Eine
beschusshemmende Weste
, auch
durchschusshemmende Weste
, (
ballistische
)
Schutzweste
,
Flakweste
, umgangssprachlich auch
kugelsichere Weste
,
schusssichere Weste
oder nach ihrem Material
Kevlarweste
genannt, dient dazu, den Trager vor der todlichen
Wirkung
von
Kleinwaffengeschossen
und/oder vor
Schrapnellen
zu schutzen sowie (nur bei Ausstattung mit stichhemmender Platte) auch vor Stich- und Hiebwaffen.
Schutzwesten zahlen zu den
Schutzwaffen
, deren fruhe Entwicklung auf
Rustungen
aus verschiedensten Materialien zuruckgeht. Bereits in der Antike wurden Korperpanzer hergestellt, die dem Trager Schutz gegen Gewalteinwirkung durch Hieb-, Stich- oder Geschosswaffen boten. Die fruhesten erhaltenen Panzer aus
Bronze
sind auf das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert, spatere Stucke bestanden aus Stahl. Erste
Lamellenpanzer
und
Schuppenpanzer
, die mehr Beweglichkeit gegenuber Panzerplatten boten, sind bereits aus dieser Zeit aus China bekannt. Fruhe Faserverbundpanzerungen finden sich in den
Leinenpanzern
der griechischen Antike wieder. Im
Mittelalter
kam der
Gambeson
auf. Der im 4. Jahrhundert v. Chr. aufkommende
Ringpanzer
wurde mit Modifikationen bis in das 20. Jahrhundert verwendet.
Im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Irrglauben schutzten stahlerne
Plattenpanzer
, wie sie ab dem 14. Jahrhundert in Europa produziert wurden, außerst effektiv gegen Geschosse, sowohl von herkommlichen Bogen- als auch von Feuerwaffen. So ließ
Napoleon
noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts eigens fur seine
Kurassiere
Brust- und Ruckenpanzer anfertigen. Die
U.S. Civil War Vest
wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von der
Union Army
eingesetzt.
Eine bekannte Plattenrustung, die
Ned-Kelly-Rustung
, wurde um das Jahr 1880 von
Ned Kelly
verwendet.
[1]
Der Arzt
George E. Goodfellow
(1855?1910) praktizierte in
Tombstone
in der Endphase des ?
Wilden Westens
“. Er kam mit vielen
Schusswunden
in Kontakt, so obduzierte er die Opfer der
Schießerei am O. K. Corral
. Goodfellow fiel dabei auf, dass
Seidentucher
, sei es als
Halstuch
oder
Taschentuch
, durch die Projektile nicht perforiert wurden. Die Energie des Aufpralls verursachte oft trotzdem eine lebensgefahrliche Verletzung.
[2]
Seine Beobachtungen veroffentlichte Goodfellow im Jahr 1887.
[3]
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der polnische Immigrant
Casimir Zeglen
in
Chicago
eine Schutzweste aus Seidenfasern. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Zeglen Kenntnis von Goodfellows Beobachtungen hatte.
[4]
Zeglens Weste bot effektiven Schutz gegen mit
Schwarzpulver
geladene
Handfeuerwaffen
mit geringer
Mundungsgeschwindigkeit
, versagte aber bei mit
Nitrozellulosepulver
geladenen Waffen mit hoherer Mundungsgeschwindigkeit. Zeglen verbesserte zusammen mit
Jan Szczepanik
das Gewebe der Westen. Das Material war allerdings sehr teuer. Um 1914 kostete Zeglens Weste um 800 $. Zu den Kunden gehorte der spanische Konig
Alfons XIII.
, dem sie half, einen Bombenanschlag zu uberleben.
[1]
Vielfach wird berichtet, dass der osterreichische Thronfolger
Franz Ferdinand
eine beschusshemmende Weste beim
Attentat von Sarajevo
getragen habe, die ihm aber nicht helfen konnte, weil das
Projektil
des Attentaters oberhalb der Weste in Ferdinands Hals einschlug.
[1]
Es ist jedoch nicht gesichert, dass Ferdinand eine solche Weste uberhaupt besaß; auf keinen Fall hat er sie bei dem Attentat getragen.
[5]
[6]
[7]
Im
Ersten Weltkrieg
waren Plattenpanzer als Schutz gegen Splitter und Beschuss gebrauchlich. In den 1930er Jahren wurden bei der
Berliner Polizei
moderne
ballistische
Westen erprobt. Aus dem
Zweiten Weltkrieg
ist die sowjetische
SN-42
, ebenfalls ein Plattenpanzer, bekannt.
In der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts machte die Entwicklung der Schutzwesten, bedingt durch neue Werkstoffe, wie hochfeste Kunstofffasern, bedeutende Fortschritte. Fortschritte bei der Entwicklung neuer Werkstoffe lassen auch eine weitere Erhohung der Schutzwirkung weich- und hartballistischer Schutzwesten wahrscheinlich erscheinen. Im Gegenzug kann jedoch auch ein Angreifer auf ein großeres Kaliber,
panzerbrechende Munition
, eine starkere
Patronenlaborierung
oder gegebenenfalls einen neuen Waffentyp zuruckgreifen.
Eine beschusshemmende Weste soll das Durchdringen eines
Geschosses
verhindern. Die kinetische Energie des Geschosses wird dabei aufgenommen und auf eine moglichst große Flache verteilt. Das Geschoss selbst verbleibt im Westenkorper, kann diesen jedoch verformen. Der
Impuls
des Geschosses wird an den Trager der Schutzweste weitergeleitet. Beides fuhrt zu einem
stumpfen Trauma
. Somit machen Schutzwesten keinesfalls ?kugelsicher“, sondern schutzen den Trager bis zum angegebenen Schutzgrad vor der todlichen Wirkung von Geschossen.
Die Schutzkraft einer Weste wird mit der sogenannten Schutzklasse angegeben. Hier haben sich weltweit mehrere Standards etabliert. Um ballistischen Schutz zu verifizieren, werden dabei mehrere Proben einer
Werkstoffprufung
unterzogen. Je nach Umweltbedingungen, Anzahl der Testschusse,
Kaliber
und Geschossgeschwindigkeit ergeben sich die Schutzklassen.
Der wichtigste Standard ist der
BA 9000
, ein Qualitatsmanagementsystem fur Korperpanzerung, das 2012 vom amerikanischen
National Institute of Justice
, dem Forschungszentrum des
Justizministeriums
als
NIJ
-Standard eingefuhrt wurde.
[8]
Jede Behorde oder Organisation mit solchem Bedarf fuhrt meist ihre eigenen Beschusstests nach eigenen Anforderungen durch, so auch die verschiedenen Streitkrafte. In Deutschland wird der Beschusstest nach der
Technischen Richtlinie fur Schutzwesten der Polizei
durch die staatlichen
Beschussamter
durchgefuhrt.
[9]
Fur den Testausgang mitentscheidend ist die Art der Unterlage, auf welche die Korperschutzausrustung fur den Beschusstest befestigt wird. Befestigt auf eine harte Unterlage, wird diese leichter als in der Praxis durchdrungen, da das menschliche Gewebe etwas nachgibt und die Schutzausrustung eine Delle formen kann. Um dieses zu simulieren wird in der Regel die
Modelliermasse
?Roma Plastilina“ verwendet. Dieses Material ist etwas harter und weniger elastisch als menschliches Gewebe, hat aber den Vorteil, dass die durch den Aufschlag des Projektils verursachte Delle nicht in den Ausgangszustand zuruckgeht. Somit konnen korperliche Schaden abgeschatzt werden, die entstehen wurden, auch wenn die Korperschutzausrustung das Projektil auffangt.
[10]
[11]
Am Ende eines Beschusstests wird einem Stuck der Korperschutzausrustung eine bestimmte Schutzwirkung attestiert. Ob diese in der gesamten Produktion dann konstant ist und wie lange sie bei den Korperschutzausrustungen gewahrt bleibt, ist Sache des Herstellers und des Abnehmers und muss durch
Langzeittests
und wiederholte Uberprufung von Produktionsexemplaren getestet werden. Die meisten Hersteller garantieren fur funf oder zehn Jahre die Schutzwirkung ihrer Produkte.
Die deutschen und amerikanischen Schutzklassen sind nicht ohne weiteres ubertragbar, obwohl sich die verwendeten Kaliber ahneln. Die allgemeinen Bedingungen unterscheiden sich deutlich. So werden amerikanische Proben nur einmal beschossen, deutsche jedoch dreimal, und auch die Umweltbedingungen unterscheiden sich. Dennoch wird allgemein die deutsche Schutzklasse (SK) 1 mit dem amerikanischen
NIJ-Level
IIIA gleichgesetzt. Beide definieren den Schutz gegen gangige
Kurzwaffen
, wobei sich die verwendeten Kaliber ahneln. Auch die deutsche SK4 und die
NIJ-Level
III und IV werden oft verglichen. Sie definieren den Schutz gegen Beschuss aus
Langwaffen
.
[12]
Die wesentlichen Schutzklassen sind:
- SK 1 und
Level
IIIA
- Schutz vor
Kurzwaffenmunition
mit
Vollmantel
-Weichkern und Rundkopf oder
Teilmantel
beziehungsweise
Hohlspitze
- SK 2
- Schutz vor Kurzwaffenmunition mit
Vollmantel
und Polizeieinsatzpatronen (
Vollgeschosse mit Hohlspitze
)
- SK3 und
Level
III
- Schutz vor
Langwaffenmunition
mit
Vollmantel
und Weichkern oder Teilmantel beziehungsweise Hohlspitze
- SK4 und
Level
IV
- Schutz vor Langwaffenmunition mit Vollmantel und Hartkern (Nur Schutz gegen Stahl-Hartkern. Geschosse mit Wolframcarbid-Hartkern durchschlagen die Schutzweste. Vergleiche VPAM APR 2006)
Der Schutz gegen
Stichwaffen
wie Messer oder Nadeln, auch
Stichschutz
genannt, ist bei den ersten beiden Schutzklassen nicht zwingend inbegriffen und muss zusatzlich erbracht werden. Bei den Schutzwesten der Schutzklassen 3 und 4 wird dagegen konstruktiv durch ballistische Platten auch Stichschutz vorausgesetzt. Schutzwesten der jeweiligen Klasse konnen allerdings durch spezielle Geschosse mit einem Penetrator oder durch Munition mit hoherer Geschossgeschwindigkeit durchschossen werden.
Schutzwesten werden aus verschiedenen Materialien nach unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien gefertigt. Man unterscheidet allgemein Hart- und Weichballistik. Bestimmte Schutzwirkungen lassen sich meist nur durch Kombination beider Prinzipien erreichen. So kann durch eine weichballistische Weste ein Rundumschutz nach Schutzklasse 1 erreicht werden. Zusatzliche hartballistische Einlagen an Front und Ruckseite sowie an den Seiten garantieren einen Schutz nach Schutzklasse 4. In derartiger Kombination werden die meisten Schutzwesten konstruiert. Die verwendeten Hartballistikplatten erreichen ihre Schutzwirkung dann nur in Kombination mit dem weichballistischen Westenkorper.
Schutzwesten unterscheiden sich nicht nur in der Schutzwirkung, sondern auch im geschutzten Korperbereich. Die meisten Westen schutzen nur die Korperbereiche mit der großten Flache und damit der großten Trefferwahrscheinlichkeit, meist also den
Torso
. Durch zusatzliche
Protektoren
konnen je nach Westentyp aber auch die Korperseiten, der Genitalbereich, die Schultern, der Nacken, die Arme und Beine geschutzt werden. Dieser Schutz schrankt jedoch die Beweglichkeit des Tragers ein. Weitere Unterschiede ergeben sich aus der Konstruktion des Westenkorpers. Um die ballistischen Schutzeinlagen am Korper zu tragen und sie vor Beschadigungen im Alltagsgebrauch zu schutzen, werden sie in Schutzwestenhullen aus hochbelastbaren Textilien eingenaht. Diese konnen dann auch Befestigungsmoglichkeiten fur die Ausrustung mit MOLLE-Schlaufen bieten oder aber auch ein verdecktes Tragen ermoglichen, etwa durch Angleichen der Farbe an die restliche Kleidung.
Das Geschoss trifft auf eine mehrschichtige Netz- oder Folienstruktur aus reißfestem Gewebe. Die Geschossenergie wird teilweise absorbiert, wenn das Geschoss die einzelnen Schichten in eine Bewegung in Richtung des Einschusses versetzt (
Beschleunigungsarbeit
) und die Fasern dehnt (
Spannarbeit
). Der Großteil der Energie ist dann aber noch erhalten. Das Projektil formt auf der dem Korper zugewandten Seite des reißfesten Gewebes eine Ausbuchtung in Form eines Kegelstumpfs, bis sich Projektil und das getroffene Korpergewebe mit gleicher Geschwindigkeit bewegen (
unelastischer Stoß
). Als ungeeignet gilt eine schusssichere Kleidung nicht nur, wenn das weichballistische Gewebe vom Projektil durchstoßen wird, sondern auch dann, wenn der Eindringkegel in den Korper zu tief ist. Getestet wird das an einem aus spezieller Knetmasse nachmodellierten menschlichen Korper.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden Schutzwesten aus Seidenfasern entwickelt. Der sehr hohe Preis verhinderte eine massenhafte Verwendung, bis Aramidfasergewebe brauchbaren und bezahlbaren Ersatz boten.
Heute werden meist
Aramidfasern
unter Handelsnamen wie
Twaron
oder
Kevlar
oder andere
Kunststoffe
, etwa
PBO
(
Zylon
) und hochkristallines
Polyethylen
(
Dyneema
), verwendet. Diese Kunststoffe sind extrem reißfest, verlieren ihre Eigenschaften aber durch den Alterungsprozess. Dieser verlauft ? materialspezifisch ? uber mehrere Jahre und wird durch Einwirkung von
UV-Licht
beschleunigt. Auch Feuchtigkeit fuhrt meist zu schlechteren Eigenschaften. Aus diesen Grunden werden weichballistische Schutzeinlagen von Schutzwesten in Kunststofffolie eingeschweißt.
Theoretisch lasst sich durch eine passende Schichtenanzahl jedes beliebige Geschoss aufhalten. Aus praktischen Grunden werden weichballistische Schutzeinlagen jedoch nur zum Schutz gegen Kurzwaffengeschosse gefertigt. Daruber hinaus bieten reine Fasergewebe keinen ausreichenden
Stichschutz
.
Hier trifft das Geschoss auf eine Platte aus einem harten Material und verteilt seine kinetische Energie auf diese. Die kinetische Energie wird von der Platte aufgenommen und fuhrt zu Verformungen. Das Prinzip wird seit langer Zeit bei Rustungen benutzt. Verwendet werden hier schon seit Jahrhunderten Metalle (ballistischer Stahl), neuerdings auch
Oxidkeramik
- oder Polyethylenplatten. Moderne hartballistische Schutzplatten werden nach einem
Schichtprinzip
aus einer Kombination verschiedener Materialien gefertigt und haben eine Kurvenform, um die Auftreffenergie besser zu absorbieren, aber auch, um sich der Korperform des Tragers anzupassen. Mit Platten lassen sich theoretisch je nach Materialstarke alle Arten von Geschossen stoppen. Die meisten Schutzplatten erreichen ihre volle Schutzwirkung aus oben genannten Grunden nur in Kombination mit weichballistischen Schutzpaketen.
Das
US-Militar
, als weltweit großter Abnehmer hartballistischer Korperschutzplatten, hat bei der Formgebung fur eine gewisse Standardisierung gesorgt. Die meisten Platten haben eine Große von 10
Zoll
× 12 Zoll (25,4 cm × 30,5 cm) mit abgeschragten oberen Ecken und werden dann als
(E)SAPI-Plates
(?Small Arms Protective Insert“) bezeichnet. Es werden aber auch andere Plattenformen hergestellt. Einen vollkommenen Rundumschutz mit hartballistischen Materialien zu gewahrleisten galt lange Zeit wegen des Gewichtes dieser Schutzeinlagen als inpraktikabel. Rein hartballistische Schutzwesten wurden daher meist in Form sogenannter
Plate Carrier
realisiert. Hier werden nur Front und Rucken mit sogenannten Stand-Alone-Platten geschutzt. Diese speziellen Platten konnen auch ohne darunterliegende weichballistische Schutzpakete Kugeln stoppen, sind aber schwerer.
Ein weiterer Ansatz ist Korperpanzerung, die sich wie ein Schuppenpanzer aus zahlreichen kleinen Elementen zusammensetzt. Die
Sowjetarmee
verwendete in den 1980er Jahren solche Westen mit Titanschuppen. Heute wird ahnliche Korperpanzerung mit Stahl und Siliziumcarbideinlagen als
Dragon Skin Body Armor
[13]
nur von einer amerikanischen Firma gefertigt. Der Vorteil dieses Konzeptes ist die Verformbarkeit der ballistischen Einlagen, wodurch ermoglicht wird, dass ein großerer Bereich des Oberkorpers geschutzt wird und der Trager sich mit weniger Energieaufwand bewegen kann. Außerdem weist es trotz eines niedrigen Gewichtes eine bessere Schutzwirkung auf, da der Korperschutz ofter von hartballistischen Materialien getroffen werden kann, ohne seine Wirkung zu verlieren.
[14]
Beim Stichschutz ist die besondere Wirkweise von Stichwaffen zu beachten. Diese konnen schneidend, verdrangend oder stanzend wirken. Ein langer Schnitt mit einem Messer kann gegebenenfalls schon von leichten Schutzgeweben aufgehalten werden. Ein Stich mit einer Nadel wird den Westenkorper einer weichballistischen Schutzweste aber durchdringen. Um den Trager auch gegen Stichwaffen zu schutzen, werden bei den leichteren Schutzwesten daher zusatzliche Einlagen aus Metallfolien und verflochtenen Metallringen verwendet. Die Folien schutzen vor besonders spitzen Gegenstanden mit stanzender Wirkung, z. B. Nadeln oder Kanulen von Spritzen. Die verflochtenen Metallringe, deren Wirkung einem
Kettenhemd
ahneln, sollen der verdrangenden Wirkung von Messerklingen oder auch Axten entgegenwirken. Bei den hartballistischen Schutzeinlagen der Westen mit den Schutzklassen 3 und 4 ist dagegen durch die Platten bereits ein Stichschutz gewahrleistet. Da diese Systeme meist nur Front und Rucken abdecken, muss hier gegebenenfalls der Stichschutz an den Korperseiten zusatzlich mit den o. g. Mitteln erganzt werden.
[15]
Der Schlagschutz ist nicht direkt Aufgabe einer ballistischen Schutzweste. Da hier besonders die Extremitaten und der Kopf geschutzt werden mussen, sind zusatzliche Protektoren und ein Helm notwendig. Diese bestehen meist aus Kunststoffen und sind mit Polsterstoffen ausgekleidet. Solche Protektoren haben meist keine ballistische Schutzwirkung, sind aber oft Bestandteil des Stichschutzes. Die in
Korperschutzausstattungen
verwendeten Westen mussen nicht unbedingt auch eine ballistische Schutzwirkung haben. Die Integration einer ballistischen Schutzweste in eine Korperschutzausstattung ist aber durchaus moglich.
[16]
Fur ballistische Schutzwesten gibt es zivile wie auch militarische Anwendungsbereiche. Personen, die einer erhohten Bedrohung unterliegen, wie etwa Polizisten, Personen des offentlichen Lebens oder andere, erhalten durch sie bei Angriffen eine hohere Uberlebenschance. Bei der
deutschen Polizei
wurden mittlerweile flachendeckend Unterziehschutzwesten eingefuhrt: verdeckt zu tragende Schutzwesten der SK 1, die bei einigen Polizeien (z. B.
Hessen
,
Baden-Wurttemberg
oder bei der
Bundespolizei
) mit einer taktischen Hulle auch uber der Oberbekleidung getragen werden konnen. Fur im Vorfeld erkennbar gefahrliche Einsatze existieren Uberziehschutzwesten, die einen großeren Korperbereich abdecken, um zusatzliche Protektoren erweitert werden konnen und in ihrer Schutzklasse anpassbar sind. Kampfmittelraumer tragen meist Vollschutzanzuge, die nur die Hande frei lassen.
Hundertschaften
der
Bereitschaftspolizei
tragen normalerweise keine ballistischen Schutzwesten, sondern Schlag- und Stichschutzwesten. In der deutschen
Bundeswehr
werden die Soldaten im Auslandseinsatz mit Schutzwesten ausgestattet, die modular bis zur Schutzklasse SK4 aufgerustet werden konnen.
In Deutschland unterliegt der Erwerb von Schutzwesten keinen Einschrankungen. Weltweit gibt es in Bezug auf den Besitz von Schutzwesten unterschiedliche Regelungen. In einigen Landern ist Privatpersonen der Besitz oder das Tragen verboten, teilweise auch die Einfuhr. Es gelten außerdem meist
Exportbeschrankungen
. Es gibt Schutzwesten fur
Diensthunde
und
Jagdhunde
,
[17]
gelegentlich auch als
Hundeschutzweste
bezeichnet.
Schusshemmende Westen sind keinesfalls ?kugelsicher“. Wie beschrieben ist es nicht gewahrleistet, dass der Trager trotz einer Schutzweste nicht innere Verletzungen wie
Knochenbruche
oder
Prellungen
davontragt. Auch ist es immer noch moglich, dass Geschosse die Weste durchdringen, wenn die Schutzwirkung nicht ausreichend ist. Gerade Geschosse mit weichem Mantelmaterial sind dann meist schon aufgepilzt oder fragmentiert und geben schlagartig ihre Restenergie auf den Korper des Tragers ab, was zu großen und tiefen Wunden fuhren kann. Auch ist es moglich, dass bei Perforation der Weste Teile der Schutzpakete, Splitter der ballistischen Platten und das Material der Hulle in den Wundkanal eindringen.
Selbst wenn das Projektil die Weste nicht durchdringt, kann der auf den Korper weitergereichte Impuls eines ausreichend schweren und schnellen Projektils die inneren Organe verletzen und so ohne sichtbare außere Verletzung zum Tod fuhren.
Weiter bieten nur wenige Westen einen kompletten Schutz, so dass Geschosse Extremitaten immer noch verletzen konnen und durch die Offnungen, etwa fur die Arme, immer noch in den eigentlich geschutzten Bereich des Korpers eindringen konnen.
[19]
Unterziehwesten bieten beispielsweise ihren besten Schutz, wenn sie unter der Uniform getragen werden. Bei falscher Trageweise (z. B. uber der Uniform) kommt es bei einem Geschossaufprall zu einem Ubertragungsimpuls. Dieser ubt Druck auf Knopfe, Kugelschreiber etc. aus, was zu schweren Verletzungen fuhren kann.
Ein weiteres Problem ist der beschriebene Alterungsprozess, der fur ein Nachlassen der Schutzwirkung der Schutzpakete sorgen kann. Hier ist der Fall des Werkstoffs
Zylon
der japanischen Firma
Toyobo
zu erwahnen. Mit diesem Werkstoff schienen Ende der 1990er Jahre besonders leichte Schutzwesten machbar. Bei der Langzeiterprobung stellte sich aber heraus, dass dieser Werkstoff besonders schnell alterte und schon nach drei Jahren seine Schutzwirkung einbußte.
[20]
Die Herstellerfirma, die die
Polizei in Bayern
und
Nordrhein-Westfalen
mit aus diesem Material hergestellten Westen belieferte, ging aufgrund der darauffolgenden Schadensersatzforderungen in Konkurs.
[21]
Auch unsachgemaße Handhabung, etwa falsches Anlegen oder Beschadigung der Schutzweste, kann zu einem Vermindern der Schutzwirkung fuhren. Zum Beispiel hatten die US-Soldaten vor der
Schlacht von Mogadischu
die hintere Platte aus der Schutzweste entfernt, um ihre Beweglichkeit zu erhohen. Bei Soldaten, denen in den Rucken geschossen wurde, verhinderte die vordere Platte nicht nur, dass das Projektil (meistens im Kaliber
7,62 × 39 mm
) wieder nach vorne aus dem Korper austrat, sondern das Projektil prallte von der Platte ab und wurde wieder zuruck in den Korper befordert. Dies fuhrte zu weiteren Verletzungen und kann einige Soldaten das Leben gekostet haben.
[22]
Weitere Nachteile sind die Tatsache, dass die Westenkorper die Transpiration des Korpers einschranken und gegebenenfalls zu einem Hitzestau fuhren konnen, sowie das Gewicht. Schutzwesten wiegen, je nach Schutzklasse und Umfang, zwischen wenigen Kilogramm bis zu 30 kg. Schutzwesten sind daneben auch ein psychologischer Schutz, der einem Menschen in einem gefahrlichen Umfeld ein Gefuhl der Sicherheit vermittelt, aber immer wieder auch zu einem Uberschatzen der Schutzwirkung dieser Ausrustung fuhrt.
In einigen Landern durfen Schutzwesten nicht oder nur mit einer vorherigen zollrechtlichen Erlaubnis eingefuhrt werden, da diese als Kriegsausrustung gelten.
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