Unter
Betriebsgroße
versteht man eine
betriebswirtschaftliche Kennzahl
, die die Große eines einzelnen
Unternehmens
zu Vergleichszwecken wiedergeben soll.
In der
Betriebswirtschaftslehre
hat 1955
Werner Sombart
[1]
personale
(Anzahl der Beschaftigten),
reale
(Kapazitat der Produktionsfaktoren oder Menge der Rohstoffe) und
kapitale Merkmale
(vorhandenes Betriebskapital) als Kriterien der Betriebsgroße vorgeschlagen.
Erich Gutenberg
definierte sie 1956 als ?Umfang des Gesamteinsatzes an kombinierten Produktionsmitteln“,
[2]
Walther Busse von Colbe
als ?Ausmaß der effektiven oder potenziellen wirtschaftlichen Tatigkeit“.
[3]
Er macht konkret 1962 in seiner
Habilitation
die Betriebsgroße von den dominanten
Produktionsfaktoren
abhangig und differenziert nach der Produktionsmenge je Zeitspanne, der genutzten
Agrarflache
oder der Zahl der durchschnittlich
Beschaftigten
.
[4]
In der wissenschaftlichen Literatur wird von Beginn an ein Zusammenhang zwischen Betriebsgroße und
Kapazitat
hergestellt. Erich Gutenberg weist darauf hin, dass eine Erhohung der Kapazitat eine Erhohung der Betriebsgroße mit sich bringe,
[5]
wahrend eine Reduzierung der Betriebsgroße einen endgultigen Abbau von Kapazitat bedeute.
[6]
Die Betriebsgroße dient insbesondere dazu, eine Grundlage fur
uberbetriebliche Vergleiche
und Beobachtungen zu finden
[7]
wie bei Statistiken von
Behorden
(
Statistisches Bundesamt
) oder
Unternehmensverbanden
. Auch Gesetze greifen fur ihre Zwecke auf Betriebsgroßen zuruck.
Um die Große eines Betriebes/Unternehmens zu quantifizieren, ist eine Kennzahl erforderlich. Die Heterogenitat bei den Unternehmen macht jedoch die Anwendung einer einheitlichen absoluten Kennzahl unmoglich. Deshalb ist man gezwungen, mehrere Maßeinheiten zu verwenden. Die Maßeinheiten mussen Kriterien erfullen, die einen Großenvergleich mit anderen Betrieben/Unternehmen ermoglichen. Einerseits muss die Maßeinheit leicht ermittelbar und in allen Betrieben und in allen Branchen vorhanden sein, andererseits muss sie reprasentativ und aussagekraftig sein. Unter diesen Voraussetzungen stehen an Maßeinheiten die
Potenzialgroßen
(Anzahl der
Beschaftigten
, verfugbare
Arbeitsstunden
pro Zeitraum,
Agrarflache
bei Agrarbetrieben, Bettenzahl bei Hotels,
Anlagevermogen
,
Bilanzsumme
oder
Geschaftsvolumen
) oder
Guter- und Wertstrom
(Ausstoßmenge,
Umsatzerlose
, Jahrespramieneinnahmen oder
Gewinn
) zur Verfugung.
[8]
Die Betriebsgroße wird bei borsennotierten
Kapitalgesellschaften
haufig auch anhand der
Borsenkapitalisierung
beziehungsweise des Borsenwerts und der Jahresuberschusse beurteilt.
[9]
Je nach erreichter Maßeinheit gibt es eine Einteilung in
Kleinbetriebe
, Mittelbetriebe und
Großunternehmen
, wobei
kleine und mittlere Unternehmen
in Deutschland haufig mit KMU (in Belgien und Osterreich: KMB) abgekurzt und zusammengefasst werden. Dabei haben sich als Maßeinheiten in der Industrie die Umsatzerlose oder die Anzahl der
Arbeitnehmer
, im
Bankwesen
Bilanzsumme oder Geschaftsvolumen, bei
Versicherungen
die
Jahrespramieneinnahmen
durchgesetzt.
Bei allen ubrigen
Rechtsformen
richtet sich die Offenlegungspflicht der Jahresabschlusse nach dem
Publizitatsgesetz
. Offenlegungspflichtig sind nach
§ 1
Abs. 1 PublG Unternehmen, bei denen in drei aufeinanderfolgenden Jahren mindestens zwei der drei Merkmale zutreffen:
- Bilanzsumme von mehr als 65 Millionen Euro,
- Umsatzerlose von mehr als 130 Millionen Euro,
- mehr als 5.000 Arbeitnehmer
Eurostat
und die
Europaische Beobachtungsstelle fur KMU
teilen die Unternehmen in folgende Kategorien nach der Anzahl der Beschaftigten ein:
[10]
- Kleinstunternehmen
: weniger als 10 Beschaftigte,
- Kleinunternehmen
: von 10 bis 49 Beschaftigte,
- mittlere Unternehmen
: von 50 bis 249 Beschaftigte und
- Großunternehmen
: 250 und mehr Beschaftigte.
Dem
Gesetzgeber
lag nicht nur die Einteilung der Unternehmen in Großenklassen nahe, sondern er nutzt die definierten Großenunterschiede von Unternehmen dazu, die unterschiedlich großen Unternehmen auch rechtlich unterschiedlich zu behandeln. Dadurch sollen nicht alle Betriebsgroßen ?uber einen Kamm geschoren“ werden, sondern rechtlich individuelle Regelungen erhalten.
Das
Kundigungsschutzgesetz
(KSchG) gilt erst ab einer bestimmten Betriebsgroße. So genannte
Kleinbetriebe
sind vom Anwendungsbereich des KSchG ausgenommen mit der Folge, dass Kundigungen dort ohne besondere Voraussetzungen ausgesprochen werden konnen. Abhangig vom Einstellungsdatum des
Arbeitnehmers
kann der
Arbeitgeber
bis zu 10 Arbeitnehmer einstellen, bevor das KSchG zur Anwendung gelangt. Dieser Schwellenwert gilt jedoch nur fur neu eingestellte Arbeitnehmer, die ihre Arbeit ab Januar 2004 aufgenommen haben. Liegen die Voraussetzungen der Kleinbetriebsregelung nicht vor und sind alle ubrigen Voraussetzungen fur die Anwendbarkeit des KSchG erfullt, muss der Arbeitgeber bei der Kundigung eines Arbeitnehmers darauf achten, dass sie sozial gerechtfertigt ist. Liegen soziale Rechtfertigungsgrunde nicht vor, ist die Kundigung unwirksam. Ein Arbeitgeber ist nach
§ 17
KSchG verpflichtet, der
Agentur fur Arbeit
Anzeige zu erstatten, bevor er
- in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
- in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 % der im Betrieb regelmaßig beschaftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
- in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entlasst.
Jeder Arbeitgeber mit mindestens 20 regelmaßigen
Arbeitsplatzen
ist verpflichtet, abhangig von der Betriebsgroße eine bestimmte Anzahl von
Schwerbehinderten
zu beschaftigen. So muss zum Beispiel ein Betrieb mit mindestens 20, aber weniger als 40 Arbeitsplatzen einen Schwerbehinderten beschaftigen. Betriebe mit 40 bis unter 60 Arbeitsplatzen mussen zwei Schwerbehinderte beschaftigen; noch großere Betriebe mussen nach
§ 154
Abs. 1
SGB IX
mindestens 5 % der Arbeitsplatze mit Schwerbehinderten besetzen. Der besondere Kundigungsschutz fur Schwerbehinderte nach den
§§ 168 ff.
SGB IX ist unabhangig von der Betriebsgroße des Arbeitgebers, gilt also auch in den Fallen, in denen der Arbeitgeber nicht zur Beschaftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtet ist. Er gilt auch in Betrieben, in denen 10 oder weniger Arbeitnehmer beschaftigt sind und in denen der Kundigungsschutz nach dem Kundigungsschutzgesetz nicht wirkt.
Bei Kreditinstituten kann man hinsichtlich der Betriebsgroße (
Bankengroße
) nach
Großbanken
, mittleren und Kleinbanken unterscheiden. Bei der Untersuchung der Frage nach der optimalen Betriebsgroße von
Kreditinstituten
werden die
Produktionsfaktoren
(nach
Gutenberg
) in der
Banktheorie
um einen monetaren Faktor, welcher Haftungs- (z. B.
Haftung
durch
Eigenkapital
),
Refinanzierungs
- (
Spareinlagen
) und
Zahlungsverkehrsleistungen
(z. B.
Bargeldbestande
,
bargeldloser Zahlungsverkehr
) umfasst, erweitert (liquiditatsmaßig-finanzieller Bereich). Die
Betriebssphare
einer Bank ist der technisch-organisatorische Bereich (TOB) und die
Wertsphare
der liquiditatsmaßig-finanzielle Bereich (LFB). Die Großenmessung von Banken wird zweckmaßigerweise lediglich fur die Wertsphare vorgenommen. Inputorientierte Großenmaße im LFB sind
Eigenkapital
, das
Passivgeschaft
oder die
Bilanzsumme
, besser noch das
Geschaftsvolumen
. Inputorientierte Großenmaße im TOB sind entweder die
Buchungsposten
oder die Anzahl der
Mitarbeiter
.
Die Bank wird als Produzent gesehen, der uber den Einsatz der Produktionsfaktoren (menschliche
Arbeit
,
Betriebsmittel
,
Werkstoffe
, Haftungsleistungen, Informationen, Zahlungsleistungen) (Input) verschiedene Arten von monetarer Problemlosungen (z. B.
Fristentransformation
) (Output) erstellt.
Der Output wird im TOB uber die Anzahl der
Bankkonten
oder die Anzahl der Transaktionen pro Konto gemessen. Im LFB erfolgt er uber die Volumina an monetaren Produkten (z. B. Kredite, Haftungszusagen).
Die Produktion der Bank wird als eine
Transformations
- und Intermediations
leistung
aufgefasst. Als Output gilt das Kreditvolumen oder der Wertpapierbestand, als Input das Einlagenvolumen. Dieser Ansatz dient in der Regel fur empirische Untersuchungen.
Einteilungen in Betriebsgroßen sind auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, wenngleich eine einzelne Maßeinheit wie die Anzahl der Beschaftigten kaum eine besondere Aussagekraft entfaltet. Selbst die der gleichen Branche angehorigen Betriebe weisen teilweise deutliche Unterschiede auf.
Eigenkapitalquote
,
Verschuldungsgrad
,
Rentabilitat
oder
Produktivitat
sind einige der Kennzahlen, die sogar bei Betrieben derselben Branche mehr oder weniger deutlich voneinander abweichen.
Eine Betriebsgroße, bei der die produktionstechnischen Kostenersparnisse erschopft sind und die
Kostendegression
ihre Untergrenze erreicht hat, wird als
mindestoptimale Betriebsgroße
(
englisch
?minimum optimal scale“
) bezeichnet.
[11]
Wird diese Betriebsgroße nicht erreicht, produziert das Unternehmen im Verhaltnis zu den Konkurrenten zu teuer, um dauerhaft auf dem
Markt
bestehen zu konnen.
[12]
Eine Betriebsgroße ist dann kostenoptimal, wenn durch sie der maximale Gewinn erzielt werden kann. Unter
optimaler Betriebsgroße
ist diejenige Kapazitat zu verstehen, bei der unter den gegebenen technischen und organisatorischen Bedingungen die Ausbringung zu den niedrigsten Stuckkosten erfolgt.
[13]
Graphisch muss die
Stuckkostenkurve
im
Schnittpunkt
der
Grenzkostenkurve
(dem
Betriebsoptimum
) ihren Tiefpunkt durchlaufen.
[14]
Nach dem
Gesetz der Massenproduktion
wird der
Fixkostenanteil
bei zunehmender Kapazitatsauslastung pro Stuck kleiner, es entstehen
Großenvorteile
. Wird durch die Erhohung der Kapazitat eine Kostensenkung erreicht, spricht man von
Economies of Scale
(statische Skaleneffekte).
[15]
Großendegression tritt ein, wenn die Stuckkosten mit wachsenden Betriebsgroßen abnehmen, bis die optimale Betriebsgroße erreicht ist. Danach steigen die Kosten progressiv an.
Internes Betriebsgroßenwachstum kann durch kapazitatserhohende
Investitionen
, externes durch
Unternehmenskaufe
und
Fusionen
erreicht werden. Die
Fertigungstiefe
wird bei Konzepten wie
Lean Production
, Lean Supply oder
Outsourcing
thematisiert und hat Auswirkung auf die Betriebsgroße.
Die Betriebsgroße erlaubt Vergleiche mit anderen Unternehmen derselben Branche und ermoglicht zudem Einschatzungen uber
Marktanteile
und
Marktmacht
: wenn beispielsweise eine Branche einen Gesamtumsatz von 100 Millionen Euro erzielt und die Betriebsgroße eines
Marktteilnehmers
bei 40 Millionen Euro Umsatz liegt, betragt sein Marktanteil 40 %. Halten kleine Unternehmen ihre Betriebsgroße lediglich konstant, wahrend die Konkurrenz wachst, werden sie relativ unbedeutender und zum potenziellen
Ubernahmekandidaten
. In der Wirtschaftstheorie gehen einige Untersuchungen auf einen wissenschaftlichen Aufsatz von
Ronald Coase
zuruck. Darin wird die Frage aufgeworfen, welche Leistungen ein Unternehmen selbst erstellen soll und welche es am Markt nachfragen soll (Fertigungstiefe). Diese Frage wird in der Fachliteratur als ?Make-or-Buy“-Entscheidung bezeichnet. Auch Outsourcing-Konzepte konnen die Bedeutung und Betriebsgroße verringern und die Ubernahmegefahr erhohen.
Multinationale Konzerne
haben inzwischen eine Betriebsgroße erreicht, die
monopolahnliche
Großenordnungen mit entsprechender Marktmacht zur Folge haben kann. Sie sind aufgrund ihrer Finanzmacht imstande, kleine Unternehmen aufzukaufen und konnen hierdurch ihre Marktanteile weiter steigern. Ihr Großenstatus erreicht Dimensionen, der sie im Falle der
Unternehmenskrise
sogar als
Too-Big-to-Fail
-Kandidaten einer staatlichen Rettung nahebringen kann.
- ↑
Werner Sombart,
Der moderne Kapitalismus
, Band III, 1955, S. 539 f.
- ↑
Erich Gutenberg,
Betriebsgroße
, in: Handworterbuch der Betriebswirtschaft, 1956, Sp. 801
- ↑
Walther Busse von Colbe,
Betriebsgroße und Unternehmensgroße
, in: Handbuch der Betriebswirtschaft, 1974, Sp. 567
- ↑
Walther Busse von Colbe,
Die Planung der Betriebsgroße
, 1962, S. 32 f.
- ↑
Erich Gutenberg:
Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 3: Die Finanzen
, 1969, S. 15
- ↑
Erich Gutenberg:
Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 3: Die Finanzen
, 1969, S. 98
- ↑
Willi Albers (Hrsg.):
Handworterbuch der Wirtschaftswissenschaft
, Band 1, 1977, S. 559
- ↑
Willi Albers (Hrsg.):
Handworterbuch der Wirtschaftswissenschaft
, Band 1, 1977, S. 558
- ↑
Jan Schafer-Kunz/Dietmar Vahs:
Einfuhrung in die Betriebswirtschaftslehre
, 2007, S. 9
- ↑
Europaische Kommission
,
KMU und Beschaftigung
, in: Panorama der EU-Industrie 95?96, Luxemburg 1995, S. 187
- ↑
Joe S. Bain,
Barriers to new Competition
, 1956, S. 53
- ↑
Andreas Hahn,
Oligopolistische Marktbeherrschung in der europaischen Fusionskontrolle
, 2003, S. 290
- ↑
Ernst Eisendrath,
Anlagevermogen und Dekapitalisation der deutschen Industrie
, 1950, S. 31
- ↑
Ernst Eisendrath,
Anlagevermogen und Dekapitalisation der deutschen Industrie
, 1950, S. 32
- ↑
Michael Kutschker/Stefan Schmid,
Internationales Management
, 2010, S. 435