Die
Belagerung von
Korneuburg
ereignete sich wahrend des
Dreißigjahrigen Krieges
und dauert von
22. Mai
bis
4. August
1646
. Den von Feldmarschall-Leutnant
Hans Christoph III. von Puchheim
(1605?1657) kommandierten kaiserlichen Truppen gelang es dabei, die von einer starken schwedischen Garnison unter dem Kommando von Oberst
Johann Copy
gehaltene Stadt zuruckzuerobern. Durch den fur die kaiserliche Seite siegreichen Ausgang der Belagerung war die Gefahr, dass schwedische Truppen Korneuburg als Ausgangspunkt fur einen
Donauubergang
und Vorstoß auf die kaiserliche Residenzstadt
Wien
nutzen konnten, endgultig gebannt.
Mit der Vernichtung der kaiserlichen Hauptarmee in der
Schlacht bei Jankau
am 6. Marz 1645 stand den Schweden unter
Lennart Torstensson
(1603?1651) der Weg in die
Habsburgischen Erblande
weit offen. Ohne Gegenwehr furchten zu mussen, marschierte die siegreiche schwedische Armee uber
Iglau
und
Znaim
, das den Schweden am 22. Marz die Tore offnete, schließlich in
Niederosterreich
ein. Uber
Retz
,
Eggenburg
und
Ravelsbach
marschierend erreichte Torstenssons Armee schließlich die Stadte
Stein
und
Krems an der Donau
, die nach kurzer Gegenwehr am 26. und 31. Marz besetzt wurden. Bis dahin hatten die Schweden nahezu alle wichtigen Stadte, Orte und Burgen des
Waldviertels
unter ihre Kontrolle gebracht. Es gelang ihnen aber nicht einen
Bruckenkopf
bei Krems zu bilden. Die noch vorhandenen kaiserlichen Streitkrafte vereitelten alle Versuche der Schweden, die Donau zu uberqueren, und hatten uberdies vor ihrem Ruckzug uber den Fluss auch alles verfugbare Bauholz und die Schiffe weggeschafft sowie die Donaubrucke bei
Mautern
durch teilweise Zerstorung unbenutzbar gemacht.
Der Donau folgend marschierten die Schweden daher vorerst auf die kaiserliche Hauptfestung Korneuburg zu, an deren Kommandanten, Oberst Lukas Spicker, am 4. April 1645 die Aufforderung erging, die Stadt zusammen mit der
Burg Kreuzenstein
, die ihm ebenfalls unterstand, zu ubergeben. Angesichts der geringen Anzahl an Truppen, die ihm zur Verfugung standen ? er verfugte nur uber die
Burgerwehr
der Stadt und dazu noch weitere 200 Mann der Wiener Stadtguardia, des Vorlaufers des spateren
Bundessicherheitswachekorps
?, kam Spicker dieser Forderung umgehend nach und ubergab Burg und Festung bereits am 5. April kampflos den schwedischen Truppen. Anschließend wandte sich Torstensson der so genannten
Wolfsschanze
zu, einer sternformigen
Befestigungsanlage
, welche die Straße von Wien nach Norden, die uber drei Inseln in der Donau verlief, deckte. Auf Befehl des Kaisers wurde die Schanze schließlich in der Nacht von 9. auf den 10. April aufgegeben und die ihr nachstliegende Donaubrucke zerstort. Als die Schweden die Schanze am folgenden Tag besetzten, war auch die Gefahr gebannt, dass die kaiserlichen Truppen ihrerseits unvermutet uber die Donau setzten konnten.
Ware es nach Torstensson gegangen, so hatte nun die gunstige Gelegenheit genutzt werden sollen, um zusammen mit den Streitkraften des mit Schweden verbundeten
siebenburgischen
Fursten
Georg I. Rakoczi
(1593?1648) den Sturm auf Wien zu wagen, von dem er sich eine entscheidende Wendung des Krieges erwartete. Die Zeit bis zur Vereinigung mit den siebenburgischen Truppen wollte er nutzen, um die Festung
Brunn
, die seine Nachschubwege bedrohte, einzunehmen. Nach einer Vorausabteilung am Vortag, traf die schwedische Hauptarmee am 4. Mai vor Brunn ein, dessen Eroberung von Torstensson als eine leicht zu bewerkstelligende Sache angesehen wurde. Tatsachlich verfugte die Stadt uber keine große Anzahl an Verteidigern. Dieses Manko wurde aber durch ihre Kampfmoral wettgemacht und sie hatten mit Oberst
Jean-Louis Raduit de Souches
(1608?1682) einen hervorragenden Kommandanten, der sich auf eine
Belagerung
bestmoglich vorbereitet hatte. Nach monatelangen, erfolglosen Kampfen gab Torstensson schließlich auf und zog mit seiner deutlich geschwachten Armee am 19. August wieder in Richtung Niederosterreich ab. Zwar wusste er mittlerweile, dass von Rakoczi keine Hilfe mehr zu erwarten war, weil dieser sich in der Zwischenzeit mit dem Kaiser verstandigt und die Feindseligkeiten so gut wie eingestellt hatte, aber die gunstige Lage auf dem deutschen Kriegsschauplatz ließ auf das baldige Eintreffen von Verstarkungen hoffen, womit der Sturm auf Wien dann doch noch moglich schien.
Die kaiserlichen Streitkrafte hatten Torstenssons zeit- und krafteraubende Belagerung Brunns inzwischen zum Aufbau einer Verteidigung auf dem sudlichen Donauufer genutzt. Dazu waren Truppen von anderen Kriegsschauplatzen abgezogen worden. Erzherzog
Leopold Wilhelm
(1614?1662), der seit Mai 1645 das Oberkommando uber die kaiserlichen Streitkrafte innehatte, wagte es aber nicht, Torstensson anzugreifen. Dieser wiederum sah seine Truppen fur einen Ubergang uber die Donau und einen Angriff auf Wien nun erst recht als zu schwach an. Da auch keine Verstarkungen eintrafen, zog Torstensson schließlich abermals aus Niederosterreich ab und fuhrte seine Truppen nach
Nordbohmen
, wo sie Winterquartiere bezogen. Anhaltende
Gichtanfalle
zwangen ihn hier schließlich am 15. Dezember 1645 zur Abgabe des Kommandos an Generalleutnant
Arvid Wittenberg
(1606?1657).
Gemaß Torstenssons Kriegsplan fur das kommende Jahr wandte sich das Hauptinteresse der Schweden nun einer Vereinigung mit den verbundeten franzosischen Streitkraften und einem gemeinsamen Feldzug gegen die kaiserlichen Verbundeten
Kurkoln
und
Bayern
zu. Wittenberg war in diesem Zusammenhang die Aufgabe zugedacht, die kaiserlichen Streitkrafte in
Schlesien
zu binden und gleichzeitig die Verbindung zu den schwedischen Garnisonen in Niederosterreich zu halten. Demgegenuber musste Erzherzog Leopold Wilhelm diese Absichten nach Moglichkeit vereiteln und seinen Verbundeten zu Hilfe kommen. Aufgrund der sich solcherart anbahnenden neuen militarischen
Lageentwicklung
, war die unmittelbare Gefahr fur Wien und Niederosterreich vorerst nun einmal gebannt.
Vor seinem Abzug aus Niederosterreich hatte Torstensson die Stadte Krems an der Donau und Korneuburg zu Hauptfestungen ausbauen und mit starken
Garnisonen
versehen lassen. Die Festung Korneuburg war unter Zuhilfenahme von zwangsrekrutierten Stadtburgern und Bauern der Umgebung mit sechs neuen
Ravelins
ausgestattet und mit einer Garnison von 900 Mann unter Oberst Johann Copy versehen worden, die Garnison von Krems zahlte etwas mehr als 500 Mann. Beide Festungen verfugten uber ausreichend Proviant und Munition.
Infolge des erfolgreichen Operierens der kaiserlichen Streitkrafte in Bohmen und Schlesien wurden Generalleutnant Wittenberg in den ersten Monaten des Jahres 1646 erneute Vorstoße nach Niederosterreich verwehrt und die schwedischen Garnisonen an der Donau und in den ubrigen Landesteilen blieben auf sich allein gestellt. Schließlich begann im Marz 1646 die Offensive einer von Feldmarschall-Leutnant Puchheim kommandierten kaiserlichen Streitmacht zur Wegnahme der beiden Festungsstadte und der ubrigen den Schweden im Land noch verbliebenen befestigten Platze. Dazu standen Puchheim, der sein Kommando im Dezember 1645 ubernommen hatte, zwischen 3.000 und 5.000 Mann zur Verfugung, die mit Belagerungsartillerie aus den
Zeughausern
von Wien und
Linz
ausgestattet worden waren. Zuerst wandte sich Puchheim der Festung Krems zu, die seit Anfang April 1646 belagert wurde. Unter ihm kommandierte
Johann Wilhelm von Hunolstein
die Belagerungsarbeiten, der
Minenkrieg
wurde geleitet vom erfolgreichen Verteidiger Brunns, Oberst de Souches. Dessen Erfolge zwangen die schwedischen Verteidiger von Krems schließlich am 5. Mai 1646 zur
Kapitulation
.
[1]
Langere Zeit zog sich die anschließende Belagerung der sehr stark befestigten Stadt Korneuburgs hin, deren Beschuss durch die kaiserlichen Truppen am 22. Mai 1646 begann. Hier erwies sich Oberst Copy als ein ebenso kuhner wie hartnackiger Verteidiger, der, auf einen Entsatz hoffend, die Festung unbedingt halten wollte. Erst nachdem sich ein schwedischer Entsatzversuch durch eine aus Schlesien aufgebrochene
Dragonerabteilung
als undurchfuhrbar erwiesen und alle fur die Verteidigung wesentlichen Turme und
Bastionen
zertrummert worden waren, gab Copy auf. Am 4. August ubergab er Korneuburg den kaiserlichen Truppen. Nachdem auch
Rabensburg
und
Falkenstein
von den dortigen schwedischen Besatzungen am 27. und 30. August ubergeben und jene von
Staatz
gefluchtet war, gab es in Niederosterreich keine schwedischen Streitkrafte mehr.
Die Stadt Korneuburg, die bereits in den ersten Jahren des Dreißigjahrigen Kriegs durch
Kontributionsforderungen
und Einquartierungen belastet worden war, war nach der schwedischen Besatzung und der Ruckeroberung durch die Kaiserlichen ruiniert. Die schwedische Garnison hatte nicht nur hohe Verpflegsabgaben verlangt, sondern durch die Schanz- und anderen Arbeiten beim Ausbau der Befestigungsanlagen, zu denen die Stadtburger und die Bauern der umliegenden Ortschaften gezwungen worden waren, auch die alltaglichen geschaftlichen Ablaufe und Produktionsprozesse beeintrachtigt. Der heftige Beschuss wahrend Belagerung schließlich hatte nicht nur große Schaden an der Stadtbefestigung angerichtet, sondern auch an der ubrigen Bausubstanz Korneuburgs.
[2]
Die Schatzbucher aus dem 17. Jahrhundert spiegeln die katastrophale Situation Korneuburgs nach der Belagerung deutlich wider. In einer ersten Hauserschatzung, die noch im Jahr 1646 durchgefuhrt wurde, werden 121 Hauser in der Stadt als ode, verlassen oder baufallig ausgewiesen. Ihnen stehen nur 62 Hauser gegenuber, deren Besitzer Steuern bezahlten. Immer wieder finden sich in dieser Schatzung zusatzliche Angaben, die besagen, dass der Hausbesitzer verarmt ist oder dass seine Geschafte nicht gut gehen. Nicht viel besser war der Stand der Dinge auch der Schatzung von 1665 zufolge, in der einerseits die Hauser, andererseits auch die Grundstucke und die Einnahmen aus Handwerk und Gewerbe geschatzt wurden. In dieser Schatzung werden immer noch 99 von 173 Hausern (57,2 %) als ode oder unbewohnt bezeichnet. Haufige Randbemerkungen zeichnen auch hier ein eindringliches Bild der Zerstorung der Stadt und der Verarmung ihrer Bevolkerung. So wurde bei den Besitzern von 73 Hausern (oder 42,2 %) keine Vermogensangabe gemacht. Rechnet man dazu noch jene, die aufgrund des angegebenen Schatzwertes von unter 20
lb
als verarmt galten (54 oder 31,2 %), so kommt man auf eine Zahl von 127 Hausbesitzern (73,4 % aller Hausbesitzer), die in den Jahrzehnten nach dem Dreißigjahrigen Krieg in Armut lebten.
[2]
- Peter Broucek
:
Der Schwedenfeldzug nach Niederosterreich 1645/46.
(= Militarhistorische Schriftenreihe, Heft 7) Osterreichischer Bundesverlag Ges.m.b.H., 3. Aufl., Wien 1989,
ISBN 3-215-01654-0
.
- ↑
Wilhelm Braumuller (Hrsg.):
Quellen und Forschungen zur vaterlandischen Geschichte, Literatur und Kunst
. Wien 1849,
S.
462?473
.
- ↑
a
b
Osterreichischer Stadteatlas: Korneuburg