Bildschirmtext
(kurz
Btx
oder
BTX
; in der Schweiz
Videotex
) war ein interaktiver
Onlinedienst
. Er kombinierte Funktionen des
Telefons
und des
Fernsehgerats
zu einem Kommunikationsmittel.
BTX wurde in
Osterreich
im Juni 1982 eingefuhrt, in der
Bundesrepublik Deutschland
ab dem 1. September 1983 bundesweit. Durch die Konkurrenz des offenen
Internets
verlor Bildschirmtext seine Bedeutung spater wieder. Inzwischen wurde der Dienst in allen Landern eingestellt, in Deutschland 2007.
Es gab Verwechslungen mit dem Fernseh-
Teletext
, wozu auch beitrug, dass der Dienst in der
Schweiz
Videotex
(ohne ?t“ am Ende) hieß und damit eine Ahnlichkeit mit dem in Deutschland verwendeten Teletext-Synonym Videotext aufwies.
Vorgestellt wurde Btx 1977 vom damaligen Postminister
Kurt Gscheidle
auf der
Internationalen Funkausstellung
in Berlin. Es war in Deutschland unter der Leitung von
Eric Danke
entwickelt worden, der spater Vorstandsmitglied von
T-Online
wurde. Eric Danke war 1975 durch eine Fachveroffentlichung uber
Samuel Fedida
und
PRESTEL
auf die ursprunglich britische Technologie aufmerksam geworden. Im Juni 1980 startete ein
Feldversuch
mit jeweils etwa 2.000 Teilnehmern in
Dusseldorf
mit
Neuss
und
Berlin
.
[1]
Am 18. Marz 1983 unterzeichneten die Regierungschefs der Lander in
Bonn
den
Staatsvertrag uber Bildschirmtext
. Der Vertrag stellte es jedem Interessenten frei, unter Beachtung bestimmter Vorschriften als Anbieter von Bildschirmtext aufzutreten. Die
Deutsche Bundespost
startete 1983 einen interaktiven
Online-Dienst
, der anfangs ein spezielles Btx-Gerat erforderte. 1983 gab es neben der Btx-Leitzentrale in Ulm Btx-
Vermittlungsstellen
in Dusseldorf, Hamburg, Frankfurt am Main, Munchen und Stuttgart. Geplant war der Ausbau auf 150 Btx-Vermittlungsstellen. Die erwarteten Nutzerzahlen wurden allerdings nie erreicht. So sollten es 1986 rund eine Million sein, tatsachlich waren es aber nur 60.000. Die Million wurde erst zehn Jahre spater erreicht, nachdem Btx ab 1995 mit dem neuen T-Online-Angebot inklusive
E-Mail
und
Internet
-Zugang gekoppelt worden war. 1993 wurde Btx Bestandteil des neu geschaffenen Dienstes
Datex-J
. Am 31. Dezember 2001 wurde der ursprungliche Btx-Dienst offiziell abgeschaltet. Eine reduzierte Variante fur
Online Banking
wurde bis zum 10. Mai 2007 betrieben.
In
Osterreich
gab es Btx seit Juni 1982. Die Eigenentwicklung
MUPID
, ein spezielles Terminal zur Nutzung der Btx-Dienste, wurde von der damaligen
PTV
selbst entwickelt und konnte von den Nutzern angemietet werden. Die Btx-Anschlusskosten betrugen im Marz 1984 rund 150
oS
und die monatliche Grundgebuhr lag bei 70 oS. Der Dienst wurde Ende November 2001 eingestellt.
Der Dienst wurde in der Schweiz als
Videotex
(ohne t am Ende) bezeichnet. Von der damaligen
PTT
in den 1980er Jahren gestartet, wurde er ab 1995 von
SwissOnline
betrieben. Am 30. September 2000 wurde Videotex eingestellt.
Die Basis fur den BTX-Standard legte das britische
Prestel
, welches in erweiterter Form unter dem Namen
Prestel Plus
in Schweden und als weltweit erfolgreichstes System
Minitel
in Frankreich verbreitet war.
In Danemark gab es die Bezeichnung
Teledata
, in Italien
Videotel
und in den Niederlanden
Viditel
.
In Spanien hieß das auf BTX basierende System
Ibertex
.
In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen noch folgende wichtige Informationen:
verwendete Betriebssysteme
Hilf der Wikipedia, indem du sie
recherchierst
und
einfugst
.
Das deutsche Btx erforderte ursprunglich spezielle
Hardware
, die bei der Post gekauft oder gemietet werden musste. Die Ubertragung der Daten erfolgte uber das
Telefonnetz
mit einem
Modem
(DBT-03) oder
Akustikkoppler
, die Darstellung mittels Btx-Gerat am
Fernsehbildschirm
oder an einem eigenstandigen BTX-Terminal, oder mittels spezieller Software an
Computern
.
Btx verwendete, wie auch das franzosische
Minitel
, ursprunglich den britischen
PRESTEL
-Standard, danach den
CEPT
-Standard T/CD 6-1. Spater wurde auf den abwartskompatiblen KIT-Standard (Kernel for Intelligent communication Terminals) umgestellt, der sich jedoch nie richtig durchsetzen konnte. CEPT erlaubte die Ubertragung von Grafikseiten mit einer Auflosung von 480×240 Bildpunkten, wobei 32 aus 4.096 Farben gleichzeitig und DRCS (Dynamically Redefinable Character Set) dargestellt werden konnten. Das entsprach den technischen Moglichkeiten der fruhen 1980er Jahre. Viele Btx-Seiten des PRESTEL-Standards ahnelten den heute noch eingesetzten
Videotext
-Seiten mit einer Pseudografik aus farbigen
ASCII
-Zeichen. In Btx wurden anfangs immer ganze Bildschirmseiten mit einer Geschwindigkeit von 1200
bit/s
ubertragen. Die Anforderung einer Seite durch den Benutzer erfolgte mit 75 bit/s. Die moglichen Zugangsgeschwindigkeiten wurden mit den Fortschritten in der Modemtechnik auch von Seiten der Bundespost erhoht.
Das Herunterladen von Daten und Computerprogrammen (Telesoftware), vor allem
Shareware
und Programmaktualisierungen, war mit Hilfe eines Softwaredecoders und eines PCs moglich.
Die Seiten wurden mittels einer Nummer adressiert, der ein
Stern
(*) vorangestellt und ein in diesem Zusammenhang als ?
Raute
“ bezeichnetes
Doppelkreuz
(#) nachgestellt war (z. B. *30000#). Durch die Endmarke # konnte das System so bei Adressnummereingaben unterscheiden, ob die Eingabe abgeschlossen ist oder noch weitere Ziffern folgen, wodurch ein großerer (theoretisch unendlicher) Zahlenraum verfugbar blieb (Gegenbeispiel: Telefonie mit
Rufnummerneingabe
ohne Endmarke). Zifferneingaben ohne vorangestellten Stern wurden als Kommandos interpretiert, die etwa auf eine andere Seite fuhrten (z. B. ?23“) oder einen kostenpflichtigen Seitenaufruf bestatigen (zur Vermeidung versehentlicher Bestatigung stets ?19“). Die Kombination *# fuhrte zur vorangegangenen Seite zuruck.
Das DBT-03-Modem erlaubte eine
Datenubertragungsrate
von 1.200 bit/s zum
Teilnehmer
und 75 bit/s vom Teilnehmer zur Zentrale (
ITU-T
V.23-Standard
). Die Zugangs
authentifizierung
erfolgte uber die zwolfstellige Anschlusskennung (die als
Hardwarekennung
im
ROM
eines DBT-03 fest einprogrammiert war), die Teilnehmernummer, den Mitbenutzerzusatz und ein
Passwort
, welches der Benutzer selbst festlegen konnte. In den DBT-03-Modems war die Anschlusskennung fest programmiert, und eine Offnung war untersagt. Die Modems waren verplombt, eine Offnung konnte nur durch Zerstorung dieser Plombe erfolgen. Ein Originalgerat hatte eine gelbe, nach einer Instandsetzung bekam es eine blaue Plombe und ein neues ROM mit anderer Hardwarekennung. Die Einwahlnummer war festverdrahtet auf die Telefonnummer 190.
Spater wurde dann auch der Betrieb mit anderen Modems erlaubt (nach Beantragung einer sogenannten
Softwarekennung
). Somit konnte mit jedem gewohnlichen
PC
und einem sogenannten Softwaredecoder (zum Beispiel
Amaris
) Btx genutzt werden. Auch fur den
C64
und
C128
gab es einen Btx-Hardwaredecoder fur den Expansionport und Anschluss an das DBT-03.
Beim deutschen Btx-System waren die Seiten der Anbieter in der Urdatenbank auf einem zentralen Rechnersystem des Herstellers
IBM
in der Btx-Leitzentrale
Ulm
abgelegt und wurden von dort abgerufen, wenn die ortlichen Bildschirmtext-Vermittlungsstellen (Vst) diese nicht in ihrem Datenbank- bzw. Teilnehmerrechner vorratig hatten. Die ortlichen Knoten konnten die Seitenwunsche zu 95 bis 98 Prozent bedienen. Die Seitendatei im ortlichen Knoten unterlag einem Alterungsverfahren. Wenig angeforderte Seiten wurden mit haufig angeforderten uberschrieben. Im WWW werden vergleichbare Funktionen mittels
Cache
und
Proxy
angeboten.
Die Seiten sogenannter ?Externer Rechner“ bildeten dabei eine Ausnahme. Sie existierten nicht statisch in der Datenbank der Btx-Leitzentrale, sondern wurden vom Rechner des Anbieters jeweils dynamisch erzeugt und uber die Btx-Vst an den Benutzer ubertragen. Die Externen Rechner waren im weltweiten Verbund per
X.25
(
Datex-P
) an die Btx-Vstn angebunden. Diese Moglichkeit wurde nur von wenigen Großanbietern (z. B.
Quelle
oder
Neckermann Reisen
), als Vorlaufer des
Onlinebankings
jedoch von zahlreichen Banken genutzt.
Die erste Ziffer einer Seitennummer war die ?Bereichskennzahl“: 2?6 fur bundesweite, 8 und 9 fur regionale Seiten. Der Abruf regionaler Seiten einer anderen Region war kostenpflichtig. Durch die zentrale Verwaltung und Speicherung der Inhalte bzw. der Zugange fur ?Externe Rechner“ war ein alphabetisch sortiertes ?Anbieterverzeichnis“ moglich (abrufbar uber *12#).
Jeder Teilnehmer konnte unter seiner Btx-Nummer eigene ?Mitbenutzer“ mit jeweils individuellen Passwortern einrichten. Ein Mitbenutzer war durch den ?Mitbenutzerzusatz“ auf Mitteilungen als Absender eindeutig erkenn- und adressierbar. Der Teilnehmer selbst hatte den (allgemein nicht einzugebenden) Mitbenutzerzusatz 0001, die Mitbenutzer dann 0002, 0003 ... Der Teilnehmer konnte jedem Mitbenutzer ein ?Taschengeldkonto“ einrichten und aufladen, womit diesem ein Geldbetrag fur Btx-Kosten zur Verfugung stand.
Die Kosten fur den Nutzer entstanden durch den Abruf einer Seite; der Anbieter hatte bei der Tarifierung weitgehend freie Hand. Er konnte neben dem kostenlosen Abruf wahlweise eine seitenabhangige Vergutung (0,01
DM
bis 9,99 DM) erheben, oder eine zeitabhangige Vergutung (0,01 DM bis 1,30 DM pro Minute). Die Kosten wurden uber die Telefonrechnung der Nutzer abgerechnet.
Btx bot bereits zahlreiche Dienste an, die heute uber das
Internet
verfugbar sind. So konnten Btx-Teilnehmer miteinander online diskutieren (
Chat
), sich gegenseitig elektronische Mitteilungen in Form von Btx-Seiten zum Preis von 30
Pfennig
pro Seite schicken und aktuelle Nachrichten abrufen (Ticker, Homepages). Weiterhin gab es fur Anbieter die Moglichkeit, ihr Angebot uber einen sogenannten ?Externen Rechner“ dynamisch zu gestalten. Dabei wurde uber eine ?Ubergabeseite“ aus dem normalen Seitenbestand von der jeweiligen Btx-Vermittlungsstelle eine Verbindung uber
Datex-P
zum Rechner des Anbieters aufgebaut. Von da ab ubernahm dann dieser Rechner die Kontrolle uber den am Endgerat angezeigten Seiteninhalt. Dieses Angebot wurde vor allem von Banken (als Vorlaufer des heutigen Online-Bankings), Versandhausern und der Reiseindustrie (
Lufthansa
,
Deutsche Bundesbahn
oder
Deutsche Bahn
) benutzt. Die Btx-Kunden konnten so interaktiv ihre Bankgeschafte tatigen oder Online-Bestellungen im Versandhandel aufgeben.
Auch Bundesbehorden wie das
Arbeitsamt
waren uber Btx erreichbar.
Das Einstellen von Angeboten in Btx war relativ teuer, daher wurde es von Privatpersonen kaum genutzt. Anbieter waren vor allem große Firmen wie Versandhandel und einzelne mittelstandische Unternehmen. Auch schon bei Btx war eine standig steigende Zahl von Anbietern aus dem Erotikbereich zu beobachten.
Der
Chaos Computer Club
(CCC) war ebenfalls mit einem Angebot in Btx vertreten. Der Club fand eine Reihe von technischen Schwachstellen in Btx und versuchte, die Grenzen des Systems aufzuzeigen, unter anderem durch den im bundesweiten Fernsehen berichteten
Btx-Hack
.
[2]
Btx blieb der große Erfolg verwehrt, was vor allem an der restriktiven Politik, hohen Nutzungsgebuhren (1983: 8,00 DM monatliche Grundgebuhr und eine Anschlussgebuhr von 55,00 DM) und einer festen Vertragsbindung mit der Bundespost lag. Diese gestattete fur die Verwendung von Btx nur spezielle, von der Post zugelassene Hardware, die zu hohen Preisen separat erworben werden musste. Obwohl CEPT-Decoder fruhzeitig fur damals verbreitete
Heimcomputer
wie den
C64
erhaltlich waren, verweigerte die Post die Zulassung dieser Gerate. In Frankreich, wo die notwendige Hardware von der France Telecom z. T. kostenlos bereitgestellt wurde, erfreute sich das dortige
Minitel
hingegen großer Beliebtheit.
Das
Post-Monopol auf diese Endgerate
, Modems und Telefone fiel mit der Liberalisierung des Endgeratemarkts am 1. Juli 1989. Zu dem Zeitpunkt verbreiteten sich private
Mailbox
-Netze wie
FidoNet
oder
MausNet
, die einige der uber Btx verfugbaren Dienste fur Privatleute weitaus gunstiger anbieten konnten. Im Bereich des
Electronic Banking
gab es lange Zeit keine Alternative zu Btx.
1993 wurde Btx Bestandteil des neu geschaffenen
Datex-J
-Dienstes, um die Netzinfrastruktur von der Informationsdienstleistung zu trennen. Datex-J mit Btx wurde neugestaltet und von
T-Online
ubernommen.
Die Tochterfirma T-Online International AG betrieb das System noch bis Mai 2007, allerdings unter dem Namen ?T-Online Classic“ und mit starker Verschlusselung, wobei eine nach
ITSEC
?E4/hoch“ zertifizierte Verschlusselungsbibliothek Transport/S im Einsatz war. Damit war auch der Zugang mit dem ?T-Online Classic Client“ uber das Internet weltweit unter der
URL
?classicgate.t-online.de“ unter Port 866 moglich. Alternativ betrieben einige Banken auch das CAT-System (CEPT Access Tool). Ein eigener CAT-Server emulierte dabei den bisherigen Zugang bei T-Online.
- Matthias Rohr:
Der lange Weg zum Internet. Computer als Kommunikationsmedien zwischen Gegenkultur und Industriepolitik in den 1970er/1980er Jahren
, transcript, Bielefeld 2021,
ISBN 978-3-8376-5930-6
- Hagen Schonrich: Mit der Post in die Zukunft. Der Bildschirmtext in der Bundesrepublik Deutschland von 1977 bis 2001. Schoningh, Paderborn 2021,
ISBN 978-3-506-76042-5
- Jurgen Baums:
Das große Buch zu BTX
. Data Becker, Dusseldorf 1987,
ISBN 3-89011-056-8
- Falk von Bornstaedt:
Bibliographie Bildschirmtext
. Heidelberg 1985,
ISBN 3-7685-0685-1
- Jurgen Friedrich, Norbert Kaup, Friedrich Wicke, Walter Wicke (Forschungsgruppe ?Computer und Arbeit“): Rationalisierung durch Bildschirmtext. Bochum 1986,
ISBN 3-922741-39-8
- Gerhard Fuchs:
Einfuhrung in BTX-Anwendungen
. Hanser Fachbuchverlag, Munchen 1985,
ISBN 3-446-14156-1
- Harald H. Zimmermann:
Einfuhrung in Bildschirmtext
.
IHK-Seminar ?Bildschirmtext“. Saarbrucken 1982.
- Bildschirmtext ? Computerwissen fur alle?
In:
Der Spiegel
.
Nr.
11
, 1983 (
online
– zur Einfuhrung der Technik).
- Jens-Christoph Brendel:
Zeitreise: Vorzeit des Internet
.
, ADMIN-Magazin 2013
- ↑
Der Heilige Geist vom Bundespost-Computer
. In:
Der Spiegel
.
Nr.
32
, 1980 (
online
).
- ↑
Der legendare BTX-Hack (Heute Journal).
Abgerufen am 17. Marz 2023
(deutsch).