Auguste Antoine Piccard
(*
28. Januar
1884
in
Basel
; †
24. Marz
1962
in
Lausanne
) war ein
Schweizer
Wissenschaftler,
Physiker
(
Experimentalphysik
) und
Erfinder
. Er ist der Zwillingsbruder des Chemikers
Jean Felix Piccard
und Vater von
Jacques Piccard
. Der Psychiater und Ballonfahrer
Bertrand Piccard
ist sein Enkel.
Piccard und sein Zwillingsbruder
Jean Felix Piccard
wurden am 28. Januar 1884 in Basel geboren. Ihr Vater war der Chemiker
Jules Piccard
, ihre Mutter Helene Haltenhoff.
Piccard legte 1910 sein Diplom als
Maschinenbauingenieur
am
Polytechnikum in Zurich
(der spateren ETH) ab, 1913 folgte die
Promotion
. 1915 wurde Piccard Privatdozent, 1917 erhielt er eine
Professur
fur Mechanik und ab 1920 fur Physik an der ETH. 1922 erfolgte der Ruf an die
Universitat Brussel
, wo Piccard bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1954 lehrte.
Neben seinen bahnbrechenden
Stratospharenexperimenten
beschaftigte sich Piccard auch mit
Atomphysik
. Er sagte 1917 die Existenz eines dritten Uran-Isotops voraus, welches er Actinuran nannte.
[1]
Dieses wurde 1937 von
Arthur Jeffrey Dempster
entdeckt und als
Uran-235
identifiziert.
[2]
Unter anderem konstruierte Piccard den damals genauesten
Seismographen
.
Vom Gelande der
Augsburger Ballonfabrik
aus gestartet, stellten Piccard und sein Assistent Paul Kipfer am 27. Mai 1931 an Bord des
Ballons
FNRS-1
in einer mit Sauerstoff versorgten Kapsel einen Hohenrekord von 15.781 m auf.
[3]
Damit war zum ersten Mal ein Mensch in die
Stratosphare
aufgestiegen. Die Notlandung erfolgte am
Gurgler Ferner
, ein 1989 in
Obergurgl
errichtetes Denkmal erinnert daran. Solche Fluge galten zuvor als unmoglich, niemand hatte den Ballon
versichern
wollen. Es fand sich auch niemand, der die Kapsel bauen wollte.
[4]
Eine wichtige Motivation fur Piccards Aufstiege in die obere Atmosphare war die Moglichkeit, dort
kosmische Hohenstrahlung
zu messen. Piccard wollte damit experimentelle Beweise fur die Theorien seines Freundes
Albert Einstein
sammeln. Einstein hatte wie Piccard an der ETH studiert. Sie trafen sich auf der legendaren
5. Solvay-Konferenz
1927, die die damals bedeutendsten Physiker der Relativitatstheorie sowie der Atom- und Quantenphysik vereinte. Piccards Ballonaufstiege wurden theoretisch in Zusammenarbeit mit Albert Einstein vorbereitet und konnten tatsachlich einen Teil der speziellen
Relativitatstheorie
erfolgreich experimentell beweisen.
[5]
[6]
Am 18. August 1932 stieg Auguste Piccard mit dem belgischen Physiker
Max Cosyns
(1906?1998) zum zweiten Mal mit einem
Gasballon
auf, diesmal von
Dubendorf
in der Schweiz aus. Sie stellten mit 16.940 Metern (
geometrische Messung
, barometrisch 16.201 Meter) einen neuen Weltrekord auf, der spater auf 23.000 m erhoht wurde.
[7]
Nach dem
Zweiten Weltkrieg
entwickelte er den
Bathyskaph
(
FNRS-2
und
Trieste
), einen Typ des Unterseeboots zur Erforschung der Tiefsee. Am 30. September 1953 stellte Piccard mit der
Trieste
einen neuen Rekord auf, als er im
Tyrrhenischen Meer
, begleitet von seinem Sohn Jacques Piccard, auf eine Tiefe von 3150 Metern tauchte. Das Ziel dieses Tauchgangs war die Erforschung des Tiefseelebens.
Nach Piccard ist das
Mesoskaph
Auguste Piccard (PX-8)
benannt, das bei der
Schweizerischen Landesausstellung
1964 in
Lausanne
mit Touristen im
Genfersee
tauchte.
Im Jahr 1960 erhielt die Bucht
Piccard Cove
in der Antarktis seinen Namen, ebenso 2002 der
Asteroid
(43806) Augustepiccard
.
Auguste Piccard ist die Inspiration fur die Figur
Professor Bienlein
(franz.
Prof. Tournesol
, engl.
Prof. Calculus
) in der Comicserie
Tim und Struppi
. Deren Schopfer
Herge
hatte als Schuler Piccard in Brussel kennengelernt, wo den Schweizer Professor mit seiner eindrucksvollen Korpergroße und seinem auffalligen Aussehen (wirres Haar, steifer Kragen) jedes Kind kannte. Wahrend der fiktive Professor Bienlein mit einer selbstgebauten Nuklearrakete zum Mond flog, bezeichnete der echte Piccard noch kurz vor seinem Tode
Wernher von Brauns
Plane zum Mondflug als ?gefahrliche Utopie“.
[6]
Moglicherweise geht auch Adrian Leverkuhns Erzahlung uber eine Unterwasserexpedition in Thomas Manns
Doktor Faustus
auf Berichte uber Piccards Experimente zuruck. Piccards Stratospharenflug von 1931, der mit einer Notlandung am
Gurgler Ferner
endete, ist das Thema von
Norbert Gstreins
Novelle
O
2
aus dem Jahr 1993. An der Stelle dieser Notlandung errichtete man 2017 die
Piccard-Brucke
.
- Uber den Wolken, unter den Wellen.
Brockhaus, 1954.
- Neue Augsburger Zeitung (Hrsg.):
Prof. Piccards Forschungsflug in die Stratosphare
. Verlag Literar. Institut von Haas & Grabherr, Augsburg 1931. Mit Beitragen von Professor Dr. A. Piccard, Ingenieur P. Kipfer und anderen Sachverstandigen.
- ↑
A. Hermann:
Das Mutterisotop der Kernspaltung
235
U ? 50 Jahre
. In:
Isotopenpraxis Isotopes in Environmental and Health Studies
.
Band
21
,
Nr.
7
, 1985,
S.
237?240
,
doi
:
10.1080/10256018508623501
.
- ↑
The Explorer Gene: How Three Generations of One Family Went Higher, Deeper … ? Tom Cheshire ? Google Books.
In:
books.google.c.
Abgerufen am 3. April 2014
.
- ↑
FAI celebrates 90th anniversary of Auguste Piccard breaking the stratospheric barrier
auf der Website der
Federation Aeronautique Internationale
vom 27. Mai 2021, abgerufen am 31. Juli 2021 (englisch).
- ↑
Bertrand Piccard ? Von Hohenflugen und vom Scheitern Minute 9
- ↑
Hansruedi Voelkle:
Die kosmische Hohenstrahlung.
Bull. Soc. Frib. Sc. Nat. Vol. 100 (2010) S. 1
(PDF; 3,4 MB)
- ↑
a
b
Nachruf Piccard:
DER SPIEGEL, 14/1962
- ↑
Erich Tilgenkamp:
Reisen in ungewohnliche Raume. Eine autorisierte Biographie.
Verlag neues Leben, Berlin 1956.