Auf dem Chimborazo

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Auf dem Chimborazo ist das letzte der sechs ?Deutschen Stucke“ von Tankred Dorst . Es wurde am 23. Januar 1975 im Schlosspark Theater Berlin unter der Regie von Dieter Dorn uraufgefuhrt. [1] In seiner Uberarbeitung anno 1977 hat der Autor die Genre-Bezeichnung ? Komodie “ aus dem Erscheinungsjahr 1975 zuruckgenommen.

Handlung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Geschichte der Dorothea Merz aus dem gleichnamigen Roman wird fortgeschrieben. Dorothea malt ein rosarotes Bild von ihren beiden lebenstuchtigen Sohnen Heinrich und Tilmann. Letztere demontieren die unzutreffende Darstellung der lieben Mutter.

Inzwischen wurde die Fabrikantenfamilie Merz in der DDR enteignet, hat ihren Stammsitz in Grunitz [2] verlassen und lebt in der BRD .

Als Kinder hatten Heinrich und Tilmann von Grunitz aus bei Gelegenheit einen Blick in die sudliche Richtung geworfen. In der Ferne hatten die Jungen einen einzelnen Berg erspaht, den sie ? in Anlehnung an ein Abenteuerbuch ? Chimborazo getauft hatten. Auf diesen Berg [3] ist die Familie Merz gestiegen und will nach der Abenddammerung ein Feuer entzunden, das die armen DDR-Burger von Grunitz aus sehen konnen.

Die Mutter Dorothea ist froh, weil die Sohne einmal Zeit fur sie gefunden haben. Tilmann musse ja sehr viel leisten in seiner verantwortungsvollen Stellung [4] als Wissenschaftler an der Universitatsbibliothek. Auch Heinrich habe Pflichten und trage Verantwortung. Zielstrebig promovierte er uber Jakob Michael Reinhold Lenz . Heinrich gesteht freimutig, vor zwei Jahren schon habe er die Arbeit an der Dissertation eingestellt und schlage sich in den Berufen Reiseleiter sowie Kellner durch. Da Heinrich einmal beim die Wahrheit Sagen ist, stellt er klar, der Gelehrte Tilmann sortiere im Bibliothekskeller lediglich Bucher. Die Mutter weint und spricht: ?Ihr habt mir alles verdorben.“ [5] Geweint hatte Dorothea Merz schon, als sie in die BRD gekommen und endlich ein freier Mensch geworden war.

Es geht um die oben genannten armen Leute in der Ostzone, fur die der schone BRD-Berg unerreichbar bleibt. Dorotha spricht von sich und den Ihren: ?Wir sind doch ganz arme Leute geworden.“ [6] Und der Blick von diesem Chimborazo nordwarts in Richtung Grunitz erscheint auf einmal auch als so etwas wie Heimweh nach einer verlorenen Welt, an der Dorothea seit ihrer Ankunft in Grunitz festhalten wollte.

Form [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wer die ubrigen funf ?Deutschen Stucke“ kennt, erfahrt im sechsten Stuck ?Chimborazo“ noch manch ? teilweise uberraschendes ? Detail. Klara sei schon immer schwerhorig gewesen. Sie sei mit Dorotheas spateren Ehemann Rudolf Merz zusammen in dieselbe Schulklasse gegangen. Nach der Wahl 1933 sei Klara gleich am nachsten Tag aus lauter Angst in die NSDAP eingetreten. [7]

Dann gibt Dorothea noch ein Werturteil uber den kommunistischen Theaterdirektor Herzog aus der ? Villa “ ab. Er sei ein ?furchtbarer Schauspieler“ gewesen. [8]

Heinrich macht sich kleiner als er ist. Mit dem Gryphius -Zitat ?bis der gefundne Tod euch frei vom Irren macht“ [9] weist er sich als Dichter in der Familie Merz aus, der den Finger auf die Wunde legt. Die Wunde in den ?Deutschen Stucken“ liegt offen seit der verhangnisvollen Schuld Zweiter Weltkrieg .

Interpretation [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Unter dem Eindruck der Offenbarungen in dem Stuck ?Chimborazo“ konnen alle sechs ?Deutschen Stucke“ zusammengenommen als so etwas wie ein Entwicklungsroman erscheinen ? allerdings zu einer Entwicklung in das ?Nichts“, wie Heinrich zugibt. [10] Jene fatale Entwicklung trifft alle Mitglieder der Familie Merz. Allerdings musste in dem Film ?Mosch“ der Name Arno Fruhwaldt durch Heinrich Merz substituiert werden. Das ist gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn im Stuck ?Chimborazo“ ist die Rede von Dorotheas Cousin Paul aus Wuppertal . [11] Letzterer spielt eine Rolle im ?Mosch“. Paul darf dort nach Verfugung des Großvaters mietfrei wohnen. [12] Zudem mussen die ?Deutschen Stucke“ auch noch als Entwicklungsroman der Klara Falk genommen werden.

Adaptionen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Textausgaben
  • Tankred Dorst: Auf dem Chimborazo. Eine Komodie. Mitarbeit Ursula Ehler. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975.
  • Auf dem Chimborazo. Ein Stuck. Neufassung 1977. S. 553?599 in Tankred Dorst. Deutsche Stucke. Mitarbeit Ursula Ehler (Foto aus dem Jahr 1985 bei Bekes, S. 44). Werkausgab. Nachwort: Gunther Erken. Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1985.
Sekundarliteratur

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fußnoten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Teilweise in englischer Sprache

  1. Gunther Erken bei Arnold, S. 86, linke Spalte, letzter Eintrag und verwendete Ausgabe, S. 613 unten
  2. Dorst meint seinen Geburtsort Oberlind .
  3. Dorst bezieht sich dabei auf den Muppberg , der sudlich von Sonneberg aus der Linder Ebene herausragt.
  4. Verwendete Ausgabe, S. 564, 14. Z.v.o.
  5. Verwendete Ausgabe, S. 598, 1. Z.v.u.
  6. Verwendete Ausgabe, S. 585, 19. Z.v.u.
  7. Verwendete Ausgabe, S. 583
  8. Verwendete Ausgabe, S. 588, 15. Z.v.o.
  9. Verwendete Ausgabe, S. 597, 6. Z.v.o., siehe auch Gryphius anno 1658 ( Memento des Originals vom 22. Januar 2013 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.nwerle.at : Uberschrift an dem Tempel der Sterblichkeit
  10. Verwendete Ausgabe, S. 595, 1. Z.v.u.
  11. Verwendete Ausgabe, S. 593, 15. Z.v.u.
  12. Verwendete Ausgabe, S. 469, 2. Z.v.u.
  13. Gunther Erken bei Arnold, S. 86, rechte Spalte oben