Atheismus
(von
altgriechisch
?θεο?
atheos
?ohne Gott“) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des
Glaubens
an einen
Gott
oder Gotter. Im Gegensatz dazu bezeichnen
Deismus
und
Theismus
(
θε??/?ε??
theos
?Gott“) den Glauben an Gotter, wobei der
Monotheismus
den Glauben an einen Gott und der
Polytheismus
den Glauben an mehrere Gotter bezeichnet. Zum Atheismus im weiteren Sinne zahlen einige auch den
Agnostizismus
(agnostischer Atheismus), nach dem eine Existenz von Gott oder Gottern ungeklart oder nicht klarbar ist. Im engeren Sinne bezeichnet er die
Uberzeugung
, dass es Gottheiten nicht gibt.
Die begriffliche Spannbreite von
Atheismus
umfasst einerseits die ?weiten“ Begriffsbedeutungen, die ein Dasein ohne Glauben an Gott, entsprechende Lebensweisen und diesbezugliche Begrundungen einschließen (auch als ?Nichttheismus“ begriffen), und andererseits ?enge“ oder ?starke“ Bedeutungen, die in Hinsicht auf Gotterbehauptungen verneinend, gegebenenfalls kampferisch oder mit Gegenbeweisen vertreten werden (auch bezeichnet als ?
Antitheismus
“).
[1]
[2]
Im
antiken Griechenland
wurde der Atheismus-Begriff mit dem
Alpha privativum
gebildet
(A-theismus)
, er hat verschiedene
altgriechische
Varianten (Substantiv:
?θε?τη?
im Sinne von ?Gottlosigkeit, Gottesleugnung, Unglaube“) und er war in
Asebie
-Prozessen ein hinreichender Anklagepunkt. Die
latinisierte
Form ?Atheismus“ findet sich erstmals bei
Cicero
, seit Ende des 16. Jahrhunderts erscheint sie im
deutschen
Schrifttum (
fruhneuhochdeutsch
Atheisterey
)
[3]
und sie gilt seit Beginn des 18. Jahrhunderts als eingedeutscht.
In der Zeit der
Aufklarung
waren es zunachst
Freidenker
,
Deisten
,
Pantheisten
und
Spinozisten
, die von Philosophen und etablierten Kirchen als Atheisten bezeichnet und bezichtigt wurden.
[4]
Ein Teil der
Enzyklopadisten
war dem Atheismus besonders verbunden. Als Kampfbegriff diente und dient (zumeist in den Sudstaaten der USA)
Atheist
auch zur moralischen
Diffamierung
derjenigen, welche zwar den
Theismus
akzeptierten, aber in Einzelaspekten von der herrschenden Gotteslehre abwichen. Jedoch wird in der Regel als Atheist bezeichnet, wer es ausdrucklich verneint, an Gott oder Gotter zu glauben.
[5]
Agnostiker
, die an keinen Gott glauben, werden vielfach zu den Atheisten im weiteren Sinne gezahlt, obgleich nicht alle damit einverstanden sind. Agnostische Ansichten, nach welchen auch die Nichtexistenz Gottes nicht
erkannt
werden kann, sind hierbei nicht benannt.
[6]
Der Agnostizismus vereint unterschiedliche Ansichten; daher ist die Zuordnung des Agnostizismus zum Atheismus umstritten (und umgekehrt).
Umstritten ist auch die Zuordnung des
Positivismus
zum Atheismus. Der Philosoph
Alfred Jules Ayer
, Vertreter des
logical positivism
(
Logischer Empirismus
), betont, dass seine Position zu Satzen wie ?Gott existiert“ weder mit Atheismus noch mit Agnostizismus verwechselt werden sollte. Er halte solche Satze fur metaphysische Außerungen, die weder wahr noch falsch seien. Charakteristisch fur einen Atheisten sei hingegen die Ansicht, ?dass es zumindest
wahrscheinlich
ist, dass es keinen Gott gibt“.
[7]
Ob auch Positionen als ?Atheismus“ bezeichnet werden sollen, die keine Gottheit annehmen, jedoch nicht auf Religionslosigkeit reduzierbar sind, wie etwa im
Jainismus
oder
Konfuzianismus
, ist in der Literatur umstritten.
[8]
Teils wird vorgeschlagen, die explizite Ablehnung theistischer Positionen als ?theoretischen“, und die Lebenspraxis (die sich vollzieht, ?als ob“ ein
Numinoses
nicht existierte)
[8]
als ?praktischen Atheismus“ zu bezeichnen.
[9]
Seit dem 19. Jahrhundert wird der Begriff ?Atheismus“ in einem
naturalistischen
Sinne teilweise so eng gefuhrt, dass er gegen alle
supernaturalistischen
Auffassungen gerichtet wird, die mit einem Glauben an ubernaturliche Wesen, Krafte oder Machte gottlicher wie nichtgottlicher Art verbunden sind (
Animismus
,
Spiritismus
,
mono-
und
polytheistische
Religionen). Dies wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts oft als ?Neuer Atheismus“ bezeichnet, wenn die Argumentation als naturwissenschaftlich ausgewiesen ist (siehe Abschnitt
Neuer Atheismus
).
Umfragen zum Thema Atheismus werfen methodische Probleme auf, da es schwierig ist, eine einheitliche Abgrenzung zwischen Sakularisten, Humanisten, Nichttheisten, Agnostikern und spirituellen Personen vorzunehmen.
[10]
Immer mehr verschwimmt die Grenze zwischen Glaubigen und Nichtglaubigen.
[11]
Das
The World Factbook
der
CIA
schatzte im Jahre 2010: Atheisten 2,32 %, Nichtreligiose 11,77 %, Christen 33,32 % (darunter 16,99 % romisch-katholisch), Muslime 21,01 %.
[13]
In seiner ?Bilanz des Unglaubens“ meint
Georges Minois
, es kursierten Unmengen an Zahlen, ?die allesamt falsch sind“. Allenfalls konne man aus ihnen ersehen, dass mehr als ein Funftel der Menschheit nicht mehr an einen Gott glaube.
[14]
Minois prasentiert selbst Schatzungen fur das Jahr 1993 ? weltweit 1,2 Milliarden Agnostiker und Atheisten
[15]
? sowie fur das Jahr 2000 ? etwa 1,1 Milliarden Agnostiker und 262 Millionen Atheisten,
[16]
und zum Vergleich etwa 1,2 Milliarden Glaubige fur den Islam und 1,1 Milliarden fur die katholische Kirche.
Laut dem Eurobarometer 2010
[17]
glaubten 20 % der Burger der damals 27 EU-Staaten weder an Gott noch an eine spirituelle Kraft. Eine Mehrheit von 51 % glaubte an Gott und 26 % an ?eine Art von spiritueller Kraft“; 3 % außerten sich nicht. Zwischen den einzelnen Landern gab es große Unterschiede; so war der Anteil der Gottesglaubigen in Malta mit 94 % und Rumanien mit 92 % am hochsten und mit 16 % in Tschechien und 18 % in Estland am geringsten. In Deutschland, Osterreich und der Schweiz wurden je 44 % ermittelt.
Die Anzahl der Einwohner, die angaben, weder an Gott, noch an eine spirituelle Kraft zu glauben, war im Jahr 2010 mit 40 % in Frankreich und 37 % in Tschechien am hochsten und betrug in Deutschland 27 %, in Osterreich 12 % sowie 11 % in der Schweiz. Laut dem Eurobarometer 2005
[18]
glaubten mehr Frauen (58 %) an Gott als Manner (45 %); der Glaube an Gott korrelierte positiv mit dem Alter, politisch konservativer Einstellung und geringer Schulbildung.
In den USA liegt die Zahl der Personen, die an Gott oder eine hohere Macht glauben, bei 91 %.
[19]
Das Worldwide Independent Network und die
Gallup International Association
befragten im Zeitraum zwischen 2011 und 2012 fast 52.000 Personen aus 57 Landern zu ihren religiosen Einstellungen. 13 % der befragten Personen bezeichneten sich als ?uberzeugte Atheisten“, 23 % nannten sich ?nicht-religios“ und 57 % gaben an, eine religiose Person zu sein. Laut der Studie sind 15 % der Bevolkerung in Deutschland uberzeugte Atheisten. China (47 %) und Japan (31 %) sind die Lander mit dem hochsten Anteil an uberzeugten Atheisten. Zwischen 2005 und 2012 hat sich der Anteil religioser Personen weltweit um 12 % (9 Prozentpunkte) verringert, wahrend der Anteil von Atheisten um 75 % (3 Prozentpunkte) gestiegen ist. In manchen Landern ist dieser Trend besonders ausgepragt: In Vietnam, Irland und der Schweiz ging der Anteil der Personen, die sich selbst als religios bezeichnen, zwischen 2005 und 2012 um 43, 32 und 30 % bzw. um 23, 22 und 21 Prozentpunkte zuruck.
[20]
[21]
[22]
Der Anteil an Atheisten ist nach Erhebungen in den
USA
bei Wissenschaftlern besonders hoch: Nur sieben Prozent der Mitglieder der
amerikanischen Akademie der Wissenschaften
glauben an die Existenz eines
personalen
Gottes.
[23]
Eine Umfrage unter Mitgliedern der
American Association for the Advancement of Science
von 2009 ergab, dass 51 % der amerikanischen Wissenschaftler an Gott oder eine hohere Macht glauben, wesentlich weniger als in der Allgemeinbevolkerung. Der Anteil der atheistischen Wissenschaftler hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht wesentlich verandert. So ergab eine Umfrage des Psychologen James H. Leuba im Jahr 1914, dass 42 % der amerikanischen Wissenschaftler an einen personlichen Gott glaubten und ebenso viele nicht. Im Jahre 1996 wiederholte der Geschichtswissenschaftler
Edward J. Larson
die Umfrage von Leuba mit den gleichen Fragen und der gleichen Anzahl Personen und kam auf 40 % glaubige und 45 % atheistische Wissenschaftler.
[24]
Eine im November 2013 veroffentlichte
Metaanalyse
von 63 Einzelstudien kam zu dem Ergebnis, dass Atheismus oder ein Nicht-Glauben an Gott
signifikant
(Korrelationskoeffizient: ? 0,24) mit Intelligenz zusammenhangt (Intelligenz wurde in den meisten Studien erfasst durch den
g-Faktor
).
[25]
Mehrere Forschungen ergaben einen positiven Zusammenhang zwischen Religiositat und
Geburtenziffer
. So hatten im Jahr 2002 in Deutschland Menschen, die sich selbst als nicht religios bezeichneten, mit durchschnittlich 1,4 Kindern deutlich weniger Kinder als Menschen, die sich als religios bezeichneten (durchschnittlich 1,9 Kinder).
[26]
Das
Institut der deutschen Wirtschaft
kam bei einer Auswertung der weltweit erhobenen Daten des
World Values Survey
zu ahnlichen Ergebnissen.
[27]
Im Lauf der Geschichte kamen Atheisten vielfach mit politischen Autoritaten in Konflikt. Die Außerung atheistischer Ansichten wurde noch im Jahre 2013 in zahlreichen Landern mit Freiheitsentzug bestraft, in 13 Landern sogar mit dem Tod.
[28]
In der Neuzeit wurden gesellschaftliche Bereiche einschließlich der Politik, des Rechts und der Religionsausubung zunehmend autonom. Die
Trennung von Kirche und Staat
wurde mit Hilfe
aufklarender
Bewegungen verfassungsrechtlich verankert und dann durch
staatskirchenrechtliche
Bestimmungen ausgeformt. Diese Trennung wird als atheistisch bezeichnet (insbesondere im
Laizismus
). In Abgrenzung zu religios-politischen oder auch staatsatheistischen Machthabern garantiert das
rechtsstaatliche
Prinzip eine weltanschauliche Neutralitat in einer prozessual grundlegenden Weise. Rechtsstaatliche Verfassungsorgane sind in ihren Entscheidungen nicht nur von religiosen, sondern auch von sonstigen externen Einflussen entsprechend
entbunden
und stattdessen vorrangig einer Verfassung verpflichtet, die in modernen Staaten auf
Freiheitsklauseln
basiert. Die entsprechend neutrale Rechtsbildung fuhrte auch gegen politische Widerstande zu einer zunehmend rechtswirksamen Tolerierung atheistischer Positionen und Lebensgestaltungen in der modernen Welt.
Heute enthalten die Verfassungen vieler demokratischer Staaten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und darin eingeschlossen das Recht, Atheist zu sein oder zu werden. Nicht in allen diesen Staaten gibt es eine
strenge Trennung
von Staat und Religion, zumal Religionen aus Kultur- und Selbstbestimmungsgrunden unterschiedlich stark geschutzt werden (beispielsweise durch ein Recht auf Religionsunterricht). Hinzu kommt der Gottesbezug in Verfassungen. So beginnt die
Praambel
des
Grundgesetzes fur die Bundesrepublik Deutschland
mit den Worten: ?Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor
Gott
und den Menschen …“. Die Praambel der
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
beginnt mit den Worten: ?Im Namen Gottes des Allmachtigen!“ Im Jahre 1998 scheiterte bei einer Totalrevision der Verfassung ein Vorstoß, diese Praambel zu streichen. Einige heutige
Strafgesetzbucher
enthalten Regelungen, die die
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
als einen Straftatbestand ansehen. Atheistische Religions- oder Kirchenkritiker wurden infolgedessen in der Vergangenheit nach offentlichen Außerungen wiederholt strafrechtlich verfolgt.
Auf der anderen Seite war Atheismus
Bestandteil der marxistisch-leninistischen
Staatsdoktrin, zum Beispiel in der
Sowjetunion
und in der
Deutschen Demokratischen Republik
, so dass Formen der Religionsausubung in den staatlich gelenkten Erziehungseinrichtungen keinen Ort hatten und politisch bekampft wurden. Die Entkirchlichung Ostdeutschlands wird von
Richard Schroder
als die wohl wirksamste Hinterlassenschaft des SED-Regimes angesehen. Seinen Angaben zufolge waren im Jahre 1950 noch 91,5 Prozent der DDR-Burger Kirchenmitglieder, 1964 noch 67,4 Prozent und am
Ende der DDR
etwa 25 Prozent.
[29]
Diese Entwicklung setzt sich auch nach der Wiedervereinigung fort, so ging der kirchlich gebundene Bevolkerungsanteil weiter zuruck und liegt in Großstadten wie Magdeburg oder Halle mittlerweile nur noch bei rund 15 %. Die Mitgliederschaft der beiden großeren Kirchen in Ostdeutschland ist daruber hinaus in hohem Maße uberaltert und wird daher weiterhin abnehmen.
Die von staatlicher Seite als Fortschrittsdoktrin gelehrte, marxistisch grundierte atheistische Weltanschauung wird von Kritikern wie
Herbert Schnadelbach
als ?konfessioneller Atheismus“ und ?Staatsreligion“ oder ?
Staatsatheismus
“ bezeichnet.
[30]
In der
Volksrepublik Albanien
wurde 1967 (bis 1990) ein totales Religionsverbot ausgerufen, und das Land bezeichnete sich als ?erster atheistischer Staat der Welt“. Im gesamten so genannten
Ostblock
wurde der Atheismus gefordert, wahrend gelebte Religiositat zumindest argwohnisch betrachtet wurde, oft auch mit Nachteilen verbunden war oder gar gezielt verfolgt wurde, wie etwa bei den
Christenverfolgungen
unter
Stalin
.
NGOs
zufolge werden auch heute noch religiose Gruppen und Einzelpersonen in manchen sich selbst als ?atheistisch“ verstehenden Staaten wie Nordkorea
[31]
verfolgt und oftmals inhaftiert, gefoltert und getotet.
Der Atheismus wird aktiv gefordert, beispielsweise im
Humanismus
, im
Existentialismus
und durch die
Freidenkerbewegung
. Zu großen Anteilen sind der
Sozialismus
,
Kommunismus
und
Anarchismus
atheistisch gepragte Weltanschauungen. In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, so
Georges Minois
in seiner
Geschichte des Atheismus
, habe der Eifer des antireligiosen Kampfes nachgelassen: ?Die Lager zerfallen rasch, abgesehen von einem unvermeidlichen harten Kern auf beiden Seiten. Der Zweifel durchdringt alle Gemuter, genahrt von einem Gefuhl der Ohnmacht und Vergeblichkeit, fast Nichtigkeit gegenuber Fragen, die einst die Geister entflammten.“
[32]
Eine Orientierung an naturwissenschaftlichen Erklarungsmodellen lasst fur einige
Wissenschaftler
fruh die ?Gotteshypothese“ als methodisch unzulassig erscheinen, da sie keine wissenschaftlich beobachtbaren Konsequenzen habe, mithin auch keine wissenschaftlich beschreibbaren Phanomene erklare. Eine derartige Ausklammerung Gottes aus wissenschaftlicher Forschung wird als methodischer oder methodologischer Atheismus bezeichnet.
[33]
Er impliziert allerdings keinen theoretischen Atheismus, behauptet also nicht, dass Gott nicht existiert. Daher wird manchmal praziser von ?methodischem Noninterventionismus“ gesprochen.
[34]
Die Frage, ob wissenschaftliches Denken und die Annahme eines Gottes uberhaupt dergestalt in Beziehung treten konnen, dass eine gegenseitige Bestatigung oder Widerlegung denkbar ist, wird unter Wissenschaftstheoretikern kontrovers beurteilt. Auch in popularwissenschaftlichen Schriften finden sich gegenteilige Annahmen. Einige, z. B.
Stephen Jay Gould
und
John Polkinghorne
, vertreten den Standpunkt, dass die Wissenschaft mit der Religion nicht in Konflikt stehe, da sich Erstere mit
Empirie
, Letztere hingegen mit Fragen letzter Begrundung und mit moralischen Werten befasse. Andere, z. B.
Richard Dawkins
,
Steven Weinberg
und
Norman Levitt
, argumentieren, dass Theismus mit einer wissenschaftlichen Weltsicht grundsatzlich unvereinbar sei, da
Wunder
wie die
Auferstehung Jesu Christi
die Naturgesetze außer Kraft setzen mussten; die Wissenschaft fuhre demnach zwangslaufig zu Atheismus, Deismus oder Pantheismus.
[35]
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es noch mehrere wirkungsmachtige, intellektuell sogar
hegemoniale
?wissenschaftliche Weltanschauungen“, darunter den Marxismus in mehreren politischen Ausformungen, die
Psychoanalyse
oder den
Neopositivismus
, die erklartermaßen atheistisch waren und den Religionen eine schadliche Wirkung zuschrieben.
[36]
Mit anderen vertrat
Immanuel Kant
die Auffassung, dass
moralische
Prinzipien auch ohne Ruckgriff auf hohere Wesen in der menschlichen
Vernunft
oder in der Natur zu grunden seien. Recht und Moral gaben die Moglichkeit,
Maximen
von Freiheit und Handlungen unter allgemeinen (Vernunft-)Gesetzen bestehen zu lassen.
[37]
Zumindest sollte hier ableitbar sein, dass die Beurteilungskriterien rational verhandelbar seien.
Vor allem in kirchlichen Kreisen wird die Meinung vertreten, dass mit dem fehlenden Glauben an Gott die Verneinung moralischer Werte im Sinne eines
Nihilismus
einhergehe.
[38]
So bezeichnet der
evangelikale
Religionswissenschaftler und Publizist
Ravi Zacharias
den Atheismus als ?jeden Wertes beraubt“ und bestreitet, dass es fundierte moralische Prinzipien ohne Ruckgriff auf hohere Wesen geben konne. Der katholische Staatsrechtler und vormalige Verfassungsrichter
Ernst-Wolfgang Bockenforde
wird mit der Formel zitiert: ?Der freiheitliche, sakularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Dieses sogenannte
Bockenforde-Diktum
wird teilweise so gedeutet, dass Demokratien auf religiose Bindungen als Garanten gemeinsamer Grundwerte angewiesen seien.
Gegen diese Deutung wendet sich
Gerhard Czermak
. Er meint, Bockenforde werde ?grundlich missverstanden, wenn nicht instrumentalisiert“, sofern aus seinem Diktum abgeleitet werde,
?[…] der Staat musse die Kirchen und Religionsgesellschaften als Wertestifter in
besonderer
Weise fordern, weil man sonst die Zerstorung fordere […]. Er [Bockernforde] spricht von Wagnis und verweist auf die in der Gesellschaft wirkenden hochst unterschiedlichen Krafte. Es geht ihm darum, dass
alle
Gruppierungen mit ihrem je eigenen, auch moralischen, Selbstverstandnis zur Integration eines Teils der Gesellschaft beitragen.“
[39]
Auch empirisch ist das Verhaltnis von Religion und
Moral
nicht geklart. Einige Untersuchungen legen nahe, dass personliche Moral nicht von personlicher Religiositat abhangig ist. So fanden z. B. Franzblau
[40]
bei Atheisten großere Ehrlichkeit, und Ross
[41]
bei Atheisten großere Hilfsbereitschaft gegenuber Armen.
Gero von Randow
entnimmt sozialpsychologischen Studien ?eine auffallend geringe Kriminalitat unter Nichtglaubigen. Das sollte umgekehrt auch nicht zu ihren Gunsten ins Feld gefuhrt werden, denn sie sind tendenziell sozial besser gestellt und gebildeter als die Glaubigen, jedenfalls im Westen; wir haben es hier also nicht mit einem Religions-, sondern mit einem Klasseneffekt zu tun.“
[42]
Eine Trennung von Moral und Theismus stellt die Auffassung dar, die unter anderem
John Leslie Mackie
in seinem Buch
Ethik
und Richard Dawkins in seinem Buch
Der Gotteswahn
ausfuhren, namlich dass Moral an den Prozess der biologischen
Evolution
gekoppelt und Ergebnis eines gesellschaftlich beeinflussten Entwicklungsprozesses sei. Hieraus konne folgen, dass die menschliche Moral auch dann Bestand habe, wenn Religionen in Verfall gerieten.
Laut einer empirischen Studie ist Atheismus (ebenso wie sich nicht einer Religionsgruppe zugehorig zu fuhlen) mit der Vorstellung verbunden, dass das
Leben dann sinnvoll ist
, wenn man ihm selbst Sinn gibt. Dagegen unterscheiden sich Atheisten und Theisten nicht hinsichtlich ihrer Neigung zu
Fatalismus
oder Nihilismus.
[43]
Aus atheistischer Perspektive erscheint das Handeln aufgrund angeblich gottlicher Gebote fragwurdig, weil die Bewertung eines Verhaltens oder einer Handlung nicht von den Folgen fur die Betroffenen abhangt, also auf die zwischenmenschliche Ebene zielt, sondern als ethisch wunschenswert hauptsachlich vermittels der
extrinsischen
Festsetzung eines transzendenten Wesens gilt. Ein Mord zum Beispiel ware nach streng theistischer Auffassung nicht bereits wegen der Folgen fur das Opfer eine schlechte, zu verurteilende Handlung, sondern auf der Grundlage gottlicher Gebote. ?Es erscheint als hochst problematisch, etwas so Notwendiges wie die Moral auf die Basis von so Dubiosem ? wie es der religiose Glaube ist ? stellen zu wollen. Wie sollte auf diese Weise eine wirkliche Orientierung und Lebenskunde moglich sein?“, schreibt
Gerhard Streminger
.
[44]
Bereits
Platon
hatte in seinem fruhen
Dialog
?
Euthyphron
“ mit dem sogenannten
Euthyphron-Dilemma
darauf hingewiesen, dass es generell unmoglich sei, das moralisch
Gute
im Ruckgriff auf ein gottliches Prinzip zu begrunden. Auch nach Kant kann die Verpflichtung eines Menschen zur Moralitat prinzipiell nicht dadurch begrundet werden, dass man auf die ?Idee eines andern Wesens uber ihm“, also auf einen Gott verweist.
[45]
Dem Argument, ohne ein von einer gottlichen Instanz gegebenes, fur jeden Menschen gleichermaßen verbindliches Gesetz sei es schwieriger, eine gemeinsame ethische Grundlage fur eine Gesellschaft zu finden, halten manche Atheisten entgegen: Keine Religion konne uberzeugend begrunden, warum ihr Gesetz von einer gottlichen Instanz gegeben worden sein sollte und deshalb Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen konnen sollte. Nicht einmal die Existenz irgendeiner gottlichen Instanz konne uberzeugend begrundet werden. So durfe man davon ausgehen, dass die Gesetze der Religionen ebenso von Menschen gemacht seien wie alle anderen Gesetze und Verhaltensregeln: teilweise auf der Basis von Vernunft und Einsicht, teilweise auf der Basis der Interessen derjenigen, die uber genug Macht verfugten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.
Wahrend einerseits Gesetze einer gottlichen Instanz als Hilfsmittel zur Stabilisierung des sozialen Miteinanders angesehen werden, vertreten manche Atheisten die Auffassung, dass der Anspruch der Religionen auf Allgemeinverbindlichkeit ihrer Gesetze es oftmals erschwert habe, eine gemeinsame ethische Grundlage fur eine Gesellschaft zu finden. Nicht selten habe der Versuch, diese Allgemeinverbindlichkeit durchzusetzen, zu Verfolgungen, Vertreibungen oder gar Glaubenskriegen gefuhrt. Umgekehrt wird auf Christenverfolgungen gemaß atheistischer Staatsdoktrin verwiesen.
Atheisten halten eine religiose Uberzeugung fur die Erarbeitung einer gemeinsamen (moralisch-)ethischen Grundlage vielfach eher fur hinderlich: Viele Glaubige fuhlten sich an gottliche Gesetze gebunden und seien vermutlich deshalb weniger bereit, ihre Vorstellungen in Zusammenarbeit mit anderen Menschen weiterzuentwickeln. ?Prallen Anhanger religios fundierter Ethiken aneinander, so sind Konflikte in vernunftiger Weise kaum zu losen, da alle sich von Gott geleitet fuhlen; alle glauben, dass die eigenen Gebote objektiv gegeben, eben gottgewollt seien“, schreibt Gerhard Streminger.
[44]
Einige Glaubige hingegen betrachten die (moralisch-)ethischen Vorstellungen, die ihre Religion mit verwandten Religionen gemeinsam hat, als gute Grundlage fur Zusammenarbeit und Weiterentwicklung.
[46]
Ein Problem mangelnder Bereitschaft zur Weiterentwicklung ethischer Vorstellungen kann aus atheistischer Sicht darin liegen, dass die Anpassung von Verhaltensregeln an neue gesellschaftliche Gegebenheiten verhindert wird. Fur die ethische Beurteilung einer Scheidung zum Beispiel sei zu berucksichtigen, ob die Frau als Konsequenz daraus materieller Not und gesellschaftlicher Achtung ausgesetzt ware, oder ob sie materiell abgesichert und gesellschaftlich akzeptiert bliebe.
Wahrend Glaubensvertreter den Atheisten vielfach die fur ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben notige ethische Fundierung absprechen, findet andererseits ? hauptsachlich in der
westlichen Welt
? seit einigen Jahrzehnten eine lebhafte Auseinandersetzung daruber statt, ob nicht atheistischer
Humanismus
eine zeitgemaßere Grundlage fur eine allgemeine
Ethik
bietet als die tradierten Religionen.
Deutschsprachige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbande:
Im Ausland tatige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbande:
Internationale Bewegungen, Dachverbande und Komitees:
Die Frage, was an einer Haltung religios sein konne, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt, behandelte
Ronald Dworkin
in seinen Vorlesungen zu
Albert Einstein
. Seine Antwort: ?Religion ist etwas Tieferes als Gott.“ ?Er verstand sich als religioser Atheist, das heißt: Er glaubte zwar nicht an Gott, wohl aber an die sinnhafte Einheit des Kosmos und die Versohnung von Glauben und Wissen.“ Wahrend Theisten sie als von Gott geboten betrachten, argumentiert Dworkin, unsere ethischen Uberzeugungen ?konnten wir nicht haben, ohne zu denken, dass sie objektiv wahr sind“.
[49]
Einige Atheisten verstehen ihre Weltanschauung als religioses Bekenntnis und streben auf dem Wege einer religionsrechtlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft eine Gleichberechtigung und staatliche Gleichbehandlung an.
Eine deutschsprachige Gruppierung dieses Typs ist die
Atheistische Religionsgesellschaft in Osterreich
.
[50]
Am 30. Dezember 2019 brachte sie den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Rechtspersonlichkeit als staatlich eingetragene religiose Bekenntnisgemeinschaft ?Atheistische Religionsgesellschaft in Osterreich“ beim
Kultusamt
im osterreichischen Bundeskanzleramt ein.
[51]
Laut Eigendarstellung der
freireligiosen Bewegung
gibt es unter den Freireligiosen auch Atheisten oder atheistisch-religiose Positionen.
[52]
Die Religionskritik der Bibel ist der Ausgangspunkt eines judischen und christlichen Atheismus. Das Judentum beschreibt
Douglas Rushkoff
, Professor fur Kommunikationstheorie an der New York University, aufgrund der Bilderlosigkeit des biblischen Gottes als Ausweg aus der Religion (
Nothing Sacred: The Truth about Judaism
, 2004). In den 1960er Jahren bildete sich in den USA eine Gruppe von Theologen, welche unter dem Satz ?
Gott ist tot
“ einen christlichen Atheismus proklamierte. Vertreter dieser Richtung sind der Theologe Thomas J. Altizer (
The Gospel of christian atheism
, 1966), William Hamilton (
Radical Theology and the Death of God
, 1966), Paul van Buren (
The secular meaning of the Gospel
, 1963) oder Gabriel Vahanian (
The death of God
, 1961).
Der ?Tod Gottes“, also die vermeintliche Unmoglichkeit, in der modernen Welt rational an einen Gott zu glauben, sei, so beispielsweise J. Altizer, eine gute Nachricht, da sie den Menschen von einem transzendenten Tyrannen befreit habe. Die sakulare Botschaft der
Evangelien
beziehe sich gemaß Paul van Buren allein auf den ?Befreier“
Jesus von Nazaret
. Wahrend der Glaube an einen (jenseitigen) Gott abgelehnt wird, steht bei den ?christlichen Atheisten“ die
ethisch-moralische
Botschaft Jesu, die rein auf das Diesseits bezogen wird, im Mittelpunkt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch eine Verknupfung von Atheismus und Christentum entwickelt, die sich explizit auf das Schweigen Gottes angesichts der Ermordung von Millionen von Juden durch deutsche Nationalsozialisten im
Holocaust
bezieht. Die deutsche Theologin
Dorothee Solle
ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung. Beeinflusst wurden einige Theologen der ?Gott-ist-tot-Theologie“ auch durch die religionsphilosophischen Gedanken
Ernst Blochs
im dritten Band seines Hauptwerkes
Das Prinzip Hoffnung
. 1968 hat Bloch Gedanken daraus zusammengefasst, prazisiert und erweitert in dem Buch
Atheismus im Christentum
, in dem sich der Satz findet:
?Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: nur ein Christ kann ein guter Atheist sein.“
Dorothee Solle, von Bloch beeinflusst, veroffentlichte ebenfalls 1968 ein Buch mit einem ganz ahnlichem Titel:
Atheistisch an Gott glauben.
Atheismus bedeutet bei Ernst Bloch wie auch bei Dorothee Solle nicht den Verzicht auf Sinnhaftigkeit oder Transzendenz, sondern die Abkehr von einem allzu theistischen Gottesbild, der Vorstellung eines Gottes, der als allmachtiger, allwissender und allgegenwartiger Gott Not und Leid bis hin zu
Auschwitz
zugelassen hat. In der
Dekonstruktion
und in der Nachfolge des Denkens von
Emmanuel Levinas
und
Jacques Derrida
fand sich ein weiterer Ansatz der Ausarbeitung eines christlichen Atheismus. Vertreter sind unter anderem Peter Rollins und
Jean-Luc Nancy
(
Dekonstruktion des Christentums
2008). Kurzgefasst kann man darin die Vereinnahmung der Geste der Dekonstruktion sehen, in der der Sohn das Gesetz, die Arche des Vaters auflost, indem er aber selbst vom Gesetz verurteilt wird. Damit werden messianische Ansatze des spaten Derrida mit seinem Denken uber die
differance
verbunden.
Der
Buddhismus
kennt keinen Glauben an einen Schopfergott. Manche buddhistische Schulen nehmen aber in ihrer Kosmologie die Existenz zahlreicher anderer Ebenen der Wirklichkeit an, auf denen sowohl besser- als auch schlechtergestellte Wesen existieren, von denen die hoheren Wesen den hinduistischen Gottern (
Devas
und
Asuras
) entsprechen. Diese Gotter sind allerdings wie alle Wesen selbst im Existenzkreislauf,
Samsara
, gefangen; im Sinne der Wiedergeburtslehre kann jedes Wesen irgendwann auch als
Deva
geboren werden, wenn das entsprechende
Karma
(in diesem Fall uberaus große Freigiebigkeit oder Samadhi-Erfahrungen) angesammelt wurde.
Im
Mahayana
- oder nordlichen Buddhismus verehrt man daruber hinaus Wesen, die selbst
Buddhas
oder
Bodhisattvas
geworden sind. Durch den Respekt, den man diesen entgegenbringt, entsteht eine der notwendigen Grundlagen, selbst diesen Zustand zu erlangen. Daher werden im Buddhismus zahlreiche Statuen, Stupas und Tempel errichtet, die Objekte der Verehrung sind. Diese Wesen sind aber keine Gotter, sondern
Vorbilder
. Im
Theravada
- oder sudlichen Buddhismus ist das Ziel
Arhatschaft
, also Befreiung ohne Wiederkehr, sodass Arhats nur in der letzten Phase ihres letzten Lebens verehrt werden konnen. Daneben gibt es auch hier zahllose
Stupas
, Tempel, Buddhastatuen und Bildnisse fruherer Arhats, zum Teil sogar von Bodhisattvas. Die Frage nach einem Schopfergott wird als unfruchtbare metaphysische Spekulation zuruckgewiesen und stattdessen die Ergrundung der eigenen
Erkenntnismoglichkeiten
betont.
Der Atheismus wird gemaß islamischem Recht bekampft. Der Koran nennt keine
diesseitigen
Strafen fur den ?
Abfall vom Islam
“, worunter auch die Zuwendung zum Atheismus fallt. Im islamischen Recht, der
Scharia
, ist diese jedoch auf Grundlage von
Hadithen
und
Idschm??
mit der
Todesstrafe
zu ahnden. Im
Sudan
(StGB aus dem Jahre 1991, Art. 126),
Republik Jemen
,
Iran
,
Saudi-Arabien
,
Katar
,
Pakistan
,
Afghanistan
,
Somalia
und in
Mauretanien
(StGB aus dem Jahre 1984, Art. 306) kann Abfall vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft werden. Auch in Landern, die keine islamischen Gerichtshofe mehr haben, deren staatliche Rechtsordnung sich aber weiterhin an der Scharia orientiert, kann der bekundete ?Abfall vom islamischen Glauben“
zivilrechtliche
(
Erbrecht
,
Eherecht
) und
strafrechtliche
Konsequenzen haben.
Ungeachtet der religiosen Dominanz gab es in der muslimischen Geschichte stets atheistische Personlichkeiten, darunter der arabische Dichter
Ab? l-?Al?? al-Ma?arr?
sowie der persische Mathematiker und Dichter
Omar Chayy?m
.
Im
pantheistischen
(griechisch: Allgottlehre) Gotteskonzept nimmt die
Alleinheit
des
Universums
die Schopferrolle ein. Gott und Natur sind demnach gewissermaßen identisch. Da es im Pantheismus keinen
personlichen
Gott gibt, wurde und wird der Pantheismus sowohl von Theisten als auch von Atheisten manchmal als ein hinter einer religiosen Sprache versteckter Atheismus betrachtet.
Arthur Schopenhauer
nannte den Pantheismus eine ?
Euphemie
fur Atheismus“.
[53]
?Pantheismus ist nur ein hoflicher Atheismus“, heißt es in einem Schopenhauer-Zitat von Ernst Haeckel.
[54]
Der franzosische Philosoph
Jean Guitton
vertritt in seinem Werk die Uberzeugung, dass er dem Atheismus die Verlegung des Gottesbegriffs in die
Welt
nachweisen konne und ordnet ihn daher generell dem Pantheismus zu.
[55]
Der Pantheismus wird von seinen Anhangern als religionsphilosophische Lehre betrachtet und wurde in fruheren Zeiten nicht dem Atheismus zugehorig betrachtet, was sich aber inzwischen geandert hat.
[56]
Atheismus ist ?so alt wie das menschliche Denken, so alt wie der Glaube, und der Konflikt zwischen beiden ist ein standiges Merkmal der abendlandischen Zivilisation“,
[57]
heißt es bei
Georges Minois
, der Atheismus sowohl ideen- als auch verhaltensgeschichtlich zu erfassen sucht. Fur die fruhen Hochkulturen ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass etwa sakrale Gebaude und kultische Schriften zu den vorherrschenden Uberlieferungszeugnissen immer schon gehorten, wahrend die weniger auffalligen Zeugnisse von Skeptizismus, Nichtglauben und religioser Gleichgultigkeit erst in jungerer Zeit einer intensivierten Forschung unterzogen werden, die etwa auch den asiatischen Raum einschließt. Praktischer und theoretischer Atheismus hatten und haben aber je eigene und einander erganzende Bedeutung:
?Die Geschichte des Atheismus ist nicht allein die Geschichte des Epikureismus, des freigeistigen Skeptizismus, des Materialismus der Aufklarung, des Marxismus, des Nihilismus und einiger anderer intellektueller Theorien. Es ist auch die Geschichte von Millionen einfacher Menschen, die in ihren Alltagssorgen stecken und zu sehr mit dem bloßen Uberleben befasst sind, als dass sie sich Fragen uber die Gotter stellen.“
[58]
In
Antike
und
Mittelalter
waren sowohl das private als auch das offentliche Leben in der Regel von religiosen Vorstellungen durchdrungen, wogegen Skepsis und Zweifel eher bei Minderheiten und in intellektuellen Kreisen anzutreffen waren. Wahrend sich die kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der
romisch-katholischen Kirche
im spaten Mittelalter verstarkten und in der
Reformation
einen Hohepunkt fanden, erfuhr der Atheismus im Zeitalter der
Aufklarung
einen bedeutenden Aufschwung und durch die
Franzosische Revolution
eine starke gesellschaftliche Verbreitung. Dies fuhrte zur
Sakularisierung
und vielfach zur
Trennung von Kirche und Staat
.
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedenste atheistische Positionen mit breitem theoretischem Fundament entwickelt, insbesondere im
Marxismus
, im
Existentialismus
und in der
analytischen Philosophie
. Zudem bestehen im philosophischen Materialismus und im philosophischen Naturalismus Verbindungslinien zum Atheismus.
Die fruhesten belegbaren Formen des theoretischen Atheismus finden sich in den alten
Hochkulturen
Sud-
und
Vorderasiens
. In Indien weisen einige der altesten
philosophischen Systeme
atheistische Formen auf. Hierzu zahlen der
Jainismus
, das
Samkhya
(beide entstanden etwa im 6. Jahrhundert v. Chr.) sowie das
Vaisheshika
und das
Nyaya
. Insbesondere die Tradition des Samkhya ist im indischen Denken bis heute lebendig geblieben (vergleiche
Atheismus in Indien
).
Klar materialistisch-atheistisch war die indische Schule der
Charvaka
, die zweifelsfrei seit dem 6./7. Jahrhundert n. Chr. als feste Stromung belegbar ist und mindestens bis ins 16. Jahrhundert existierte. Sie berief sich auf die heute verlorenen ?
Barhaspati Sutras
“. Nach Meinung vieler
Indologen
war es jedoch kein atheistisches Werk, sondern eine gegen etablierte Religionen skeptische, aber ethische Schrift. Einzelne Skeptiker sind vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. uberliefert.
[59]
Der
Buddhismus
, der im 5. Jahrhundert v. Chr. in Indien entstand, und der
Daoismus
, der im 4. Jahrhundert v. Chr. in China entstand, kennen keine Schopfergottheit.
[60]
[61]
In Teilen der Fachliteratur wird der
Zervanismus
der antiken
Perser
mit dem ubergeordneten unpersonlichen Prinzip des
Zurvan
(?Zeit“ und Raum) als eine Form des Atheismus angesehen. Materialistisch und vorwiegend atheistisch war die spatestens seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. existierende Stromung der
?Zandiks“ oder ?Dahri“
.
Ob die
Hebraer
einen theoretischen Atheismus kannten, ist umstritten.
Jean Meslier
sah in einigen Stellen des Alten Testaments Belege fur die Existenz von Atheisten. So z. B. in Ps 10,3:
?Es redet stolzen Sinnes der Frevler: / ?Nie wird er strafen, es gibt keinen Gott!‘ / Dies ist all sein Sinnen und Trachten.“
Diese Interpretation wird von den meisten
Exegeten
jedoch nicht geteilt. Ihrer Meinung nach wurden an den besagten Stellen stets nur bestimmte Eigenschaften Gottes geleugnet, nie aber seine Existenz.
Die fragmentarisch uberlieferten
ontologischen
Systeme der
Vorsokratiker
erklaren die Strukturen der Wirklichkeit nicht durch
mythische
oder
atiologische
Erzahlungen, sondern durch Zuruckfuhrung auf ein oder mehrere Prinzipien. Bei beispielsweise
Demokrit
oder
Epikur
kommen hierfur nur
materielle
Prinzipien in Betracht, so dass ein transzendenter, insbesondere geistiger Gott weder verwendet wird, noch Ort oder Funktion in diesen Systemen bekommen konnte. Andererseits ergeben sich bisweilen Konflikte mit etabliertem religiosem Kult und etablierter Rede uber die Gotter, weil ontologischen Prinzipien ahnliche oder dieselben Eigenschaften zugeschrieben werden wie den Gottern, etwa, uber Naturprozesse zu regieren, ewig zu sein oder Prinzip fur Leben und Denken zu sein. Die fruhesten Formen einer Kritik der etablierten Gottesvorstellungen beziehen sich vor allem auf unangemessen menschliche Vorstellungsweisen (
Anthropomorphismus
). Gottern werden z. B. wankelmutige, jahzornige, eifersuchtige und egoistische Charakterzuge abgesprochen, wie sie in den Mythen
Hesiods
und
Homers
hervortreten. Beispiele hierfur sind
Xenophanes
,
Heraklit
und
Protagoras
. Xenophanes etwa erklart die Gottervorstellungen und auch deren Verschiedenheit durch Projektion menschlicher Eigenschaften und formuliert polemisch:
?Stumpfnasig, schwarz: so seh’n Athiopiens Menschen die Gotter
Blauaugig aber und blond: so seh’n ihre Gotter die Thraker
Aber die Rinder und Rosse und Lowen, hatten sie Hande
Hande wie Menschen, zum Zeichnen, zum Malen, ein Bildwerk zu formen,
Dann wurden Rosse die Gotter gleich Rossen, die Rinder gleich Rindern
Malen, und deren Gestalten, die Formen der gottlichen Korper,
Nach ihrem Bilde erschaffen: ein jedes nach seinem.“
Wahrend derart anthropomorphe Gottesvorstellungen, so der Tenor dieser Kritik,
nichts anderes
sind als eben nur menschliche Vorstellungen, tritt dem als kritisches Korrektiv zunehmend die Vorstellung eines monotheistischen, transzendenten gottlichen oder quasi-gottlichen Prinzips gegenuber.
Empedokles
(* zwischen 494 und 482; † zwischen 434 und 420 v. Chr.) sah in Gottern auch Personifizierungen der
vier Elemente
.
Kritias
(* 460; † 403 v. Chr.) betrachtete die Religion als menschliche Erfindung, die der Aufrechterhaltung der moralischen Ordnung dienen sollte.
Ein Abrucken oder Infragestellen der in der
Polis
kultisch verehrten Gotter seitens skeptischer Philosophen oder naturwissenschaftlich orientierter Denker konnte zu Anklagen und Verurteilungen fuhren. Gottlosigkeit und Frevel an Gottern wurden im alten Athen als
Asebeia
teilweise auch strafrechtlich verfolgt. Eine erste Welle bekannter Asebie-Prozesse, bei denen politische Motive mitgewirkt haben durften, richtete sich gegen Vertraute und Freunde des
Perikles
, darunter
Aspasia
und
Anaxagoras
.
Der im 5. Jahrhundert v. Chr. namentlich von Sophisten geforderte Prozess der Infragestellung herkommlicher Gottesbilder, auf den in den Asebieprozessen reagiert wurde, setzte sich unaufhaltsam fort. Auf Widerstand in dieser Form stieß auch der wegen seines religiosen Relativismus 415 v. Chr. aus Athen verbannte
Protagoras
, der sein Nichtwissen uber die Existenz der Gotter betonte und gleichzeitig erklarte, der Mensch sei das Maß aller Dinge.
Skeptizistische
und
agnostische
Positionen, wie sie die
Sophisten
und
Sokrates
(* 469; † 399 v. Chr.) vertraten, fanden eine zunehmende Verbreitung, und die Anklage wegen Gottlosigkeit gegen die ?Physiker“ wird gangige Praxis: ?Der Gelehrte, der in einem
positivistischen
Geist arbeitet, wird beschuldigt, das Geheimnis der Gotter ergrunden und das Heilige gewissermaßen ?zergliedern‘ zu wollen.“
[62]
Einige der Angeklagten vertraten in den uberlieferten Asebie-Prozessen nicht nur eine agnostische, sondern eine dezidiert atheistische Position (
Diagoras von Melos
,
Theodoros von Kyrene
). Gegen die wegen ihrer Schonheit bewunderte
Phryne
ist ein Asebie-Prozess uberliefert, demzufolge ihr die
Aktmodell
-Arbeit fur eine
Aphrodite
-Statue als ein Frevel gegen die Gotter ausgelegt wurde.
Von einer geistesgeschichtlich bis heute nachhallenden Wirkung war der
Prozess gegen Sokrates
. Seine Glaubensskepsis ist im
platonischen
Dialog
Phaidros
zum Ausdruck gebracht: Es sei abwegig, etwas uber die Mythen und die Gotter zu sagen, da er noch nicht einmal die Zeit habe oder in der Lage sei, sich selbst zu erkennen. ?Lacherlich also kommt es mir vor, solange ich hierin noch unwissend bin, an andere Dinge zu denken.“
[63]
Platon ist aber als Sokrates’ Schuler nicht nur die wichtigste Uberlieferungsquelle fur dessen Denken und Philosophieren, sondern
Minois
zufolge der Erstverantwortliche fur die Verfemung des Atheismus in den nachfolgenden zwei Jahrtausenden. In seinem Spatwerk
Nomoi
(Gesetze)
bezieht er eine pantheistische Position, die sich von einem strengen Naturalismus abgegrenzt, weil dieser die nichtmateriellen Wirkungskrafte verkenne:
?Werden wir nun wohl uber den Mond und alle Sterne, uber Jahre, Monate und Jahreszeiten eine andere als dieselbe Schlussfolgerung ziehen konnen als abermals eben dieselbe: weil Eine oder mehrere Seelen ihnen allen als wirkende Krafte zu Grunde liegend und als Wesen von aller moglichen Vollkommenheit erschienen sind, so mussen wir behaupten, dass alle diese Wesen Gotter sind, sie mogen nun in Korpern wohnend und mit diesen zu lebendigen Wesen verbunden oder auf welche andere Weise immer die ganze Welt leiten und regieren? Und wer dies zugibt, wird der noch leugnen konnen, daß Alles mit Gottern erfullt sei?“
[64]
Im zehnten Buch der
Nomoi
geht es Platon darum zu beweisen, dass es Gotter gibt, dass sie sich auch um die Kleinigkeiten des Lebens kummern, ohne aber bestechlich zu sein, und im Weiteren darum zu begrunden, dass Atheisten je nach Grad der Gottesleugnung und Heuchelei mit abgestuften Sanktionen bis zur Todesstrafe zu belegen seien. Da es in Platons Lehre außerhalb der materiellen Welt eine hoherwertige Welt der Ideen, der
Archetypen
, der
Seelen
und des Gottlichen gibt, gelten Atheisten, so Minois, fortan als von niederem Denken beherrscht und unfahig, sich zur
Kontemplation
der Ideen zu erheben.
?Atheist zu sein konnte bisher notfalls als ein Irrtum und ein Beweis fur staatsfeindliches Denken gelten; von nun an ist es nicht nur ein Zeichen von Blindheit, sondern auch ein Zeichen bosen Willens und niederer Gesinnung, gefahrlich fur das gesellschaftliche und politische Leben, da er in den offentlichen und privaten Verhaltensweisen keine absoluten Werte anerkennt. Die Quellen der Moral lagen bisher in der menschlichen Welt, die sich von der gottlichen Welt nicht grundsatzlich unterschied. Indem Platon die beiden trennt und die unwandelbaren Werte bei den Gottern ansiedelt, erklart er die Atheisten zu unmoralischen Menschen, die keine absoluten Verhaltensnormen kennen und einzig ihren Leidenschaften gehorchen. Die Unterdruckung des Atheismus im Namen der Moral und der Wahrheit kann beginnen.“
[65]
Der Einfluss platonischer Schulen auf die Unterdruckung des Atheismus ist umstritten. Als die Prozesse wegen Gottlosigkeit im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr. abnahmen, waren skeptische Einstellungen nicht etwa zuruckgegangen, sondern unterdessen so verbreitet, dass die strafrechtliche Verfolgung immer weniger Wirkung zeigte. So konnte der
Kyniker
Diogenes
(* ca. 400; † 325 v. Chr.) seinen Spott uber Gotter, Mysterien, Vorsehung und Aberglauben in Athen verbreiten, ohne dass man ihm den Prozess machte.
Wahrend die Verehrung der anthropomorphen
olympischen Gotter
auch im hauslichen Kult immer mehr an Bedeutung verlor, traten im Zuge des Zerfalls von Polis und herkommlicher stadtstaatlicher Ordnung ? auf dem Wege also zu den
hellenistischen Großreichen
und danach zum
Romischen Reich
? neben allerlei importierten Mysterienkulten und auswartigen Gottheiten auch zunehmend vergottlichte Herrscher, die auf diese Weise religiose Bindungsbereitschaft zum eigenen Vorteil umlenkten.
Weit entfernt von den alten Glaubensformen sind auch die an der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. entstehenden philosophischen Lehren des
Epikureismus
und der
Stoa
. Bei den Stoikern kommen
pantheistische
Vorstellungen zur Entfaltung, die das Gottliche mit der Allnatur verschmelzen und darin den Wirkungsort fur die Menschen und fur ihr ethisches Bezugssystem finden. Bei
Epikur
verschwinden die Gotter in vom menschlichen Dasein gesonderten Welten und haben keinerlei Wirkungsmacht uber die Menschen und ihr Treiben. Es handelt sich getreu dem rein materialistischen Weltbild Epikurs auch bei den Gottern um atomar konstituierte Wesen. Allerdings empfiehlt Epikur als der eigenen Seelenruhe dienlich, sich den staatlich vorgeschriebenen Kulten und religiosen Brauchen flexibel anzupassen.
Mit der romischen Expansion verloren die uberlieferten lateinischen Gotter an Bindungskraft und Bedeutung. Die Eroberung Griechenlands und des ostlichen Mittelmeerbeckens durch die Romer brachte mit auswartigen Religionen und Gottheiten
spiritualistische
und materialistische Denkschulen zuhauf nach Rom, etwa
Kybele
,
Isis
,
Osiris
und
Serapis
, dazu
astrologische
und
magische
Vorstellungen sowie auch platonische, kynische und skeptische, epikureische und stoische Lehren.
Der von
Lukrez
in Rom hymnisch verbreitete Epikureismus, in dessen Zentrum ein asketisch unterlegtes Lust- und Glucksstreben steht, stellt sich mit der vollstandigen Abscheidung der Gotter als eine im Grunde konsequent atheistische Morallehre dar. Die Stoa wiederum, die in den herrschenden Kreisen der romischen Gesellschaft haufig angenommen wurde, vermittelt einen nur vage-verschwommenen Gottesbegriff und trennt in dem anzustrebenden Ideal des stoischen Weisen kaum noch zwischen Mensch und Gott.
Ciceros
Untersuchung uber die Natur der Gotter
(
De natura deorum
)
mundete in Skepsis: ?Bestimmt wird selbst diejenigen, die daruber etwas zu wissen glauben, die so große Uneinigkeit der gelehrtesten Manner in dieser wichtigen Frage zu gewissen Zweifeln zwingen.“
[66]
Eine ? freilich weniger reflektierte ? agnostische Grundstimmung scheint in der fruhen
Romischen Kaiserzeit
(parallel zum Beginn des
Fruhchristentums
) auch in Volkskreisen verbreitet gewesen zu sein; so legt der Schriftsteller
Petronius
in seinem satirischen Roman
Satyricon
(in der Szene des
Gastmahls des Trimalchio
) dem Protagonisten
Ganymedes
die Worte in den Mund
[67]
:
?Niemand glaubt mehr an den Himmel, niemand halt die Fasten, niemand kummert sich um Jupiter, sondern alle machen die Augen zu und zahlen nur ihren Zaster.“
Der sich einstellenden Vielfalt weltanschaulich-religioser Vorstellungen gegenuber stand die Bereitschaft, als Atheismus zu diskriminieren und zu kriminalisieren, was nicht zu den etablierten Staatskulten gehorte. Davon war in seinen Anfangen auch das Christentum betroffen. Denn dessen Anhanger lehnten es aus Glaubensgrunden ab, an den religiosen Staatskulten teilzunehmen.
[68]
In der Ablehnung insbesondere des
Kaiserkults
wurden sie nicht selten zu
Martyrern
.
Ob es im
Mittelalter
Atheismus im Sinne einer Leugnung der Existenz eines Gottes gab, ist umstritten. Traditionell wird das ?christliche Mittelalter“ als Zeitalter angesehen, in dem Europa komplett durch das Christentum bestimmt war, mit der Ausnahme kleiner judischer und muslimischer Minderheiten. Die oft durftige und fast durchgangig christlich gepragte Quellenlage erschwert eine eindeutige Zuordnung einzelner Denker oder Personengruppen zum Atheismus.
Der
Theologe
Walter R. Dietz schreibt, die Bezeichnung
Atheismus
sei im Mittelalter nur verwendet worden fur Leugnungen des
dreifaltigen
Gottesgedankens, etwa durch den
Islam
.
[69]
Nach dem evangelischen Theologen
Jan Mili? Lochman
trat Atheismus im Sinne von Gottesleugnung oder Gottlosigkeit in Europa erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert auf.
[70]
Dem franzosischen Historiker
Georges Minois
zufolge gab es im Mittelalter durchaus Atheismus, und zwar sowohl in seiner praktischen, wie auch zumindest ansatzweise in seiner theoretischen Form. Der Glaube habe das Mittelalter zwar beherrscht, der Atheismus habe aber im Leben und Denken einer Minderheit uberdauert.
[71]
Seit dem 13. Jahrhundert ist eine zunehmende Kritik christlich-katholischer Glaubensinhalte zu beobachten. Eine wesentliche Rolle scheint hierbei die Wiederentdeckung
aristotelischer Lehren
und deren Interpretation durch
islamische Philosophen
gespielt zu haben.
[72]
Wirkungsmachtig waren insbesondere der
Aristotelismus
und der
Averroismus
. Bedeutend war, dass Aristoteles, obwohl er teilweise als ?
Heide
“ bezeichnet wurde, doch als
der
Meister des logischen Denkens galt. Die aristotelische Philosophie widerspricht der christlichen Lehre insbesondere in zwei Punkten: Sie verneint die
Schopfung
und die Unsterblichkeit der
Seele
.
[73]
Daher wurde das Unterrichten seiner
Physik
und
Metaphysik
auch wiederholt durch papstlichen Erlass untersagt.
Dennoch erstritt sich Georges Minois zufolge die
Vernunft
vom 11. bis 13. Jahrhundert eine zunehmend großere Unabhangigkeit vom Glauben.
[74]
Petrus Abaelardus
forderte ein, dass der Glaube den Regeln der Vernunft nicht widersprechen durfe.
Boetius von Dacien
trat fur die strikte Trennung von rational erfassbarer Wahrheit und
Glaubenswahrheiten
ein.
Siger von Brabant
ging noch weiter und bestritt zahlreiche zentrale christliche Dogmen. Die christliche Autoritat reagierte einerseits mit Zensur und Repression. Zudem gab es jedoch auch verstarkte Bemuhungen, den Glauben durch
Gottesbeweise
zu untermauern.
Wilhelm von Ockham
erklarte alle Versuche, Glaubenssatze mit den Mitteln der Vernunft zu beweisen, fur von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Im 12. Jahrhundert provozierten die
Goliarden
in ihren Liedern mit zum Teil bewusst provokanten atheistischen Positionen wie ?ich bin begieriger nach Wollust als nach dem ewigen Seelenheil“.
[75]
Eine skeptische Haltung in Bezug auf viele Glaubenssatze nahmen auch die englischen
Lollarden
ein.
[76]
Auch einige der so genannten ?
Blasphemiker
“ konnten Atheisten gewesen sein. In dem mehreren Autoren zugeschriebenen
Buch von den drei Betrugern
sind
Moses
,
Jesus Christus
und
Mohammed
gemeint.
[77]
Daneben lebten auch
pantheistische
Weltanschauungen in kleineren Glaubensgemeinschaften und unter Einzelpersonen fort. Sie sind zwar nicht dem Atheismus im engeren Sinne zuzuordnen, forderten aber wohl den christlichen Glauben heraus. Vertreter sind insbesondere die Pariser Theologen
David von Dinant
und
Amalrich von Bena
sowie die
Bruder und Schwestern des freien Geistes
.
[78]
Im Volk ist die Existenz von Unglaubigen in zahlreichen Berichten von
Wundern
bezeugt. Zudem lassen sich im einfachen Bauernvolk materialistisch-atheistische Positionen nachweisen. So wurde unter anderem die Existenz einer unsterblichen Seele und die Wiederauferstehung Christi verneint.
[79]
Ein Beispiel fur diese Art des ?volkstumlichen Materialismus“ ist in den Verhorprotokollen des italienischen Mullers
Menocchio
festgehalten.
[80]
Gegen Ende des Mittelalters gibt es auch zunehmend Klagen christlicher Pfarreien uber die schwache Prasenz der Gemeinde in der sonntaglichen Messe.
[81]
Als mittelalterliche Bevolkerungsteile, die besonders vom Atheismus betroffen waren, werden
Soldner
und
Exkommunizierte
genannt. Die Zahl Letzterer ging allein in Frankreich zeitweise in die Zehntausende.
[82]
Die
Reformation
brachte keine Abkehr vom (christlichen) Glauben, sondern wertete den personlichen Glauben im Sinne subjektiver Uberzeugung sogar auf. Dennoch ist die Reformation ein wichtiger Wendepunkt nicht nur in der Geschichte der Religion, sondern auch in der des Atheismus.
Durch die Reformation konnten sich mit den protestantischen Konfessionen erstmals Kirchen neben der katholischen etablieren, die zu stark waren, um dauerhaft gewaltsam unterdruckt werden zu konnen. Auf Dauer waren beide Seiten zur religiosen
Toleranz
gezwungen, spater wurde diese auch auf zunachst nicht von dieser Toleranz eingeschlossene Gruppen, wie die
Reformierten
, erweitert. Diese Entwicklung hin zur Toleranz sollte spater auch Atheisten zugutekommen. Durch die auf die Reformation folgenden Religionskriege diskreditierten sich die sich bekriegenden Kirchen in den Augen vieler selbst. Deutlich trat der Widerspruch zwischen offentlich gepredigter christlicher
Nachstenliebe
und tatsachlichem Handeln der damaligen Kirchen beispielsweise in der offenkundigen
Barbarei
der
Hugenottenkriege
und des
Dreißigjahrigen Krieges
zutage. Bedeutsam ist auch, dass die katholische Kirche ihr bis dahin beinahe unantastbares Deutungsmonopol fur die traditionsgepragte Auslegung der
Bibel
und damit betrachtlich an Autoritat auch auf geistlichem Gebiet verlor.
Politisch trug die Reformation entscheidend zur Emanzipation der Staaten aus der geistlichen Bindung an die Kirche bei, die sich nun vielfach, wie beispielsweise im Landesherrentum, im franzosischen
Gallikanismus
und der Reichskirche der Politik unterordnen musste. Diese Entstehung moderner Machtverhaltnisse war eine zwingende Voraussetzung, um letztlich die
Trennung von Kirche und Staat
zu ermoglichen. Die dadurch garantierte
Religionsfreiheit
weitete sich, auch wenn der Weg dorthin keineswegs ohne Repressionen verlief, schließlich auch zur Respektierung des Rechts auf Glaubenslosigkeit aus. Dennoch blieb der Atheismus bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Phanomen einer elitaren Minderheit.
Das Zeitalter der
Aufklarung
brachte den ersten theoretisch ausformulierten Atheismus der Neuzeit mit sich. Dieser steht in engem Zusammenhang mit den Fortschritten der
Naturwissenschaft
. Bereits 1674 war der deutsche studierte Theologe
Matthias Knutzen
mit drei atheistischen Schriften an die Offentlichkeit getreten, die ihn zum ersten namentlich bekannten Atheisten der Neuzeit machen.
[83]
Ein Jahrzehnt darauf folgte der
polnische
Philosoph
Kazimierz Łyszczy?ski
in seinem ? bis auf wenige Zitate verlorenen ? Werk
De non existentia Dei
(dt.
Uber die Nichtexistenz Gottes
), in dem er postulierte, Gott sei lediglich eine von Menschen erdachte
Chimare
und Religion sei nur ein Mittel zur Unterdruckung der Bevolkerung.
[84]
Trotz der zu jener Zeit im
Konigreich Polen
geltenden Religionsfreiheit wurde Łyszczy?ski fur sein Werk 1689 aus politischen Grunden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Bis weit ins 18. Jahrhundert war der Vorwurf, ?Atheist‘ zu sein, in der Regel eine gefahrliche Fremdzuschreibung. In Preußen war es die aufklarerische Haltung
Friedrichs des Großen
(1740: ?Jeder soll nach seiner Facon selig werden“), in anderen Landern die
Erklarung der Menschen- und Burgerrechte
in der
Franzosischen Revolution
(1789) und die amerikanische
Bill of Rights
(1789), die zu einer Akzeptanz diverser atheistischer Standpunkte fuhrten. Der franzosische Philosoph und
Aufklarer
Julien Offray de La Mettrie
konnte 1748 seine atheistische Philosophie nur außerhalb Frankreichs, im preußischen Exil, offentlich vertreten. In deutscher Sprache waren, in kritischer Wendung gegen
Hegel
, die Ex-Theologen
Bruno Bauer
und
Ludwig Feuerbach
die ersten atheistischen Philosophen. Feuerbach kritisierte in seinem einflussreichen Werk
Das Wesen des Christentums
(1841) nicht nur das Christentum grundlegend, sondern daruber hinaus die Religion generell als Ergebnis psychologischer Projektionen (?Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde“). Spater konstatierte
Friedrich Nietzsche
: ?Gott ist tot“ (1882) und ?Atheismus […] versteht sich bei mir aus Instinkt“ (1888).
Das fruheste Zeugnis eines dezidierten Atheismus in der Neuzeit findet sich im
Theophrastus redivivus
, der Schrift eines anonymen franzosischen Autors aus dem Jahr 1659. Die
Existenz Gottes
wird darin zwar bestritten, die gesellschaftliche Nutzlichkeit der Religion hingegen behauptet.
Als erster radikaler Atheist der Neuzeit gilt heute der franzosische
Abbe
Jean Meslier
(1664?1729).
[85]
In seinen zwischen 1719 und 1729 verfassten und erst spater anonym veroffentlichten
Pensees et sentiments
stellte Meslier die Existenz von Gottern vollig in Abrede, welche fur ihn bloße Hirngespinste sind.
[86]
Im Gegensatz zum
Theophrastus
verbindet Meslier seinen Atheismus mit einem
Antiklerikalismus
: Er polemisiert gegen Kirche und Krone, die er als Ausbeuter und Unterdrucker der Armen ansieht. Meslier hat seine als
Testament
bekannt gewordene Schrift nur in drei handschriftlichen Exemplaren hinterlassen, die zunachst einige Jahrzehnte lang
klandestin
zirkulierten. Erst 1761 veroffentlichte
Voltaire
eine Version der Schrift, in der er alle atheistischen und materialistischen Passagen getilgt und nur Mesliers Christentumskritik und Antiklerikalismus erhalten hatte. Diese
deistisch
verfalschte Fassung blieb, zumal sie durch Neuauflagen und Aufnahme in Voltaires
Œuvres
weite Verbreitung fand, bis ins 20. Jahrhundert die allgemein bekannte; daran hat auch eine 1864 in Amsterdam erschienene vollstandige Ausgabe nichts geandert. Erst 1972 haben
Albert Soboul
u. a. aufgrund der Originalmanuskripte eine nun maßgebliche Edition dieses ersten neuzeitlichen Werks des Atheismus geschaffen.
Wahrend Meslier somit lange Zeit als voltairianischer antiklerikaler Deist galt, war der erste offentlich bekannt gewordene radikale Atheist der
Aufklarung
Julien Offray de La Mettrie
(1709?1751). Sein philosophischer Erstling
Histoire naturelle de l’ame
(Naturgeschichte der Seele, 1745) wurde als materialistische und atheistische Schrift vom Pariser Henker verbrannt. La Mettrie floh nach Holland, wo er sein beruhmtes Werk
L’homme machine
(Der Mensch als Maschine, 1748) publizierte, in dem es heißt, ?dass die Welt niemals glucklich sein wird, solange sie nicht atheistisch ist.“
[87]
La Mettrie blieb nicht bei der Negation Gottes stehen, sondern skizzierte in seinem
Discours sur le bonheur
(Rede uber das Gluck, 1748) eine geradezu modern anmutende psycho(patho)logische Theorie des Religiosen.
[88]
Er musste anschließend sogar aus den toleranten Niederlanden fliehen.
Friedrich II. von Preußen
bot ihm Asyl an und stellte ihn in
Sanssouci
als Vorleser ein. Er wurde auch in die
Koniglich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin
aufgenommen.
Eine fruhe offentliche Verneinung der Existenz eines Gottes findet sich auch in dem 1770 anonym erschienenen Werk
Systeme de la nature
des
Baron d’Holbach
(1723?1789), einem Grundwerk des
Materialismus
. Holbach sah in der Religion den großten Feind der naturlichen Moral und zog gegen ontologische und kosmologische
Gottesbeweise
zu Felde. Das Gluck des Menschen hangt nach seiner Auffassung vielmehr am Atheismus. Die von ihm vertretene ?Ethokratie“ beruht allerdings nicht auf der vorgangigen materialistischen Philosophie La Mettries, den er wegen seiner Moraltheorie sogar als ?Wahnsinnigen“ bezeichnete.
Denis Diderot
(1713?1784), bekannt vor allem als Herausgeber der
Encyclopedie
, vertrat in seinen kirchen- und religionskritischen Werken
Pensees philosophiques
(1746) und dem
Lettre sur les aveugles a l’usage de ceux qui voient
(1749) zunachst eine deistische, spater eine atheistische Position. Auch er war ein vehementer Gegner La Mettries, den er noch posthum als ?Autor ohne Urteilskraft“ und wegen der ?Verdorbenheit seines Herzens“ ?aus der Schar der Philosophen“ ausschloss.
[89]
Voltaire
ubte scharfe Kritik an Kirche und
Klerus
und griff in zahllosen Schriften und Briefen die christliche Religion teils mit scharfsinnigem Spott, teils mit feinsinniger Ironie an. Allerdings wollte er ausdrucklich nicht als Atheist bezeichnet werden (Reponse au Systeme de la nature, 1777). In dem Artikel
Atheisme
schrieb er unter anderem:
?Der Atheismus ist der Fehler einiger Leute von Geist, der Aberglaube ist der Fehler der Dummkopfe; und Lumpen sind Lumpen.“
Wenn sich Voltaire auch haufig zum englischen Deismus bekannte, wirkte er auf viele seiner Zeitgenossen durch seinen Stil und die Art, wie er seinen Deismus vortrug, durchaus wie ein Atheist. Die katholische Kirche bezichtigte ihn deswegen auch des Atheismus.
Fritz Mauthner
, Autor des vierbandigen Werks
Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande
, nannte Voltaire ?den Feldherrn und Staatsmann der franzosischen und europaischen Freidenker.“
Gemaß
Immanuel Kant
gibt es keinen moglichen
Beweis
fur oder gegen die Existenz eines hochsten Wesens, weder durch Anwendung der
Vernunft
noch durch Betrachtung der empirischen Natur. Wie Kant in der
Transzendentalen Dialektik
, dem zweiten Hauptteil der
Transzendentalen Logik
in
Kritik der reinen Vernunft
, zu zeigen versucht, scheitern alle
Gottesbeweise
daran, dass die in der menschlichen Vernunft vorhandene Vorstellung eine
transzendentale
Idee
ist, d. h. die Vorstellung eines Gegenstands, der mit keiner moglichen menschlichen Erfahrung ubereinstimmen kann. Er billigt transzendentalen Ideen jedoch eine
regulative
Funktion zu:
?Ich behaupte demnach: die transzendentalen Ideen sind niemals von konstitutivem Gebrauche, so, dass dadurch Begriffe gewisser Gegenstande gegeben wurden, und in dem Falle, dass man sie so versteht, sind es bloß vernunftelnde (dialektische) Begriffe. Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlich notwendigen regulativen Gebrauch, namlich den Verstand zu einem gewissen Ziele zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einem Punkt zusammenlaufen, der, ob er zwar nur eine Idee (focus imaginarius), d. i. ein Punkt ist, aus welchem die Verstandesbegriffe wirklich nicht ausgehen, indem er ganz außerhalb der Grenzen moglicher Erfahrung liegt, dennoch dazu dient, ihnen die großte Einheit neben der großten Ausbreitung zu verschaffen.“
?
Immanuel Kant:
AA
000003
III, 427?428
[90]
Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Alle Grenzen moglicher menschlicher
Erfahrung
uberschreitenden Dinge (Gott,
Unsterblichkeit
,
Unendlichkeit
) sind nach Kant zwar nicht erkennbar, sie geben der Erfahrung aber eine gewisse, subjektive Einheit. Regulativ sind sie deswegen, weil sie dem Verstand eine Orientierung bieten, mit der dieser Erlebnisse und Eindrucke uber den unmittelbaren Wahrnehmungsgehalt hinaus ordnen kann. Damit ist Kant in theoretischer Hinsicht ein Vertreter einer agnostizistischen Position. Die regulative Idee ?Gott“ erhalt jedoch in Kants Moralphilosophie eine neue Funktion.
Beschaftigt sich Kant in der Kritik der reinen Vernunft mit der theoretischen Seite der Vernunft (?Was kann ich wissen?“), so behandelt die
Kritik der praktischen Vernunft
deren praktische Seite (?Was soll ich tun?“). Gott wird hier
postuliert
: Wenn die menschliche Vernunft in der Lage ist, sich selbst Ziele frei zu setzen, z. B. auch gegen die unmittelbar empfundenen empirischen Bedurfnisse, so setzt das voraus, dass jeder Mensch seine eigene Vernunft als verpflichtend erlebt (Kant nennt dies das ?Faktum der Vernunft“). Derjenige Anteil des menschlichen Willens, der vernunftgemaß und unabhangig von den empirischen Bedurfnissen seine Wahl trifft, kann nun nach Kant nichts anderes wollen, als einem moralischen Gesetz zu folgen. Das moralische Gesetz verpflichtet jeden Menschen zur
Sittlichkeit
, indem es ihn anhalt, seinen Willen nach dem
Kategorischen Imperativ
zu gestalten. Fur Kant besteht nun ein Problem darin, zu zeigen, ob und wieso die Befolgung des moralischen Gesetzes auch zu
Gluckseligkeit
, also einem Zustand allgemeiner Zufriedenheit fuhrt. Die Frage ist: Wenn ich sittlich handeln soll, ist dann auch sichergestellt, dass ich glucklich werde? Als Instanz, die sicherstellt, dass sittliches Verhalten auch zu Gluckseligkeit fuhrt, wird Gott eingefuhrt, die garantieren soll, dass die Welt im Ganzen einem gerechten Plan folgt.
In der Nachfolge blieb Kants theistischer
Skeptizismus
oder partieller Agnostizismus weitgehend unbeachtet. Der
Deutsche Idealismus
(
Fichte
,
Schelling
,
Holderlin
,
Hegel
) redete zwar von Gott als dem absoluten
Weltgeist
oder einem absoluten
Ich
, kummerte sich hingegen wenig um die
Antinomien
der Vernunft. Aus heutiger Sicht wird Kants Postulat eines Gottes als Verbindungsglied zwischen Sittlichkeit und Gluckseligkeit eher als Mangel seiner Theorie gesehen. Kants individualistischer Theorie fehlt schlicht der gesellschaftliche Horizont von Sittlichkeit. In seiner Rechtsphilosophie kommt Hegel hingegen ohne ein solches Ad-hoc-Postulat zur Begrundung der Sittlichkeit aus. Stattdessen steht der absolute Weltgeist (= Gott) fur Hegel theoretisch wie historisch am Anfang seines dialektischen Systems. Dabei macht Hegel sozusagen aus der antinomischen Misere der
Dialektik
eine neue Tugend, indem er das dialektische Prinzip der Selbstwiderspruchlichkeit zu einer eigenen Methode ausbaut.
Ludwig Feuerbach
vertrat in
Das Wesen des Christentums
von 1841
[91]
die folgenden Thesen:
- Religion ist nicht nur eine historische oder
transzendente
Tatsache, sondern vor allem eine Leistung des menschlichen Bewusstseins, also der Einbildungskraft oder Phantasie.
- Alle Religionen unterscheiden sich nur ihrer Form nach, haben aber eines gemeinsam: Sie spiegeln die unerfullten Bedurfnisse der menschlichen Natur wider. Gott und alle religiosen Inhalte sind nichts anderes als psychologische Projektionen, die ihre materiellen Ursachen in der Natur des Menschen besitzen.
Feuerbachs Ausgangspunkt zur Herleitung seiner Thesen war die Natur des Menschen. Wesentlich fur Feuerbach war, dass Menschen Bedurfnisse und Wunsche besitzen und diese in bestimmter Hinsicht unerfullt bleiben, weil der Mensch ? so wurden wir heute sagen ? ein Mangelwesen ist. Das ist sein
anthropologischer
Kern, den Marx weitgehend ubernimmt. Von Hegel ubernahm Feuerbach die
idealistische
Auffassung, dass es das Bewusstsein und seine Leistungen seien, die seine Praxis bestimmen. Im Zentrum stand fur Feuerbach dabei die menschliche Einbildungskraft. Es seien nun die unerfullbaren und andauernd unerfullten Bedurfnisse, die der Mensch mit Hilfe seiner Einbildungskraft in ein religioses Reich projiziere. Die religiosen Gehalte verweisen nach Feuerbach auf die unerfullten Bedurfnisse und damit auf die als unvollkommen erlebte Natur des Menschen. In seinem Hauptwerk versucht er, dies anhand der Begriffe Liebe, Endlichkeit, Sterblichkeit, Ungerechtigkeit zu zeigen: Die religiose Vorstellung der Unsterblichkeit der
Seele
sei ein Reflex auf die unvollkommene Natur des Menschen als sterbliches Wesen, die der Allgute Gottes ein Reflex auf die Unmoglichkeit, alle Menschen gleichermaßen zu lieben usw.
Feuerbachs Theorie der Religionskritik wurde spater und wird heute in Verbindung mit dem Begriff ?religioser
Anthropomorphismus
“ oder ?
Anthropozentrismus
“ oder unter dem Schlagwort ?
Projektionstheorie
“ diskutiert. Schlagwortartig mag man sie unter folgenden Mottos zusammenfassen:
?Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.“
[92]
oder:
≪Homo homini Deus est≫
?Der Mensch ist dem Menschen ein Gott.“
[93]
Die Erklarung der Religion hat also ? nach Feuerbach ? vom Menschen auszugehen, sie aus ihm herzuleiten und sie wieder auf ihn zu beziehen:
?[…] Der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch der Mittelpunkt der Religion, der Mensch das Ende der Religion.“
?
Das Wesen des Christentums, Teil I
[94]
Marx’ Kritik an Feuerbach ? ?vergesellschaftete“ Religiositat
Marx’
Religionskritik
findet sich vor allem
[95]
in zwei einschlagigen Werken/Texten:
Marx
ubernimmt die Projektionstheorie Feuerbachs. Auch fur ihn ist die Welt der Religion keine
ontologische
Kategorie, sondern gehort in den Bereich menschlicher Tatigkeiten. Auch fur ihn reflektiert Religion ein Bedurfnis, und auch fur ihn ist Religion die Widerspiegelung einer Wirklichkeit und nichts
Transzendentes
.
Marx kritisiert jedoch einen wesentlichen Mangel an Feuerbachs Religionskritik: Feuerbach tue so, als ob jeder Mensch als Individuum oder als abstraktes Wesen seine Religion produziere, wohingegen der Mensch ? so Marx ? vor allem als konkret-praktisches und damit schon immer vergesellschaftetes (gesellschaftliches) Wesen zu begreifen sei:
?Feuerbach lost das religiose Wesen in das
menschliche
Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhaltnisse.“
?
Thesen uber Feuerbach, These 6
[97]
Und genau deswegen spiegele Religion auch nicht irgendwelche abstrakten, individuellen Bedurfnisse, sondern konkrete gesellschaftliche Bedurfnisse der Menschen wider.
Neben dieser Theorie der
vergesellschafteten Religiositat
kritisiert Marx an Feuerbach, dass es mit der neuen anthropozentrischen Interpretation von Religion noch nicht getan sei:
?Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt drauf an, sie zu verandern.“
Diese These soll besagen, dass unter dem Blickwinkel der Praxis ? und dies ist nach Marx die ?gegenstandliche Tatigkeit“ (=
Arbeit
als verandernde Aneignung von Natur) ? Feuerbachs Theorie die Welt nur noch einmal in eine religiose Welt verdoppelt und damit Religion zwar erklart, jedoch nicht fragt, was dies praktisch fur die glaubigen Menschen und die gesellschaftlichen Verhaltnisse bedeutet. Und genau hier besitzt Religion gemaß Marx ihre praktische Aufgabe: Sie verhindere verandernde Praxis, weil sie die Menschen mit der Idee eines vom Erdenreich abgelosten und unabhangigen, vollkommenen
Himmelreichs
vertroste und umneble. Darauf bezieht sich auch Marxens Schlachtruf, wonach Religion ?das
Opium des Volkes
“
[96]
sei. (in:
Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
).
Marx’ Entfremdungstheorie als Religionskritik
Nach Marx’
Ideologiekritik
spiegeln sich in der Religion nicht nur unerfullte abstrakte Bedurfnisse wider, sondern auch das konkrete, durch die gesamte menschliche Geschichte ziehende, gesellschaftliche Elend und Unrecht. Dies taten sie jedoch in verzerrter Form: Diese Verzerrung bestehe zum einen in einer Verkehrung oder Verdrehung wirklicher Verhaltnisse und zum anderen in einer volligen Abstrahierung vom alltaglichen Lebensvollzug, die dazu fuhre, dass die Menschen sich in eine ?Nebelregion“ fluchteten. So steht beispielsweise Gott als der Allgerechte, Allmachtige und Allgutige einer Welt ungleicher Verteilung von Macht, Gutern und Liebe gegenuber.
Ausgangspunkt fur Marx’ Kritik ist die Theorie der Selbst
entfremdung
: Als ?Entfremdung“ bezeichnet man allgemein Prozess und Ergebnis des Verlusts des Einflusses und der Verfugungsgewalt des Menschen auf und uber all jenes, was einst durch ihn selbst bewirkt und ihm damit in unmittelbarer Anschauung vertraut war, welches ihm aber schließlich als etwas Unabhangiges, Fremdes gegenubertritt. So besitzt ein von seiner Arbeit entfremdeter Lohnarbeiter ? nach Marx ? keinen Einfluss mehr auf das Arbeitsprodukt und den Arbeitsprozess, obwohl er sich andauernd darin befindet. Deswegen treten ihm der Arbeitsprozess wie das Arbeitsprodukt als etwas Fremdes gegenuber (siehe Marx: Fruhschriften). In der religiosen Selbstentfremdung nun erlebe der Mensch seine Bedurfnisse einmal als erfullbare und erfullte Dinge, andererseits aber auch als prinzipiell oder manchmal unerfullbar oder unerfullt. Die Religion wird gegenuber dem Menschen nach und nach zu etwas Selbstandigem, Unabhangigem und ihm Fremdem. Dies ist mit der religiosen Selbstentfremdung gemeint: In der Religion verselbststandigen sich die unerfullten Bedurfnisse, indem Letztere ein Eigenleben fuhren.
Atheismus als Instinkt ? ?Gott ist eine faustgrobe Antwort“
Friedrich Nietzsche
(1844?1900), Sohn eines evangelischen Pfarrers und christlich erzogen, nannte Gott ?eine viel zu extreme Hypothese“.
[98]
Die christliche Gottesvorstellung hielt er fur widerlegt und uberholt (?
Gott ist tot
“). Daran, dass Nietzsche selbst an keinen metaphysischen Gott glaubte, besteht kaum ein Zweifel:
?Ich kenne den Atheismus durchaus nicht als Ergebniss, noch weniger als Ereigniss: er versteht sich bei mir aus Instinkt. Ich bin zu neugierig, zu
fragwurdig
, zu ubermuthig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen. Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker ?, im Grunde sogar bloss ein faustgrobes
Verbot
an uns: ihr sollt nicht denken!“
[99]
Dies ist allerdings nicht der Schwerpunkt seiner Argumentation. Nietzsches Atheismus ist vielmehr Voraussetzung einer radikalen Kritik an der (christlichen)
Moral
. Er sah eine solche ?
Sklavenmoral
“ als hinderlich fur die Erhebung des Menschen zu neuer Große an. Diese Kritik der christlichen Moral ist zwar charakterisiert von zahlreichen polemischen und invektiven Außerungen Nietzsches (?was war der grosste Einwand gegen das Dasein bisher?
Gott
[…]“
[100]
), zeigt sich aber vor allem in einer historisch-wissenschaftlichen
(
Zur Genealogie der Moral
)
und philosophischen Auseinandersetzung mit Begriff und Zweck von Moral (v. a.
Morgenrote. Gedanken uber die moralischen Vorurteile
und
Die frohliche Wissenschaft
). Fur Nietzsches Atheismus ist kennzeichnend, dass er sich nicht generell gegen das Postulat hoherer Werte stellt, sondern zunachst nur gegen jene der christlichen Moral, schließlich aber gegen die Werte jeder Moral, sofern sie die Instinktgewissheit und den biologisch angelegten ?Willen zur Macht“ schwachen. Nietzsche wendet sich also gegen jede Moral, die zum Leben ?Nein“ sagt. Das aber war seiner Ansicht nach bei den Morallehren aller bisherigen Philosophien und Religionen in mehr oder weniger großem Umfang der Fall ? obwohl diese ?Instrumente im Dienste des wachsenden Lebens“ sein sollten.
- Nein zum Ja-und-Amen-Sagen ? ?Umwertung aller Werte“
Nietzsche bezeichnete sich folglich als den ?ersten Immoralisten“ und bezeichnet damit eine Haltung des bewussten Verzichts auf eine Ruckbindung an eine metaphysische Ordnung und Wahrheit.
[101]
In
Also sprach Zarathustra
versuchte er im bewussten Anklang an den Stil der Bibel, die ?frohe Botschaft“ vom ?
Ubermenschen
“ (also einer Moral, die im Dienste des Lebens steht) zu konkretisieren.
?Das psychologische Problem im Typus des Zarathustra ist, wie der, welcher in einem unerhorten Grade Nein sagt, Nein
thut
, zu Allem, wozu man bisher Ja sagte, trotzdem der Gegensatz eines neinsagenden Geistes sein kann; wie der das Schwerste von Schicksal, ein Verhangniss von Aufgabe tragende Geist trotzdem der leichteste und jenseitigste sein kann ? Zarathustra ist ein Tanzer -; wie der, welcher die harteste, die furchtbarste Einsicht in die Realitat hat, welcher den ?abgrundlichsten Gedanken‘ gedacht hat, trotzdem darin keinen Einwand gegen das Dasein, selbst nicht gegen dessen
ewige Wiederkunft
findet, ? vielmehr einen Grund noch hinzu, das ewige Ja zu allen Dingen
selbst zu sein
, ?das ungeheure unbegrenzte Ja- und Amen-sagen‘.“
[102]
In Nietzsches Atheismus ist nicht bloß ein
nihilistischer
Trieb zur Entwertung der Kultur zu sehen, nach Nietzsches eigener Auffassung sogar gerade das Gegenteil. Nietzsche kritisiert zwar die Moral und versteckt seine Abneigung gegen die christlichen Ideale nicht, jedoch wollte er diese Abwertung in sein Programm der ?
Umwertung aller Werte
“ einbinden, die letztlich dem Ziel dient, neue Werte zu schaffen. Der Typus Zarathustra sollte so etwas wie der erste Prophet dieser neuen ?ja-sagenden Moral“ sein, die im Dienste des Lebens steht, anstatt es in seiner freien Entfaltung zu hindern.
- Nein zum Gotterglauben ? ?Selbstbesinnung der Menschheit“
Nietzsches Atheismus ist also ein notwendiges Zwischenprodukt, das im Prozess der ?Umwertung der Werte“ den Boden fur eine ?Selbstbesinnung der Menschheit“
[103]
bereiten soll, die letztlich in eine bejahende, lebensfrohe Moral mundet. Atheismus bedeutet hier die Ablehnung von metaphysischer Ordnung und die Verneinung des damit verbundenen Gottglaubens. Dabei gesteht Nietzsche einigen Arten des Gotterglaubens ? ohne sie fur ?wahr“ zu halten ? durchaus eine nutzliche oder asthetisch ansprechende Funktion zu. In
Der Antichrist
beschreibt er etwa einen ?gesunden“, schadlosen Gotterglauben folgendermaßen:
?Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auch noch seinen eignen Gott. In ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist, seine Tugenden, ? es projicirt seine Lust an sich, sein Machtgefuhl in ein Wesen, dem man dafur danken kann. Wer reich ist, will abgeben; ein stolzes Volk braucht einen Gott, um zu
opfern
[…] Religion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist eine Form der Dankbarkeit. Man ist fur sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott.“
[104]
Folglich ist es auch schlussig, warum Nietzsche dem (in seinem Sprachgebrauch ?nihilistischen“) judisch-christlichen Gottesbegriff immer wieder den Begriff eines gewalttatigen
dionysischen
Gottes gegenuberstellt. Nicht der Gottesglaube selbst schadet, sondern der Glaube an einen
jenseitigen
, metaphysischen Gott. Nietzsches Angriffe gegen den verbreiteten Gottesbegriff sind also eingebunden in eine viel weiter reichende Kultur- und
Religionskritik
und gehen damit uber einen bloßen Atheismus hinaus. Tatsachlich richtet sich Nietzsche an vielen Stellen auch gegen seiner Meinung nach zu simple oder inkonsequente Formen des Atheismus.
Sigmund Freud
, der Begrunder der
Psychoanalyse
, hat mehrmals in einer naturgeschichtlichen Deutung die Entstehung von Religionen (und vieler anderer Erscheinungen) als die Erfullung unbewusster, auch unterdruckter Wunsche des Menschen zu erklaren versucht. Als Grundlage dienten Freud die Ahnlichkeiten zwischen kultisch-religiosen Handlungen und den Handlungsablaufen
neurotischer
Besessenheit. In seinem Buch
Totem und Tabu
(1913) kommt er zu der Schlussfolgerung: ?Illusionen, Erfullungen der altesten und starksten, dringendsten Wunsche der Menschheit“ seien eben die Religionsvorstellungen. Die Herleitungen, in denen sowohl die
darwinsche
?Urhorde“ als auch der
Odipuskomplex
herangezogen werden, gelten als spekulativ. In einer verallgemeinerten Form, namlich dass Religionen sehr wohl vorgeben, starke bewusste wie auch unbewusste Wunsche und Sehnsuchte der Menschen zu erfullen, gilt Freuds These als unbestritten. Freuds einschlagige Monographie zum Thema ist
Die Zukunft einer Illusion
(1927).
Nach Freud bieten die Eltern dem Kind unverzichtbaren Schutz und ein moralisches Gerust fur die Orientierung. Aus Sicht des Kindes sind die Eltern in der Lage, Ubermenschliches zu leisten. Mit zunehmendem Alter des Kindes erkennt es, dass auch die Eltern nicht immer Schutz und Rat bieten konnen. So ubertragt das Kind die den Eltern zugeschriebenen Fahigkeiten auf Gott. Anstatt also die Vorstellung aufzugeben, dass man immer geborgen und beraten ist in der Welt (
Realitatsprinzip
), wird weiterhin an der Illusion festgehalten. Gott ersetzt die Eltern in ihrer Funktion, Schutz und Moral zu bieten.
[105]
Wenn Freuds Schlussfolgerungen auch nicht direkt den Theismus widerlegen, bieten sie doch gewisse Ansatzpunkte, religiose Phanomene durch psychische Vorgange zu erklaren und die Notwendigkeit der Annahme ubernaturlicher Krafte zu verneinen.
Einen existenzialistischen Atheismus im eigentlichen Sinne gibt es nicht, da der
Existenzialismus
kein geschlossenes Lehrgebaude darstellt und unter diesem Begriff sehr disparate weltanschauliche, philosophische, ja auch theologische Konzepte versammelt werden. Sie reichen von
Stirner
uber
Schopenhauer
,
Kierkegaard
,
Heidegger
,
Camus
bis
Sartre
und
Jaspers
.
Nimmt man als Referenzpunkt den Existenzialismus sartrescher Pragung, so ergibt sich folgende atheistische Auffassung: Der wichtigste existenzialistische Grundsatz Sartres findet sich in seinem bekannten Satz wieder, wonach die (menschliche) Existenz der Essenz (dem Wesen) vorausgehe. Es gibt kein Wesen (hier sowohl personal als Gott verstanden als auch abstrakt als Natur des Menschen), wonach und wodurch der Mensch konzipiert wurde. Da der Mensch zu Beginn ?
Nichts
“ ist und sich standig selbst entwirft, bedeute Gott also jemand, der so etwas wie eine menschliche Natur konzipiert hat, eine Beschrankung dieses konstitutiven Selbstentwurfs. Stattdessen ist nach Auffassung der Existenzialisten der Mensch von Beginn an zur absoluten
Freiheit
verdammt. Fur die Neoexistenzialisten der Sartre-Schule ist Gott zunachst also das, was die absolute Freiheit des Menschen beschrankt.
?Wenn Gott nicht existierte, ware alles erlaubt“, schrieb
Dostojewski
. Aus existenzialistischer Perspektive wurde man hinzusetzen: ?Und weil er nicht existiert, ist der Mensch zur Verantwortung verdammt.“ Wie ist das zu verstehen? Wenn Gott existierte, gabe es etwas, was der menschlichen Existenz vorausginge, auf das er sich als Grund seines Handelns berufen konnte. Fallt dieser Grund weg, ist der Mensch absolut verlassen und muss die Grunde seines Handelns vollstandig aus sich selbst schopfen. Erst jetzt, wenn prinzipiell alles erlaubt ist, ist er nach neoexistenzialistischer Sichtweise als Individuum voll verantwortlich fur sein Handeln. Fur Neoexistenzialisten ermoglicht erst eine Welt (genauer: eine Existenz) ohne Gott die wahre Verantwortung des Menschen.
Die neoexistenzialistische Auffassung (Sartre, Camus) ubernimmt Heideggers Daseinsbegriff (
Sein und Zeit
) fur die Existenz. Demnach seien drei Dinge fur die menschliche Existenz charakteristisch: die Geworfenheit, der Entwurf und die Verfallenheit. Wesentlich fur die atheistische Grundhaltung der Neoexistenzialisten ist die Geworfenheit: Der Mensch ist kein Abbild einer Idee oder eines Vorbilds oder Bauplans, sondern er wird als
tabula rasa
in die Welt geworfen.
Im Atheismuskonzept des Neoexistenzialismus geht es nicht allein um die Zuruckweisung eines personalen Gottes, dem die Menschen sich zu verantworten haben, sondern auch um alle Konzepte, die als Theorien der ?Natur des Menschen“ auftreten: Sei es die Gesellschaft (der Mensch als soziales Wesen), sei es die Okonomie (der homo oeconomicus) oder seien es anthropologische Konzepte (der Mensch als des Menschen Wolf, als Egoist) ? alle werden sie vom Existenzialismus zuruckgewiesen mit dem Verweis, sie leisteten nur die Ent-Verantwortung des Menschen, weil dieser damit auf ihm außerliche, sachliche Zwange hinweisen konne. Damit kann der existenzialistische Atheismus auch als Versuch verstanden werden, gegen die Zwange moderner Gesellschaften aufzubegehren, was die Neoexistenzialisten, vor allem Sartre, im Verlauf der Studentenrevolten 1968 in Frankreich auch taten.
- Logisch-empiristische Metaphysikkritik
In weiten Teilen der im 20. Jahrhundert entwickelten
analytischen Philosophie
wurden anfanglich Fragen nach der Existenz oder Nichtexistenz von Gottern sowie
metaphysische
Fragen als unsinnig, nicht behandelbar oder irrelevant angesehen. So wurde im Rahmen des
Logischen Positivismus
die Rede uber Gotter fur sinnlos gehalten, weil Satze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfahig seien (d. h. uberhaupt nicht wahr oder falsch sein
konnen
). Dabei wird jedoch nicht behauptet, dass es keine Gotter gebe. Vielmehr wird der Satz ?Es gibt keine Gotter“ ebenfalls als inhaltsleer angesehen ? wie uberhaupt jeder Satz uber Gott oder sonstige metaphysische Objekte ?keinen Sinn“ habe, sondern ein ?Scheinsatz“ sei (so etwa
Rudolf Carnap
).
[106]
Nach
Max Bense
, im deutschen Sprachraum damals einer der profiliertesten Vertreter dieser Position, sage ein Satz wie ?Gott ist transzendent“ lediglich ?von einem unbestimmten Etwas (x) ein unbestimmtes Pradikat (ist pektabel)“ aus.
[107]
- Epistemologische Debatten
Einige Erkenntnistheoretiker sehen bei Existenzfragen stets den in der Beweispflicht, der die Existenz einer Sache behauptet, hier also den Theisten. Solange dieser die Begrundungspflicht nicht erbracht habe, sei es rational gerechtfertigt, von einer Nichtexistenz auszugehen, zumal die Erklarung der Welt keine Gotteshypothese erfordere.
[108]
Siehe hierzu ein evidentes Beispiel von Richard Dawkins unter
3.5.4.2 Neuer Atheismus
dieses Artikels (s. u.).
- Widerspruchlichkeit gottlicher Eigenschaften
Seit den Anfangen systematisch-theologischer Debatten wird uber die Vereinbarkeit gottlicher Eigenschaften wie Allmacht, Allgute, Gerechtigkeit, Einfachheit, Unendlichkeit usf. gestritten. So auch in der jungeren analytischen Theologie. Eine typische Beweisfuhrung mit der intendierten Konsequenz der Nichtexistenz Gottes hat dabei die Form eines
Widerspruchsbeweises
ausgehend von der Existenzannahme und ublichen Eigenschaftsaussagen uber Gott.
Wenn
die Gott zugeschriebenen Eigenschaften semantisch widersinnig oder logisch widerspruchlich sind (wie etwa im sog.
Allmachtsparadoxon
),
dann
konne es jenen Gott nicht geben.
- Theodizee
Zu den ideengeschichtlich altesten Argumenten, welche die Nichtexistenz Gottes wegen Inkompatibilitaten angenommener gottlicher Eigenschaften einerseits und empirischen Befundes andererseits nahelegen, gehort die Argumentation, dass Gottes Allmacht und Allgute nicht mit der apparenten Existenz vermeidbarer Ubel kompatibel sei (siehe hierzu ausfuhrlich den Hauptartikel
Theodizee
)
[109]
.
- Naturwissenschaftliche und neurophysiologische Argumente
Atheismus auf der Basis empirischer Uberlegungen: Der US-amerikanische Physiker
Victor Stenger
ist der Auffassung, dass fur die Gotteshypothese nicht nur empirische Belege fehlen, sondern dass sich auch die oftmals Gottern zugeschriebenen Eigenschaften anhand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse anfechten lassen. So seien die
Schopfung
von Lebewesen durch die
Evolutionstheorie
, Korper-Seele-
Dualismus
und Unsterblichkeit durch
Neurologie
, die Wirkung von Gebeten durch
Doppelblindstudien
, die Schopfung des Universums durch
thermodynamische
sowie
quantenphysikalische
Uberlegungen und gottliche
Offenbarungen
durch die Geschichtswissenschaft widerlegt worden. Das Universum verhalte sich genau so, wie es in Abwesenheit eines Gottes zu erwarten sei.
[110]
Die in vielen
Kulturen
beobachteten Vorstellungen von ubernaturlichen
Akteuren
konnten nach einigen Vertretern (z. B.
Pascal Boyer
) auch
empirische
Ruckschlusse auf zugrunde liegende Verarbeitungsprozesse im menschlichen
Gehirn
erlauben. Nach einer aus volkerkundlichen Untersuchungen abgeleiteten Hypothese verarbeitet das Gehirn Sinneseindrucke mit Hilfe verschiedener
Module
.
[111]
Eines dieser Module sei darauf spezialisiert, Veranderungen in der Umwelt als Werk von Lebewesen zu interpretieren. Ein solches ?Lebewesenerkennungsmodul“ sollte uberempfindlich arbeiten, da es meist gunstiger sei, falschlich z. B. einen Windhauch als Raubtier zu interpretieren, als ein tatsachlich vorhandenes zu ubersehen.
[112]
Dadurch konnten in unserem Gehirn aus unklaren Wahrnehmungen leicht Vorstellungen von ubernaturlich erscheinenden Akteuren, wie z. B. Gottern oder Geistern, entstehen.
Erstmals 2006 wurden einige Autoren, die in den vorangegangenen drei Jahren unter Berufung auf die Naturwissenschaften gegen theistische Glaubensformen argumentierten, als ?Neue Atheisten“ bezeichnet.
[113]
Zu ihnen zahlen die US-Amerikaner
Sam Harris
,
Daniel C. Dennett
und der Brite
Richard Dawkins
. Weiterhin wurden
Christopher Hitchens
und
Victor J. Stenger
zu den neuen Atheisten gezahlt.
[114]
Ihre jeweiligen Bucher erzielten hohe Auflagen. Anschließend wurden auch der Franzose
Michel Onfray
, der Deutsche
Michael Schmidt-Salomon
und andere Autoren hinzugezahlt, so dass die Bandbreite der so bezeichneten Position zugenommen hat. Richard Dawkins positioniert sich in der
epistemologischen Debatte
(
3.5.3 Analytische Philosophie
, s. o.) folgendermaßen, dass es irrig sei, dass etliche theistische Vertreter die Beweislast umkehren und von den Skeptikern einfordern, postulierte theologische Dogmen zu widerlegen, ohne selbst die Muhen zu unternehmen, diese zweifelsfrei zu untermauern. Hierzu bedient er sich des von
Bertrand Russell
ersonnenen Beispiels einer
hypothetischen Teekanne
, die zwischen Erde und Mars ihre elliptischen Bahnen ziehe und derart klein sei, dass sie von keinem existenten Teleskop erfasst werden konne.
[25]
[115]
In jedem Falle liege die Beweislast stets beim Verfechter der Aussage, jedoch kehre sich diese in theologischen Aussagen falschlicherweise um.
Zu den Kritikern des ?Neuen Atheismus“ zahlen mehrere Theologen, auch moderate Atheisten und andere Autoren, wie etwa
Alister McGrath
,
John Lennox
, David Aikman, Tina Beattie,
David Berlinski
, James A. Beverley,
Terry Eagleton
[116]
und Kathleen Jones;
[117]
in Deutschland z. B. der ?fromme Atheist“
Herbert Schnadelbach
(trotz seiner harschen Kritik am Christentum
[118]
erfolgte seine ebenso starke Kritik an den ?Neuen Atheisten“ bezuglich einer konfessionell-naturwissenschaftlichen Glaubigkeit
[119]
) und der ?alte Atheist“
Joachim Kahl
(dieser also mit dem direkten Gegenbegriff: ?Alter Atheismus“
[120]
).
Es gibt verschiedene, sich teilweise uberschneidende und widersprechende Einordnungen und Systematisierungen des Begriffs ?Atheismus“.
Beispielsweise unterscheidet das vatikanische
Sekretariat fur Nichtglaubende
diejenigen, die
- von der Existenz Gottes ?nichts wissen“;
- sie leugnen;
- daran zweifeln (skeptischer Atheismus);
- meinen, sie sei unserer Intelligenz unzuganglich (agnostischer Atheismus);
- die Frage fur sinnlos halten (?semantischer oder neopositivistischer Atheismus“);
- jede positive Offenbarung ablehnen (die ?Unglaubigen“);
- Gott aus dem menschlichen Tun ausschließen (spekulativ-praktischer Atheismus);
- ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf ein Wertesystem konzentrieren, in dem Gott abwesend ist (praktischer Indifferentismus).
[121]
Wahrend in der deutschsprachigen Literatur eher von ?engen“ und ?weiten“ Begriffsbedeutungen die Rede ist, wird der Atheismus im angelsachsischen Raum oft mit den Begriffen
strong
(oder
positive
) und
weak
(oder
negative
) bezeichnet.
[122]
Im Deutschen nimmt der Begriff ?stark“ an Verbreitung zu (parallel zu ?eng“). Auf Grundlage dieser polaren Unterscheidungen kann der Atheismus systematisch weiter geordnet oder typologisiert werden.
Eine verbreitete Kategorie ist der weite (implizite) Atheismus, dessen Vertreter aussagen: ?Ich bin nicht uberzeugt, dass es Gotter gibt.“
[123]
Dieser Atheismus beinhaltet jedoch
nicht
, dass es
keine
Gotter gabe, bestreitet also nicht die Existenz von Gottern. Unterschieden wird das Nichtswissen uber Gott oder Gotter (
Agnostizismus
) und das Nichtvorhandensein des Glaubens an Gott oder Gotter (Atheismus im wortlichen Sinne).
[124]
- Pragmatische
Ansatze eines weiten Atheismusbegriffs: Pragmatiker (Alltagsbegriff) resp. Pragmatisten (Philosophie) lassen Begriffe und Entitaten im Sinne
Ockhams
nur gelten, wenn sie praktischen Nutzen versprechen oder sich bereits in der Praxis bewahrt haben. Es gibt entsprechend pragmatische Auffassungen, nach denen eine Erklarung und Beurteilung der Welt ohne Annahme von Gottern zufriedenstellend moglich sei. Die Existenz von Gottern wird demgemaß zwar nicht bestritten, ihre Annahme aber als uninteressant oder uberflussig abgelehnt.
- Nominalistische
Ansatze: Begriffsnominalisten vertreten die Auffassung, dass nur Einzeldingen Wirklichkeit und damit Existenz zukomme, wahrend Gott als ein genereller Terminus nur Name (=Nomen) sei. Unter Maßgabe der Einfachheit der Erkenntnisse (Simplizitatskriterium), sei die Annahme von Gott oder Gottern als eigenstandig und unabhangig existierenden Wesen uberflussig.
- Atheistischer
Agnostizismus
: Dieser behauptet, dass Gotter mit den Mitteln menschlicher Vernunft nicht erkennbar seien (
intelligibler
Agnostizismus), oder dass fur die Annahme von Gottern nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Beweise oder Belege fehlten (szientistischer Agnostizismus). Im intelligiblen Agnostizismus kann man wieder unterscheiden zwischen stark und weit: Der weite Agnostizismus behauptet nur, dass Gotter moglicherweise nicht, oder noch nicht erkennbar seien, der starke hingegen, dass Gotter mit den Mitteln der menschlichen Vernunft
prinzipiell
nicht erkennbar seien.
[125]
- Szientistische
und
sprachlogische
Ansatze eines weiten Atheismusbegriffs: Ein typisch wissenschaftlicher Ansatz halt die Rede uber Gotter fur sinnlos, weil Satze, in den diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfahig seien (
siehe oben
). Der szientistische Atheismus behauptet jedoch nicht, dass es keine Gotter gebe. Fur ihn ist der Satz ?Es gibt keine Gotter“ genauso inhaltsleer wie ?Es gibt keine Elfen“.
[126]
- Postulatorische
Ansatze eines weiten Atheismusbegriffs: Dieser meist von Wissenschaftlern vertretene Atheismus geht davon aus, zunachst einmal Gotter aus dem System der Erkenntnisse herauszulassen, also keine Gotter zu postulieren im Gegensatz zur
Theologie
. Theistische Annahmen konnten jedoch spater an Grenzbereichen der Wissenschaft oder in unerforschten oder als unerforschbar angesehenen Teilen wieder zugelassen werden (Beispiel:
Stephen Hawking
Pre-Big-Bang God). Diese Spielart des Atheismus wird oft in Verbindung gebracht mit pragmatischen und nominalistischen Ansatzen.
Bei
Kant
ist Gott nur eine
regulative Idee
der Vernunft. Und im
Pantheismus
eines
Spinoza
wird die Idee der personalen Einheit Gottes vollkommen aufgegeben und Gott nur noch als in der Schopfung als Ganzes wirkende gottliche Substanz aufgefasst.
Die Gegenkategorie zum weiten Atheismus ist der starke (positive, explizite) Atheismus mit der logischen Aussageform: ?Ich bin uberzeugt, dass es weder Gott noch Gotter gibt“.
[123]
Vertreter des starken Atheismus lehnen den Glauben an die Existenz von Gott oder Gottern ab, also
Monotheismus
wie
Polytheismus
gleichermaßen. Hierfur findet sich gelegentlich auch der Begriff
Antitheismus
. Starker Atheismus lehnt auch ahnliche Uberzeugungssysteme wie beispielsweise den Glauben an ubernaturliche Wesen, Wirkkrafte oder Machte ab, ist also Gegner aller
spirituellen
,
animistischen
und
magischen
Lehren sowie eines jeglichen
Mystizismus
.
- Ansatz aus dem Umfeld des metaphysischen Rationalismus: Es bestehen Annahmen, wonach nur das existieren konne, was durch menschliche Vernunft prinzipiell erkennbar sei. Weil Gotter prinzipiell nicht erkennbar seien, konnten sie auch nicht existieren. Somit wird von Eigenschaften des menschlichen Verstands (ggf. bis in seine biologische Struktur reichend) eine Nichtexistenz von Gott oder Gottern abgeleitet.
- Radikal-szientistische Ansatze: Wahrend fur normal-szientistische Atheisten nur die Rede uber Gotter unsinnig ist, darf fur deren radikale Vertreter nur das als existierend angenommen werden, was nach intersubjektiv uberprufbaren Verfahren wissenschaftlich beweisbar ist. Da dies fur Gotter und andere transzendentale Ideen nicht gelte, konnen sie nach diesen Uberzeugungen nicht existieren.
- Theodizee
-Ansatze: Hierbei wird behauptet, dass es aufgrund des Leidens und der Ungerechtigkeit auf der Welt keine(n) (allgutigen oder allmachtigen) Gott oder Gotter geben konne. In seiner weniger radikalen Form kann der Theodizee-Atheismus auch als schwacher konditionaler Atheismus auftreten: ?Wenn Gott existiert, dann kann er angesichts des
Ubels
auf Erden nicht allmachtig oder nicht allgutig sein“. Die Existenz Gottes wird dabei zwar nicht bestritten, jedoch in seinen Eigenschaften begrenzt. Es ist dann eine theologische Frage, ob ein solches Wesen noch als Gott bezeichnet werden kann.
- Logisch-metaphysische Ansatze eines starken Atheismusbegriffs: Hier bestehen teilweise Ahnlichkeiten zu Ansatzen des metaphysischen Rationalismus. Sie sind darauf beschrankt, dass sich alle Gottesbeweise in Widerspruche (Antinomien) verwickeln wurden. Unter ihrer logisch-metaphysischen Pramisse, dass etwas Widerspruchliches
nicht existieren konne
, gelte dies auch fur Gotter im Sinne eigenstandiger Wesen.
[127]
Daneben gibt es auch noch Spielarten des Atheismus, die den eigenstandigen
ontologischen
Status von Gott oder Gottern einschranken oder bestreiten. Im
anthropozentrischen
Ansatz (
Ludwig Andreas Feuerbach
etwa) ist Gott kein echtes ubernaturliches Wesen, sondern ein Produkt menschlicher
Einbildungskraft
.
Mit
Agnostizismus
kann die These einer Falschheit von sowohl Theismus wie Atheismus oder nur eine Unentscheidbarkeit einhergehen. Wenn mit Atheismus die Festlegung auf die Nichtexistenz Gottes gemeint ist (?starke“ Bedeutung), dann bieten agnostizistische Positionen epistemische Argumente gegen theistische und ?stark“ atheistische Positionen. Eine Form von Argumentation versucht zu zeigen, dass keine hinreichenden Rechtfertigungen fur eine theoretische Verpflichtung auf Position oder Negation der Existenz Gottes bestunden, so dass eine diesbezugliche Urteilsenthaltung rationaler erscheine. Derartige Positionen sind insbesondere dann naheliegend, wenn ?Gott“ verstanden wird als Eigenname, der auf ein etwaiges metaphysisches ubernaturliches Objekt referiert, und
empiristische
oder
verifikationistische
Voraussetzungen vertreten werden. Dann ware eine Aussage sinnlos, wenn deren Wahrheit nicht empirisch uberprufbar ist. Folglich waren die Aussagen ?Gott existiert nicht“ und ?Gott existiert“ nur unverstandliche Lautkombinationen mit ?… existiert (nicht)“.
Jede Argumentation fur
theistische
Positionen ist per se eine Argumentation gegen atheistische Positionen. Die meisten der bis heute diskutierten Typen von Argumenten haben Vorlaufer bereits in der vorchristlichen Antike. Dazu zahlen Versuche, die Existenz eines oder des Gottes zu beweisen, indem unterschiedliche Typen von Verursachungsketten auf eine Erstursache zuruckgefuhrt werden. Dieser Typ von Argumenten begegnet in expliziter Form zuerst bei
Aristoteles
. Einer von vielen, welche diesen Argumenttyp wiederholen, ist
Thomas von Aquin
. Davon unterscheidbar sind Argumente, die ohne Bezugnahme auf Erfahrungstatsachen auskommen und z. B. bei einer Analyse des Seinsbegriffs (
Avicenna
u. a.) ansetzen oder bei einer Analyse der Implikate eines Begriffs Gottes als ?dasjenige, woruber hinaus Großeres nicht gedacht werden kann“ (
Anselm von Canterbury
). Beide Argumenttypen sind unpopularer geworden, spatestens seit
Immanuel Kants
Einwanden gegen die Moglichkeit, neue Wahrheiten uber die Welt ohne Bezug auf Erfahrung zu gewinnen und uber Gegenstande unabhangig davon zu reden, gemaß welcher Voraussetzungen diese uns erkennbar sind.
Seit dem 19. Jahrhundert wird von vielen theistischen Philosophen und Theologen nicht mehr versucht, die Existenz Gottes als rational notwendig zu beweisen, sondern als rational moglich zu rechtfertigen. Dabei wird z. B. versucht aufzuweisen, dass der Gottesglaube eine Basis in der Natur oder Vernunft des Menschen habe (ausgearbeitet in einer sog. theologischen
Anthropologie
) oder insofern vernunftig sei, als er eine zufriedenstellende Interpretation von Mensch und Welt erlaube (so z. B.
Wolfhart Pannenberg
). Derartige Versuche, eine interne Plausibilitat religioser Uberzeugungen herauszuarbeiten, haben eine Argumentationsweise ersetzt, welche die theologische
Apologetik
vom 14. bis fruhen 20. Jahrhundert pragte, die mit außeren Glaubwurdigkeitsgrunden wie Wunder, Zeugen oder erfullten Prophezeiungen argumentierte (sog. Extrinsezismus). Unter den zahllosen verschiedenen Ausarbeitungen von Rechtfertigungsversuchen eines Gottesglaubens wird in den letzten Jahrzehnten u. a. eine Gruppe von Positionen diskutiert, welche religiose Uberzeugungen im Kontext eines Meinungssystems fur so grundlegend halten (?basic beliefs“), dass diese weder einer weiteren Rechtfertigung zuganglich seien noch eine solche benotigten (sog. reformed epistemology,
Erkenntnistheoretischer Fundamentalismus
bezuglich religiosen Wissens, vertreten z. B. von
Alvin Plantinga
).
Eine Argumentation zugunsten des Gottesglaubens, die sich auf erwunschte moralische oder gesellschaftliche Konsequenzen oder Funktionen bezieht, erscheint den meisten gegenwartigen systematischen Theologen wenig plausibel. Eine derartige Argumentation findet sich auch in der vorchristlichen Antike, oftmals gepaart mit einer Polemik gegenuber Atheisten aufgrund der These, Atheismus fuhre notwendig und faktisch zu unmoralischem Verhalten.
Platon
etwa teilt in seinen
Nomoi
Atheisten in unterschiedliche Gruppen ein, die allesamt zu bestrafen seien; wahrend fur einige eine Gefangnisstrafe hinreiche, erfordere es bei anderen durchaus ein oder zwei Tode.
[128]
Platon gilt, wie vielen vor und nach ihm, der Mensch kraft seiner Vernunft als gottlich und kraft seines Bezugs auf einen Gott als menschlich.
Francis Bacon
beschuldigt den Atheismus, ?den Menschen zum Tier herabzuwurdigen, da er mit keiner hoheren Natur mehr verbunden sei“.
[129]
Papst
Benedikt XVI.
hob als Professor Joseph Ratzinger im Hinblick auf die Gefahr des ?Unwesens“ der Religion auch eine positive reinigende Funktion des Atheismus hervor:
?Atheismus ist nicht notwendig Leugnung des Absoluten uberhaupt, sondern dessen Ruckversetzung in die reine Gestaltlosigkeit, d. h., er ist Protest gegen die Gestalt, mit der das Absolute identisch gesetzt wird. Darin aber liegt die große und unabdingbare Sendung des Atheismus in der Religionsgeschichte. Die Gestaltung des Gottlichen fuhrt ja in der Tat immer wieder zur Vermenschlichung Gottes und damit zur Verabsolutierung des Menschlichen oder ganz bestimmter Einstellungen und Meinungen des Menschen. Aus diesem Grund gibt es nicht nur das Wesen, sondern auch das ?Unwesen‘ der Religion (Bernhard Welte), ist Religion nicht nur die große Chance, sondern auch die große Gefahrdung des Menschen. Weil hier das Absolute begegnet, kann jede Vermenschlichung und Verdinglichung des Absoluten zu den furchtbarsten Konsequenzen fuhren, indem dann die Gruppe, das System, die Einrichtung sich selbst absolut setzt und alles, was gegen sie steht, als das schlechthin Bose außerhalb jeder Menschlichkeit stellt. Weil vom Wesen des Menschen her jede Gestaltung zur Abschließung und so zur falschen Vermenschlichung Gottes drangt, muss es neben der Gestaltung immer auch ebenso die große Gegenbewegung der Reinigung geben, die immer wieder die Uberschreitung der Gestalt und so letzten Endes die Vergottlichung Gottes besorgt. Man kann gerade als Christ nicht einfach die positiv gestalteten Religionen der Weltgeschichte als das Gute und die atheistische Geisteslinie als den schlechthinnigen Sundenfall hinstellen, sondern beide Linien, die der Gestaltung und die der Reinigung, erganzen sich gegenseitig, beide tragen Aufschwung und Fall in sich.“
[130]
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- ↑
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entweder
fur
unreflektierte
Indifferenz (Abwesenheit, Desinteresse, Fehlen, Gleichgultigkeit, Ignoranz, Unglauben, Unkenntnis und Unwissen)
oder aber
fur philosophisch-
reflektierte
Indifferenz (Abstandsnahme, Infragestellen, Kritik, Nichtwissen, Positionierung, Skepsis, Urteilsenthaltung, Verzicht oder anders
begrundete
Abgrenzung).
- ↑
Vergleiche Hans-Walter Schutte, Art.
Atheismus
(in:
Historisches Worterbuch der Philosophie
, Bd. 1, S. 595?599, mit Zitat von J. G. Walch,
Historische und theologische Einleitung in die vornehmsten Religions-Streitigkeiten
, 1728, S. 673 f.): Zunachst sei ?Atheismus‘ durch seine ?innewohnende
Unbestimmtheit
“ ein Ablehnungsbegriff gewesen. ?Die Einteilung des Begriffs leitende Vorstellung beruht auf der Annahme, daß A[theismus] Gottlosigkeit bedeute, also die ≪verkehrte Beschaffenheit des
Gemuths
, wodurch der Mensch sich zu uberreden bemuhet ist, es sey kein Gott≫, bezeichne.“ Zur Bestimmung von ?Atheismus‘ nennt Schutte neben Unbestimmtheit, Ablehnung und Gemutsbeschaffenheit weitere atheistische ?Krafte“ die den ?Theismus erschuttern“, so etwa die Gleichsetzung des Atheismus mit
Spinozismus
(
Ph. J. Spener
), das ?Recht des Zweifels“ (in Anlehnung an
P. Bayle
), die Moglichkeit eines Staats von Atheisten (in Anlehnung an
F. M. Voltaire
), die Gleichsetzung des Atheismus mit
Pantheismus
(
J. G. Fichte
) und mit
Deismus
(
I. Kant
). Schutte zitiert
G. W. F. Hegel
, nach dem Atheismus zum einen die
Theologie
ist, die einen inhaltsvollen Gott annehme. Zum anderen sei ?[d]as Resultat der pietistischen Theologie, die versucht, Gott auf ≪das Gebiet der zufalligen Subjectivitat, das des Gefuhls anzuweisen≫“, ebenfalls Atheismus. Schutte resumiert: ?Die gegenwartige Situation hinsichtlich des Problems des A[theismus] ist dadurch gekennzeichnet, daß die im Laufe der letzten vier Jahrhunderte geltend gemachten
Motive
in einem schwer auflosbaren Miteinander weiterleben“
- ↑
Atheisterey.
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Grosses vollstandiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste
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Band 2, Leipzig 1732, Sp. 2016?2025.
- ↑
Fritz Mauthner
kam in seiner international umfangreichsten Studie zum Atheismus unter Bezugnahme auf diverse Quellen zu einer ausdrucklichen Berucksichtigung von agnostischen, deistischen, spinozistischen und weiteren Gruppen, die als Atheisten bezeichnet wurden (
Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland.
4 Bande. 1920?1923). Sie waren im 18. und 19. Jahrhundert besonders einflussreich (das
HWPh
nennt mit Quellenangaben: Spinozisten gemaß
Ph. J. Spener
, ?Deisten“ gemaß
Locke
und
Kant
, Pantheisten gemaß
Jacobi
und
Fichte
). Dieser Wortgebrauch, den etwa die Freidenker auch selbst nutzten, ist im 21. Jahrhundert nicht mehr ublich.
- ↑
Paul Edwards
:
Atheism.
In:
Encyclopedia of Philosophy
.
2. Auflage. Band 1, S. 356?377, hier S. 358/359. George Alfred James:
Atheism.
In:
Encyclopedia of Religion.
2. Auflage. Band 1. 2005, S. 576?586, hier S. 576: “
The term atheism is employed in a variety of ways. For the purpose of the present survey atheism is the doctrine that God does not exist, that belief in the existence of God is a false belief. The word God here refers to a divine being regarded as the independent creator of the world, a being superlatively powerful, wise, and good.
” Abgeschwachter erklart etwa
Alfred Jules Ayer
, charakteristisch fur einen Atheisten sei es, ?zu vertreten, dass mindestens wahrscheinlich ist, dass kein Gott existiert“ (in:
Language, Truth and Logic.
Dover/New York 1952, S. 115).
- ↑
Die hier genannten ?agnostischen Ansichten“ markieren verschiedene
epistemologische
, die Wahrscheinlichkeitsformulierung verschiedene
empirische
und die ?gibt-keinen‘-Formulierung
metaphysische
Positionen (letztere im Sinne eines logisch oder ontologisch notwendigen Ausschlusses gottlicher Existenzen in allen
moglichen Welten
). Siehe als detaillierte Standardzusammenfassungen insbesondere das
HWPh
, die
REP
und das international umfangreichste Werk von
F. Mauthner
,
Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland
. 4 Bde. 1920?1923, bei dem der Agnostizismus wie auch in weiteren Standardwerken atheistisch ausgelegt ist (
l.c.
). Das
HWPh
, Art. ?Agnostizismus“ (Bd. 1, 1971), zitiert Mauthner nach dem
Worterbuch der Philosophie
(1923, 1, 20), wonach der Agnostiker so bestimmt sei: ?die Vermeidung des ≪unschicklichen≫, aber zutreffenden Wortes ≪Atheist≫“.
J. Stenzel
halt die fur den Agnostizismus schulbildende
Protagoras
-Formulierung, wonach von Gottern nichts erkennbar und nicht erforschbar sei (
Kritias
, fr. 25) fur ?atheistisch“ (
Metaphysik des Altertums.
In:
Handbuch der Philosophie
, Munchen 1934), wahrend andere Werke eine klare Trennung zum Agnostizismus markieren (z. B.
The Oxford Companion to Philosophy
, Oxford/New York 1995, S. 63; vergleiche auch
The Encyclopedia of Philosophy
, 1967, S. 182, mittels eines engem Atheismusbegriffs). Die Auspragungen atheistischer Uberzeugungen sind vielfaltig, eine klare Abgrenzung zum
Agnostizismus
ist nicht immer moglich.
- ↑
“
[…] it is characteristic of an atheist to hold that it is at least probable that no god exists
”, in:
Language, Truth and Logic.
Dover/New York 1952, S. 115.
- ↑
a
b
Vergleiche Karl Hoheisel: Art.
Atheismus, I. Religionswissenschaftlich.
In:
Lexikon fur Theologie und Kirche
(LThK), dritte Aufl., Bd. 1, 1993, S. 1132.
- ↑
Vergleiche H.-W. Schutte,
Atheismus
-Art. (in:
HWPh
, Bd. 1, S. 595?599): Bei
J. F. Buddeus
ist der ?praktische Atheismus“ mit ?der Uberzeugung verbunden, daß der Gottesgedanke ein sicheres Besitztum der menschlichen Vernunft sei und daß die menschliche Gesellschaft durch A[theismus] im Sinne dieses [gottlichen] Beginns in ihren Grundlagen angefochten werde.“ Schutte zitiert
L. Feuerbach
, fur den der ?praktische Atheismus“ unter Berufung auf
M. Luther
eine Aneignung der Religionsgehalte sei und der ?Selbstentfaltung des der menschlichen Natur innewohnenden Inhalts“ diene; ferner
F. Nietzsche
, fur den der ?Sieg des A[theismus] die Menschheit“ vom Schuldgefuhl gegen ihren Anfang lose und der Atheismus ?Bedingung fur die Entstehung eines neuen Menschen“ ist. Vergleiche auch
H. Schnadelbach
(
Religion in der modernen Welt
, 2009, S. 123): Er argumentiert (sich selbst als Atheist bezeichnend), dass das, was Feuerbach mit ?praktische Atheismus“ gemeint habe, so praktisch geworden sei, ?dass >Atheismus< selbst schon nicht einmal mehr Thema ist“; so dass in dieser Folge ?unsere Kultur nicht nur postchristlich, sondern auch postatheistisch“ sei.
- ↑
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, Januar 2018,
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[abgerufen am 24. August 2018]).
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ZEIT ONLINE GmbH, 28. Mai 2014,
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Statuten
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Atheistischen Religionsgesellschaft in Osterreich
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Atheistische Religionsgesellschaft in Osterreich:
Kommunique vom 30.12.2019.
In:
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30. Dezember 2019, abgerufen am 22. April 2020.
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Was ist Freie Religion?
(
Memento
vom 2. April 2015 im
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1. Teilband, S. 131 im Diogenes-Taschenbuch
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Quelle: Hans Kung,
Existiert Gott?
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Beispielsweise J. Guitton, Mon testament philosophique, Paris 1997
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S. 89?99 (1976).
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Minois 2000, S. 648.
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Minois 2000, S. 29 ff.
- ↑
Forschungsmeinungen, die daraus die Existenz dieser atheistischen Stromung seit dem 6./5. Jahrhundert v. Chr. behaupten (zuletzt u. a. bei
Debiprasad Chattopadhyaya
), sind umstritten. Nachweisbar ist, dass es seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Skeptiker gab,
Lokayata
genannt (=?Diskutierer“, immer auch in der Bedeutung von ?Kritiker“ gebraucht), die sich irgendwann zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. (mogliche Lebenszeit des Charvaka, auf den sie sich beriefen) und dem 6. Jahrhundert n. Chr. (hier nachweisbar) als skeptizistische Schule organisierten, die allmahlich zu materialistisch-atheistischen Lehren uberging.
- ↑
Gott im Buddhismus
, 21. Juli 2014
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?Der Taoismus und die Entstehung der Welt“
, 21. Juli 2014
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Minois 2000, S. 40 f.
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Zit. n. Minois 2000, S. 42.
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Platon,
Nomoi
X, 899b. K. Hulser (Hrsg.), ubers. von Friedrich Schleiermacher (mit Erganzungen von Franz Susemihl u. a.), Insel Verlag 1991.
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Minois 2000, S. 49.
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Zit. n. Minois 2000, S. 61.
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Zit. n. d. Ubersetzung von Harry C. Schnur, 1968, Kap. 44
- ↑
Schutte,
HWPh
1, 595: ?Da sich die Christen mit eigenen Gottesdiensten den Vorwurf der ≪novitas≫ zuzogen, galten sie in der Meinung des 1. Jh. als atheoi.“
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Walter R. Dietz
:
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4. Auflage. Band 1, Mohr Siebeck, Tubingen 1998, Spalte 875.
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Jan Mili? Lochman
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In:
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(Hrsg.):
Evangelisches Kirchenlexikon
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3., neugefasste Auflage. Band 1, Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1986, Spalte 304.
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Georges Minois
:
Geschichte des Atheismus. Von den Anfangen bis zur Gegenwart.
Hermann Bohlaus, Weimar 2000,
ISBN 3-7400-1104-1
, S. 68?72.
- ↑
Vergleiche zum Beitrag der arabischen Philosophie zur Geschichte des Atheismus im Mittelalter Minois 2000, S. 72?76.
- ↑
Vergleiche Minois 2000, S. 74/75.
- ↑
Vergleiche fur diesen Abschnitt Minois 2000, S. 76?89.
- ↑
Minois 2000, S. 91 f.; S. 95.
- ↑
Minois 2000, S. 93; S. 96.
- ↑
Minois 2000, S. 94/98.
- ↑
Minois 2000, S. 77?79.
- ↑
Minois 2000, S. 87?92 und 95?99.
- ↑
Carlo Ginzburg
, Der Kase und die Wurmer. Die Welt eines Mullers um 1600. Frankfurt am Main 1979 (Zitat S. 104).
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Minois 2000, S. 98?101, S. 103.
- ↑
Minois 2000, S. 101?104;
Geschichte des Atheismus. Von den Anfangen bis zur Gegenwart.
Verlag Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 2000, S. 105?108.
- ↑
Winfried Schroder
in: Matthias Knutzen:
Schriften, Dokumente.
Stuttgart?Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2010, S. 8
- ↑
http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen157.pdf
- ↑
?Die Geschichte des Atheismus in Europa beginnt aber erst wirklich im 18. Jahrhundert mit den Franzosen Jean Meslier (1664?1729), Diderot (1713?1784), Holbach (1723?1789), […].“ (Hiorth,
Atheismus?genau betrachtet.
S. 26.)
- ↑
?Jenes sogenannte unendlich vollkommene Wesen hingegen, das unsere Gottglaubigen Gott nennen, ist bloß eine Ausgeburt der Phantasie.“ (Testament, Kap. 64)
- ↑
Julien Offray de La Mettrie:
Der Mensch als Maschine.
Nurnberg: LSR-Verlag 1985, S. 66.
- ↑
Fur ein Portrat La Mettries, das diese Seite des sonst als kruder ?mechanistischer Materialist“ verrufenen Philosophen hervorhebt, siehe:
Bernd A. Laska
:
La Mettrie und die Kunst, Wo(h)llust zu empfinden. Portrait eines verfemten Denkers
.
In: Der Blaue Reiter. Journal fur Philosophie. Band 16 (Juni 2003), S. 98?103
- ↑
Denis Diderot:
Essai sur les regnes de Claude et de Neron et sur la vie et les ecrits de Seneque…
(1778). Zit. n. ders.:
Philosophische Schriften II.
Berlin/DDR: Aufbau 1961, S. 428/429; vergleiche oben Note zu La Mettrie, sowie die
Einleitung
zu La Mettrie:
Uber das Gluck
, dem Werk, das die Gegnerschaft Diderots, Holbachs, Voltaires und anderer hervorrief.
- ↑
Immanuel Kant,
Gesammelte Schriften.
Hrsg.: Bd. 1?22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Gottingen, Berlin 1900ff.,
AA
000003
III, 427?428
.
- ↑
Feuerbach 1841
- ↑
?Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf, wie ich im ?Wesen des Christentums‘ zeigte, Gott nach seinem Bilde.“ Aus:
Vorlesungen uber das Wesen der Religion, Leipzig 1851, XX. Vorlesung.
- ↑
Feuerbach 1841, Teil II, S. 409
- ↑
Feuerbach 1841, Teil I, S. 287
- ↑
Weitere Stellen bei Marx (und Engels) sind zu finden in:
Das Kapital
an verschiedenen Stellen (z. B. die Stelle uber den
Warenfetischismus
), jedoch nie systematisch behandelt, und in:
Herrn Eugen Duhrings Umwalzung der Wissenschaft
(zit. mit ?
Anti-Duhring
“) von
Friedrich Engels
aus dem Jahr 1878.
- ↑
a
b
Marx:
Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.
In
Deutsch-Franzosische Jahrbucher
.
(1844),
MEW
Bd. 1, S. 378 ff.
(
Memento
vom 9. November 2011 im
Internet Archive
)
- ↑
a
b
c
Karl Marx:
Thesen uber Feuerbach
(geschrieben im Fruhjahr 1845)
MEW
Bd. 3, S. 5 ff.
- ↑
Friedrich Nietzsche: nachgelassenes Fragment ?Der europaische Nihilismus“,
KSA
12, 5 [71], S. 212.
- ↑
Ecce homo
, Warum ich so klug bin, 1. Abschnitt,
KSA
6, S. 278 f.
- ↑
Friedrich Nietzsche:
Ecce homo.
Warum ich so klug bin, 3. Abschnitt (KSA 6, S. 286)
- ↑
So mehrfach in
Ecce homo
: KSA 6, S. 319, 328, 366 f. und 370.
- ↑
Ecce homo, Also sprach Zarathustra, 6. Abschnitt: KSA 6, S. 344 f.
- ↑
Ecce homo.
Warum ich ein Schicksal bin, 1. Abschnitt (KSA 6, S. 365).
- ↑
Der Antichrist, Kapitel 16: KSA 6, S. 182
- ↑
Sigmund Freud:
Vorlesung: Die Zerlegung der psychischen Personlichkeit.
- ↑
Etwa in:
Uberwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache.
zuerst 1932, u. a. auch in: Ders. (Hrsg. Thomas Mormann):
Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften
, Meiner, Hamburg 2004, S. 81?110, hier 90.
- ↑
In:
Warum man Atheist sein muß.
In: Club Voltaire. Jahrbuch fur kritische Aufklarung 1 (1963), S. 66?71, hier 68, diverse Nachdrucke.
- ↑
Vergleiche etwa
Norbert Hoerster
:
Die Frage nach Gott.
C. H. Beck, S. 114.
- ↑
John Leslie Mackie beispielsweise folgerte daraus, ?dass wenigstens eine […] [der] zentralen Aussagen [des Theismus] wesentlich verandert“ werden musse, um Konsistenz zu erhalten.
Das Wunder des Theismus. Argumente fur und gegen die Existenz Gottes.
, S. 280; (Ubers. Rudolf Ginters) (1985) Reclam. Mackies Fazit ist, ?dass weitaus mehr gegen die Existenz eines Gottes spricht als dafur.“, S. 402.
- ↑
Victor J. Stenger:
God: The Failed Hypothesis: How Science Shows that God does not Exist.
Prometheus, Amherst 2007.
- ↑
Pascal Boyer:
Und Mensch schuf Gott.
Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 118 ff. (Ubersetzung der amerikanischen Ausgabe:
Religion Explained. The Evolutionary Origins of Religious Thought.
Basic Books, New York 2001).
- ↑
Pascal Boyer:
Und Mensch schuf Gott.
Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 180.
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Gary Wolf:
The Church of the Non-Believers.
Wired
,
abgerufen am 16. Marz 2010
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Institut fur Religionswissenschaft der Freien Universitat Berlin: Linkliste zum "Neuen Atheismus".
17. Januar 2012,
abgerufen am 22. September 2023
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Richard Dawkins:
Der Gotteswahn
. 6. Auflage. Ullstein, Berlin 2007,
ISBN 978-3-550-08688-5
,
S.
74
.
- ↑
Terry Eagleton:
Reason, Faith, and Revolution: Reflections on the God Debate
, 2009,
ISBN 978-0-300-15179-4
- ↑
Vergleiche eine
Linkliste im SFB der DFG an der FU Berlin
- ↑
Herbert Schnadelbach:
?Der Fluch des Christentums“
Die Zeit
2000.
- ↑
Vergleiche Herbert Schnadelbach:
Religion in der modernen Welt.
Frankfurt am Main 2009, S. 53 ff.
- ↑
Joachim Kahl:
Weder Gotteswahn noch Atheismuswahn. Eine Kritik des ?neuen Atheismus“ aus der Sicht eines Vertreters des ?alten Atheismus“, 2008.
(PDF)
Abgerufen am 18. Dezember 2010
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- ↑
Zit. nach: Minois 2000, S. 599 f.
- ↑
Michael Martin
:
General Introduction.
In: Ders. (Hrsg.):
The Cambridge Companion to Atheism
,
l.c.
, S. 1?7, S. 1.
Antony Flew
, Michael Martin, und
William L. Rowe
bezeichnen die Ablehnung als ?positive“ oder ?strong“ und die neutrale Position als ?weak“ atheism (A. Flew, ?The Presumption of Atheism“, in: The Presumption of Atheism and other Philosophical Essays on God, Freedom, and Immortality. Barnes and Noble, New York 1976, S. 14 ff.; M. Martin, ?The Cambridge Companion to Atheism“, Cambridge University Press 2006; W. L. Rowe:
Atheism.
In:
Routledge Encyclopedia of Philosophy.
Juni 1998, S. 530?534).
- ↑
a
b
H. Schnadelbach
markiert die aussagenlogische Differenz in folgender Weise: ?Es gibt zwei Sorten von Atheisten. Die einen sind die konfessionellen Atheisten, die sagen: ?Ich glaube, dass es Gott nicht gibt‘; sie vertreten eine Art Gegenkonfession zum Gottesglauben. Die schwachere Form des Atheismus besteht darin, zu sagen: ?Ich glaube nicht, dass es Gott gibt.‘ Hier wird also nichts geglaubt und bekannt.“ (in:
Berliner Zeitung
, Interview v. P. Riesbeck, 20. Marz 2008
online
).
- ↑
Ein Fehlen kann unterschiedliche Ursachen haben. Nach
Gunther Mensching
, Art.
Atheismus, I. Religionsgeschichtlich.
In:
Religion in Geschichte und Gegenwart
, 3. A., Bd. 1, S. 670 kann der Ausdruck ?Atheismus“ auch zur Bezeichnung einer ?Unkenntnis numinoser Wesenheiten“ dienen.
- ↑
Nur im Falle von agnostischen Ansichten, die ?Gott“ definitiv außen vor lassen oder in irgendeiner Weise ablehnen, ist eine damit verbundene Uberschneidung mit dem Atheismus begrifflich fassbar als ?agnostischer Atheismus“ (anders gewichtet: als ?atheistischer Agnostizismus“).
- ↑
Die
REP
analysiert im Anschluss an die Unterscheidung (weit/stark = negative/positive): “
One advantage of using ‘atheism’ in these two senses is that negative atheism, but not positive atheism, characterizes the position of the logical positivists, who hold that statements purportedly about God, including the statement ‘God does not exist’, are cognitively meaningless. If one holds that the statements ‘God exists’ and ‘God does not exist’ are cognitively meaningless, and therefore neither true nor false, one cannot consistently believe that it is true that God does not exist or that it is true that God does exist. So the logical positivist cannot espouse positive atheism, but can be characterized as espousing negative atheism.
”
- ↑
Vergleiche
Paul Edwards
, Art.
Atheism.
In:
The Encyclopedia of Philosophy
1967, Bd. 1, S. 177 f. zu den Punkten “eternity of matter” und “evil and other imperfections” die ein gottliches Wirken widerlegen wurden (mit Bezug auf G. H. Lewes, Bertrand Russell u. a.).
- ↑
Vergleiche fur weitere illustrative Beispiele
Paul Edwards
, Art.
Atheism.
In:
Encyclopedia of Philosophy
, Bd. 1, S. 356?377, hier S. 357 f.
- ↑
Georges Minois,
Geschichte des Atheismus.
S. 203.
- ↑
Joseph Ratzinger:
Atheismus ? seine positive Funktion.
Aus: Ders.:
Atheismus.
, in Michael Schmaus/Alfred Lapple (Hrsg.):
Wahrheit und Zeugnis.
Dusseldorf 1964, S. 94 (96); Auszug in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.):
Der Glaube der Kirche. Ein theologisches Lesebuch aus Texten Joseph Ratzingers.
Bonn, 2011 (Arbeitshilfen; Nr. 248;
Archivlink
(
Memento
vom 29. Dezember 2012 im
Internet Archive
)), S. 17 f.