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Der
Christopher Street Day
(
CSD
) ist ein Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag von
Lesben
,
Schwulen
,
Bisexuellen
,
Transgendern
und
Intersexuellen
. An diesem Tag wird fur die Rechte
dieser Gruppen
sowie gegen
Diskriminierung
und
Ausgrenzung
demonstriert. Die großten Umzuge anlasslich des CSD im deutschsprachigen Raum finden in
Berlin
und
Koln
statt.
Die Bezeichnung
Christopher Street Day
ist nur in
Deutschland
, Teilen
Osterreichs
und der
Schweiz
ublich. In englischsprachigen und
romanischen
Landern wird meist von
Gay Pride
und
Pride Parades
gesprochen, wahrend in
slawischsprachigen
Landern diese Gedenktage meist
Gleichheitsparaden
genannt werden, wie beispielsweise die
Parada Rowno?ci
in
Polen
.
Geschichte des CSD
Der CSD erinnert an den ersten bekanntgewordenen Aufstand von
Homosexuellen
und anderen
queeren Minderheiten
gegen die Polizeiwillkur in der New Yorker
Christopher Street
im Stadtviertel
Greenwich Village
: In den fruhen Morgenstunden des 28. Juni 1969 fand in der Bar
Stonewall Inn
der sogenannte
Stonewall-Aufstand
statt. Zu dieser Zeit gab es immer wieder gewalttatige
Razzien
der Polizei in Kneipen mit trans- und homosexuellem Zielpublikum. Besonders betroffen von Misshandlungen und Willkur waren
Afroamerikaner
und solche mit
lateinamerikanischer
Herkunft.
Als sich an diesem Abend insbesondere
Dragqueens
und
transsexuelle
Latinas
und
Schwarze
gegen die wiederkehrenden Kontrollen wehrten, war dies der Ausschlag fur tagelange Straßenschlachten mit der New Yorker Polizei. Um des ersten Jahrestages des Aufstands zu gedenken, wurde das
Christopher Street Liberation Day Committee
gegrundet. Seitdem wird in New York am letzten Samstag des Juni, dem
Christopher Street Liberation Day
, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden, im Sommer eine Demonstration fur die Rechte von Schwulen und Lesben abzuhalten.
Uber den ersten CSD in New York berichtet die
FAZ
in ihrer Ausgabe vom 7. November 1970 u. a.: ?Die Parade von Tausenden Homosexuellen, die an diesem Sommernachmittag die Sixth Avenue von Greenwich Village in den Central Park hinauf marschierte, war als Geburtstagsfest geplant. […] Mit seidenen Bannern und trotzigen Plakaten zog kurzlich eine eigentumliche Parade durch New York. […] Die Stimmung war ausgelassen und trotzig zugleich.“
[1]
Auf die polizeilichen Ubergriffe gegenuber Lesben und Schwulen im Jahr zuvor, die sich uber mehrere Tage hinzogen, wird in dem Artikel kein Bezug genommen.
Europa
1977 soll in Stockholm der erste ?Befreiungstag der Schwulen und Lesben“ mit etwa 400 Demonstrationsteilnehmern in Europa stattgefunden haben. Am 2. September 1978 sind die Stockholmer Schwulen und Lesben mit Unterstutzung des ?Reichsbund fur sexuelle Gleichberechtigung (RFSL)“ erneut auf die Straße gegangen, um den ?gay and lesbian liberation day“ zu begehen.
[2]
Die erste CSD Veranstaltung in der Schweiz fand am 24. Juni 1978 in
Zurich
unter dem Namen
Christopher Street Day
statt. Veranstalter ist die Schweizerische Organisation der Homophilen (S.O.H.). Die rund einhundert Demonstrationsteilnehmer forderten ?die Angleichung des Schutzalters fur Madchen und Burschen“ und die ?Abschaffung der Homoregister“. Die Forderungen nach Abschaffung der Rosa Listen wurde mit einer Unterschriftensammlung in Zurich begleitet. Auch in Bern sollen Schwule und Lesben gegen ?Schnuffelei und Demokratieabbau“ zur Unterstutzung auf die Straße gegangen sein.
[3]
Bei der angekundigten Diskussion im Flugblatt mit
Alexander Ziegler
am 6. Juni handelt es sich um eine begleitende Kultur-Veranstaltung.
Die erste CSD-Veranstaltung in Osterreich wurde am 26. Juni 1982 mit einer Fackelparade am Maria-Theresien-Platz durchgefuhrt. Der erste Demonstrationszug erfolgte mit Durchfuhrung einer ?Warmen Woche“ (17. Juni bis 29. Juni) als ?Gay Pride Day“ durch die Wiener Innenstadt am 29. Juni 1984.
[4]
Seit 1996 wird der CSD als
Regenbogenparade
in
Wien
abgehalten.
Deutschland
In Deutschland fanden am 30. Juni 1979 in Bremen (Schwule Aktion Bremen), Koln (Schwule Aktion Koln, Mitveranstalter Gay Liberation Front) und Berlin (Homosexuelle Aktion Westberlin) die ersten CSD-Veranstaltungen unter der Bezeichnung ?Gay Pride International ? Schwuler Karneval“ (Bremen) und ?Gay Freedom Day“ (Koln) statt. Bei der Namensfindung bestand innerhalb der verschiedenen Schwulengruppen 1979 noch eine erhebliche Unsicherheit. Ein gleichnamiger Ableger der
Roten Fahne
kundigte auf Seite 1 in der Ausgabe vom 28. Juni 1979 den ?Gay Freedom Day“ an. Im ganzseitigen Artikel schrieb die Zeitung auf Seite 13 in ihrer Uberschrift vom ?Gay Liberation Day“. Auch die Art der Veranstaltungen waren 1979 noch unterschiedlich. Wahrend in Bremen ein frohlicher Straßenumzug mit Demonstrationscharakter vom Hauptbahnhof zum Marktplatz durchgefuhrt wurde, fand in Koln auf dem besetzten
Stollwerck
-Gelande eine Abendveranstaltung mit Info-Cafe, Filmvorfuhrungen und Tanzveranstaltungen statt.
In Berlin wurde vom Mitveranstalter Bernd Gaiser
[5]
(
HAW
) in einem Interview
[6]
das CSD-Motto ?Mach Dein Schwulsein offentlich“ (1979) uberliefert.
[7]
Die Berliner Lesbengruppe hatte die Losung ?Lesben erhebt Euch ? Und die Welt erlebt Euch“. Von den ca. 450 Demonstrationsteilnehmern
[8]
wurden in der damals geteilten Hauptstadt verschiedene Transparente vom Savignyplatz uber den Kurfurstendamm zum Halensee durch die Straßen getragen.
Wie auch schon bei fruheren Demonstrationen, stand die Forderung nach Abschaffung des
§ 175
und der Abbau von Diskriminierung im Vordergrund. Im Juni 2010 distanzierte sich die US-amerikanische Philosophin
Judith Butler
von den Organisatoren der CSD-Parade in Berlin, indem sie offentlich die Annahme des Zivilcouragepreises verweigerte. In ihrer Rede beklagte Butler die Kommerzialisierung
[9]
der CSD-Parade, aber auch die Ignoranz gegenuber
Rassismus
und
doppelter Diskriminierung
von homosexuellen und transsexuellen
Migranten
.
Ebenfalls am 30. Juni 1979 hat auch in Stuttgart eine Demonstration mit rund 400 Teilnehmern am
Konigsbau
und am weiteren
Schlossplatz
stattgefunden.
[10]
Im August 2022 soll ein 20-jahriger Mann CSD-Teilnehmerinnen als ?lesbische Huren“ beschimpft und sich drohend genahert haben. Ein 25-jahriger Transmann versuchte, den Streit zu schlichten, indem er den Mann bat, die Beleidigungen zu unterlassen. Dieser soll den 25-Jahrigen gegen den Kopf geschlagen haben, der damit auf dem Asphalt aufschlug und spater im Krankenhaus starb.
[11]
CSD heute
In beinahe jeder großeren Stadt in Deutschland gibt es heute einen CSD, die großten in Koln (
Cologne Pride
) und Berlin, wo zwischen 1998 und 2013 auch der ?
Transgeniale CSD
“ stattfand. In Koln hatte der CSD 2002 als
Europride
mit 1,2 Millionen Beteiligten (Teilnehmende und Zuschauer) zum ersten Mal mehr Besucher in die Stadt gelockt als der
Rosenmontagszug
und war damit der bisher großte CSD in Europa.
Die CSD-Demonstrationen in Deutschland finden nicht genau am historischen Datum, dem 28. Juni statt, sondern ortlich variierend an diversen Wochenenden zwischen April und Oktober.
[12]
Geplant, als Demonstration angemeldet und durchgefuhrt werden die CSD von unterschiedlich strukturierten Organisationen oder Einzelpersonen vor Ort, haufig ehrenamtlich und in Vereinen organisiert. Als politische Demonstration, oft mit einem politikbezogenen Motto, zeigen sich die CSD meist in Form von Demonstrationsparaden und einer anschließenden Kundgebung.
Oft wird die Kundgebung von Kunstlern mit Auftritten auf der Buhne unterstutzt und gefeiert. Dieses Feiern des eigenen Lebensstils begrundet sich aus dem Ursprung des CSD: Die Beteiligten zeigen oft demonstrativ, dass sie stolz auf sich, ihr Leben und ihre
sexuelle Identitat
sind, daher die Bezeichnung
Gay Pride
. Neben der CSD-Parade und den Abschlusskundgebungen gibt es in vielen Stadten haufig ein- bis mehrtagige Straßenfeste und Kulturwochen mit Kunstlern, politischen Veranstaltungen, Vortragen, Lesungen und Partys.
Prominente politische Teilnehmer
An den CSD nehmen zum Teil prominente Personen teil, unter anderem:
In einigen Stadten ubernehmen Politiker zudem die
Schirmherrschaft
, wie in
Hamburg
die damaligen Ersten
Burgermeister
Ortwin Runde
und
Ole von Beust
, in
Dresden
Oberburgermeisterin
Helma Orosz
, beim
Nurnberger
CSD
Markus Konig
, in
Wurzburg
Claudia Roth
oder in
Braunschweig
der fruhere
Bundesminister
Jurgen Trittin
. In Munchen steht der im Vergleich zu anderen deutschen Millionenstadten kleinere Demonstrationszug mittlerweile traditionell unter der Schirmherrschaft des Oberburgermeisters.
Siehe auch
Literatur
- Uber die 'Stonwall-Kampfe' in den USA auch: Los Angeles Research Group (1975). Zur materialistischen Analyse der Schwulenunterdruckung. Mit einer Dokumentation der Standpunkte von Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) Kommunistische Partei Deutschland/Marxisten-Leninisten (KPD/ML). Kommunistischer Bund (KB). Schwule Texte II. Verlag Rosa Winkel (Peter Hedenstrom). Berlin. 1. Auflage. April 1977. Seite 50?51.
- 10 Jahre Stonewall ? 10 Jahre Schwulen- & Lesben-Bewegung. Hg.: AG Schwule im KB [Kumunistischer Bund] c/o J. Reents Verlag. Hamburg. Juni 1979. 87 S.
- Martin Duberman
:
Stonewall
. Plume, New York 1994,
ISBN 978-0-452-27206-4
.
- Martin J. Gossel:
Als die erste Munze flog und die Revolution begann. Die Homosexuellenbewegung in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts in den USA. Eine historische Betrachtung und Analyse
. Mit einem Vorwort von Karin M. Schmidlechner (Institut Zeitgeschichte Universitat Graz). Edition Regenbogen Studienreihe Homosexualitat. Bd. 3. Rosalia PantherInnen Schwul-lesbische Arbeitsgemeinschaft Steiermark. Graz. 2009,
ISBN 978-3-902080-02-8
.
- Ibo Minssen: Eher Queer. Portraits vom Kolner Christopher Street Day 1998 bis 2009 photographiert von Ibo Minssen. Mit einem Vorwort von Rudiger Muller und Mario Kramp. Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2010,
ISBN 978-3-941037-54-0
.
- Chris Lambertsen: Schwul ? Lesbische Sichtbarkeit. 30 Jahre CSD in Hamburg. Mit freundlicher Unterstutzung der Landeszentrale fur politische Bildung Hamburg. Mannerschwarm. Hamburg. 2011. 185 S.
ISBN 978-3-939542-80-3
.
- Marty Huber:
Queering Gay Pride: Zwischen Assimilation und Widerstand
. Zaglossus, Wien 2013,
ISBN 978-3-902902-06-1
.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑
FAZ:
'Aufstand der Homosexuellen' - Vollstandiger Abdruck auch in 'Over the Rainbow. Ein Lesebuch zum Christopher Street Day'. MannerschwarmSkript, Hamburg, 2001, Seite 9.
Hrsg.: Detlef Grumbach.
- ↑
AG [Arbeitsgemeinschaft] Schwule im KB (Hrsg.):
10 JahreStonwall - 10 Jahre Schwulen- & Lesben-Bewegung
. 1. Auflage. Hamburg 1979,
S.
62–63
.
- ↑
Erstmals veroffentlicht von der 'Schweizer kommunistischen Organisation POCH' (Hrsg.):
Schwule fordern mehr Rechte. Erneut abgedruckt in 10 [zehn] Jahre Schwulen- & Lesbenwegung. AG [Arbeitsgemschaft] Schwule im KB [Kommunistischer Bund] c/o J.Reents Verlag, Hamburg 50
.
S.
62
.
- ↑
Dieter Schmutzer:
Homosexualitat in Osterreich aus Anlass des 10-jahrigen Bestehens der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien.
In: Michael Handl, Gudrun Hauer, Kurt Krickler, Friedrich Nussbaumer, (Hrsg.):
Edition M
. 1. Auflage. Junius Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, Wien 1989,
ISBN 3-900370-84-2
,
S.
213, 215
.
- ↑
Mike Schultz:
Bernd Gaiser (72). Der Schwule Veteran vom Christopher Street Day.
In:
Berliner Zeitung (Online-Ausgabe).
21. Juli 2017,
abgerufen am 12. Mai 2018
.
- ↑
Frauke Hinrichsen:
So war der erste CSD 1979 in Berlin (Video).
In:
Berliner Zeitung (Online Ausgabe).
22. Juli 2017,
abgerufen am 12. Mai 2018
.
- ↑
Mike Schultz:
CSD in Berlin: ?Der Kampf gegen Homophobie wird niemals enden“.
In:
Berliner Zeitung (Online Ausgabe).
21. Juli 2017,
abgerufen am 12. Mai 2018
.
- ↑
Berliner CSD e. V.:
Die Entwicklung des CSD Berlin.
1. Januar 2015, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
9. September 2018
;
abgerufen am 10. Mai 2018
.
- ↑
Simone Klein:
Christopher Street Day. Von der Demo zur Party.
In:
Goethe Institut e. V., Internet-Redaktion.
Juli 2016,
abgerufen am 12. Juli 2018
.
- ↑
Uwe Bogen:
Stuttgart-Album zum CSD-Jubilaum: Als der Regenbogen zu leuchten begann.
In:
StN.de
.
4. Juli 2019,
abgerufen am 12. August 2019
.
(?… hatte sich am 30. Juni 1979 wohl keiner der 400 Demonstranten vorstellen konnen. Dieses Datum markiert in Stuttgart den Beginn der CSD-Geschichte. […] 40 Jahre ist es her, dass am Konigsbau der ?Homobefreiungstag‘ ausgerufen wurde …“ ? Mit Fotostrecke, die ersten drei davon historische Aufnahmen von der Stuttgarter Demonstration.)
- ↑
Munster: Trans Mann nach Prugelattacke auf CSD gestorben
. In:
www.t-online.de
. 2. September 2022 (
t-online.de
[abgerufen am 4. September 2022]).
- ↑
Auf einen Blick.
In:
CSD Deutschland.
Abgerufen am 13. September 2022
(deutsch).