation
The Cameron Years
) verhartete sich seine Position gegen einige EU-Partner am 8. Dezember 2011, was ihn letztendlich zum Versprechen eines Brexit-Referendums fuhrte. An diesem 8. Dezember hatten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy eine Anderung des Lissabon-Vertrags gefordert, um den Euro zu stabilisieren. Cameron wollte dem nur zustimmen, wenn die anvisierte Vertragsanderung auch britische Interessen berucksichtige, was Merkel und Sarkozy ablehnten. Cameron legte daraufhin sein Veto gegen eine Anderung des Lissabonvertrages ein. Trotzdem vereinbarte eine Mehrheit der EU-Lander einen Untervertrag zur Stabilisierung des Euros. In Camerons Worten bedeutete dieses Ignorieren eines Vetos, dass die ?Lage des Vereinigten Konigreiches in der EU eigentlich zutiefst instabil“ war. Aufgrund dieser Erfahrung kam Cameron uber Weihnachten 2011 zum Schluss, dass ?wir in der Tat versuchen mussten, die Instabilitat von Großbritanniens Position innerhalb der EU zu ankern, sichern und ordnen, und ich traf die Entscheidung, dass es Zeit war, sich in Richtung eines Referendums zu bewegen.“
[21]
[22]
In einer Rede am 23. Januar 2013 kritisierte Cameron die hohen Schulden, die ?mangelnde Konkurrenzfahigkeit“, die ?Denkverbote“ und das ?sinkende Vertrauen der Menschen in die Institutionen Brussels“ und kundigte eine Neuverhandlung der britischen EU-Vertrage und einen anschließenden
Volksentscheid
zum Verbleib Großbritanniens in der EU an.
[23]
Er betonte in seiner Rede allerdings auch die großen Errungenschaften der europaischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg, schilderte (an die Adresse der britischen EU-Skeptiker gewandt) eindringlich die gravierenden Konsequenzen, die ein EU-Austritt fur das UK haben wurde, und außerte die Hoffnung, dass es nicht dazu kommen moge. Die Außerungen stießen bei den Partnern in der EU ganz uberwiegend auf Unverstandnis; bei Europaskeptikern fanden sie vereinzelt Beifall.
[24]
[25]
In Großbritannien selbst wurde die Rede von Anhangern der Konservativen Partei sowie von Vertretern der
UK Independence Party
(UKIP) begrußt, wahrend sie von den Liberaldemokraten, u. a. deren Vorsitzendem und Minister im
Kabinett Cameron I
Nick Clegg
, und fuhrenden Labour-Politikern wie
Peter Mandelson
deutlich kritisiert wurde.
Der Historiker
Dominik Geppert
schrieb 2013, die negative Rezeption von Camerons Vorschlagen außerhalb seines eigenen Landes sei ein Indiz fur den hohen emotionalen Gehalt der EU in anderen Staaten: ?Unterschwellig fremdelten viele in Deutschland schon deswegen mit den Ausfuhrungen des Premierministers, weil Cameron sich ausdrucklich dazu bekannte, die EU sei fur die Briten eine praktische und keine emotionale Angelegenheit. Die Union sei ein Mittel zum Zweck von mehr Wohlstand, Stabilitat, Freiheit und Demokratie in Europa, aber kein Ziel an sich. Jede Sakralisierung der europaischen Einigung ist den Briten fremd“.
[26]
Im Vorfeld des Brexit-Referendums außerte Cameron 2016, ein Beitritt der Turkei in die Europaische Union werde ?wahrscheinlich um das Jahr 3000 herum“ stattfinden.
[27]
In einer Rede auf der
Munchner Sicherheitskonferenz
am 5. Februar 2011
[28]
erklarte Cameron den ?staatlichen
Multikulturalismus
“ fur gescheitert, der zu
Segregation
,
Separatismus
und schließlich
islamistischem Extremismus
und
Terrorismus
gefuhrt habe. Stattdessen pladierte er fur eine ?gemeinsame nationale Identitat“.
[29]
Er forderte einen ?aktiven und starken Liberalismus“ und kundigte an, gegen ?islamistische,
terrorfordernde
Organisationen“ starker vorzugehen.
[30]
Cameron hatte bereits im Februar 2006 deutliche Kritik an der Idee geubt, dass ?wir innerhalb
Britanniens
unterschiedliche Kulturen in einem Maß respektieren sollten, dass wir ihnen erlauben ? und sie sogar dazu ermutigen ? getrennt voneinander zu leben, untereinander abgesondert und abgesondert vom Mainstream“, und diese Idee als ?Staats-Multikulturalismus“ bezeichnet. Speziell kritisierte er dabei den Vorstoß von
Rowan Williams
, dem
Erzbischof von Canterbury
, der sich fur eine Erweiterung der
Schari’a
innerhalb des britischen Rechtssystems ausgesprochen hatte, und er behauptete, dieser ?Staats-Multikulturalismus“ habe zum Verschwinden von Schulerinnen in
Bradford
und deren
Zwangsverheiratung
gefuhrt. Der ?Staats-Multikulturalismus“ habe zu finanziellen Zuwendungen fur kunstlerische und andere Projekte aufgrund ethnischer Hintergrunde gefuhrt, wobei es verschiedene Gruppen gebe, die vorgaben, bestimmte Minderheiten zu reprasentieren, dabei jedoch untereinander um Geld konkurrierten. Der ?Staats-Multikulturalismus“ verfuhre die Leute dazu, verschiedene kulturell begrundete Verhaltensweisen zu tolerieren, selbst wenn diese mit den
Menschenrechten
nicht vereinbar seien.
[31]
Anfang April 2016 gab Cameron in einem an der
University of Exeter
aufgezeichneten Fernsehinterview an, am
Blairmore Investment Trust
beteiligt gewesen zu sein. Die nach dem ehemaligen Familiensitz der Camerons in Schottland benannte Briefkastenfirma war von seinem verstorbenen Vater gegrundet worden und wickelte in Steueroasen Firmenpapiere ab, um britische Steuern zu vermeiden. Der Name von Camerons Vater war in den sogenannten ?
Panama Papers
“ aufgetaucht, deren Veroffentlichung unter anderem den islandischen Premierminister
Sigmundur Davið Gunnlaugsson
zum Rucktritt gezwungen hatte. Cameron gab an, er habe gemeinsam mit seiner Ehefrau bis Januar 2010 Anteile im Wert von etwa 30.000 Pfund (ca. 37.000 Euro) an dem Trust besessen, diese aber vor seinem Amtsantritt als Premierminister verkauft und versteuert. Einige
Labour
-Abgeordnete forderten seinen Rucktritt,
[32]
und auch die britische konservative Presse kritisierte Camerons Aussagestrategien bezuglich seiner Beteiligung an der Briefkastenfirma.
[33]
Unter dem Druck der offentlichen Meinung machte Cameron am 10. April 2016 seine Steuererklarungen aus den Jahren 2009 bis 2016 offentlich.
[34]
Dabei wurde offenbar, dass er nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2010 neben einer Erbschaft von 300.000
Pfund Sterling
ein Geschenk von 200.000 Pfund von seiner Mutter erhalten hatte. Als Erklarung hierfur gab Cameron an, dass diese Zahlung ein Ausgleich dafur gewesen sei, dass sein alterer Bruder das Familienhaus in Peasemore geerbt habe. Spekulationen kamen auf, dass damit moglicherweise die Zahlung von zusatzlicher
Erbschaftssteuer
vermieden worden sei; Steuerexperten außerten aber, dass dieses Urteil ohne Kenntnis der Details nicht gerechtfertigt sei und dass beispielsweise das Geschenk auch aus dem Privatvermogen von Camerons Mutter erfolgt sein konne.
[35]
Am 12. September 2016 trat Cameron als Abgeordneter fur den
Wahlkreis Witney
zuruck. Als fruherer Premierminister werde er nicht als einfacher Hinterbankler im Unterhaus wahrgenommen. Er unterstutze zwar grundsatzlich voll die Politik seiner Amtsnachfolgerin Theresa May, ware aber in den Angelegenheiten, in denen er eine andere Meinung vertrete, fur die Regierung ?eine standige Ablenkung“ (?a big distraction and a big diversion“), was er nicht sein wolle.
[36]
Er wurde zum
Steward and Bailiff of the Manor of Northstead
ernannt und verlor auf diese Weise seinen Sitz im Unterhaus.
[37]
Sein Nachfolger Robert Courts verteidigte den Wahlkreis Witney fur die Conservative Party, jedoch bei deutlich reduzierter Mehrheit.
[38]
Am 16. Januar 2019 sagte Cameron in einem kurzen Interview mit der
BBC
, er bedaure es nicht, ?das Referendum zum EU-Austritt veranlasst“ zu haben. Dies sei ein Wahlversprechen gewesen und alle Parteien hatten sich dafur ausgesprochen. Er bedaure aber sehr den Ausgang des Referendums und die Schwierigkeiten, die die Regierung bei dessen Umsetzung habe.
[39]
Im Februar 2020 lehnte Cameron ein Angebot von Premierminister Boris Johnson ab, im November 2020 die
UN-Klimakonferenz
in
Glasgow
2020 als britischer Reprasentant zu leiten.
[40]
Am 15. September 2019 wurden erste Auszuge aus Camerons Memoiren in der
Sunday Times
veroffentlicht. In diesen Auszugen rechnete Cameron besonders mit einigen seiner ehemaligen politischen Weggefahrten und Freunden ab.
[41]
[42]
[43]
Dies war zum einen der amtierende Premierminister
Boris Johnson
, zum anderen Vize-Premierminister
Michael Gove
, mit dem Cameron jahrelang eng befreundet war. Beide seien ?Botschafter fur das Zeitalter des Populismus, das mit der Negierung von Expertenmeinungen und Verzerrung der Wahrheit“ einhergehe. Johnson, so Cameron, habe sich der
Brexit
-Kampagne ausschließlich aus personlichen Karrieregrunden und nicht aus innerer Uberzeugung angeschlossen. Angesichts der vielen patriotisch-romantischen Bilder, die durch die Vertreter der
Leave
-Kampagne bemuht worden seien (Ruckgewinnung der Unabhangigkeit Großbritanniens) habe Johnson die Vorstellung nicht ertragen, dass jemand anders als er, gewissermaßen als Liebling der Konservativen Partei, das Vereinigte Konigreich aus der EU fuhren konnte. Johnson glaubte aber nicht an den Erfolg der Leave-Kampagne oder an den Brexit, sondern habe ihm gegenuber sogar ein zweites Referendum vorgeschlagen. Bei Michael Gove habe ihn [Cameron] vor allem dessen Illoyalitat schockiert. Gove, den Cameron als ?uberschaumenden
Faragisten
“ bezeichnete, habe sich nicht nur illoyal ihm gegenuber verhalten, sondern spater auch gegenuber Johnson, indem er selbst nach dem Amt des Premierministers strebte.
[44]
Seinen Rucktritt erklarte Cameron als unabwendbar aufgrund des verlorenen Referendums; da er zuvor fur einen Verbleib geworben hatte und die EU weitere Konzessionen nicht machen wollte, sei es fur ihn unausweichlich gewesen zuruckzutreten und einem Parteifreund das Amt zu uberlassen, der Großbritannien aus der EU herausfuhre.
[45]
Am 13. November 2023 kehrte er in die aktive Politik zuruck und wurde
Außenminister
im
Kabinett Sunak
.
[46]
[47]
Da er keinen Sitz im
Unterhaus
hatte, wurde er mit
Letters Patent
vom 17. November 2023 als
Baron Cameron of Chipping Norton
, of
Chipping Norton
in the County of Oxfordshire, zum
Life Peer
erhoben und erhielt so einen Sitz im
Oberhaus
,
[1]
in das er am 20. November
eingefuhrt
wurde.
[48]
[49]
[50]
[51]
Cameron erklarte noch am Tag seiner Ernennung, dass er von allen geschaftlichen und wohltatigen Amtern, auch von dem des Prasidenten der Alzheimer’s Research UK, zuruckgetreten sei.
[52]
Parteifreunde wie der fruhere Parteifuhrer
Iain Duncan Smith
und der Unterhausabgeordnete
Tim Loughton
, die von der
Volksrepublik China
wegen ihrer kritischen Haltung sanktioniert sind, kritisierten Camerons Nahe zur Fuhrung in
Peking
und forderten ihn auf, eine ?realistischere Position“ in Fragen der
Menschenrechte
und der Initiative
Neue Seidenstraße
einzunehmen.
[53]
Cameron sei ?das lachelnde Gesicht chinesischer Interessen im
Indopazifik
“. Er hatte im September 2023 an einer bedeutenden Investorenkonferenz im Nahen Osten teilgenommen, bei der es um Werbung fur das
Colombo
Port City
Projekt ging. Bei dem von Peking initiierten und uberwiegend finanzierten Hafenausbauplan geht es darum,
Singapur
und
Dubai
Konkurrenz zu machen.
[54]
Seine erste Auslandsreise fuhrte ihn am 16. November 2023 nach
Kiew
,
Ukraine
, wo er vom
ukrainischem
Prasidenten
Wolodymyr Selenskyj
empfangen wurde.
[55]
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