Das
Bundesministerium der Justiz
(
BMJ
)
[3]
ist eine
oberste Bundesbehorde
der
Bundesrepublik Deutschland
. Es hat seinen Hauptsitz bzw. ersten Dienstsitz in Berlin und seinen zweiten Dienstsitz in der Bundesstadt
Bonn
. Hervorgegangen ist das am 20. September 1949 seine Tatigkeit aufnehmende Bundesministerium aus dem
Reichsministerium der Justiz
(bis 23. Mai 1945). Mit der Ernennung des
Kabinetts Merkel III
wurde das
Bundesministerium der Justiz
(BMJ) kraft
Organisationserlass
vom 17. Dezember 2013 um den Bereich
Verbraucherschutz
erweitert und in
Bundesministerium der Justiz und fur Verbraucherschutz
(BMJV) umbenannt. In den Medien wurde das BMJV ? je nach Fokus der Berichterstattung ? haufig kurz als
Bundesjustizministerium
oder als
Verbraucherschutzministerium
bezeichnet. Im
Kabinett Scholz
wurde die Zustandigkeit fur den Verbraucherschutz auf das
Umweltministerium
ubertragen, im Gegenzug erhielt das BMJ die Zustandigkeit fur
Burokratieabbau
und den
Nationalen Normenkontrollrat
vom
Bundeskanzleramt
.
[4]
Leiter der Behorde ist der Bundesminister der Justiz;
Amtsinhaber
ist seit dem 8. Dezember 2021
Marco Buschmann
(
FDP
).
[5]
Dienstsitz des Ministeriums war von 1949 bis 1973 die
Rosenburg
in Bonn-
Kessenich
. Seit 1999 ist der Dienstsitz in Berlin.
Das Justizministerium gehort zusammen mit den
Innen-
,
Außen-
,
Finanz-
und
Verteidigungsministerien
zu den sogenannten
klassischen Ressorts
. Diese Bezeichnung ruhrt daher, dass es in der
ersten deutschen Reichsregierung
nur diese Geschaftsbereiche gab.
Gleichzeitig gehort es nach
Art. 96
Abs. 2 GG zu den drei vom Grundgesetz vorgeschriebenen Ministeramtern (
Finanzen
, Justiz und
Verteidigung
), den sogenannten Pflichtressorts.
Das Ministerium begann 1949 mit etwa 80 Beschaftigten und hat heute uber 897 Mitarbeiter (Stand: Juni 2023). Die Arbeit des Ministeriums ist in Fachabteilungen fur bestimmte Rechtsgebiete (Abteilungen I bis IV), abteilungsubergreifende Zustandigkeiten (Abteilungen D und R) sowie eine Verwaltungs- und eine Leitungsabteilung unterteilt.
Im Januar 2012 setzte Bundesjustizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
eine unabhangige Kommission aus Historikern und Juristen unter Leitung von
Manfred Gortemaker
und
Christoph Safferling
ein, die die nationalsozialistische Vergangenheit erforschen und darstellen sollte.
[6]
Ein Vorbericht wurde 2013,
[7]
die Ergebnisse vierjahriger Forschungsarbeit unter Einbezug aller Akten wurden 2016 veroffentlicht.
[8]
Schon der Vorbericht machte folgende Feststellungen:
[9]
- Manfred Gortemaker
wies auf die Statistik der Verurteilungen hin, sie zeige, dass es von 1945 bis 1986 bei 90.921 Ermittlungen nur 6.479 Verurteilungen gab.
- Ulrich Herbert
stellte dar, dass Juristen bei der ?vergangenheitspolitischen Selbstverteidigung“ erfolgreicher gewesen seien als andere Berufsgruppen, was aber zu den Fragen fuhre, was Juristen angetrieben habe, mehrfache Morder vor Verfolgung zu schutzen, ob es zur Ruckkehr der alten Justizeliten in Spitzenpositionen keine Alternative gegeben habe und wie es habe gelingen konnen, mit einem der NS-Zeit entstammenden personellen Justizapparat ein liberales Rechtssystem zu etablieren. Herbert vermutet, der Justizapparat ?habe stets nur dem Recht gedient, und zwar jeweils unter den gegebenen Umstanden“.
- Joachim Ruckert
stellte zur Personalentwicklung fest, dass 1959 48 % des Personals und 1966 von den Abteilungsleitern sogar 60 % Parteigenossen der NSDAP gewesen seien.
- Bernd Ruthers
wies auf die ?weitgehende personelle Kontinuitat der Funktionseliten“ hin.
- Thomas Vormbaum
kommt zu dem Schluss, zu Beginn der 1950er-Jahre habe der Eifer der Verfolgung von NS-Verbrechen deutlich nachgelassen. ?Juristische Konstruktionen“ hatten die Verfolgung erschwert oder verhindert.
Im Abschlussbericht und seiner offiziellen Kurzfassung
[10]
wurde die erste Bestandsaufnahme bestatigt, besondere Brisanz zeigten die Ergebnisse zur Auswirkung der personellen Kontinuitat auf die Rechtsprechung und Gesetzgebung der Bundesrepublik bis zum Ende der 1960er Jahre:
- Die Strafverfolgung der NS-Tater wurde weitgehend verhindert. Die 1949 und 1953 verabschiedeten Straffreiheitsgesetze, fuhrten dazu, dass bis 1958 praktisch alle NS-Tater wieder frei kamen. ?Und es hat auch dann spater dazu gefuhrt, dass etwa 1968 mit dem sogenannten Einfuhrungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz praktisch alle Beihilfetaten ruckwirkend 1961 verjahrt waren.“
[11]
- Viele Gesetzestexte wurden nicht oder nicht grundlich vom Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie befreit, so etwa der
Mordparagraph
oder der
Jugendarrest
.
Die genaue Recherche erwies, dass bis zu 77 % der Juristen eine Nazi-Vergangenheit hatten, dabei hatten 94 % der untersuchten Juristen in Spitzenpositionen ein
Pradikatsexamen
und 58 % den Doktortitel.
Eine Abteilung des Ministeriums, die 1953 ins Auswartige Amt verlegt wurde, habe sich bis 1968 damit befasst, Verdachtige rechtzeitig zu warnen und fluchtige Tater im Ausland zu betreuen.
Bundesminister
Heiko Maas
zog aus den ?erschreckenden Befunden“ die Konsequenz, dass dieser Teil der Geschichte Teil der Juristenausbildung werden musse.
[12]
Bekannte Mitarbeiter dieser Zeit waren
Eduard Dreher
, Verantwortlicher fur die nachtragliche Verjahrung von Straftaten,
Heinrich Ebersberg
,
Josef Schafheutle
,
Franz Massfeller
,
Max Merten
,
Walter Roemer
,
Hans Gawlik
und
Ernst Kanter
.
Oberster Dienstvorgesetzter im Ministerium ist der Bundesminister der Justiz. Dem jeweiligen Amtsinhaber stehen ein beamteter sowie ein parlamentarischer
Staatssekretar
zur Seite.
Das Bundesjustizministerium ist innerhalb der Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesministerium des Innern fur das Verfassungsrecht federfuhrend zustandig.
[13]
Im foderativen System Deutschlands ist die Verwaltung der Justiz, Rechtspflege und Strafverfolgung in erster Linie Sache der Bundeslander. Zentrale Aufgabe des Bundes auf dem Gebiet der Justiz ist die Sicherung und Fortentwicklung des Rechtsstaats. Diesem Ziel entspricht die gesetzgeberische Tatigkeit. Sie umfasst die Vorbereitung neuer Gesetze und die Vorbereitung und Anderung oder die Aufhebung von Gesetzen in den klassischen Gebieten des Rechts, namlich dem burgerlichen Recht, dem Strafrecht, dem Handels- und Gesellschaftsrecht, dem Urheberrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz, dem Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht fur die einzelnen Gerichtsbarkeiten (außer Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit) sowie dem Dienst- und Berufsrecht der Richter, Staatsanwalte, Rechtsanwalte und Notare. Ferner ist das Ministerium fur die mit der Herstellung der Einheit Deutschlands erwachsenen Aufgaben im Bereich der strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierung und der ?offenen Vermogensfragen“ zustandig. Das Ministerium pruft ferner bei allen von anderen Ministerien vorbereiteten Gesetzes- und Verordnungsentwurfen die
Rechtsformlichkeit
, um zu gewahrleisten, dass die gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Seit 2013 bis zur Regierungsneubildung im Dezember 2021 war dem Ministerium zudem der rechtliche und wirtschaftliche Verbraucherschutz zugeordnet, welcher bis zu diesem Zeitpunkt dem
Bundesministerium fur Ernahrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
unterstellt war. Das Ministerium ist Herausgeber der Veroffentlichungsorgane
Bundesgesetzblatt
und
Bundesanzeiger
und bereitet die Wahl der Richter des
Bundesverfassungsgerichts
und der Richter an den obersten Gerichtshofen des Bundes vor.
Zum Geschaftsbereich des Ministeriums gehoren der
Bundesgerichtshof
in Karlsruhe mit zwei Strafsenaten in Leipzig, der
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
in Karlsruhe mit der Dienststelle Leipzig, das
Bundesamt fur Justiz
mit dem
Bundeszentralregister
in Bonn, das
Bundesverwaltungsgericht
in Leipzig, der
Bundesfinanzhof
in Munchen, das
Bundespatentgericht
in Munchen und das
Deutsche Patent- und Markenamt
(DPMA) in Munchen mit den Dienststellen in Berlin und Jena.
[14]
[15]
[16]
Außerdem ist es fur das Verfahrensrecht und die Regelungen zur Organisation und Zustandigkeit der Gerichte in
zivil
-,
straf
-,
verwaltungs
- und
finanzgerichtlichen
Prozessen zustandig.
[17]
Der Bundesjustizminister ist Teil der Gesetzgebung der
Europaischen Union
im Rahmen des
Ministerrates fur Justiz und Inneres
.
Wahrend in Deutschland eine strikte Trennung zwischen Gefahrenabwehr (praventiver Gewalt → Innenministerium) und Strafverfolgung (repressiver Gewalt → Justizministerium) stattfindet, bestehen in einigen Staaten keine derartigen Trennungen. In
Großbritannien
wird die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr unter den
Secretary of State for the Home
wahrgenommen. In den
Vereinigten Staaten
heißt der Justizminister
Attorney General
. Im US-amerikanischen System besteht keine Trennung zwischen Strafverfolgungsaufgaben und der Gefahrenabwehr. Sowohl dem Justizministerium (
United States Department of Justice
) als auch dem neugeschaffenen
Department of Homeland Security
und diversen anderen Ministerien sind sowohl Strafverfolgungsbehorden als auch Gefahrenabwehrdienste (Intelligence Services) unterstellt.
Nachdem
Fritz Neumayer
das Kabinett verlassen hatte, ubernahm der damalige
Bundesminister fur Angelegenheiten des Bundesrates
Hans-Joachim von Merkatz
auch das Justizministerium und fuhrte kurzzeitig bis zur
Bundestagswahl 1957
zwei Ressorts.
Fruhere Ministerien mit ahnlichen Aufgaben waren
[18]
:
- Bundesministerium der Justiz (Hrsg.):
Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz. Festschrift zum 100jahrigen Grundungstag des Reichsjustizministeriums
. Mit einem Geleitwort von Hans-Jochen Vogel. Bundesanzeiger Verlag, Koln 1977,
DNB
770445101
(476 S.).
- Gerd J. Nettersheim, Doron Kiesel (Hrsg.), Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit ? Bewertungen und Perspektiven, Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2021,
ISBN 978-3-525-35218-2
(400 S.)
52.512335794042
13.395321830151
Koordinaten:
52° 30′ 44,4″
N
,
13° 23′ 43,2″
O
- ↑
BMJV-Organisation.
Abgerufen am 20. Mai 2021
.
- ↑
Bundeshaushalt.
Abgerufen am 20. Mai 2021
.
- ↑
Abkurzungsverzeichnis.
(PDF; 49 kB) Abkurzungen fur die Verfassungsorgane, die obersten Bundesbehorden und die obersten Gerichtshofe des Bundes. In:
bund.de.
Bundesverwaltungsamt
(BVA), archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
7. Februar 2016
;
abgerufen am 14. August 2016
.
- ↑
Bundesrepublik Deutschland ? Der Bundeskanzler:
Organisationserlass.
In:
bundesregierung.de.
8. Dezember 2021,
abgerufen am 9. Dezember 2021
.
- ↑
Das sind die Minister und Ministerinnen der neuen Bundesregierung
. In:
Wikipedia
. 9. Dezember 2021 (
msn.com
[abgerufen am 9. Dezember 2021]).
- ↑
uwk-bmj.de
(
Memento
vom 25. September 2017 im
Internet Archive
)
- ↑
Manfred Gortemaker, Christoph Safferling (Hrsg.):
Die Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit ? eine Bestandsaufnahme.
Gottingen 2013
- ↑
Manfred Gortemaker, Christoph Safferling:
Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit
. C.H. Beck, Munchen 2016,
ISBN 978-3-406-69768-5
.
- ↑
Kurt Schilde:
Rezension zu: Gortemaker, Manfred; Safferling, Christoph (Hrsg.):
Die Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit ? eine Bestandsaufnahme.
Gottingen 2013
. In: H-Soz-Kult, 30. Juli 2013, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-20887>.
- ↑
Manfred Gortemaker / Christoph Safferling: "Die Akte Rosenburg ? Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit"
.
, bmjv.de (PDF; 3,2 MB); abgerufen am 10. Oktober 2016.
- ↑
Abschlussbericht ?Die Akte Rosenburg“ ? ?Die Justiz hat sich kollektiv selbst entlastet“
.
Deutschlandradio Kultur
; abgerufen am 10. Oktober 2016.
- ↑
NS-Geschichte: BMJV stellt Rosenburg-Akte vor ? Seite 2
. In:
Legal Tribune Online
. (
lto.de
[abgerufen am 10. Oktober 2016]).
- ↑
Model/Creifelds:
Staatsburger-Taschenbuch
. 33. Auflage. C. H. Beck, Munchen 2012,
ISBN 978-3-406-62769-9
,
S.
259
.
- ↑
Hannes Kuhn:
Geschaftsbereich.
In:
Website
https://www.normenkontrollrat.bund.de/
.
Nationaler Normenkontrollrat,
abgerufen am 13. Juni 2023
.
- ↑
Linda Dietze:
Geschaftsbereich.
Zum Geschaftsbereich des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) gehoren drei der insgesamt funf obersten Gerichtshofe des Bundes. In:
Website
https://www.bmj.de
.
Bundesministerium der Justiz, 6. Dezember 2021,
abgerufen am 13. Juni 2023
.
- ↑
Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland:
Entwurf eines Gesetzes Gesetzentwurf der Bundesregierung uber die Feststellung des Bundeshaushaltsplans fur das Haushaltsjahr 2023 (Haushaltsgesetz 2023).
In:
Website
https://www.bundestag.de/
.
Deutscher Bundestag - 20. Wahlperiode, 5. August 2022,
S. 872?967
,
abgerufen am 13. Juni 2023
(
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw45-pa-haushalt-bereinigungssitzung-918112
).
- ↑
Linda Dietze, Referat LB 2:
Abteilungen, Unterabteilungen und Referate.
In:
Website des Bundesministerium der Justiz (BMJ).
Bundesministerium der Justiz (BMJ),
abgerufen am 19. Juni 2024
.
- ↑
Christine Lambrecht:
ERINNERUNG. AUFARBEITUNG. VERANTWORTUNG. | BAND 3 Von Recht und Unrecht 170 Jahre Geschichte des Justizressorts.
In:
Website
https://www.bmj.de/
.
Bundesministerin der Justiz und fur Verbraucherschutz, 1. September 2019,
abgerufen am 13. Juni 2023
.
Justizminister der Bundesrepublik Deutschland
Thomas Dehler
(FDP, 1949?1953)
|
Fritz Neumayer
(FDP, 1953?1956)
|
Hans-Joachim von Merkatz
(DP, 1956?1957)
|
Fritz Schaffer
(CSU, 1957?1961)
|
Wolfgang Stammberger
(FDP, 1961?1962)
|
Ewald Bucher
(FDP, 1962?1965)
|
Karl Weber
(CDU, 1965)
|
Richard Jaeger
(CSU, 1965?1966)
|
Gustav Heinemann
(SPD, 1966?1969)
|
Horst Ehmke
(SPD, 1969)
|
Gerhard Jahn
(SPD, 1969?1974)
|
Hans-Jochen Vogel
(SPD, 1974?1981)
|
Jurgen Schmude
(SPD, 1981?1982)
|
Hans A. Engelhard
(FDP, 1982?1991)
|
Klaus Kinkel
(FDP, 1991?1992)
|
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP, 1992?1996)
|
Edzard Schmidt-Jortzig
(FDP, 1996?1998)
|
Herta Daubler-Gmelin
(SPD, 1998?2002)
|
Brigitte Zypries
(SPD, 2002?2009)
|
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP, 2009?2013)
|
Heiko Maas
(SPD, 2013?2018)
|
Katarina Barley
(SPD, 2018?2019)
|
Christine Lambrecht
(SPD, 2019-2021)
|
Marco Buschmann
(FDP, seit 2021)