Atle Selberg
(*
14. Juni
1917
in
Langesund
,
Norwegen
; †
6. August
2007
in
Princeton
,
New Jersey
) war ein norwegisch-US-amerikanischer Mathematiker, der 1950 mit der
Fields-Medaille
fur seine herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der
Zahlentheorie
ausgezeichnet wurde.
Selbergs Interesse an der Mathematik begann bereits als Schuler. In seiner Jugend las er begeistert die gesammelten Veroffentlichungen von
S. Ramanujan
und begann seine eigenen mathematischen Forschungen zu betreiben. Der nachste Einfluss kam durch
Erich Hecke
, von dem er 1936 einen Vortrag auf der
Internationalen Mathematischen Konferenz
in
Oslo
horte.
Er studierte Mathematik an der
Universitat von Oslo
bis zur
Promotion
1943 und blieb dort bis 1947. Im selben Jahr heiratete er Hedvig Liebermann und ging in die
Vereinigten Staaten
. 1947 bis 1948 wirkte er am
Institute for Advanced Study
in
Princeton
und wechselte dann fur kurze Zeit an die
Universitat Syracuse
. 1949 kehrte er wieder als permanentes Mitglied ans Institute for Advanced Study zuruck und wurde gleichzeitig 1951 zum Professor fur Mathematik in Princeton ernannt. 1987 emeritierte Selberg in Princeton, ohne jedoch seine wissenschaftlichen Arbeiten komplett einzustellen. Nach dem Tod seiner Frau Hedvig 1995 heiratete er in zweiter Ehe die Amerikanerin Betty Compton. Nach Angaben seiner Familie verstarb Atle Selberg im Alter von 90 Jahren am 6. August 2007 in seinem Haus in Princeton an Herzversagen. Er hinterließ außer seiner Frau Betty einen Sohn Lars und eine Tochter Ingrid aus erster sowie zwei Stieftochter aus seiner zweiten Ehe. Seine Tochter
Ingrid Selberg
ist Schriftstellerin, verheiratet mit dem aus Trinidad stammenden Theaterautor
Mustapha Matura
.
Selberg wurde zunachst durch seinen ?elementaren“ (das heißt ohne Verwendung der Funktionentheorie) Beweis des
Primzahlsatzes
1948, etwa gleichzeitig mit
Paul Erd?s
, bekannt. Die Frage der gegenseitigen Beeinflussung bei dem Beweis, der entstand, als beide in Princeton waren, war lange umstritten, wesentliche Impulse kamen aber von Selberg, der von Erdos kontaktiert wurde (an einer von Erdos vorgeschlagenen Kollaboration war Selberg aber nicht interessiert, er veroffentlichte grundsatzlich ? bis auf eine Ausnahme ? allein) und auch Erdos zuerst darauf hinwies, dass er selbst einen Beweis hatte, zuerst unter Verwendung eines Resultats von Erdos, dann durch Entwicklung eines ihm naturlicher erscheinenden ganzlich eigenen Beweises.
[1]
Der Ausgangspunkt fur Erdos war eine Formel von Selberg, die nach Selberg den Kern des Beweises lieferte und die Turan Erdos zeigte, ohne Wissen von Selberg. Uber die weitere Veroffentlichungsgeschichte und dass der Eindruck entstand, der Beweis stamme ausschließlich von Erdos, war Selberg nicht sehr erfreut. Noch in der relativen Isolation der Kriegsjahre in Norwegen bewies er außerdem, dass mindestens ein kleiner Prozentsatz der nicht-trivialen
Nullstellen
der
riemannschen Zetafunktion
auf der kritischen Geraden (mit Realteil 1/2) liegt (von
Norman Levinson
1974 auf 1/3 und von
Brian Conrey
1989 auf 2/5 verbessert). Das war ein wichtiger Schritt auf dem Feld der heute noch offenen
Riemann-Vermutung
, davor hatten
Hardy
und
Littlewood
lediglich zeigen konnen, dass unendlich viele Nullstellen auf der kritischen Geraden liegen. 1947 verbesserte er die
Siebmethode
des norwegischen Mathematikers
Viggo Brun
in der analytischen Zahlentheorie (Selberg-Sieb). Die
Spurformel von Selberg
(1956) stellte ahnlich den
expliziten Formeln
der analytischen Zahlentheorie eine Verbindung zwischen Summen uber die
Eigenwerte
(der
Spur
) des
Laplace-Beltrami-Operators
auf
kompakten
Riemannschen Flachen
und Summen uber das geometrische Spektrum, den Langen der
geschlossenen
geodatischen Kurven
, her. Letztere ubernehmen die Rolle der Primzahlen in den entsprechenden Formeln aus der analytischen Zahlentheorie, wahrend die Nullstellen der Zetafunktion den Eigenwerten des Laplaceoperators entsprechen. In diesem Zusammenhang fuhrte er auch ein Analogon zur riemannschen Zetafunktion ein, die
Selberg-Zetafunktion
(mit Primzahlen ersetzt durch die Langen der geschlossenen geodatischen Bahnen). Außerdem arbeitete er uber
automorphe Funktionen
und
Modulformen
(Spurformel von
Martin Eichler
und Selberg, hier die Spur der
Hecke-Operatoren
, operierend im Raum der Modulformen).
Folgende Objekte tragen den Namen von Selberg:
Die Spurformel von Selberg, das Selberg-Sieb, das Selberg-Integral, die Selberg-Klasse, die Rankin-Selberg-L-Funktion, die selbergische Eigenwertsvermutung, die selbergische Zeta-Funktion, Selbergs zentraler Grenzwertsatz.
[2]
Dabei ist die Selberg-Klasse eine axiomatische Definition von
L-Funktionen
und
Zeta-Funktionen
, die die meisten solchen Funktionen umfasst (vier Axiome: Analytizitat, Ramanujan-Vermutung, Funktionalgleichung, Eulerprodukt).
1950 wurde Selberg auf dem
Internationalen Mathematikerkongress
in
Harvard
die
Fields-Medaille
verliehen (Vortrag: The general sieve method and its place in prime number theory). 1962 hielt er einen Plenarvortrag auf dem
Internationalen Mathematikerkongress
in
Stockholm
(Discontinuous Groups and Harmonic Analysis). Weitere Ehrungen fur seine Arbeit waren seine Mitgliedschaften in der
Norwegischen Akademie der Wissenschaften
, der
Koniglich Danischen Akademie der Wissenschaften
, der
American Academy of Arts and Sciences
(1960) und der
Indian National Science Academy
sowie eine Ehrenmitgliedschaft der
London Mathematical Society
. 1972 erhielt Selberg die Ehrendoktorwurde der
Universitat Trondheim
, 1986 zusammen mit
Samuel Eilenberg
den international renommierten
Wolf-Preis
in Mathematik.
- Egil Aubert (Hrsg.):
Number Theory, Trace Formulas, and Discrete Groups. Symposium in Honor of Atle Selberg, Oslo, Norway, Juli 1987.
Academic Press, Boston 1989,
ISBN 0-12-067570-6
.
- Atle Selberg.
In:
Encyclopædia Britannica.
- Peter Sarnak
,
Dennis Hejhal
(Hrsg.):
Some comments on Selbergs Mathematics.
, Bulletin AMS, Band 45, Nr. 4, 2008.
- Skau, Baas:
The Lord of the Numbers. Atle Selberg, On his life and mathematics.
In: Bulletin AMS, Band 45, 2008, S. 617?649 (Interview mit Selberg)
- Hejhal (Hrsg.):
Remembering Atle Selberg.
, Notices of the AMS, Band 56, Nr. 6, Juni/Juli 2009, S. 692?710
- Donald J. Albers, Gerald L. Alexanderson
Fascinating Mathematical People: Interviews and Memoirs
, Princeton University Press 2011
- ↑
Siehe Joel Spencer, Ronald Graham:
The Elementary Proof of the Prime Number Theorem.
In:
Mathematical Intelligencer.
Nr. 3, 2009, werden Erinnerungen von Straus dazu wiedergegeben und die von Selberg selbst aus einem Interview,
Peter Sarnak
,
Dennis Hejhal
: Nils Baas, Christian Skau,
The Lord of the Numbers. Atle Selberg, On his life and mathematics
, Bulletin AMS, Band 45, 2008, S. 617?649, hier S. 642ff.
- ↑
Christine Ferrara:
Atle Selberg 1917?2007.
In:
ias.edu.
Institute for Advanced Study, 9. August 2007,
abgerufen am 21. August 2022
.
1936:
Lars Valerian Ahlfors
,
Jesse Douglas
|
1950:
Laurent Schwartz
,
Atle Selberg
|
1954:
Kodaira Kunihiko
,
Jean-Pierre Serre
|
1958:
Klaus Friedrich Roth
,
Rene Thom
|
1962:
Lars Hormander
,
John Milnor
|
1966:
Michael Atiyah
,
Paul Cohen
,
Alexander Grothendieck
,
Stephen Smale
|
1970:
Alan Baker
,
Heisuke Hironaka
,
Sergei Nowikow
,
John G. Thompson
|
1974:
Enrico Bombieri
,
David Mumford
|
1978:
Pierre Deligne
,
Charles Fefferman
,
Grigori Margulis
,
Daniel Quillen
|
1982:
Alain Connes
,
William Thurston
,
Shing-Tung Yau
|
1986:
Simon Donaldson
,
Gerd Faltings
,
Michael Freedman
|
1990:
Vladimir Drinfeld
,
Vaughan F. R. Jones
,
Shigefumi Mori
,
Edward Witten
|
1994:
Jean Bourgain
,
Pierre-Louis Lions
,
Jean-Christophe Yoccoz
,
Efim Zelmanov
|
1998:
Richard Borcherds
,
Timothy Gowers
,
Maxim Konzewitsch
,
Curtis McMullen
|
2002:
Laurent Lafforgue
,
Wladimir Wojewodski
|
2006:
Andrei Okunkow
,
Grigori Perelman
,
Terence Tao
,
Wendelin Werner
|
2010:
Elon Lindenstrauss
,
Ngo B?o Chau
,
Stanislaw Smirnow
,
Cedric Villani
|
2014:
Artur Avila
,
Manjul Bhargava
,
Martin Hairer
,
Maryam Mirzakhani
|
2018:
Caucher Birkar
,
Alessio Figalli
,
Peter Scholze
,
Akshay Venkatesh
|
2022:
Hugo Duminil-Copin
,
June Huh
,
James Maynard
,
Maryna Viazovska
1978:
Israel Moissejewitsch Gelfand
,
Carl Ludwig Siegel
|
1979:
Jean Leray
,
Andre Weil
|
1980:
Henri Cartan
,
Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow
|
1981:
Lars Valerian Ahlfors
,
Oscar Zariski
|
1982:
Hassler Whitney
,
Mark Grigorjewitsch Krein
|
1983/4:
Shiing-Shen Chern
,
Paul Erd?s
|
1984/5:
Kodaira Kunihiko
,
Hans Lewy
|
1986:
Samuel Eilenberg
,
Atle Selberg
|
1987:
It? Kiyoshi
,
Peter Lax
|
1988:
Friedrich Hirzebruch
,
Lars Hormander
|
1989:
Alberto Calderon
,
John Willard Milnor
|
1990:
Ennio De Giorgi
,
Ilja Pjatetskij-Shapiro
|
1991: Nicht vergeben |
1992:
Lennart Carleson
,
John Griggs Thompson
|
1993:
Michail Leonidowitsch Gromow
,
Jacques Tits
|
1994/5:
Jurgen Moser
|
1995/6:
Robert Langlands
,
Andrew Wiles
|
1996/7:
Joseph B. Keller
,
Jakow Grigorjewitsch Sinai
|
1998: Nicht vergeben |
1999:
Laszlo Lovasz
,
Elias Stein
|
2000:
Raoul Bott
,
Jean-Pierre Serre
|
2001:
Wladimir Igorewitsch Arnold
,
Saharon Shelah
|
2002/3:
Mikio Sat?
,
John T. Tate
|
2004: Nicht vergeben |
2005:
Grigori Alexandrowitsch Margulis
,
Sergei Petrowitsch Nowikow
|
2006/7:
Stephen Smale
,
Hillel Furstenberg
|
2008:
Pierre Deligne
,
Phillip Griffiths
,
David Bryant Mumford
|
2009: Nicht vergeben |
2010:
Shing-Tung Yau
,
Dennis Sullivan
|
2011: Nicht vergeben |
2012:
Michael Aschbacher
,
Luis Caffarelli
|
2013:
George Mostow
,
Michael Artin
|
2014:
Peter Sarnak
|
2015:
James Arthur
|
2016: Nicht vergeben |
2017:
Richard Schoen
,
Charles Fefferman
|
2018:
Alexander Beilinson
,
Vladimir Drinfeld
|
2019:
Jean-Francois Le Gall
,
Gregory F. Lawler
|
2020:
Simon Donaldson
,
Jakow Eliaschberg
|
2021: Nicht vergeben |
2022:
George Lusztig
|
2023:
Ingrid Daubechies