Bunkerbrechende Waffen
(
englisch
bunker buster
) sind Waffen, um
Bunker
zu bekampfen. Heute handelt es sich meist um von
Flugzeugen
abgeworfene
Bomben
oder spezielle Lenkflugkorper. Als Flugzeuge noch nicht die entsprechende Tragkraft hatten, konnte man nur bodengestutzte Systeme fur diese Aufgabe verwenden.
Als Ende des 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts immer ausgedehntere und bessere Befestigungsanlagen gebaut wurden, begannen verschiedene Staaten Waffen zu entwickeln, die diese Bunkeranlagen zerstoren sollten. Die beruhmteste dieser Waffen war der 42-cm-
Morser
?
Dicke Bertha
“. Gegen die zu Beginn des
Ersten Weltkrieges
bereits veraltete Mehrheit der Befestigungsanlagen, wie die von
Luttich
, konnten diese Geschutze große Erfolge erzielen. Weil als
Munition
noch immer gewohnliche Sprenggranaten verwendet wurden, sind diese Waffen weder als spezialisierte bunkerbrechende Waffen anzusehen noch konnten sie die damals modernsten Befestigungen wie in
Verdun
zerstoren. Ab der Mitte des Jahres 1915 wurden fur diese uberschweren Geschutze und auch die
Eisenbahngeschutze
spezielle Granaten entwickelt. Diese erhielten eine extra gehartete Stahlummantelung und wurden mit Zeitzundern versehen. Die Geschosse sollten tief in den Beton der beschossenen Bunker und Festungen eindringen und mit ihrer enormen Sprengwirkung die Bunkeranlagen zerstoren.
In den 1930er-Jahren wurde die Idee von Großgeschutzen als Waffen gegen Befestigungen wieder aufgenommen. Durch die Verwendung von noch großeren
Kalibern
und Spezialgeschossen konnte die Durchschlagsleistung massiv gesteigert werden. Die Projektile erhielten eine Spitze aus einer speziellen Stahllegierung. Durch diese Verbesserungen konnte der 60-cm-
Morser ?Karl“
2,5 Meter Beton durchschlagen, im Vergleich zu nur einem Meter bei der ?Dicken Bertha“. Die Granaten der 80-cm-Kanone
?Dora“
konnten sogar sieben Meter Beton durchdringen. Der militarische Nutzen dieser Geschutze gilt als gering, da der logistische und personelle Aufwand enorm und die Treffergenauigkeit niedrig war.
Ein komplett anderes Konzept verfolgte der
Englander
Barnes Wallis
mit den von ihm im
Zweiten Weltkrieg
konstruierten
?Tallboy“
- und
?Grand-Slam“
-Großbomben. Die zuerst entwickelte ?Tallboy“ erreichte durch ihre aerodynamische Form beim Aufprall Geschwindigkeiten uber
Mach
1. Kombiniert mit ihrem großen Gewicht von 5,4 Tonnen und einem Gehause aus speziell gehartetem
Stahl
sollte sie tief in Erde und Beton eindringen konnen. Gegen die am starksten gepanzerten deutschen U-Bootbunker reichte dies bei weitem nicht aus, was zur Entwicklung der mit 10 Tonnen nahezu doppelt so schweren ?Grand Slam“ fuhrte. Diese konnte, aus großer Hohe abgeworfen, bis zu 40 Meter tief in die Erde eindringen oder bis zu 4,5 Meter Beton durchschlagen. Durch ihre Erfolge gegen die deutschen U-Boot-Bunker waren diese Waffen die ersten spezialisierten bunkerbrechenden Waffen mit einem tatsachlichen militarischen Nutzen.
Wahrend des
Zweiten Golfkrieges
gegen den
Irak
1990 (?Operation Desert Storm“) meldete das US-Militar dringenden Bedarf an einer neuen Waffe, die in der Lage sein sollte, die am starksten gepanzerten irakischen Bunker zu zerstoren. In der Rekordzeit von nur einem Monat entwickelte die ?Texas Instruments Defense Systems and Electronic Group“ (inzwischen im Rustungskonzern ?
Raytheon
“ aufgegangen) aus alten 203-mm-Haubitzenrohren die
GBU-28
, eine Laser-gelenkte bunkerbrechende Waffe mit 2132 kg Gewicht und einer Sprengstofffullung von 286 kg. Bei den einzigen beiden Einsatzen dieser Waffen wahrend des Krieges durch US-amerikanische
F-111F
Jagdbomber wurden kurz vor dem Ende der Kampfhandlungen schwer befestigte Bunker in Bagdad zerstort. Aus den Erfahrungen wahrend dieses Kriegs entstand in den USA eine ganze Palette von verschiedensten bunkerbrechenden Waffen, die teilweise auch in andere Staaten exportiert wurden.
Heutige bunkerbrechende Waffen funktionieren immer noch sehr ahnlich wie die ersten ?Bunker-Buster“ aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Waffen werden aus großer Hohe abgeworfen, erreichen im freien Fall eine hohe Geschwindigkeit und verfugen uber ein besonders gehartetes Stahlgehause, damit sie die Zieloberflache durchdringen konnen. Geandert hat sich die Abwurfhohe, da heutige
Strahlflugzeuge
sehr viel hoher fliegen konnen als
Flugzeuge
mit
Kolbentriebwerk
. Außerdem sind heute fast alle Systeme mit einer
GPS
- oder Laserlenkung versehen, um die Treffergenauigkeit zu erhohen. Eine weitere Moglichkeit ist es, den Penetrator, anstatt ihn als Bombe abzuwerfen, auf eine
Cruise Missile
zu montieren und so die Reichweite massiv zu steigern. Das hat den Vorteil, dass die Waffenplattform sich erst gar nicht dem Ziel annahern muss und so vor den Luftabwehrsystemen des Gegners geschutzt ist.
Die neueste Entwicklung im Bereich der bunkerbrechenden Waffen ist die Kombination eines gewohnlichen Penetrators mit einer davor angebrachten
Hohlladung
, z. B. der BROACH-Gefechtskopf von
BAE Systems
. Dies erhoht die Durchschlagsleistung vor allem bei Beton erheblich.
Bei landgestutzten bunkerbrechenden Systemen wird eine bereits vorhandene
Panzerfaust
oder
Panzerabwehrlenkwaffe
herangezogen und fur den neuen Zweck modifiziert. Moderne Panzerabwehrsysteme verfugen normalerweise uber eine
Tandemhohlladung
, wobei die erste die
Reaktivpanzerung
uberwindet und die zweite die eigentliche
Panzerung
durchschlagt. Fur die Umwandlung in eine Antibunkerwaffe wird die zweite Hohlladung durch einen Penetrator ersetzt. Die Hohlladung schießt ein erstes Loch in den Bunker, der Penetrator bahnt sich den Weg durch die Reststruktur und zundet innerhalb des Ziels die Sprengladung.
- Waffen mit konventionellem Sprengkopf
- BLU-109
: Penetrator mit
Paveway
- oder
JDAM
-Lenksatzen. Bei einem Gewicht von 863 kg hat er eine Penetrationsleistung von 1,8 m Beton.
- BLU-113
: Mit einem Gewicht von 2270 kg einer der starksten Penetratoren der Welt. Er kann nur mit speziellen Lenksatzen ausgerustet werden und durchschlagt rund 6 m Beton.
- BLU-116
: Weiterentwicklung des BLU-109 Penetrators, der mit Paveway- oder JDAM-Lenksatzen verwendet werden kann. Er ist ahnlich groß und schwer wie der BLU-109 und durchschlug in Tests 3,4 m Beton.
- BLU-118
: Neuartiger Penetrator, der mit Paveway- oder JDAM-Lenksatzen verwendet werden kann. Anstelle von herkommlichem Sprengstoff ist er mit einem
thermobarischen Sprengkopf
ausgerustet, der Bunker wird hierbei nicht unbedingt durch eine direkte Penetration zerstort, sondern die darin verschanzte Besatzung getotet. Gewicht etwa 900 kg.
- BLU-122
: Stark verbesserte, ahnlich schwere und große Version des BLU-113 Penetrators. Durchschlagt mehr als 7 m Beton.
- BLU-137
: Nachfolger der BLU-109 mit verbessertem Zunder.
- Small Diameter Bomb
(SDB): Trotz der geringen Große und Masse (etwa 114 kg) hat die SDB die gleiche Durchschlagsleistung wie die BLU-109. Der Sprengkopf ist jedoch wesentlich kleiner, weshalb die SDB die BLU-109 nicht ersetzen wird. Das Programm soll langfristig dazu fuhren, die großeren Mk.-84-Bomben zu ersetzen, um bei gleichen Nutzlasten pro Flugzeug mehr Waffen transportieren zu konnen.
[1]
- Massive Ordnance Penetrator
(MOP): 13,6 t schwere Bombe zum Einsatz gegen extrem stark verbunkerte Ziele. Soll bis zu 60 m Beton durchdringen.
- Waffen mit Nuklearsprengkopf
- B61-11
: Version der freifallenden Atombombe B61 zur Bekampfung von Bunkern. Die Sprengkraft liegt bei rund 10
kT
.
- KAB-1500LG:
Gleitbombe mit Laser-Zielsuchlenkung. Penetrationsleistung etwa 20 m Erdreich oder 2 m Beton.
- KAB-1500LF:
Gleitbombe mit Laser-Zielsuchlenkung. Penetrationsleistung von 20 m Erdreich oder 4 m Beton.
- KAB-1500Kr:
Gleitbombe mit optischem
CCD-Suchkopf
. Penetrationsleistung wie KAB-1500LF.
- BROACH:
Ein
britisch
-
franzosischer
Penetrator mit zusatzlicher Hohlladung, der fur den Marschflugkorper
?Storm Shadow“
entwickelt wurde. BROACH kann bis zu 4 m Beton durchschlagen.
- MEPHISTO
: Ein fast 500 kg schwerer Doppelladungs-Penetrator, der in Deutschland fur den
Taurus
-Marschflugkorper entwickelt wurde. Die Durchschlagsleistung liegt hier ebenfalls bei mehreren Metern Stahlbeton.
Die folgende Passage aus dem Roman
Heeresbericht
von
Edlef Koppen
beschreibt detailliert die Wirkung solcher Granaten, wie sie auch
Erich Maria Remarque
kennengelernt hatte:
[2]
?Die 7,5-cm-Granaten der leichten Feldartillerie, die ein Gewicht von 5,6 kg haben und eine Sprengladung von 0,608 kg haben, dringen 1,80 Meter in Erde, 12 Zentimeter in Beton, haben eine Gesamtwucht aus Aufschlag und Explosion von 230 Metern und schleudern 508 Splitter umher. - Die Eindringungstiefe eines aufschlagenden 15-Zentimeter-Geschosses in Erde betragt 4,10 Meter, in Beton 39 cm, die Sprengladung wiegt 4,86 Kilogramm, die Kraft der Explosionsladung 1.900 Meter, die Splitterzahl betragt 2030. - Ein 30,5-cm-Geschoss hat ein Gewicht von 324 Kilogramm, entfaltet eine Explosionswucht, die vergleichbar ist mit einem D-Zug von 50 Wagen bei 85 Kilometern Stundengeschwindigkeit, schleudert 8110 Splitter umher und dringt 8,10 Meter in Erde und 90 Zentimeter in Beton ein.“
Edlef Koppen verwendete fur seinen Bericht das Buch von Friedrich Sesselbach,
Der Stellungskrieg
, S. 260. Der Bericht Sesselbachs ist deshalb sehr authentisch, weil er bereits aus dem Jahr 1912 stammt.
- ↑
Archivlink
(
Memento
vom 24. Juli 2017 im
Internet Archive
) Entwicklungsprogramm ?SDB“ zur Verkleinerung von Freifallbomben bei gleicher Wirkleistung (englisch)
- ↑
Edlef Koppen:
Heeresbericht
. Verlag der Nation, Berlin 1985, 2. Auflage, S. 218