Chabur

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Chabur
Khabur, Habur
Maandernder Unterlauf etwa 60 km vor der Einmundung in den Euphrat bei Tell Schech Hamad

Maandernder Unterlauf etwa 60 km vor der Einmundung in den Euphrat bei Tell Schech Hamad

Daten
Lage Turkei , Syrien
Flusssystem Schatt al-Arab
Abfluss uber Euphrat  → Schatt al-Arab  → Persischer Golf
Mundung bei Busayra (Gouvernement Deir ez-Zor ) in den Euphrat Koordinaten: 35° 7′ 49″  N , 40° 25′ 38″  O
35° 7′ 49″  N , 40° 25′ 38″  O

Lange 320 km [1]
Einzugsgebiet 33.200 km² [1]
Abfluss [1] MQ
70 m³/s
Großstadte al-Hasaka
Verlauf des Chabur

Verlauf des Chabur

Der Chabur (auch Khabur , arabisch ??? ???????   Nahr al-Ch?b?r , DMG Nahr al-??b?r , turkisch Habur , kurdisch Xabur , reichsaramaisch ??????? ?abur ) ist der langste Nebenfluss des Euphrat in Syrien . Er erhalt seine Hauptwassermenge aus der turkischen Grenzregion bei Ra?s al-?Ain und ermoglicht seit Jahrtausenden bewasserten Feldbau auf seinem 320 Kilometer langen Weg nach Suden durch das ostsyrische Steppengebiet.

Im romischen Altertum trug der Fluss den Namen Chaboras . Xenophon meinte mit dem Namen Araxes vermutlich nicht den Chabur, sondern den Fluss Aras . Der einzige andere großere Nebenfluss des Euphrats in Syrien ist der parallel weiter westlich fließende Belich , der bei ar-Raqqa einmundet.

Einige Zuflusse des Chabur entspringen im Kalksteingebirge in der Nahe des Tur Abdin , gespeist wird er jedoch uberwiegend von mehreren Karstquellen im Bereich der turkisch-syrischen Grenze bei Ra?s al-?Ain. Von einigen Wadis abgesehen, die nur wahrend der winterlichen Regenzeit Wasser fuhren, ist der einzige Nebenfluss in Syrien der bei al-Hasaka einmundende Dschaghdschagh . Die Stadt liegt im Zentrum des syrischen Teils der Dschazira -Region zwischen Euphrat und Tigris , in deren Norden ausreichend Niederschlage und fruchtbare Boden eine relativ dichte dorfliche Besiedelung zulassen. Die Grenze mit 250 Millimeter Jahresniederschlag, bei der Regenfeldbau noch moglich ist, verlauft am Chabur wenige Kilometer sudlich von al-Hasaka. Geringere oder ausbleibende Niederschlage konnen auch weiter nordlich Ernteausfalle verursachen. So kommen auch nordlich von al-Hasaka durchschnittlich alle drei Jahre Missernten bei Regenfeldbau vor. Bei der Grenzuberquerung aus der Turkei werden 300 Millimeter uberschritten, im Gebiet seiner Einmundung in den Euphrat beim Dorf Bu?ayra (B??ra, ostlich von Deir ez-Zor ) liegen die durchschnittlichen Jahresniederschlage unter 150 Millimeter.

In dieser trockenen Steppenregion ist Landwirtschaft nur mit kunstlicher Bewasserung moglich. Das Flussbett des Unteren Chabur ist bis 60 Meter breit und verlauft in einer ein bis drei Kilometer breiten Talebene. In den Sommermonaten bleibt das Vieh in Pferchen bei den Siedlungen und weidet die Stoppelfelder ab, zur Regenzeit im Winter werden die Herden aus der Flussoase heraus in die Steppe gefuhrt.

Die Analyse von Pflanzenspuren ( Pollen ) ergab, dass am Chabur bereits vor 6000 Jahren ahnliche klimatische Bedingungen geherrscht haben mussen wie heute. [2] Archaologische Funde verweisen auf Siedlungen aus dieser Zeit. Vom 16. bis 14. Jahrhundert v. Chr. bildete der Chabur das Kernland des Mitanni -Reiches, dessen noch nicht eindeutig identifizierte Hauptstadt Wa??ukanni sich im Quellgebiet des Flusses befunden haben soll. Wichtigster Fundort fur die Mitanni-Zeit ist der am Dschaghdschagh gelegene Tell Brak . Das Chabur-Gebiet ist der Hauptfundort der sogenannten Chabur-Keramik (flaschenformige große Gefaße, die mit geometrischen Mustern oder Streifen bemalt sind) wie sie in Tell Brak, Mari , Assur und Hasanlu (Schicht VI) und Dinkha Tepe (Schicht IV) [3] gefunden wurde. Seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts war das Gebiet zeitweise von den Assyrern abhangig. Wahrend dieser mittelassyrischen Zeit (bis zum 11. Jahrhundert) gab es am unteren Chabur Bewasserungsfeldbau, der durch einen an der Ostseite des Flusses entlang fuhrenden Kanal ermoglicht wurde. In einigen Gegenden konnte durch kleinere Dammbauten der Fluss aufgestaut und das Wasser direkt auf die Felder geleitet werden. [4] Die Moglichkeit zur kunstlichen Feldbewasserung war die Lebensgrundlage fur zahlreiche Siedlungen auch am unteren Chabur, von denen die heute sichtbaren Tells bisher nur teilweise ausgegraben wurden. Nach dem Untergang Assyriens 612 v. Chr. kam das Chabur-Tal unter babylonische Herrschaft. ?ab?r?tum wurde hier als Flussgottin verehrt.

Ab der romischen Zeit wurden die Felder vermutlich auch durch Wasserrader bewassert, die Flussregion war wahrend der byzantinischen und bis in die islamische Zeit dicht besiedelt. Die Romer pflanzten Baumwolle an, die viel Wasser benotigt. Der Chabur lag im nordlichen Bereich der romischen Verteidigungslinie Limes Arabicus , mit deren Bau im 2. Jahrhundert n. Chr. begonnen wurde. Hierzu gehorte an der Mundung des Chabur die Festung Circesium (arabisch ?ar??siy?), die Ende des 3. Jahrhunderts Diokletian einrichten oder erweitern ließ. Die Siedlungskontinuitat wurde erst im Mittelalter durch das Vordringen von Beduinen aus den Wustengebieten unterbrochen. Ihr großter Stamm in der Dschazira sind die westlichen Shammar, die Schafnomadismus zwischen den Weideregionen im Sommer am oberen Chabur und im Winter bis sudlich des Euphrat betrieben.

Ende des 19. Jahrhunderts begann das Osmanische Reich , die Wiederansiedlung und Fruchtbarmachung der antiken Anbauflachen zu fordern. Die Entwicklung der abgelegenen Region wurde wahrend der franzosischen Mandatszeit in Syrien nach dem Ersten Weltkrieg (1920?1945) fortgefuhrt, indem Halbnomaden aus der Wustensteppe in zunachst kleinen Dorfern angesiedelt wurden. Zuvor war diese Region in den Jahren 1915?1916 im Rahmen des Volkermordes an den Armeniern Zielpunkt zahlloser Todesmarsche, mit denen die damals regierenden Jungturken die Vernichtung von bis zu anderthalb Millionen Armeniern bewerkstelligten. Allein zwischen Juli und August 1915 wurden nach Schilderungen des Augenzeugen Armin T. Wegner an den Ufern des Chabur mindestens 150.000 Armenier ermordet. [5] Nach Wolfgang Gust sollen dort insgesamt 300.000 Armenier den Tod gefunden haben. [6] 1922 wurde al-Hasaka gegrundet. In den folgenden Jahren kamen Kurden, Armenier und christliche Handler aus Aleppo hinzu. [7] In den 1930er Jahren wurden zwischen Ra?s al-?Ain und al-Hasaka am Chabur etwa 10.000 aus der Provinz Hakkari stammende, vor dem Volkermord an den syrischen Christen geflohene christliche Assyrer angesiedelt, die hier als Chabur-Assyrer in 36 Dorfern lebten und eine aramaische Sprachinsel bildeten. [8] Dies anderte sich erst mit dem Burgerkrieg in Syrien seit 2011 , als ein Großteil der Assyrer vor der Terrorherrschaft des Daesch (IS) ins Ausland floh. [9]

Oberlauf bei Tell Halaf , nahe Ras al-Ain, unmittelbar an der turkischen Grenze. In der Trockenzeit kommt aus der Turkei praktisch kein Wasser.

Um die Mitte des 20. Jahrhunderts begann in der syrischen Dschazira, neben der weiterhin bestehenden traditionellen Viehzucht und der dorflichen Landwirtschaft, eine beschleunigte Erschließung von neuem Ackerland auf großen Flachen durch den Einsatz moderner Maschinen. Durch die Bodenreform nach der Machtergreifung der Baath-Partei 1963 wurden die großflachigen Felder an die vor kurzem ansassig gewordenen halbnomadischen Viehzuchter verteilt, die nun mit dem Anbau von Getreide und Baumwolle begannen. Im Rahmen des ?Chabur-Projektes“ wurden eine Reihe von Staudammen und Kanalen angelegt, um eine Felderflache von 16.000 Quadratkilometer fur die zu schaffende Kornkammer Syriens zu bewassern. Durch die steigende Bevolkerungszahl und die sich immer weiter in die Steppe ausdehnenden Felder kommt es seitdem zu einer zunehmenden Wasserknappheit.

1963 lieferten allein die Karstquellen bei Ra?s al-?Ain durchschnittlich etwa 38 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. [10] Sie bestehen aus 13 nahe beieinander liegenden Quelltopfen und gehoren zu den weltweit ergiebigsten Karstquellen. Die 1971 angegebenen Fließmengen des Chabur von durchschnittlich 50 Kubikmeter pro Sekunde, nach dem Winterregen maximal 300 Kubikmeter und minimal 35 Kubikmeter [11] sind deutlich geringer geworden. In den 1990er Jahren wurden zwei weitere Damme am Chabur gebaut. Der Einsatz von starkeren Dieselpumpen erlaubt das Vordringen in tiefere Grundwasserschichten, sowie diese praktisch uberall im Chabur-Becken anzuzapfen. Der mit den bisherigen Methoden bewasserbare Streifen von bis zu drei Kilometern Ackerland entlang des Flusses wurde damit betrachtlich erweitert und die hydrologische Situation des gesamten Gebietes grundlegend verandert. [12] Seit dieser Zeit fallt der maandernde Chabur im Unterlauf wahrend der Sommermonate bis auf im Flussbett stehende Tumpel trocken, ein in der Geschichte bislang nicht bekanntes Phanomen. Weitere Dammbauten und Absprachen mit der Turkei sollen Abhilfe schaffen.

  • Frank Hole, Benjamin Zaitchik: Policies, plans, practice, and prospects: Irrigation in northeastern Syria. Land Degradation & Development 18 (2), 2007, S. 133?152.
  • Eugen Wirth : Syrien, eine geographische Landeskunde. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1971, S. 427?435.
Commons : Chabur  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Artikel Chabur in der Großen Sowjetischen Enzyklopadie (BSE) , 3. Auflage 1969?1978 (russisch) http://vorlage_gse.test/1%3D118060~2a%3D~2b%3DChabur
  2. Willem van Zeist: Third to first Millennium BC Plant Cultivation on the Khabur, North-Eastern Syria. In: Palaeohistoria: Acta Et Communicationes Instituti Archaeologici Universitatis Groninganae . 41/42. Swets & Zeitlinger, Lisse 2002, S. 112.
  3. Erika Bleibtreu : Iran von prahistorischer Zeit bis zu den Medern. Kurzer Einblick in sechs Jahrtausende iranischer Kulturgeschichte. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8 , S. 40?53, hier: S. 50.
  4. Willem van Zeist, S. 111.
  5. Armin T. Wegner : Die Austreibung des armenischen Volkes in die Wuste. Ein Lichtbildvortrag . Hrsg. von Andreas Meier, Gottingen 2011, S. 203f; sowie Wolfgang Gust : Der Volkermord an den Armeniern. Die Tragodie des altesten Christenvolkes der Welt . Munchen/Wien 1993, S. 57f
  6. Gust (1993), S. 58.
  7. Georg Gerster , Ralf-B. Wartke: Flugbilder aus Syrien. Von der Antike bis zur Moderne. Philipp von Zabern, Mainz 2003, S. 184.
  8. Shabo Talay : Die neuaramaischen Dialekte der Khabur-Assyrer in Nordostsyrien: Einfuhrung, Phonologie und Morphologie. Semitica Viva 40, Harrassowitz Verlag , Wiesbaden 2008, S. 10?21.
  9. Malte Henk, Henning Sußebach: Der Exodus von Tel Goran. Die Zeit 52/2015, 23. Dezember 2015.
  10. David J. Burdon, Chafic Safadi: Ras-el-Ain: The great karst spring of Mesopotamia: An hydrogeological study. Journal of Hydrology, Vol. 1/1, Marz 1963, S. 58?64
  11. Eugen Wirth: Syrien, eine geographische Landeskunde. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1971, S. 110. Durchschnittlich 40 Kubikmeter Schuttung der Karstquellen
  12. Benjamin Zaitchik, Ronald Smith, Frank Hole: Spatial Analysis of Agricultural Land Use Changes in the Khabour River Basin of Northeaster Syria. (PDF; 429 kB) Yale University, 2002