Das
Assoziierungsabkommen zwischen der Europaischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits
[1]
ist das erste Abkommen eines neuen Typs im Rahmen der
Ostlichen Partnerschaft
der
Nachbarschaftspolitik
der EU. Es unterscheidet sich von den
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen
in den fruheren Phasen der
Erweiterung der EU
, insofern es nicht die ausdruckliche Zielbestimmung einer zukunftigen Vollmitgliedschaft in der EU enthalt und die Rechtsubernahme aus der EU auf Einzelbereiche beschrankt. Auch der
Binnenmarkt
wird nur teilweise geoffnet.
[2]
Es wird mit seinem ?politischen“ Teil seit November 2014, mit dem gesamten wirtschaftlichen Teil seit dem 1. Januar 2016 vorlaufig angewandt
[3]
[4]
? vorbehaltlich der Ratifizierung durch alle
Mitgliedstaaten
. Dieser Teil des
Assoziierungsabkommens
wurde am 21. Marz 2014 von den Staats- und Regierungschefs der Europaischen Union im Zuge eines EU-Gipfels in Brussel unterzeichnet. Fur die Ukraine unterschrieb
Arsenij Jazenjuk
, der Ministerprasident der damaligen
Ubergangsregierung
.
Der ?wirtschaftliche“ Teil, der vor allem die Regelungen fur ein
Freihandelsabkommen
enthalt, wurde erst mit dem bei der
ukrainischen Prasidentschaftswahl
am 25. Mai 2014 neu gewahlten ukrainischen Prasidenten
Petro Poroschenko
am 27. Juni 2014 bei einem EU-Gipfel unterzeichnet.
[5]
Als letztes Land stimmten die Niederlande 2017 dem Vertrag offiziell zu, nachdem er in einem
konsultativen Referendum
zunachst abgelehnt worden war. Voraussetzung war, dass die EU Erklarungen abgegeben hatte, dass keine Militarhilfe und kein zusatzliches Geld in die Ukraine fließen wurde und dass der Vertrag die Ukraine nicht zu einem EU-Beitrittskandidaten machen wurde.
Der Vertrag ist im Vergleich zu den fruheren Vertragen mit Nicht-Beitrittslandern außerhalb des Wirtschaftsraums der EU aufgrund der weitreichenden vertraglichen Regelungen einzigartig
[6]
[7]
und ?stellt eine neue Generation von Abkommen der EU mit Drittlandern dar“.
[8]
Das Abkommen enthalt auf 1200 Seiten in sechs Kapiteln staatspolitische und gesellschaftspolitische Ziele (Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte), Maßnahmen zur Eindammung der Korruption, Regelungen zur Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, vor allem aber Regelungen zur Standardisierung und Angleichung im Handel, bei Zollen, Steuern und Abgaben, im Wettbewerbsrecht, bei Energiefragen und im Bereich des Umweltschutzes.
Titel IV enthalt die wirtschaftspolitisch zentrale Vereinbarung einer
Vertieften und umfassenden Freihandelszone
(DCFTA). Ziel ist, dass die Ukraine innerhalb von zehn Jahren die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen und Standards der EU durch tiefgreifende Reformen verwirklicht, so dass von der EU schrittweise, Zug um Zug, eine weitgehende Zoll- und Mengenfreiheit im Handel, die Visa-, Reise- und Beschaftigungsfreiheit, die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen und der freie Finanz- und Kapitalverkehr umgesetzt werden konnen.
Die Aussetzung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens am 21. November 2013 von der ukrainischen Regierung unter Prasident
Wiktor Janukowytsch
gilt als Ausloser fur die
Maidan-Proteste
.
Das Abkommen sollte schon im Dezember 2011 beim EU-Ukraine-Gipfel in Kiew paraphiert werden. Wegen der Gerichtsprozesse gegen fuhrende Oppositionspolitiker (Julija Timoschenko) verschob die europaische Kommission die
Paraphierung
, die erst am 30. Marz 2012 erfolgte, wobei keine Spitzenvertreter der EU und der Ukraine beteiligt waren.
EU-Erweiterungskommissar
?tefan Fule
teilte mit: ?Es ist nur ein erster Schritt. Alles beschrankt sich auf das rein technische Verfahren der Paraphierung des Dokuments durch die Leiter der Verhandlungsdelegationen,
Miroslav Laj?ak
vom Europaischen Auswartigen Dienst und
Pawlo Klimkin
, stellvertretender
Außenminister der Ukraine
“. Alles Weitere hange von den politischen Entwicklungen in der Ukraine ab, so die EU-Kommission. Es sei noch ein weiter Weg bis zur Unterzeichnung des Abkommens.
[9]
Die deutsche Bundesregierung verlautbarte auf eine Anfrage von Abgeordneten hin, die Bundesregierung erwarte von der ukrainischen Regierung nachweisbare Fortschritte in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Andernfalls sei eine Unterzeichnung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens nur schwer vorstellbar".
[9]
Nach der Meinung des Vorsitzenden des Auswartigen Ausschusses im Europaparlament,
Elmar Brok
(EVP), sei die
Parlamentswahl in der Ukraine 2012
entscheidend.
[9]
Michael Emerson vom Brusseler
Centre for European Policy Studies
rechnete mit einer moglichen Unterzeichnung im November 2012 nach den Wahlen, falls sie als demokratisch eingestuft wurden. Eine ganze Reihe von EU-Landern wolle nach wie vor eine rasche Unterzeichnung des Abkommens. Kiew solle in der europaischen Integration eine Alternative zu Moskaus Planen sehen, die Ukraine in die Zollunion mit
Russland
,
Belarus
und
Kasachstan
hineinzuziehen. ?Naturlich wird Putin die Ukraine in der Frage der Zollunion stark unter Druck setzen. Aber wenn Janukowytsch dem nachgibt, dann wird dies das EU-Assoziierungsabkommen torpedieren.“ Eine Integration in Moskaus Zollunion liege nicht im Interesse der Ukraine. ?Eine enge Zusammenarbeit mit Russland ist entgegen dem politischen und vor allem auch wirtschaftlichen Interesse, denn der russische Markt bietet den Ukrainern nichts.“
[9]
Am 21. November 2013 lehnte es die
ukrainische Regierung
von
Wiktor Janukowytsch
in einem
Dekret
[10]
ab, den Vertrag zu unterzeichnen. Dies geschah nachdem der russische Prasident, Wladimir Putin, unter
Anwendung wirtschaftspolitischen Drucks
auf Janukowytsch eingewirkt hatte.
[11]
Am 22. November 2013, erlauterte Ministerprasident Asarow in einer Parlamentsrede die Entscheidung der Regierung. Zur gleichen Zeit versuchte
Julija Tymoschenko
in einem Brief an Prasident Wiktor Janukowytsch vergeblich, diesen zu einer Revision der Entscheidung zu bewegen.
[12]
[13]
Der Schritt der Regierung erfolgte nach Angaben des Dekrets aus ?Grunden der nationalen Sicherheit“.
[14]
Die EU und die Ukraine sollten die Folgen des Abkommens zunachst gemeinsam mit Russland besprechen, hieß es. Als Begrundung fuhrte Janukowytsch aus, die Zeit sei noch nicht reif. Die Ukraine konne einen solchen Vertrag erst unterschreiben, wenn sie selbst stark sei: ?Sobald wir ein Niveau erreichen, das uns bequem erscheint, wenn es unseren Interessen entspricht, wenn wir unter normalen Bedingungen verhandeln konnen, dann konnen wir uber eine Unterzeichnung sprechen“,
[15]
sagte Janukowytsch. ?Wann dies sein wird, bald oder nicht so bald, wird die Zeit weisen.“
[16]
Janukowytsch sagte, dass der IWF der Ukraine bereits 2010 610 Millionen Euro technische Hilfe angekundigt habe: ?Drei Jahre lang haben sie uns das wie ein Bonbon in einer schonen Verpackung gezeigt“. Am Ende hatten sich alle Hoffnungen, dass der
IWF
dem Land helfe, zerschlagen. Das sei ?erniedrigend“ gewesen.
[15]
Auf dem
Osteuropa-Gipfel in Vilnius
am 28. November 2013 wiederholte Janukowytsch seine Ablehnung gegenuber einem Kompromissvorschlag der EU. Er forderte Finanz- und Wirtschaftshilfen der EU. Die Ukraine sei mit ihren ernsten Finanz- und Wirtschaftsproblemen zuletzt alleine gelassen worden. Die von der EU angebotenen 600 Millionen Euro an Hilfen bezeichnete Janukowytsch als demutigend.
[17]
160 Milliarden Euro benotige sein Land, um sich innerhalb der nachsten Jahre dem EU-Standard anzunahern, reif zu sein fur ein EU-Assoziierungsabkommen.
[18]
Angela Merkel sagte nach dem Treffen mit Janukowytsch 28. November 2013: ?Der Prasident hat mir noch einmal gesagt, 50 Prozent der Exporte gehen nach Russland oder in die Republiken der Zollunion, 45 Prozent in die Europaische Union, also Bindung nach beiden Seiten. Und die Aufgabe fur uns, die EU, wird sein, noch starker mit Russland zu reden, wie wir aus dem Entweder-Oder, entweder Bindung an Russland oder Bindung an Europa ? herauskommen und ich glaube, da liegt auch eine Aufgabe fur Deutschland.“
[19]
Ministerprasident
Mykola Asarow
sagte in einem Gesprach mit der APA in Kiew, angesichts der wirtschaftlichen Lage sei die Nichtunterzeichnung ?die einzig richtige" Entscheidung gewesen: "Bis zum Fruhjahr mussen wir unsere wirtschaftlichen Probleme losen“. Er werde weiterhin versuchen, die EU von Dreier-Gesprachen mit Russland zu uberzeugen.
[20]
Der fruhere EU-Erweiterungskommissar
Gunter Verheugen
sagte in einem Interview im November 2013, dass die EU bei den Verhandlungen mit der Ukraine zwei Fehler gemacht habe. Einerseits habe die EU der Ukraine keine langfristige Perspektive gegeben und keine Klarheit geschaffen, sodass die Menschen in der Ukraine nicht genau wissen, ob sie in der EU erwunscht sind oder nicht. Andererseits habe man unterschatzt, welchem Druck die Ukraine von außen ausgesetzt war und den Eindruck entstehen lassen, dass die Ukraine Gegenstand eines Tauziehens zwischen der EU und Russland sei.
[21]
Die Aussetzung der Unterzeichnung loste landesweite Proteste gegen die
kleptokratische
Regierung unter Janukowytschs Prasidentschaft
aus, die schließlich zu seinem Sturz fuhrten.
Die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens erfolgte in zwei Schritten. Im Marz 2014 wurde ein Teil des Abkommens unterschrieben, die restlichen Kapitel folgten im Juni.
Der ?politische“ Teil des Assoziierungsabkommens wurde am 21. Marz 2014 von den Staats- und Regierungschefs der Europaischen Union im Zuge eines EU-Gipfels in Brussel unterzeichnet. Fur die Ukraine unterschrieb
Arsenij Jazenjuk
, der Ministerprasident der damaligen
Ubergangsregierung
. Die Passagen des Abkommens, die am 21. Marz unterschrieben wurden, sind die Praambel, Artikel 1 (?Ziele“), Titel I (?Allgemeine Grundsatze“), Titel II (?Politischer Dialog und Reformen, Politische Assoziation, Zusammenarbeit und Annaherung im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik“) sowie Titel VII (?Institutionelle, Allgemeine und Schlussbestimmungen“).
[22]
Ziele der Assoziierung sind:
[1]
- Forderung einer schrittweisen Annaherung zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Ukraine auf der Grundlage gemeinsamer Werte
- Schaffung eines geeigneten Rahmens fur einen intensiveren politischen Dialog in allen Bereichen von beiderseitigem Interesse
- Forderung, Erhalt und Starkung von Frieden und Stabilitat auf regionaler und internationaler Ebene
- Schaffung der Voraussetzungen fur intensivere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und Unterstutzung der Anstrengungen der Ukraine, den Ubergang zu einer funktionierenden Marktwirtschaft zu vollenden
- Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich Recht, Freiheit und Sicherheit, um die Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu starken
- Schaffung der Voraussetzungen fur eine immer engere Zusammenarbeit in anderen Bereichen von beiderseitigem Interesse
Der ?wirtschaftliche“ Teil, der vor allem die Regelungen fur ein
Freihandelsabkommen
enthalt, wurde erst mit dem bei der
ukrainischen Prasidentschaftswahl
am 25. Mai 2014 neu gewahlten ukrainischen Prasidenten
Petro Poroschenko
am 27. Juni 2014 bei einem EU-Gipfel unterzeichnet.
[5]
Dieser Vertragsteil umfasst die Titel III (?Recht, Freiheit und Sicherheit“), Titel IV (?Handel und Handelsfragen“), Titel V (?Wirtschaftliche und Sektorale Zusammenarbeit“) und Titel I (?Finanzielle Zusammenarbeit einschließlich Betrugsbekampfung“). In Titel IV ist die Errichtung einer vertieften Freihandelszone vorgesehen, Ein- und Ausfuhrzolle (z. B. fur Ursprungswaren) sollen nach bestimmten Stufenplanen beidseitig gesenkt oder beseitigt werden.
[1]
Eine engere Zusammenarbeit wurde in der
Sicherheitspolitik
vereinbart, unter anderem zum Thema Konfliktverhutung und Krisenbewaltigung.
[22]
Das Abkommen setzt sich aus einer
Praambel
, 486 Artikeln, 44 Anhangen (teilweise aus mehreren Teilen bestehend oder mit mehreren Anlagen), drei Protokollen und einer Gemeinsamen Erklarung zusammen. Artikel 1 definiert die Ziele, die restlichen Artikel verteilen sich auf sieben Titel:
- I Allgemeine Grundsatze (Artikel 2?3),
- II Politischer Dialog und Reformen, Politische Assoziation, Zusammenarbeit und Annaherung im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik (Artikel 4?13),
- III Recht, Freiheit und Sicherheit (Artikel 14?24),
- IV Handel und Handelsfragen (Artikel 25?336),
- V Wirtschaftliche und sektorale Zusammenarbeit (Artikel 337?452),
- VI Finanzielle Zusammenarbeit einschließlich Betrugsbekampfung (Artikel 453?459),
- VII Institutionelle, Allgemeine und Schlussbestimmungen (Artikel 460?486).
Das 1200 Seiten umfassende Werk befasst sich auch mit Menschenrechten und ersten militarischen Ansatzen und Zusammenarbeit, die in einer Europaischen Beistandsklausel munden sollen, die den Vertragen der Europaischen Union nachgeahmt wurde.
Im Titel I
Allgemeine Grundsatze
wird im Artikel 2 auf Festlegungen in, unter anderem, der
Schlussakte der
Konferenz uber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
in Helsinki von 1975
Bezug genommen (aus deren Folgekonferenzen ging 1995 die
Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
hervor). In der Absichtserklarung verpflichteten sich damals alle beteiligten Staaten (auch die Sowjetunion) die Grenzen zu achten. Zu den weiteren Konventionen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird gehoren die
Pariser Charta fur ein neues Europa von 1990
, die
Allgemeine Erklarung der Menschenrechte
der VN und die
Europaische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
.
Der zweite Titel befasst sich mit Sicherheits- und Diskriminierungspolitik. So wird etwa in Artikel 4
Ziele des politischen Dialogs
Absatz 2 Buchstabe d die Sicherheit des Europaischen Kontinents in den Vordergrund geruckt; in Buchstabe e wird der Schutz von Minderheiten aller Art garantiert; in Buchstabe f werden dann Absichtserklarungen zum Schutz und Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen zwischen der Ukraine und der Europaischen Union genannt. In Artikel 10 des Assoziierungsabkommens wird eine starkere Zusammenarbeit in Militarubungen im Rahmen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
und Krisenbewaltigung vereinbart und in dessen Absatz 3 die Prufung eine verstarkten technologische Zusammenarbeit. Außerdem vereinbaren die Vertragsparteien, ?[…] einen Beitrag zur Bekampfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, dazugehorigem Material und Tragermitteln zu leisten […]“ (Artikel 11 Absatz 1 Satz 2). Neben Abrustungspolitik (Artikel 12) wird auch die Zusammenarbeit in der Terrorismusbekampfung (Artikel 13) angekundigt.
Der dritte Titel befasst sich unter anderem mit Drogenbekampfung, Terrorismusbekampfung, Asylrechten und den Menschenrechten sowie den Gesetzen. Die restlichen vier Titel, die Anhange, die Protokolle und die Gemeinsame Erklarung befassen sich mit Handel und Handelsfragen, wirtschaftlicher, sektoraler und finanzieller Zusammenarbeit, institutionellem Rahmen sowie allgemeinen und Schlussbestimmungen.
[1]
Ukraine zwischen den gemeinsamen Markten der EU und der Staaten des postsowjetischen Raumes
[
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Sowohl die EU als auch Russland sind wichtige Handelspartner der Ukraine. Beide investieren in die Wirtschaft der Ukraine und beide wollen die Ukraine enger an sich binden. In dieser Wettbewerbssituation bedeuten Vorteile fur die EU oder fur Russland haufig Nachteile fur den jeweils anderen Wirtschaftspartner. Dieser Konflikt fuhrte in den letzten Jahren mehrfach zu schwerwiegenden Handels- und Zollstreitigkeiten zwischen der Ukraine und Russland. Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europaischen Union und der Ukraine steht in Konkurrenz zur Zollunion Russlands, zu dessen zollfreien gemeinsamen Markt die Ukraine uber Freihandelsabkommen derzeit noch Zugang hat.
Freihandelsabkommen der Ukraine mit Russland und den GUS-Staaten
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Bedeutendste Wirtschaftspartner der Ukraine sind die
GUS
-Staaten. Ihr Anteil am Außenhandel der Ukraine betrug 2010 etwa 40 %. Etwa 30 Prozent ihres Außenhandels wickelte die Ukraine mit den EU-Staaten ab, weitere 30 % entfielen auf Asien und andere Lander. Beginn der 1990er Jahre geschlossene bilaterale Vertrage der Ukraine mit Russland, Belarus und Kasachstan ermoglichten einen zollfreien Handel mit Gutern. Diese Vertrage wurden im Oktober 2011 durch ein neues multilaterales
Freihandelsabkommen
der GUS abgelost, das acht der elf Mitgliedsstaaten unterzeichneten, darunter wiederum die Ukraine, Russland, Belarus und Kasachstan. Regeln und Praktiken der
Welthandelsorganisation
(WTO) sind Grundlage dieses Abkommens. Die
Eurasische Zollunion
bildet seit 2011 einen weiteren zollfreien gemeinsamen Markt. Die Ukraine ist zwar nicht Mitglied, genießt aber uber ihre verschiedenen Freihandelsabkommen einen zollfreien Zugang zum Markt dieser Zollunion von Russland, Belarus und Kasachstan.
Das Abkommen sorgte danach im August 2013 fur Spannungen zwischen der Ukraine und Russland. Russland sieht durch das Abkommen seine Zollunion mit
Belarus
und
Kasachstan
als gefahrdet an. Die Ukraine soll dieser Zollunion beitreten, die einmal zur
Eurasischen Union
ausgebaut werden soll. Die Ukraine verkauft derzeit 25 Prozent ihrer Exporte nach Russland.
[23]
Der damalige
ukrainische Prasident
Wiktor Janukowytsch
bat am 3. September 2013 das
Parlament
, Gesetze zu erlassen, um den Beitritt zur EU schneller ermoglichen zu konnen (zu nennen waren Gesetzesangleichungen).
[24]
[25]
Am 18. September 2013 stimmte das ukrainische Parlament den Empfehlungen des Prasidenten zu.
Der EU-Kommissionsprasident Barroso hatte am 25. Februar 2013 auf dem Gipfel in Brussel gesagt, dass ein Beitritt in die von Russland gefuhrte Zollunion nicht mit einer Annaherung an die EU oder einem Beitritt vereinbar sei, die Ukraine musse sich dazwischen entscheiden; fur Russland wiederum konnte das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht gleichzeitig zu den bestehenden Wirtschaftsabkommen mit Russland gelten, woraufhin beschlossen wurde, die Ukraine im Fall eines Abkommens mit der EU mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen aus der GUS-Freihandelszone auszuschließen.
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]
[31]
Barroso wurde fur seine Aussagen kritisiert, da diese Haltung die Ukraine in die Arme Russlands treiben konne.
[32]
Janukowytsch erklarte zunachst, dass ein Beitritt zur Russischen Zollunion nicht auf der Tagesordnung stehe.
[33]
Hinzu kam das rechtliche Hindernis rund um das Verfahren der damals inhaftierten
Julija Timoschenko
, das durch die Freilassung als ausgeraumt gilt.
Begleitet wurde die geplante Unterzeichnung durch heftige Auseinandersetzungen in der Ukraine um Prasident Janukowytsch. Am 21. November 2013 setzte die ukrainische Regierung nach massivem wirtschaftlichen Druck Russlands mit dem
Dekret zur Aussetzung des Assoziierungsvertrags zwischen der Ukraine und der EU
die Vertragsverhandlungen mit der EU aus. In der sich wirtschaftlich stark verschlechternden Lage bemuhte sich die ukrainische Regierung um Kredite zur Unterstutzung des Staatshaushaltes; die Bedingungen, die der
internationale Wahrungsfonds
stellte, wurden aber nicht akzeptiert und die EU zeigte sich im Dezember 2013 ablehnend gegenuber der Forderung nach einem Hilfskredit von 20 Milliarden Euro.
[34]
[35]
Nach der Zusage großzugiger Unterstutzungen durch Russland erklarte Janukowytsch, dass er auf das Abkommen mit der Europaischen Union verzichten musse. Im Gegenzug fur den Verzicht senkte Russland den Preis fur seine Erdgaslieferungen um etwa ein Drittel und stellte Kaufe ukrainischer Staatsanleihen in Hohe von 15 Milliarden Dollar in Aussicht, die die Ukraine dringend benotigte, um kurzfristige Schulden zu begleichen.
[36]
Bis zum Sturz Janukowytschs flossen drei Milliarden an die Ukraine. An die Ubergangsregierung, die danach in der Ukraine installiert wurde, zahlte Russland keine weiteren Hilfen. Die volkerrechtswidrige
Annexion der Krim durch Russland
beschleunigte die Assoziierungsgesprache zwischen der Ukraine und der EU.
Politische Auseinandersetzungen uber die Justiz der Ukraine
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]
Nach der Verurteilung der ehemaligen ukrainischen Ministerprasidentin
Julija Tymoschenko
im Oktober 2011 zu sieben Jahren Haft verschoben EU-Ratsprasident
Herman Van Rompuy
und Kommissionsprasident
Jose Manuel Barroso
die Unterzeichnung des bereits ausgehandelten Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU.
[37]
Timoschenko hatte wahrend ihrer Amtszeit im Jahr 2009 Gasvertrage mit Russland geschlossen. Sie wurde verurteilt, weil diese nachteilig fur die Ukraine gewesen seien. Die EU unterstellte, dass das Urteil vor allem politisch begrundet gewesen sei, forderte seine Revision und gleichzeitig eine umfassende Justizreform in der Ukraine.
[38]
Eine Reihe von Gesetzesentwurfen, die eine Begnadigung Timoschenkos oder wenigstens eine Verringerung des Strafmaßes ermoglicht hatten, scheiterten im ukrainischen Parlament. Die Frage der Unterzeichnung des Assoziationsabkommens durch die EU-Staaten blieb deswegen bis zum EU-Gipfel der
Ostlichen Partnerschaft
im November 2013 in
Vilnius
offen.
[39]
Im Juli 2014 kundigte Russland an, das bestehende bilaterale Freihandelsabkommen von 1993
[40]
mit der Ukraine zu kundigen, um den russischen Markt vor EU-Importen zu schutzen. Auf Importe aus der Ukraine werde von Russland kunftig bei 98 % der Waren ein Zoll bis zu 7,8 % erhoben. Ab Januar 2016 gilt ein russisches Verbot fur Lebensmittelimporte aus der Ukraine.
[41]
Die Europaische Kommission veroffentlichte eine Stellungnahme mit Argumenten, mit denen die ?Mythen“ uber die wirtschaftlichen Folgen entkraftet werden sollen:
- Es wird keine unmittelbaren negativen Folgen haben, die Ukraine werde lediglich durch die russischen Gegenmaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen, fur die das Abkommen selbst nicht verantwortlich sei. Der Wegfall der Zolle ergebe ein Plus von 0,8?1 Milliarde Euro fur die Ukraine. Besonders der Abbau der Agrarzolle werde großere Gewinne fur die Ukraine mit sich bringen. Ein Wachstum des BIP von uber 5 % sei zu erwarten.
- Das Abkommen schließt Zollabkommen mit Russland und anderen Landern nicht aus. Allerdings mussen alle Mitglieder einer Zollunion dieselben Außenzolle fur Importe erheben, da diese gemeinsam festgelegt werden. Bei einem Beitritt der Ukraine zur Zollunion mit Russland, Belarus und Kasachstan mussten alle Außenzolle der Ukraine wieder uberarbeitet werden, die bestehenden Freihandelszonen waren nichtig und die WTO-Beitrittsbedingungen wurden verletzt, weshalb die Ukraine mit Kompensationsforderungen anderer WTO-Lander wegen verschlechterter Bedingungen fur den Export in die Ukraine rechnen musste.
- Ukrainische Unternehmen werden die Standards erfullen und nicht gegenuber EU-Firmen den Kurzeren ziehen: Die Ukraine werde durch Modernisierung, standardgemaße Qualitatssteigerung und Internationalisierung der Produktion wettbewerbsfahiger. Allerdings werde dies nach einem Zeitplan schrittweise geschehen und es seien dazu hohe Investitionen notig, fur die die Ukraine Unterstutzung brauche.
- Die Reformkosten werden nicht wie von Russland behauptet 160 Milliarden Dollar betragen, weil solche Summen noch nie erforderlich waren. Allerdings musse die Ukraine die Investitionsquote deutlich erhohen. Wahrend Deutschland in den letzten zehn Jahren 5,4 Billionen Dollar investiert hat, belief sich die Investitionssumme der Ukraine nur auf 250 Milliarden Dollar.
- Der Burger der Ukraine wird vom Abkommen profitieren, da unabhangige Studien allein aufgrund des Abkommens mittelfristig einen Zuwachs von 6 % des BIP und 12 % an Wohlstandsmehrung fur die ukrainische Bevolkerung berechnen. Durch das verbesserte Geschaftsklima wird die Ukraine als Investitionsstandort außerdem an Attraktivitat gewinnen.
- Waren der EU werden den ukrainischen Markt nicht uberschwemmen, Produzenten werden nicht wegen mangelnder Konkurrenzfahigkeit aufgeben. Dies werde durch die Asymmetrie des Abkommens erreicht, die die Ukraine begunstigt: Ukrainische Firmen in sensiblen Bereichen haben unmittelbaren Zugang zum europaischen Markt, wahrend der Zugang der EU-Lander zum ukrainischen Markt schrittweise geoffnet wird.
[42]
Verschiebung des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens bis zum 31. Dezember 2015
[
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Die EU-Kommission, die Regierung der Ukraine und Russland einigten sich Anfang September 2014 in trilateralen Gesprachen darauf, den wirtschaftlichen Teil des Abkommens erst Ende 2015 in Kraft zu setzen. ?Wir haben vereinbart, die provisorische Anwendung bis zum 31. Dezember nachsten Jahres zu verzogern“, sagte EU-
Handelskommissar
Karel De Gucht
am 12. September 2014 in Brussel am Ende von Gesprachen mit
Alexei Uljukajew
, dem russischen Wirtschaftsminister, und
Pawlo Klimkin
, Außenminister der Ukraine. Der ukrainische Prasident Petro Poroschenko hatte sich laut
Interfax
fur diese Verschiebung eingesetzt. Auch nach Pawlo Klimkins Aussage profitiere die Ukraine von der Verschiebung: ?Das ist eine sehr wichtige Entscheidung und wir sind der EU sehr dankbar fur das Angebot eines privilegierten Zugangs zum Europaischen Binnenmarkt. Das erlaubt unseren Unternehmen, sich auf eine weitere Liberalisierung des Handels vorzubereiten.“
[43]
Die Zustimmung der EU-Lander steht noch aus. Die einseitigen Handelserleichterungen - die Streichung der Einfuhrzolle in die EU - bleiben nach der trilateren Vereinbarung vorbehaltlich der Zustimmung des Ministerrates der EU bestehen. Bestehen bleiben die Zolle auf EU-Produkte, die in die Ukraine geliefert werden.
Hintergrund ist vor allem die Sorge Russlands, EU-Waren wurden uber die Ukraine auf den russischen Markt gelangen. Daher hatte die russische Regierung neue Zolle auf ukrainische Produkte angekundigt, wenn am 1. November 2014 wie geplant das Assoziierungsabkommen in Kraft trete. Der Verlust fur die russische Wirtschaft durch den Wegfall der Einfuhrzolle der Ukraine wurde von russischer Seite auf zwei Milliarden Dollar geschatzt.
[44]
Russland hatte am 1. September 2014 mit 2370 Anderungswunschen seine Besorgnis uber die Konsequenzen fur den russisch-ukrainischen Handel zum Ausdruck gebracht. Die Liste war am 11. Juli 2014 von Karel de Gucht erbeten worden. In Brussel habe sich, nach der Darstellung der SZ, die Uberzeugung durchgesetzt, ?dass die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Moskau und Kiew nicht ignoriert werden kann.“ Vor seinem Inkrafttreten sollen nach Erkenntnissen der SZ ?Tausende Ausnahmen vereinbart werden“.
[45]
Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs sollen auf dem Nato-Gipfel Poroschenko wie EU-Kommissionsprasident Jose Manuel Barroso aufgefordert haben, kompromissbereiter zu agieren.
[46]
Barroso hatte noch im November 2013 nach dem Scheitern des Abkommens kategorisch ausgeschlossen, trilaterale Verhandlungen unter Einbeziehung Russlands zu fuhren.
[47]
Als weiteres Motiv fur Russlands Vorbehalte gegenuber dem Assoziierungsvertrag wurde in einer Tageszeitung die Befurchtung Russlands vermutet, der Westen erhalte Zugang zu der auch fur Russland entscheidend bedeutsamen Rustungs- und Raumfahrtindustrie der Ukraine.
[48]
EU-
Erweiterungskommissar
?tefan Fule
klarte vor dem
EU-Parlament
in Straßburg den Hintergrund der Entscheidung auf. Die Ukraine selbst habe um die Verschiebung des wirtschaftlichen Teils des Abkommens gebeten: ?Der Aufschub ist kein Ergebnis einer russischen Erpressung“. Damit reagierte Fule auf die Außerungen mehrerer EU-Abgeordneter, die unterstellten, die Verschiebung sei durch Druck Russlands zustande gekommen, die EU habe diesem Druck nachgegeben und damit ihre eigentlichen Zielsetzungen verraten.
[49]
* Belgien nutzt ein Ein-Kammer-Prozedere, d. h. der Senat muss in diesem Fall nicht zustimmen.
** In den Niederlanden wurde die erste Ratifizierung zunachst durch ein Referendum infrage gestellt, dieses wurde nach Zusatzen zum Vertrag von Reprasentantenhaus und Senat revidiert.
*** Die 30 Vertragsparteien sind die 28 EU-Mitglieder, die EU/Euratom und die Ukraine.
Das Vertragswerk musste in den Niederlanden als letztem der 28 EU-Lander ratifiziert werden. Obwohl dort der Vertrag wie in allen Mitgliedslandern bereits von den zustandigen legislativen Korperschaften gebilligt und vom Staatsoberhaupt genehmigt worden war, wurde am 6. April 2016 ein vom Volk beantragtes
Referendum uber das Assoziierungsabkommen
durchgefuhrt, bei dem die Mehrheit der Wahlbeteiligten gegen das Abkommen stimmten. Da bei der Verabschiedung des Abkommens in der EU vorausgesehen wurde, dass das
Ratifikationsverfahren
der Mitgliedslander langere Zeit in Anspruch nehmen wurde, wurden Ubergangsregelungen getroffen. Die Handelsbestimmungen des Abkommens gelten vorlaufig seit dem 1. Januar 2016, einschließlich Kapitel IV, wenn auch ? vorbehaltlich der Ratifizierung aller Lander ? weiterhin noch provisorisch. Bereits im Juni 2014 erhielt die Ukraine einen weitgehend zollfreien Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt, der zunachst bis zum 1. November 2014 befristet war.
[79]
Das Assoziierungsabkommen wurde dennoch durch Abstimmungen im Unterhaus am 21. Februar 2017 und im Oberhaus am 30. Mai 2017 ratifiziert. Die niederlandische Regierung stellte mehrere Hauptpunkte fest, die ihrer Meinung nach der Grund fur die Abstimmung gegen den Vertrag waren. Die Regierung verhandelte mit den anderen EU-Mitgliedstaaten uber eine Erganzung und Klarstellung des Vertrages, um diese Einwande auszuraumen. Auf einem EU-Gipfel am 15. Dezember 2016 stimmten die EU-Lander der Erklarung zu, die folgende Punkte enthielt:
- keine Begrundung des EU-Kandidatenstatus fur die Ukraine durch dieses Abkommen
- keine Garantien fur militarische Hilfe oder Sicherheitsgarantien fur die Ukraine
- keine Freiheit der Ukrainer, sich in der EU aufzuhalten oder zu arbeiten
- keine Erhohung der bilateralen finanziellen Unterstutzung fur die Ukraine auf der Grundlage des Abkommens
- das Ziel, auf die Verringerung der Korruption in der Ukraine hinzuarbeiten und (als letztes Mittel) das Abkommen auszusetzen, wenn nicht genugend Fortschritte erzielt werden.
Dieser Nachtrag wurde von den EU-Mitgliedstaaten gebilligt, nicht aber von der Europaischen Union oder der Ukraine. Anschließend wurde dem Parlament ein neues Ratifizierungsgesetz vorgelegt. Am 21. Februar 2017 verabschiedete das Reprasentantenhaus das Abkommen mit 89 Ja-Stimmen und 55 Nein-Stimmen. Am 30. Mai 2017 stimmte der Senat dem Abkommen mit 50 Ja-Stimmen und 25 Nein-Stimmen zu. Das bedeutete, dass das Abkommen vom niederlandischen Parlament angenommen wurde. Anschließend hinterlegten die Niederlande ihre Ratifizierungsurkunde im Juni 2017 und beendeten damit ihre Ratifizierungsphase. Der Nachtrag trat mit Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft. Nach der Hinterlegung taten dies auch die Europaische Union und Euratom, so dass das Abkommen am 1. September 2017 in Kraft treten konnte.
Das Verhalten der Europaischen Union wurde international von Politikern kritisiert. Das Freihandelsabkommen der EU (DCFTA) schließe intensive wirtschaftliche Beziehungen der Ukraine zu ihren bedeutendsten Wirtschaftspartnern in der von Russland gefuhrten Zollunion weitgehend aus. Damit habe man der Ukraine nur ein ?Entweder-oder“ angeboten, also die Ukraine nicht als Brucke zwischen der EU und Russland verstanden. Auf diese Weise habe man die derzeitige politische Krise in der Ukraine mitverursacht.
Der ehemalige
Staatsprasident der Sowjetunion
und
Friedensnobelpreistrager
Michail Gorbatschow
kritisierte, dass Russland nicht einbezogen wurde, obwohl es ?Interessen Russlands“...?eine Partnerschaft mit der EU und der Ukraine“...?unmittelbar beruhrt“. Laut Gorbatschow haben die Fuhrer der EU mit dem Abkommen ?weder genugend politische Weisheit“ noch ?eine langfristige Vision“ gezeigt.
[80]
Altkanzler
Helmut Schmidt
bezeichnete in einem Interview im Mai 2014 die Politik der EU-Kommission als unfahig und großenwahnsinnig. Sie mische sich in die Weltpolitik ein und provoziere damit die Gefahr eines Krieges. Die ?Burokraten in Brussel“ hatten die Ukraine vor die ?scheinbare Wahl“ gestellt, sich zwischen West und Ost entscheiden zu mussen.
[81]
Gunter Verheugen
widersprach Schmidt: EU-Politiker, nicht Beamte hatten sich offen mit dem sogenannten Euro-Maidan solidarisiert und nicht gesehen oder sehen wollen, dass es sich weder um eine landesweite noch um eine homogene Bewegung handelte. Europaische Politiker hatten sich als ?blind fur die innenpolitischen Spannungen zwischen der Ost- und der Westukraine“ erwiesen. ?Weil europaische politische Eliten nur noch in Kategorien wie prorussisch und proeuropaisch denken konnten und den Konflikt statt den Dialog mit Russland bevorzugten, haben sie ? und nicht die Brusseler Burokraten ? die schwerste Krise in Europa in diesem Jahrhundert mit ausgelost. Ein Gutteil der Verantwortung dafur liegt in Berlin.“
[82]
Altkanzler
Helmut Kohl
außerte am 12. Marz 2013 gegenuber Bild, die Aufbruchstimmung in der Ukraine sei nicht immer klug begleitet worden. Ebenso habe es an Sensibilitat im Umgang mit den russischen Nachbarn gemangelt, insbesondere mit Prasident Putin.
[83]
Altkanzler
Gerhard Schroder
kritisierte in der Zeit-Matinee am 9. Marz 2014, die EU hatte beim Assoziierungsabkommen angesichts der kulturellen Teilung der Ukraine kein Entweder-oder formulieren durfen. Ein Sowohl-als-auch ware vernunftiger gewesen. Schroder verwies auch auf die nachvollziehbaren Einkreisungsangste der russischen Regierung angesichts der Entwicklungen der Vergangenheit.
[84]
Der ehemalige Außenminister
Hans-Dietrich Genscher
forderte, an der Idee einer gemeinsamen Freihandelszone mit Russland festzuhalten. ?Es ware schon, wenn daraus etwas geworden ware. Dann ware die Frage der Assoziierung der Ukraine mit der EU moglicherweise anders eingeschatzt worden.“
[85]
Erhard Eppler
kritisierte, dass die EU, als der Assoziierungsvertrag ausgehandelt wurde, nicht von sich aus Kontakt mit Russland aufgenommen hatte, weil niemand dafur zustandig gewesen sei. Nur ein europaischer Außenminister hatte diese Kompetenz haben konnen. ?Alles deutet darauf hin, dass eine Einigung moglich gewesen ware ? etwa auf der Basis des Kissinger-Vorschlags: Die Ukraine darf mit der EU alles Mogliche abschließen, wenn sie keinem militarischen Bundnis beitritt.“
[86]
Gernot Erler
stellte dar, dass es von Vorteil sei, daruber nachzudenken, wie bestimmte Positionen Russlands zustande gekommen seien. ?Hat die EU nicht gesehen, in welch kritischer Finanzsituation die Ukraine steht?“ Die von der EU geforderte Entweder-Oder-Entscheidung habe die aktuellen ukrainischen Probleme befeuert. Diese ?Stresssituation“ habe sich in taglichen Demonstrationen manifestiert, die man hatte vermeiden mussen. Die Frustration Russlands sieht Erler im Vorgehen des Westens in den Jelzin-Jahren begrundet (Die Osterweiterung von Nato und EU, Kosovo-Konflikt, Raketenabwehrplane). ?Dem Westen wird seitdem vorgehalten, Russlands Schwache ausgenutzt zu haben.“
[87]
Niels Annen
, von 2011 bis 2013 Mitarbeiter im Referat Internationale Politikanalyse der
Friedrich-Ebert-Stiftung
, stellte am 16. Mai 2014 kritisch fest, die Assoziierung sei als ?Alternative zur Mitgliedschaft“ gedacht gewesen. ?Das was die EU-Kommission in den letzten Jahren daraus gemacht hat, war eine de facto Beitrittsverhandlung. Dass das auf Dauer nicht gut gehen konnte, wenn man die Ukraine vor eine unmogliche Wahl zwischen Ja zu Europa und Nein zu Russland stellt, das ist (…) hinreichend deutlich geworden.“
[88]
Der Politikwissenschaftler
John Mearsheimer
sieht den Assoziierungsvertrag als Teil einer politischen ?Dreierpackung“ (
triple package of policies
) des Westens aus NATO-Osterweiterung, Ausweitung der EU-Expansion und Demokratieforderung, die Ol in das erwartete Feuer goss. ?Der Zundfunke kam im November 2013, als Yanukovytsch das Assoziierungsabkommen ablehnte und stattdessen das russische Gegenangebot von 15 Mrd. Dollar annahm.“
[89]
Theo Sommer
, fruherer Chefredakteur und Herausgeber der Zeit, schlug vor dem Gipfel in Vilnius vor, statt des Assoziierungsabkommens ein Freihandelsabkommen zu schließen: ?In Wahrheit geht es um ein neues und großes geopolitisches Spiel. Soll die EU wirklich bis Armenien und Georgien reichen? Waren da nicht Freihandelsabkommen, denen nicht expansiver Ehrgeiz aus allen Knopflochern stinkt, der bessere Weg der Assoziierung?“ Er befurwortete Dreiergesprache einschließlich Russlands, um die drohende Entstehung eines neuen Eisernen Vorhangs zu verhindern.
[90]
Am 3. Marz 2016 berichtete Reuters uber eine Außerung von EU-Kommissionsprasident Jean-Claude Juncker in Den Haag am 1. Marz 2016 im Zusammenhang mit dem anstehenden
Referendum in den Niederlanden zum EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine
: Die Ukraine werde mit Sicherheit in den nachsten 20 bis 25 Jahren kein Mitglied der EU werden konnen. Gleiches gelte fur einen Beitritt des osteuropaischen Landes zur Nato.
[91]
Theo Sommer
kommentierte diese Außerung als Eingestandnis der Wahrheit, dass die Ukraine bei Lichte betrachtet ein
failing state
oder gar schon ein
failed state
sei, ?ein marodes, kleptokratisches, von bestechlichen Burokraten und milliardenschweren Oligarchen fur ihre eigenen Zwecke ausgeplundertes Staatswesen.“ Die Politik der EU, die Ukraine ins eigene Lager zu ziehen, habe sich als falsch erwiesen. Nun komme es darauf an, die Ukraine ?wieder in das geschichtlich gewachsene Beziehungsgeflecht mit Russland einzuweben“.
[92]
Im Referendum sprachen sich 61,0 % gegen das Assoziierungsabkommen aus.
[70]
Daraufhin erwirkte die niederlandische Regierung eine Zusatzerklarung, die unter anderem Sicherheitsgarantien, militarische Unterstutzung fur die Ukraine sowie jegliche Verpflichtung der EU, Ukrainern die Freizugigkeit in der EU zu gewahren, ausschloss, und ratifizierte im Mai 2017 das Abkommen.
[93]
[94]
[95]
Vor der Liberalisierung des Handels muss die Ukraine eine Reihe von Reformmaßnahmen zur Rechtsangleichung durchfuhren, wofur ein Zeitraum von 10 Jahren vorgesehen ist.
[96]
Beim Gipfel im November 2016 stellte Prasident Juncker fest, in den vergangenen drei Jahren seien die Fortschritte großer gewesen als in den 20 Jahren vorher.
[97]
Die Ukraine muss ihre Standards und Normen durch entsprechende Gesetzgebung in folgenden Wirtschaftsbereichen an die der EU angleichen
[98]
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(nicht mehr online verfugbar) am
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Info:
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@2
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