Die
Belagerung von Metz
wahrend des
Deutsch-Franzosischen Krieges
dauerte vom 20. August bis zum 27. Oktober 1870 und endete mit der Kapitulation der eingeschlossenen franzosischen Armee.
Marschall Bazaine
Nach der Niederlage in der
Schlacht bei Gravelotte
zog
Marschall
Bazaine
die
franzosische Rheinarmee
am 18. August hinter den Festungsgurtel von
Metz
zuruck. Der Festungskommandant General
Coffinieres
erklarte, die Festung ohne Verstarkungen nur noch 14 Tage halten zu konnen, besonders die Ostfront zwischen den Dorfern Malroy ? Rupigny ? Noisseville ? Montoy und Colombey wurde stark befestigt. Das franzosische II. Korps wurde im Vorort St. Quentin untergebracht, Teile des V. Korps wurden an der Sudfront bei Longeville, das III. westlich Plappeville, das IV. auf den Hohen bei Le Coupillon etabliert. Das VI. Korps ruckte in die nordlichen Moselforts ein, die Garde wurde am Westufer ostlich von
Plappeville
konzentriert. Bazaine nahm seinen Sitz unter dem Schutz der Garde in
Ban St. Martin
.
[2]
Obwohl Marschall Bazaine kein Hilfsgesuch nach Paris sandte, wurde die Chalon-Armee unter dem Kommando von Marschall
Patrice de Mac-Mahon
aus der Gegend von
Chalons
zur Verstarkung nach Metz beordert. Am 21. August begann Mac-Mahon seinen Marsch durch
Reims
auf der Straße nach
Rethel
nordostwarts zur belgischen Grenze. Am 24. August erhielt
Helmuth von Moltke
die Nachricht, dass die franzosischen Lager bei Chalons aufgegeben worden waren. In seinem Hauptquartier in Ligny fuhrte er eine Besprechung mit
Heinrich von Blumenthal
und Friedrich Wilhelm, um sich uber seine Position und daruber zu informieren, ob MacMahon tatsachlich Bazaine bei Metz ablosen sollte. Moltke war immer noch davon uberzeugt, dass MacMahon die Absicht hatte, Paris zu decken. Am Nachmittag wurde Moltke informiert, dass MacMahon mit einer Armee von etwa 150.000 Mann bei Reims stand.
Wahrend die
Maas-Armee
nach Westen vorrucken sollte, wurde der Dritten Armee befohlen, sich leicht in Richtung Givry bzw. Changy zu bewegen. Wahrend des gesamten 25. August stieß die deutsche Kavallerie nach Westen und Nordwesten vor, konnte MacMahon jedoch nicht ausfindig machen. Obwohl es ihm immer noch schwer fiel zu glauben, dass MacMahon wirklich nach Nordosten in Richtung Metz marschierte, arbeitete er den Befehl aus, die drei Korps der Maasarmee zusammen mit zwei bayerischen Korps nach Damvillers zu bringen, um sich MacMahon dort entgegenzustellen, falls er wirklich den Fluss uberquert hatte.
[3]
Moltke gelang es schließlich die feindlichen Krafte von der Linie Stenay-Varennes in den engen Raum zwischen der Eisenbahnlinie Mezieres-Sedan und der Grenze von Belgien zudrangen. Infolge der anschließenden Niederlage am 30. August bei
Beaumont
, war MacMahon gezwungen, sich sofort um
Sedan
zu konzentrieren, was eine Entlastung von Bazaine in Metz unmoglich machte.
[4]
Die Festung befand sich auf beiden Seiten der
Mosel
, die im Suden die Inseln St. Symphorien und Saidey und im Norden die Insel Chambiere bildete. Der Hauptteil der Stadt lag am rechten Moselufer und war von einem Gurtel aus Befestigungsanlagen umgeben. Die Linien begannen an der Insel Sauley, wechselten vom linken auf das rechte Ufer des Flusses und setzten sich auf dieser Seite bis zur Insel Chambiere fort. Hier befanden sich zwei vorgeschobene
Werke
, die
Lunetten
Chambiere und Miollis, deren Feuer auf die beiden Flussarme gerichtet war. Zwischen den Verteidigungsanlagen von Sauley und der Lunette von Chambiere befand sich auf dem linken Moselufer das große Fort La Moselle, das aus zwei ganzen und zwei halben
Bastionen
bestand. Dieses Werk beherrschte die Straßen nach
Thionville
und
Verdun
sowie die Eisenbahnlinie von Thionville nach Metz.
Die zusammenhangenden Linien des Ortes wandten sich auf der Insel Chambiere nach Osten und bildeten die ostliche und sudliche Verteidigungslinie der Stadt, die aus elf unregelmaßigen Bastionen mit
Ravelins
außerhalb bestand.
Die Graben konnten durch Schleusen alle unter Wasser gesetzt werden. Die
Enceinte
der Stadt war durch mehrere vorgeschobene Werke in unmittelbarer Nahe abgedeckt. Dazu gehorten im Suden die
Zitadelle
, die aus einem
Kronenwerk
mit einem Ravelin bestand, sowie die vorgeschobenen Lunetten d'Arpon und Rogniat. Diese beherrschten die Insel St. Symphorien und das Gelande im Suden mit den Eisenbahnanlagen sowie die Straße nach
Nancy
. Die
Redoute du Pate
lag ostlich der Zitadelle und beherrschte das flache Gelande der
Seille
, das fur eine ausgedehnte Uberschwemmung genutzt werden konnte. Die Seille fließt zwischen dieser
Schanze
und dem vorgeschobenen Fort Gisors in die Stadt.
Im Nordosten der Stadt, zwischen den Straßen, die nach
Saarlouis
und
Bouzonville
fuhren, befand sich das Fort Bellecroix, das aus drei bastionierten Fronten mit Ravelins bestand. Die linke Halbbastion und die angrenzende Bastion flankierten auch die Insel Chambiere und das linke Moselufer in Richtung St. Eloy.
Vor diesen inneren Werken, in einer Entfernung von 4 bis 5 Kilometern von der Enceinte, entfernt, befanden sich auf den umliegenden Hohen eine Reihe von freistehenden Forts. Diese Festungen waren, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertiggestellt, durch Telegrafenleitungen mit dem Hauptwerk und teilweise auch untereinander verbunden.
[5]
Prinz Friedrich Karl von Preußen
Die von der Mosel durchzogene Festung Metz
Verteidigung von Metz, von
Alphonse de Neuville
Die franzosische Rheinarmee wurde ab 20. August von der preußischen
2. Armee
unter Fuhrung von Prinz
Friedrich Karl
nordlicher Abschnitt und linkes Moselufer und der
1. Armee
, anfangs unter
Karl Friedrich von Steinmetz
, spater unter
Edwin von Manteuffel
sudlicher Abschnitt und rechtes Moselufer eingeschlossen. Die dazu notigen Belagerungsarbeiten leitete der durch seine technische Bildung versierte
Generalstabschef
der 2. Armee, Generalmajor
von Stiehle
.
Die 1. Armee am Sud- und Ostabschnitt der Festungsfront umfasste anfangs das
I.
, das
VII.
und das
VIII. Armee-Korps
sowie die 3. Reserve-Division unter General Rudolf Ferdinand von Kummer und die 1. und 3. Kavallerie-Division unter Generalleutnant von Hartmann bzw. von der Groben. Die 2. Armee bestand aus dem II. III., IX. und
X. Armee-Korps
und 3 Kavallerie-Divisionen.
[6]
Bazaine ordnete am 26. August einen Ausfall an. Bazaine befahl zwei zusatzliche Brucken uber die Mosel zu bauen, um die drei Korps auf das rechte Flussufer bei Fort St Julien zu bringen. Von dort sollten sie durch die schwache Preußische Linie nordostlich von Metz stoßen und sich nach Thionville begeben. Der Ausbruchsversuch scheiterte jedoch. Schlechtes Wetter verzogerte den Vormarsch, so dass es den Preußen, gelang, genugend Verstarkungen heranzuziehen.
Ein zweiter Versuch folgte am 31. August. Marschall Bazaine plante, auf dem rechten Ufer der
Mosel
mit seiner ganzen Armee die feindliche Einschließung zu durchbrechen, die Mosel bei
Thionville
zu uberqueren und sich mit der Entsatzarmee unter Marschall MacMahon zu vereinigen. Die Franzosen versuchten ohne Erfolg, den Belagerungsring durch den Angriff bei
Noisseville
zu durchbrechen. Das VI. Korps unter
Canrobert
hielt entlang der Mosel den nordlichen Abschnitt gegen Malroy und Rupigny. Das 4. Korps unter
Ladmirault
und das 3. Korps unter
Leboeuf
hielt die verstarkte Front am Ostufer der Mosel. Das 2. Korps unter
Frossard
und das Gardekorps unter
Bourbaki
hielt die Stellungen am Westufer der Mosel und fungierte als Reserve. Der franzosische Angriff auf Failly und Rupigny wurde vollstandig abgewiesen, das Eingreifen der
18. Division
unter General
von Wrangel
warf die Franzosen auch uber den Bach von Chieulles zuruck. Am folgenden Tag besetzten die Preußen das verlorene Noisseville wieder, die gesamte franzosische Armee ging unter dem Schutz der Kanonen von Metz im geordneten Ruckzug in die Festung zuruck.
[7]
Am 27. September, dem Tag, als die
Festung Straßburg
fiel, versuchte Bazaine erneut einen Ausfall. Die Truppen Friedrich Karls warfen die Franzosen bei Mercy le Haut bis Ars le Quenes mit großen Verlusten zuruck, die Dorfer La Grange und Colombey wurden dabei eingeaschert.
In der Nacht vom 1. zum 2. Oktober ließ Bazaine die Truppen das Korps unter Canrobert unter Deckung von 400 Wagen von
Woippy
aus nordwarts in die Felder zwischen den Linien vorrucken. Der Angriff der Franzosen auf Failly und Rupigny wurde nicht nur abgewiesen, sondern von den Deutschen sogar uber den Bach von Chieulles zuruckgeworfen. Ein weiterer Ausfall richtete sich gegen Ladonchamps, Ste.-Agathe, St.-Remy und Bellevue. Die Deutschen (Teile des
III. Armeekorps
) mussten sich aus der außersten Linie, den Orten Ladonchamps und Ste.-Agathe, zuruckziehen, konnten aber die befestigte zweite Linie behaupten. Im Verlauf des Kampfes gelang es den Preußen, die Franzosen in ihre Ausgangsstellungen zuruckzutreiben. Das Ziel, zwei Bauernhofe mit großen Vorraten an Heu und Lebensmitteln, wurde nicht erreicht.
Der letzte Angriff der Rheinarmee begann am 7. Oktober 1870 in der Nahe der Ortschaften Bellevue, St.-Remy, Grandes Tapes und Petites Tapes. Ziel der
Schlacht bei Bellevue
war nicht mehr der Ausbruch mit der Vereinigung mit weiteren Verbanden, sondern die Beschaffung von Lebensmitteln. Der franzosische Hauptstoß, der von der kaiserlichen Garde unterstutzt wurde, richtete sich uber Woippy. Bei diesem Angriff musste die im Angriffsfeld stehende Division Kummer durch die 9. Infanterie-Brigade und andere Teile des X. Corps (General von
Voigts-Rhetz
) unterstutzt werden. Das heftige Gefecht kostete die Deutschen 1.700, die Franzosen 1.250 Tote und Verwundete.
Bazaine sah sich durch das Ausbleiben notiger Verstarkung und Versorgung und nach Ausbruch einer
Ruhr
-Epidemie, die mit 20.000 Kranken die Lazarette uberfullte, nicht mehr in der Lage, weiter durchzuhalten. Am 25. Oktober begab sich auf seine Anweisung der greise franzosische General
Changarnier
ins deutsche Hauptquartier nach Corny, um die Bedingungen der Waffenstreckung zu erfahren. Bazaine kapitulierte schließlich am 27. Oktober mit noch 150.000 waffenfahiger Mannschaft. Das deutsche Belagerungsheer zahlte nach Abgaben
[A 1]
und eigenen Verlusten am Tag der Kapitulation noch 4.050 Offiziere, 167.338 Mannschaften und 642 Geschutze.
Nach der Belagerung in Gefangenschaft wurden 173.000 Soldaten in Gefangenschaft uberfuhrt,
[8]
eine Zahl, die erst in den
Kesselschlachten
des Zweiten Weltkrieges ubertroffen wurde. Wahrend der Belagerung hatten die Franzosen 2140 Offiziere und 42.350 Mann an Toten und Verwundeten verloren. Die Deutschen erbeuteten 53
Regimentsadler
, 102
Mitrailleusen
, 541 Feldgeschutze, 800 Festungsgeschutze sowie 300.000 Gewehre. 60.000 der Gefangenen wurden mit Zugen nach Suddeutschland transportiert. Die Kapitulation markierte einen Wendepunkt im Deutsch-Franzosischen Krieg. In Paris und zahlreichen franzosischen Stadten kam es zu Volkserhebungen. Die freigewordenen preußischen Armeen konnten nun gegen die franzosischen Truppen im
Loiretal
und als Verstarkung fur die
Belagerung von Paris
eingesetzt werden.
- Michael Clodfelter:
Warfare and Armed Conflicts A Statistical Encyclopedia of Casualty and Other Figures, 1492?2015
. IV Auflage. McFarland, Incorporated, Publishers, Jefferson 2017,
ISBN 978-1-4766-2585-0
(englisch).
- Geoffrey Wawro:
The Franco-Prussian War: The German conquest of France in 1870-1871
. Cambridge University Press, Cambridge 2003,
ISBN 978-0-521-61743-7
(englisch).
- Quintin Barry:
The Franco-Prussian War, 1870-71
.
Band
I
. Helion & Company, Solihull 2007,
ISBN 978-1-874622-64-2
(englisch).
- Benno von Tiedemann:
The siege operations in the campaign against France, 1870-71
. Her majesty's stationery office, London 1877,
OCLC
559339704
(englisch).
- Francois Roth:
La guerre de 70
. Fayard, Paris 1990,
ISBN 2-213-02321-2
(franzosisch).
- ↑
Das preußische II. Korps und die Kavallerie-Divisionen waren der Belagerungsarmee schon vor der Kapitulation entzogen worden und in Richtung Paris und Somme abgegangen.
- ↑
Matthias Steinbach>: [file:///C:/Users/Elpapador/Downloads/10.1524_mgzs.1996.55.1.1.pdf
Metz 1870 ? Zum Alltag einer Belagerung im Deutsch-Franzosischen Krieg
.]
Militargeschichtliche Mitteilungen
Band 55 (1996), Seite 18. Abgerufen am 26. April 2024
- ↑
Scheibert:
Der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland
, Paulis Nachfolger, Berlin, 1895, S. 150.
- ↑
Barry:
The Franco-Prussian War, 1870-71
Vol. 1, Helion & Company, Solihull, 2007 S. 155?159.
- ↑
von Tiedemann:
The siege operations in the campaign against France, 1870-71
., Her majesty's stationery office, London 1877 S. 66.
- ↑
von Tiedemann: S. 70ff.
- ↑
Berry: S. 271?288.
- ↑
Wawro:
The Franco-Prussian War
, Cambridge University Press, Cambridge, 2003 S. 198ff.
- ↑
?Die Franzosen haben ihren Frauenzimmern etwas Krieg gezeigt“
.
Die Welt, 7. Februar 2024, abgerufen am 26. April 2024