Die
Christadelphian
-Gemeinden sind eine Gemeinschaft von
Christen
, die bestrebt sind, fur ihren Glauben und ihr Leben ausschließlich vom
Wort Gottes
laut der
Bibel
auszugehen. Die Bezeichnung ?Christadelphian“, wie sich die Glaubigen nennen, ist von den
griechischen
Wortern ?Christos“ und ?adelphoi“ abgeleitet und bedeutet ?Bruder in Christus“. Andere verwendete Bezeichnungen sind
Urchristen
(ehemalige Selbstbezeichnung im deutschen Sprachraum),
Broeders in Christus
.
Die meisten Mitglieder dieser Gemeinden findet man in
England
,
Nordamerika
,
Australien
und
Sudafrika
. In Europa existieren Gemeinden außer in England und
Deutschland
auch in
Belgien
, den
Niederlanden
,
Polen
und
Russland
.
[1]
Die deutsche Gemeinde entstand unter anderem durch den Einfluss der Vortrage von
Ludwig von Gerdtell
zwischen dem
Ersten
und
Zweiten Weltkrieg
und hieß zunachst
Urchristengemeinde
. Inzwischen gibt es Gemeinden z. B. in
Esslingen am Neckar
,
Oberhausen
,
Monchengladbach
,
Iserlohn
,
Hamburg
,
Kirchlinteln
und
Siegburg
.
Bei der zahlenmaßigen Verbreitung gibt es je nach Quelle unterschiedliche und teilweise widerspruchliche Angaben. Gemaß Informationen der
Evangelischen Informationsstelle
soll es in Nordamerika 1936 109 Gemeinden mit 2.755 getauften Mitgliedern gegeben haben, 2006 sollen es noch 83 Gemeinden mit 1.850 Mitgliedern gewesen sein.
[1]
Nach einer Einschatzung der
BBC
soll es aktuell etwa 50.000 Mitglieder in 120 Landern geben, davon 6.500 in den USA.
[2]
Nach Angaben der
Ontario Consultants on Religious Tolerance
gibt es heute in den USA 90 Gemeinden der Richtung
unamended
und 80 der Richtung
amended
. Beide Richtungen sollen weltweit 850 Gemeinden in Afrika, Australien, Neuseeland, Nord-Amerika, Sudost-Asien und in Europa haben.
[3]
Die einzelnen Gemeinden sind weitgehend eigenstandig (
Kongregationalismus
) und haben keine hauptamtlichen Geistlichen. Sie stehen im Kontakt untereinander, haben aber keine zentrale Verwaltung oder Oberhirten. Die Gemeinden werden
ecclesia
genannt.
[4]
Die deutschen Christadelphians veroffentlichen die Zeitschrift
Prufet alles
, die zweimonatlich erscheint. (Siehe auch:
Liste christlicher Zeitschriften
)
[1]
Grunder der Christadelphians ist
John Thomas
(* 12. April
1805
, †
1871
), ein aus England in die USA ausgewanderter Arzt, der vorher den
Disciples of Christ
angehorte. Auf der Uberfahrt in die USA gab er aufgrund eines Sturms Gott das Versprechen, den Rest seines Lebens dem Bibelstudium zu widmen und den Sinn des Lebens zu erforschen. Nach seiner Taufe im Oktober 1832 und einer Zeit als Wanderprediger wurde er Prediger in
Philadelphia
. Um 1844 grundete Thomas nach dem Ausschluss aus den
Disciples of Christ
eigene Gemeinden. 1864 gab er seinen Gemeinden den Namen
Christadelphians
.
[5]
Sein Hauptwerk ist
Elpis Israel
(1849).
Der aus Schottland geburtige
Robert Roberts
(1839?1898) spielte eine maßgebliche Rolle bei der Ausformulierung bzw. Weiterentwicklung ihrer Glaubensgrundsatze, vor allem durch seine programmatische Schrift
Christendom Astray
(1884).
Ahnlich wie viele andere christliche Gemeinschaften, insbesondere solche, die aus der
adventistischen
Tradition oder der
Erweckungsbewegung in den USA des 19. Jahrhunderts
erwachsen sind, glauben die Mitglieder der Christadelphian-Gemeinden an ein kommendes
Reich Gottes
auf der
Erde
und hoffen auf die leibhaftige
Auferstehung
aus den Toten bei der
Wiederkunft Christi
.
Sie lassen sich als Erwachsene (
Glaubenstaufe
) taufen. Die erste Taufe in Deutschland wurde am 30. April 1899 durchgefuhrt.
[1]
Fur ihre tagliche Beschaftigung mit der Bibel benutzen sie haufig einen Bibelleseplan, der auf Robert Roberts’
Bible Companion
basiert und mit dessen Anleitung sie jedes Jahr das
Alte Testament
einmal und das
Neue Testament
zweimal ganz durchlesen (taglich drei Abschnitte aus verschiedenen Teilen der Bibel).
Die Christadelphians unterscheiden sich von vielen anderen christlichen Gemeinschaften durch ihre Ablehnung aller Glaubenslehren, die nach ihrer Auffassung nicht mit den ursprunglichen Zeugnissen der Bibel ubereinstimmen, sondern erst nach dem Kontakt des
Urchristentums
mit der
hellenistischen Welt
entstanden seien. So lehnen sie die Lehre von der
Dreifaltigkeit
Gottes, die Vorstellung einer unsterblichen Seele und die Ansicht einer
Praexistenz Christi
ab. Sie sind
Nichttrinitarier
, Vertreter der
Ganztodtheorie
,
Sozinianer
und glauben nicht an die Existenz eines bosen, gefallenen Engels namens
Satan
oder
Teufel
. Den Begriff ?Satan“ verstehen sie, vom
Hebraischen
ausgehend, allgemein als
Synonym
fur ?Widersacher“, mit je nach Fall positiver (
4 Mos
22,22 f.
EU
? dieser Engel wird im hebraischen Urtext ?Satan“ genannt) oder negativer Bedeutung (z. B. ein missgunstiger verleumderischer
Mensch
als Anklager
Hiobs
in
Ijob
1
EU
? ?Sohne Gottes“ sind entsprechend dieser Interpretation eine Versammlung von Glaubigen), und ?Teufel“ als
Personifizierung
fur Sunde und gottwidrig handelnde Personen oder Regierungen. Mit dem Begriff
Damonen
werden ihrem Bibelverstandnis gemaß keine bosen Geistwesen, sondern Krankheiten, insbesondere geistiger und
seelischer Art
, bezeichnet.
Jesus Christus gilt ihnen als ?zweiter
Adam
“, als von Gott gezeugter Mensch, der mit gottlicher Kraft Wunder vollbracht, jedoch von seiner Mutter die menschliche, zur
Sunde
neigende und daher
sterbliche
Natur geerbt habe, obwohl er selbst immer frei von Sunde geblieben sei. Als zentrales (aber erst zukunftiges) Element in Gottes Plan und Voraussicht habe er vor der Schaffung der Welt und vor seiner Geburt bereits existiert (
1 Petr
1,20
EU
), jedoch nicht als reales Geistwesen (der komplexe griechische Begriff ?logos“ in
Joh
1,1 ff.
EU
in seiner Bedeutung ?Uberlegung“, ?Plan/Vorhaben“, ?Zweck“). Durch seinen Gehorsam bis zu seiner Hinrichtung (als Reprasentant der Menschen, nicht als ihr Stellvertreter) habe er ?die Sunde im Fleisch“ besiegt und sei dafur von Gott als einziger Mensch in den Himmel aufgenommen worden.
Als
Annihilationisten
halten sie den Glauben an die Existenz einer
Holle
fur unbiblisch. Weiterhin beteiligen sie sich nicht an politischen
Wahlen
und lehnen (obwohl sie keine grundsatzlichen
Pazifisten
sind, sondern es als biblisch von ihnen geforderte Nichteinmischung in die ?Angelegenheiten dieser Welt“ verstehen) fur sich jede Form von Gewalt ab, was sie auch zu uberzeugten
Militardienstverweigerern
macht (wofur sie beispielsweise in
Großbritannien
wahrend des
Ersten Weltkriegs
Haftstrafen in Kauf nahmen und schließlich uber
Petitionen
an das
Parlament
einige Ausnahmeregelungen erreichen konnten). Christadelphians durfen daher auch nicht in Berufen (z. B.
Polizei
) tatig werden, die Gewaltanwendung erforderlich machen konnen. Die
Errichtung des Staates Israel
1948 interpretieren sie als Erfullung von Gottes Zusagen, auch bei Jesu Wiederkunft wird dieser Staat ihrer Lehre nach eine wichtige Rolle einnehmen.
Die
Evolutionslehre
lehnen die Christadelphians als mit Gottes Wort in der Bibel nicht vereinbar ab. Viele von ihnen sind
Junge-Erde-Kreationisten
, es gibt jedoch auch
Alte-Erde-Kreationisten
unter ihnen. Die Entscheidung daruber uberlassen sie der auf der Basis des personlichen Studiums des Wortes Gottes getroffenen Gewissensentscheidung.
Die Institution der
Ehe
genießt bei ihnen einen hohen Stellenwert, da sie als Ebenbild der Verbindung Christi mit seiner Gemeinde gilt.
Scheidungen
seien unbedingt zu vermeiden. Der einzige laut
Mt
5,32
EU
zugelassene Scheidungsgrund sei
Ehebruch
, jedoch solle man, wenn moglich, auch hierbei (gemaß
Mt
6,12 ff.
EU
) dem Vergeben Vorrang einraumen. Ehen sollten moglichst zwischen Glaubensgeschwistern geschlossen werden. Dem Ehemann kommt ihrer Ansicht nach die Stellung des (geistlichen) Haupts der Familie zu; sie begrunden dies u. a. mit
Eph
5,22-25
EU
.
Abgelehnt werden ferner die Verwendung jeglicher Glaubenssymbole (z. B.
Kreuz
) und Abbildungen Jesu oder Darstellungen Gottes, da Christadelphians all dies als im
Heidentum
wurzelnd und nicht bibelkonform betrachten. Ebenso halten Christadelphians es mit weltlichen Symbolen und verweigern daher beispielsweise den
Fahnengruß
.
Ansonsten halten sich Christadelphians ihrem Bibelverstandnis gemaß strikt an die Gesetze des Staates, in dem sie jeweils leben, sofern diese in ihren Augen nicht gottlichen Geboten zuwiderlaufen.
Aufgrund ihres Selbstverstandnisses haben Christadelphians kein Interesse an
okumenischen
Bestrebungen.
Abgehalten werden in der Regel wochentlich drei
Zusammenkunfte
, zwei an Sonntagen und eine an einem anderen Wochentag. Fur gewohnlich findet am Sonntag das
Gedachtnismahl
(Brot und Wein als
Symbole
) statt, an dem nur getaufte Christadelphians aktiv teilnehmen durfen, der Besuch der gehaltenen Vortrage dagegen steht grundsatzlich auch Nicht-Gemeindemitgliedern offen. Daneben werden Gebete gesprochen, Lieder gesungen und die Gemeinde betreffende Bekanntmachungen mitgeteilt.
[6]
Auch eine ?Sonntagsschule“ fur Kinder und Jugendliche ist ublich. Die dritte Zusammenkunft an einem anderen Wochentag ist uberwiegend dem
Studium der Bibel
vorbehalten. Geistliche Aufgaben wie das Halten der Vortrage in der Gemeinde oder die Verantwortung fur das Gedachtnismahl sind Mannern vorbehalten, Frauen konnen dagegen in der
Sonntagsschule
der Gemeinde aktiv sein oder bei Treffen weiblicher Gemeindemitglieder, die der Starkung des Glaubens wie auch der Zusammengehorigkeit dienen, eine aktive Rolle spielen. Daruber hinaus ubernehmen sie viele unterstutzende und logistische Aufgaben, was den reibungslosen Ablauf des Gemeindelebens betrifft, wie beispielsweise die Organisation der Bewirtung bei besonderen Veranstaltungen oder die Pflege des Gemeindehauses.
Bei einem Verstoß gegen einen elementaren Glaubensgrundsatz werden Mitglieder von den Verantwortlichen der jeweiligen Versammlung darauf hingewiesen; bei fehlender
Reue
und/oder fortgesetztem Fehlverhalten wird ihnen die
Gemeinschaftszugehorigkeit entzogen
. Die Konsequenzen einer solchen Maßnahme sind zum einen das Verbot, auf irgendeine Weise Tatigkeiten in der Versammlung zu ubernehmen oder aktiv beim Gedachtnismahl an den Symbolen Brot und Wein teilzuhaben, zum anderen eine mehr oder weniger deutliche
Distanzierung
seitens der ubrigen Versammlungsmitglieder gegenuber den Ausgeschlossenen. Christadelphians sind allerdings nicht offiziell dazu verpflichtet, alle sozialen Kontakte mit Personen, denen die Gemeinschaft entzogen wurde, zu
meiden
. Der Besuch der Zusammenkunfte ist ihnen weiterhin gestattet. Bei erfolgter Reue steht fur gewohnlich einer Wiederaufnahme nichts im Weg.
Die
unamended
-Richtung geht davon aus, dass nur diejenigen, die ?in Christus“ (also getauft) gestorben sind, auferstehen und, sofern sie den Geboten Gottes treu geblieben sind, ewiges Leben haben werden. Der Rest bleibt im Zustand des Todes ohne Bewusstsein. Die
amended
-Richtung vertritt die Ansicht, dass alle, die verantwortlich sind, zum
Jungsten Gericht
von den Toten auferstehen werden. ?Verantwortlich“ seien diejenigen, welche die Botschaft des Evangeliums gehort haben. Dabei wurden die Rechtschaffenen aufgrund ihrer Werke beurteilt und ewiges Leben erhalten. Die Gottlosen werden ihrer Ansicht nach ausgeloscht und horen auf zu existieren. Diejenigen, die nicht verantwortlich seien, weil sie nie das Evangelium gehort haben, wurden nicht auferstehen.
[3]
Die Gemeinschaft erwartet von ihren Mitgliedern, dass diese zumindest in ihrem personlichen Umfeld uber ihren Glauben reden und dafur
Zeugnis
ablegen, um dadurch auch andere Menschen auf sich aufmerksam zu machen und sie gegebenenfalls zu ?bekehren“ und zur Taufe zu veranlassen. Es werden auch offentliche Vortrage veranstaltet sowie an offentlichen Orten Stande aufgebaut, an denen ihre (kostenfreien) Schriften angeboten werden. Ehemalige Christadelphians und Aussteiger wiederum haben verschiedene
Netzwerke
gegrundet, um (aus ihrer Sichtweise heraus) Fragen zu beantworten und Kontakt zu anderen Ausgestiegenen zu halten bzw. zu knupfen.
Mit der
Machtubertragung an die Nationalsozialisten
gerieten auch die deutschen Christadelphians, die zu dieser Zeit nur um die 60 Mitglieder zahlten, wegen ihrer Praxis der Kriegsdienstverweigerung und ihrer Ansicht, Gott stehe nach wie vor zu seinem
alttestamentlichen
Bund mit den
Juden
, ins Visier der ortlichen
Gestapo
. Da sie ihrem
Einberufung
sbefehl nicht Folge leisteten und konsequent den Waffendienst verweigerten, wurden die Bruder Rudolf Merz (1914?2004; 1937 Gefangnis und anschließende Einweisung in die
Psychiatrie
), August Merz (Jahrgang 1913; Haft, anschließend Einweisung ins
KZ Sachsenhausen
, Befreiung 1945) und Albert Merz (Jahrgang 1911; 1940 verhaftet, Februar 1941 Todesurteil, am 4. April 1941 im
Zuchthaus Brandenburg
wegen ?
Zersetzung der Wehrkraft
“ hingerichtet) zum Opfer der
NS-Justiz
. Andere Mitglieder im
wehrpflichtigen
Alter waren in ?kriegswichtigen Betrieben“ beschaftigt (in
Backermuhlen
und bei der
Feuerwehr
) und daher ?unabkommlich“. Daneben kam es zu wiederholten
Hausdurchsuchungen
, Verhoren und einem (von den Gemeindemitgliedern umgangenen) Versammlungsverbot.
- Oswald Eggenberger:
Die Kirchen, Sondergemeinschaften und religiosen Vereinigungen: Ein Handbuch.
Theologischer Verlag Zurich, Zurich, 5. Auflage, 1990,
ISBN 3-290-11542-9
, S. 64.
- ↑
a
b
c
d
Evangelische Informationsstelle
(Hrsg.):
Informationsblatt.
48. Jahrgang, Nr. 3 und 4, Ruti ZH 2011, S. 23.
- ↑
Christadelphians.
In:
BBC
.
25. Juni 2009,
abgerufen am 23. Marz 2012
(englisch).
- ↑
a
b
B. A. Robinson:
About the Christadelphians: 1848 to now.
In:
religioustolerance.org.
29. Dezember 2009,
abgerufen am 12. Juli 2012
(englisch).
- ↑
Evangelische Informationsstelle (Hrsg.):
Informationsblatt.
48. Jahrgang, Nr. 3 und 4, Ruti ZH 2011, S. 22.
- ↑
Evangelische Informationsstelle (Hrsg.):
Informationsblatt.
48. Jahrgang, Nr. 3 und 4, Ruti ZH 2011, S. 21.
- ↑
The General Structure of Christadelphian Meetings.
In:
christadelphianresearch.com.
Abgerufen am 14. Oktober 2020
(englisch).