Bernard le Bovier de Fontenelle
(*
11. Februar
1657
in
Rouen
; †
9. Januar
1757
in
Paris
) war ein einflussreicher und vielseitiger
franzosischer
Schriftsteller
und
Aufklarer
.
Fontenelle
(wie er in der Literaturgeschichte ausschließlich genannt wird) zahlt neben
Pierre Bayle
zu den bedeutendsten franzosischen
Fruhaufklarern
.
Er entstammte einer
amtsadeligen
Juristenfamilie aus Rouen und war Neffe der Dramatiker
Pierre
und
Thomas Corneille
. Nach Studien auf dem Jesuitenkolleg seiner Heimatstadt ging er nach Paris. Hier reussierte er rasch, eingefuhrt von Thomas Corneille, als galanter Lyriker, Komodienautor, Opern
librettist
, Verfasser eines Briefromans und nicht zuletzt als gesuchter
Salon-Animateur
.
1683 erschienen seine
Dialogues des morts
(Totengesprache), fiktive Dialoge zwischen beruhmten Toten aus der
Antike
und der jungeren Vergangenheit, z. B. zwischen
Sokrates
und
Michel de Montaigne
. Hauptthema sind die nach Fontenelle ganz unberechtigten Vorurteile seiner Zeitgenossen zugunsten der Antike, Vorurteile, die er seine antiken Sprecher ironisch oder pseudo-naiv ad absurdum fuhren lasst.
1686 kamen seine
Entretiens sur la pluralite des mondes
(Unterhaltungen uber die Vielzahl der Welten) heraus, ein fiktiver Dialog, in dessen Rahmen ein gebildeter Mann von Welt einer interessierten adeligen Dame samt ihrer Tochter (und mit ihnen einem uberwiegend als weiblich vorgestellten Publikum) bei einem nachtlichen Spaziergang im Park Vortrage halt uber das astronomische Wissen gemaß
Nikolaus Kopernikus
,
Galileo Galilei
,
Johannes Kepler
sowie
Rene Descartes
und dabei die Moglichkeit nicht ausschließt, dass es auch auf Sternen außerhalb der Erde vernunftbegabte Wesen gibt.
Von der
katholischen Kirche
wurde das Werk erwartungsgemaß auf den
Index
gesetzt, weil es dem
ptolemaischen Weltbild
widersprach. Die Indizierung tat jedoch seinem Erfolg keinen Abbruch, vielmehr wurde es mehrfach neu aufgelegt. Wie viele Franzosen seiner Zeit blieb Fontenelle der
Cartesianischen Physik
verhaftet, auch nachdem sie durch die Arbeiten
Isaac Newtons
uberholt war. Noch 1752 vertrat er in seiner
Theorie des tourbillons cartesiens
die
Wirbeltheorie
Descartes’
aus dem Jahre 1644.
Ebenfalls 1686 erschien die
Histoire des oracles
(Geschichte der Weissagungen). Hierin beleuchtet Fontenelle in elegantem Plauderton verschiedene in antiken Quellen beschriebene Weissagungen und Wunder kritisch in einer Weise, die den Leser zum Bezweifeln auch biblischer Weissagungen und Wunder animieren sollte, was von den Jesuiten ganz richtig so verstanden und gerugt wurde.
Als 1687 in der
Academie francaise
der Streit zwischen den Anhangern des Hergebrachten und Modernen (
Querelle des Anciens et des Modernes
) ausbrach, wurde Fontenelle im Sinne seiner
Dialogues de morts
einer der ersten Parteiganger der ?Modernen“ und griff 1688 in den Streit ein mit seiner Schrift
Digression sur les Anciens et les Modernes
.
In den Folgejahren war er weiterhin als Lyriker, Tragodienautor, Erzahler und Literaturtheoretiker tatig. 1691 wurde er in die Academie francaise auf den
Fauteuil
No. 27 gewahlt. Seit 1697 war er auch Mitglied der 1666 gegrundeten
Academie des Sciences
. Noch im selben Jahr wurde er als Nachfolger von
Jean-Baptiste Du Hamel
deren Secretaire perpetuel, was er bis 1740 blieb. Er gab die Literatur nun weitgehend auf und schrieb in Wahrnehmung seines Amtes zahlreiche Laudationes (eloges academiques) von Naturforschern und Erfindern, deren Leistungen er mit seiner eleganten Feder einem großeren Publikum vorstellte.
Ab 1699 war er maßgeblich an der Reform seiner Akademie beteiligt. 1701 wahlte ihn auch die
Academie des Inscriptions et Belles-Lettres
zum Mitglied. 1733 wurde er zum Mitglied (
Fellow
) der
Royal Society
gewahlt.
[1]
1749 wurde er als auswartiges Mitglied in die
Preußische Akademie der Wissenschaften
aufgenommen.
[2]
Ebenfalls in seiner Rolle als Akademie-Sekretar verfasste er ab 1733 die
Memoires de l’Academie royale des sciences
, worin er uber mehr als 30 Jahre zuruckliegende Experimente und Beobachtungen von Mitgliedern berichtete. Weil aus dieser Zeit verlassliche Primarquellen meist fehlen, gelten die
Memoires
bei Wissenschaftshistorikern als wichtige Sekundarquelle.
Bis etwa 1725 spielte Fontenelle eine wichtige Rolle im Pariser geistigen und gesellschaftlichen Leben und in Maßen auch in der Politik, ehe sein Ruhm zu verblassen begann.
[3]
Er verkorperte als erster in Frankreich den fur die Epoche der
Aufklarung
charakteristischen Typ des ?philosophe“, das heißt eines allseitig interessierten, sowohl belletristische, als auch philosophische und naturwissenschaftliche Werke verfassenden Autors.
- Bernard Le Bovier de Fontenelle,
Œuvres completes
, Paris: Fayard, 1990?
- Bernard Le Bovier de Fontenelle,
Dialogen uber die Mehrheit der Welten
(deutsch 1789, Nachdruck 1984); 1. Auflage, Neuedition der Ausgabe von 1780: in der Ubersetzung von
Wilhelm Christhelf Sigmund Mylius
; mit Anmerkungen und Kupfertafeln von
Johann Elert Bode
; mit einem Nachwort neu herausgegeben von Sophia Mehrbrey, Hannover : Wehrhahn Verlag, 2023,
ISBN 978-3-86525-987-5
- Bernard Le Bovier de Fontenelle,
Philosophische Neuigkeiten fur Leute von Welt und fur Gelehrte: ausgewahlte Schriften
, Leipzig: Reclam 1989
- Bernard de Fontenelle:
Totengesprache
, Aus dem Franzosischen ubersetzt, kommentiert und mit Dossier und Nachwort versehen von
Hans-Horst Henschen
, Frankfurt am Main: Eichborn 1991, Reihe
Die Andere Bibliothek
,
ISBN 978-3-8218-4066-6
.
- Werner Krauss
,
Fontenelle und die Aufklarung,
Munchen (Fink) 1969.
- Jorn Steigerwald:
Galante Gesprache: Fontenelles Dialogues des morts
, in:
Dialog und Dialogizitat im Zeitalter der Aufklarung
, hg. v. Gabriele Ribemont-Vickermann / Dietmar Rieger. Tubingen: Narr 2003, S. 13?30.
- ↑
Eintrag zu
Fontenelle, Bernard le Bovier de (1657 - 1757)
im Archiv der
Royal Society
, London
- ↑
Mitglieder der Vorgangerakademien.
Bernard le Bouyer (le Bovier) de Fontenelle.
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
,
abgerufen am 23. Marz 2015
(mit Kurzbiographie).
- ↑
Mit 99 sorgte er noch einmal fur Schlagzeilen und einen Vergleich mit deutschen Gelehrten. Vgl.
Neue Versuche nutzlicher Sammlungen zur Natur- und Kunst-Geschichte, sonderlich von Ober-Sachßen
, Schneeberg 1755, S. 1003 (abgerufen 20. November 2013)