Aus einem deutschen Leben
ist ein deutscher
Spielfilm
aus dem Jahr 1977 nach dem Drehbuch und unter der Regie von
Theodor Kotulla
mit
Gotz George
in der Hauptrolle. Die Umsetzung des
Skripts
beruht auf dem 1952 erschienenen franzosischen Roman
La mort est mon metier
(ins Deutsche ubersetzte Ausgabe:
Der Tod ist mein Beruf
) von
Robert Merle
.
Wie der Roman basiert der Film auf Verhorprotokollen des Prozesses gegen
Rudolf Hoß
,
SS
-
Offizier
und Kommandant des
Konzentrations-
und
Vernichtungslagers
Auschwitz
, sowie auf dessen
autobiographischen
Aufzeichnungen, die er in britischer und nach seiner Auslieferung in polnischer Haft im Jahr 1946/47 geschrieben hatte, bevor er als verurteilter
Kriegsverbrecher
hingerichtet wurde. Statt des Namens Rudolf Hoß, an dessen
Lebenslauf
sich die Handlung orientiert, wird im Film ? einer verallgemeinernden/
anonymisierenden
Intention folgend ? das
Pseudonym
Franz Lang verwendet. Der reale Rudolf Hoß war unter diesem (falschen) Namen nach dem Zweiten Weltkrieg zunachst als vermeintlicher Bootsmaat untergetaucht, bis er 1946 enttarnt und verhaftet wurde.
Der Film ist in 14 voneinander abgetrennte Einzelepisoden aufgeteilt, die fragmentarisch pragnante Stationen des Lebens des
Protagonisten
Franz Lang (eigentlich Rudolf Hoß) nachzeichnen.
Franz Lang, geboren im Jahr 1900, versucht als Jugendlicher wahrend des
Ersten Weltkriegs
mehrmals ? zunachst vergeblich ? an die Front zu kommen. Schließlich meldet er sich als Freiwilliger in einem
Lazarett
, wo er den verwundeten Hauptmann Gunther kennenlernt. Dieser erklart ihm, dass es nur eine Sunde gebe: kein ?guter Deutscher“ zu sein; fur Lang ein sein weiteres Leben pragender Schlusselsatz. Der Offizier verspricht dem jungen Franz, diesen nach seiner Genesung in die von ihm neuaufgestellte Schutzenkompanie zu ubernehmen.
1917 ist Franz Lang bei einem von ihm herbeigesehnten Fronteinsatz, der unter dem Kommando von Hauptmann Gunther steht: Mit drei weiteren Kameraden soll Franz eine MG-Stellung beziehen, und muss an der Front miterleben, wie zwei seiner Kameraden fallen. Ein dritter versucht, Franz zur Fahnenflucht zu uberreden. Doch dieser will den Willen seines zuvor gefallenen Gruppenfuhrers durchfuhren und so lange wie moglich in der MG-Stellung verweilen und erschießt den Fluchtigen. Schwer verwundet schleppt sich Franz Lang mit dem MG hinter die Front zuruck, wo er von Hauptmann Gunther ohnmachtig aufgefunden wird. Dieser befordert ihn etwas spater zum Unteroffizier, da Franz der einzige Uberlebende eines aussichtslosen Kampfes ist.
Auch nach dem Krieg behalt Lang wahrend der
Weimarer Republik
seine Gesinnung, die von Pflichterfullung und Autoritatsglaubigkeit gepragt ist, konsequent bei, und eckt mit dieser Einstellung im Zivilleben wiederholt an: Mit Hilfe eines Kriegskameraden findet er 1919 Arbeit in einer Maschinenfabrik, aus der er aber schon bald ? nach einem Konflikt mit einem alteren Kollegen, der vom Arbeitstempo Langs uberfordert ist ? auf Druck der Belegschaft und des Arbeiterrats (der Bedeutung nach vergleichbar mit einem heutigen
Betriebsrat
) entlassen wird.
Nach seiner Entlassung gerat Lang in
volkisch
-
nationalistische
Kreise. So schließt er sich 1919 dem rechtsextremen
Freikorps Roßbach
an, das unter anderem im
Baltikum
und beim
Ruhraufstand
gegen linksrevolutionare Arbeiter kampfte. Dabei erkennt er in einer Gruppe gefangener Aufstandischer einen ehemaligen Freikorpskameraden, fur dessen Freilassung sich Lang bei seinem Vorgesetzten zunachst einsetzt, indem er ihn auf dessen gemeinsamen Einsatz auf seiten der
Freikorps im Baltikum
sowie auf die Tatsache aufmerksam macht, dass dieser Trager des
Eisernen Kreuzes
sei, welches er fur seinen Einsatz vor
Verdun
bekommen habe. Der Gruppenfuhrer der Einheit uberzeugt Franz Lang, dass es sich hierbei um
Kommunisten
handele, die sich nicht auf eine fruhere Truppenkameradschaft berufen konnten. Diese seien von ?judisch-marxistischen Agitatoren“
ideologisch
verblendet; ferner sei ein Befehl immer verbindend und auch entgegen personlichen Interessen durchzufuhren. Mit dieser Erklarung gibt sich Lang widerstrebend zufrieden. Als Langs ehemaliger Kriegskamerad wenig spater einen Fluchtversuch startet, erschießt ihn Lang auf der Flucht.
Nach Auflosung der
Freikorps
findet Lang eine Beschaftigung als Bauarbeiter. Seinen ersten Lohn verwendet er, um seine Schulden bei Kameraden bezahlen zu konnen. So bleibt kaum Geld zum Leben ubrig. Zudem uberfordert ihn die korperliche Anstrengung so sehr, dass er unter dem Eindruck, seine Pflicht nicht gewissenhaft erfullen zu konnen, in Verzweiflung gerat. Lang beschließt, freiwillig aus dem Leben zu gehen. Doch bevor er sich mit seiner Pistole erschießen kann, besucht ihn ein Kollege vom Bau: Dieser errat sofort Langs Vorhaben und ermahnt diesen, ?treu gegenuber Deutschland zu bleiben“. Lang trage fur Deutschland Verantwortung, auch wenn er jetzt kein Soldat mehr sei. Langs Arbeitskollege, von dem er vermutet, dass er Mitglied der
NSDAP
ist, uberlasst ihm ein Exemplar des
Volkischen Beobachters
. Beeindruckt von der dort verwendeten kampferischen Sprache beschließt Franz Lang, ebenfalls der NSDAP beizutreten.
1922 sucht Lang ein Sturmlokal der ortlichen
SA
auf: Er will sich eintragen lassen. Als er seinen Aufnahme- und Verpflichtungsschein fur den Beitritt zur NSDAP ausgefullt hat, erklart der
SA-Obersturmfuhrer
, dass Lang ab sofort als
SA-Anwarter
in die Sturmabteilung aufgenommen sei und diesem eine vorlaufige Mitgliedskarte der NSDAP ubergeben werde, da es sich bei ihm um einen alten Roßbach-Angehorigen handele. Lang bestatigt, dass er mit dem Freikorps an allen ?Kampfeinsatzen nach dem Kriege“ (
Ruhrgebiet
,
Baltikum
und
Oberschlesien
) teilgenommen habe. Er habe jedoch kein Geld, um sich eine SA-Uniform leisten zu konnen, bedauert Franz dem SA-Fuhrer gegenuber. Daraufhin uberlasst dieser ihm die Uniform eines zuvor erschossenen SA-Mannes.
Als Mitglied der NSDAP und SA-Mann folgt Lang einige Zeit spater dem Aufruf einiger
mecklenburgischer
Gutsbesitzer, die fur ihren Großgrundbesitz eine Schutztruppe aus ehemaligen Freikorps-Soldaten suchen.
Zusammen mit einigen Kameraden des ehemaligen
Freikorps Roßbach
kommt es 1923 zu dem
Parchimer Fememord
, als im Ort der ehemalige Kassierer des Freikorps auftaucht. Dieser war Jahre zuvor mit den Freikorps-Geldern durchgebrannt und bei seinen Kameraden nicht sehr beliebt gewesen. Wahrend eines Saufgelages deckt Franz Lang eine (angebliche)
KPD
-Mitgliedschaft des ehemaligen Freikorps-Kameraden auf. Die anwesenden Freikorps-Leute entfuhren und verprugeln den angeblichen Verrater in einem Waldstuck und er wird dort von Franz Lang erschossen. Ein Beteiligter des Fememordes verrat das Verbrechen aus Angst, und Lang wird 1924 zu zehn Jahren Kerkerhaft verurteilt. In der Haft vertieft er sich in Hitlers Buch
Mein Kampf
und wird dort zum fanatischen Nationalsozialisten. Nach knapp funf Jahren kommt Lang 1928 infolge einer
Amnestie
wieder auf freien Fuß.
Bei seiner sozialen Wiedereingliederung greift die NSDAP ihm unter die Arme und verhilft ihm zu einer Beschaftigung auf dem landwirtschaftlichen Gut des der Partei nahestehenden ehemaligen Obersten Baron von Jeseritz. Der ist bald sehr angetan von Langs Leistungen und fordert ihn weiter: So uberlasst er ihm einen vernachlassigten Bauernhof zur selbstandigen Bewirtschaftung und legt ihm die Ehe mit der vom Baron selbst ausgesuchten Else nahe, die nach der NS-?Rassenlehre“ dem Idealbild einer ?arischen“ Frau entspreche. Lang kommt diesem Wunsch nach und heiratet Else. Bei einem spateren Empfang auf dem Gutshof lernt er
Heinrich Himmler
kennen. Himmler sei Langs Zuverlassigkeit und Organisationstalent zu Ohren gekommen, teilt man ihm dort mit. Franz Lang erhalt von Himmler personlich den Auftrag, eine
Reiterstaffel
aufzubauen, die letztendlich dann in die
Schutzstaffel
zu uberfuhren sei.
Nach dem Ende der Republik bzw. der Machtergreifung der
Nationalsozialisten
wird Lang, inzwischen
Unterscharfuhrer
der
Reiter-SS
, 1934 von Himmler ein Verwaltungsposten im
Konzentrationslager Dachau
bei Munchen angetragen. Obwohl er und seine Ehefrau lieber in der Landwirtschaft geblieben waren, nimmt Lang dieses Angebot des
Reichsfuhrers SS
im Sinn einer ?Verpflichtung fur Partei und Vaterland“ an. Durch seine Parteitreue und sein Organisationstalent konne Lang, so Himmler ihm gegenuber, Staat und Partei am besten dienen. Seiner Frau gegenuber betont Lang, dass ihn der
Reichsfuhrer SS
vor allem wegen seines organisatorischen Talentes auserkoren habe und weil er die Haft kenne, schließlich sei er selbst fast funf Jahre Gefangener gewesen.
Im KZ Dachau wird Franz Lang auf seine Rolle als zukunftiger Lagerkommandant vorbereitet, erfullt auch dort widerspruchslos die ihm ubertragenen Tatigkeiten und steigt so im Lauf der Jahre zum
SS-Sturmbannfuhrer
auf. Wahrend des
Zweiten Weltkrieges
wird Lang 1941 erneut zu Himmler gerufen, der ihn unter Geheimhaltungsauflage uber die geplante und von Hitler befohlene ?
Vernichtung der Juden
“ und die zu diesem Zweck vorgesehenen Lager in Polen informiert. Lang ubernimmt daraufhin das
Vernichtungslager Auschwitz
im deutschbesetzten Polen. Von
Adolf Eichmann
wird Lang uber die verlangten ?Vernichtungskapazitaten“ instruiert. Die bis dahin durchgefuhrten Totungen seien fur die Parteifuhrung noch zu ineffektiv verlaufen. Mehr oder weniger durch Zufall kommt Lang die Idee zum Einsatz des Giftes
Zyklon B
als
hygienisch saubere
und
effektive
Losung zur massenhaften Vergasung der nach Auschwitz deportierten Gefangenen. Fur die Umsetzung dieser Methode wird er 1942 nach einem Besuch Himmlers im Lager mit sofortiger Wirkung zum
SS-Obersturmbannfuhrer
befordert.
Als seine Frau Else wahrend eines Essens mit dem Leiter des
Vernichtungslagers
Chelmno
das Ausmaß der Vorgange im Lager durchschaut und ihren Mann zur Rede stellt, beruft dieser sich auf sein Pflichtgefuhl. Er widerspricht auch nicht der erschrockenen Annahme seiner Frau, dass er auch ihre gemeinsamen Kinder umbrachte, wenn er den Befehl dazu erhielte, sondern ganz im Gegenteil: Naturlich wurde er es tun, wenn er den Befehl dazu erhielte, so Langs Antwort. Er argumentiert seiner Frau gegenuber, dass nicht er fur sein Tun im Lager verantwortlich sei, sondern die Verantwortung seines Tuns liege bei dem, der ihm den Befehl dazu gegeben habe.
Nach Kriegsende taucht Lang auf einem Bauernhof im von
den USA besetzten Teil Deutschlands
unter. Er wird von amerikanischen Soldaten aufgespurt und inhaftiert. Wahrend eines Verhors antwortet Lang auf die Frage eines US-Offiziers, ob er die Ausrottung der Juden fur richtig gehalten habe: ?Was ich glaube, ist unwesentlich. Ich habe nur gehorcht.“
Franz Lang wird an Polen ausgeliefert, dort als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und in Auschwitz gehangt.
In dem Film verzichtet Regisseur Theodor Kotulla bewusst weitgehend auf Hintergrundmusik.
Im Abspann des Trailers zum Film werden Lang (
Rudolf Hoß
) und der Film uber dessen Leben folgendermaßen beschrieben:
?Dieser Mann war kein Killer. Fur das damalige Hitlerregime war er ein ?Volksgenosse‘, ein guter Deutscher: gehorsam, pflichtbewußt, zuverlassig, ordentlich, arbeitsam, kinderlieb und belastbar. ? Der Film ?Aus einem deutschen Leben‘ zeigt, wie ein Mann dazu kommt, auf Befehl ein Konzentrationslager zu bauen und darin eine Totungsanlage zu installieren, die so rationell arbeitet wie das Fließband einer Fabrik.“
Der Film wurde 1977 von der
Filmbewertungsstelle
mit dem
Pradikat
besonders wertvoll
ausgezeichnet und erhielt 1978 bei der Vergabe des
Deutschen Filmpreises
das
Filmband in Silber
in der Kategorie
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.
?[…] Die Austauschbarkeit von Kollektivdenken und Feindbild wird durch die emotionslose, auf Kern und Mechanik solcher ?Bewegung‘ zuruckfuhrende psychohistorische Analyse Kotullas erschreckend deutlich. Politisch-moralische Oberflachlichkeit und Gedankenfluchtigkeit eines irrational zum Hochstwert an sich verallgemeinert propagierten Sinnes fur ?Ruhe, Ordnung und vor allem Sauberkeit‘ ? unter diesem Vorwand wurden in Auschwitz taglich bis zu 9000 Menschen in den ?Duschraum‘ geschickt ? erscheint in Kotullas Film zu Recht als die Hauptursache des totalitaren
Machtmißbrauchs
, wie er deswegen mit verschiedenen Formen und ideologischen Vorzeichen weiterhin weltweit offen oder versteckt zu funktionieren vermag. Insoweit ist diese an Tatsachen orientierte Fiktion ein Lehrstuck, das jeder Padagoge, erst recht jeder Geschichtslehrer mit der Jugend auseinandersetzen sollte […]“
?
Leo Schonecker
:
Auszug aus einer Rezension
[1]
- ↑
film-dienst
Nr. 25, Dezember 1977