Anerkennung
ist in mehreren
Fachgebieten
die
Erklarung
eines
Rechtssubjekts
gegenuber einem anderen Rechtssubjekt oder gegenuber
Dritten
, einen bestimmten
Anspruch
,
Sachverhalt
oder
Status quo
gutzuheißen. Der Begriff Anerkennung wird im allgemeinen Alltagsgebrauch, auch als
Synonym
fur
Akzeptanz
,
Lob
oder
Respekt
verwendet. Gegenseitige Anerkennung gilt als notwendig fur jede Art von
Zusammenleben
, beispielsweise in Beziehungen (
Liebesbeziehung
,
Partnerschaft
oder
Ehe
), in einer
Schulklasse
oder im
Beruf
. Wird ein
Gruppenmitglied
nicht anerkannt, besteht die Moglichkeit zum
Außenseiter
zu werden.
Das Verb ?anerkennen“ ist die Verdeutlichung des Verbs ?erkennen“.
[1]
Rechtssubjekte, die mit einer Anerkennung in Verbindung kommen, konnen
naturliche
oder
juristische Personen
bis hin zu
Staaten
sein. Die
Anerkenntnis
ist dagegen eine
Vertragsart
(
Schuldanerkenntnis
) oder eine
Prozesshandlung
.
Mit dem
Rechtsbegriff
der Anerkennung befassen sich viele
Rechtsgebiete
.
- Im
Zivilrecht
ist die Anerkennung ein haufig verwendeter Rechtsbegriff.
- Mit der gemaß
§ 80
Abs. 1
BGB
zur Entstehung einer rechtsfahigen
Stiftung
erforderlichen Anerkennung durch die
zustandige
Landesbehorde
ist eine
Erlaubnis
gemeint.
- Gemaß
§ 1592
Nr. 2 BGB wird die
Vaterschaft
durch Anerkennung konkretisiert. Die bereits vor der Geburt zulassige Anerkennung der Vaterschaft gemaß
§ 1594
Abs. 1 BGB bedarf der
Zustimmung
der
Mutter
(
§ 1595
Abs. 1 BGB) und ist zu
beurkunden
(
§ 1597
Abs. 1 BGB).
- Die Anerkennung auslandischer Entscheidungen in
Ehesachen
nach
§ 107
FamFG
erfolgt nur, wenn die
Landesjustizverwaltung
festgestellt hat, dass die Voraussetzungen fur die Anerkennung vorliegen.
- Die Anerkennung und Vollstreckung auslandischer
Schiedsspruche
richtet sich gemaß
§ 1061
Abs. 1
ZPO
nach dem
New Yorker Ubereinkommen uber die Anerkennung und Vollstreckung auslandischer Schiedsspruche
vom 10. Juni 1958.
[2]
- Asylrecht
: Mit dem
Asylantrag
wird gemaß
§ 13
Abs. 2
AsylG
die Anerkennung als
Asylberechtigter
sowie internationaler Schutz im Sinne des
§ 1
Abs. 1 Nr. 2 AsylG beantragt. Die Erloschensgrunde der Anerkennung als Asylberechtigter sind in
§ 72
AsylG abschließend aufgezahlt. Der Widerruf hat gemaß
§ 73
AsylG unverzuglich zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen fur die Anerkennung als Asylberechtigter nicht mehr vorliegen.
- Die
Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie)
legt Normen fur die Anerkennung als Fluchtling und fur den Fluchtlingsstatus fest.
- Staatskirchenrecht
/
Religionsverfassungsrecht
: Bei
Religionsgemeinschaften
meint ?Anerkennung“ ublicherweise die Anerkennung als
offentlich-rechtliche Religionsgesellschaft
.
[3]
?Der Staat druckt mit der gesetzlichen Anerkennung einer Religionsgemeinschaft aus, dass diese in seinem Interesse liegt und er mit ihr kooperieren mochte“.
[4]
In Osterreich sind die Voraussetzungen fur eine gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften im
Anerkennungsgesetz von 1874
sowie in § 11 des
Bekenntnisgemeinschafts-Gesetzes
geregelt.
[5]
- Volkerrecht
: Als
diplomatische Anerkennung
erscheint der Anerkennungsbegriff in der
politikwissenschaftlichen
Literatur. Er meint die volkerrechtliche Akzeptanz eines politischen Systems als
Staat
sowie den Beginn oder Vollzug
diplomatischer
Beziehungen
. Das Anerkennungsprinzip hat seine Ursprunge im Volkerrecht.
[6]
Die Anerkennung im Volkerrecht ist die ausdruckliche oder konkludente Willensaußerung eines Volkerrechtssubjektes (zumeist eines Staates) mit dem Inhalt, einen bestimmten Tatbestand, eine bestimmte Rechtslage oder einen bestimmten Anspruch als bestehend oder rechtmaßig zu akzeptieren.
[7]
Die wesentliche Bedeutung der volkerrechtlichen Anerkennung von Staaten besteht darin, dass sie die Hinnahme eines Zustandes beschreibt, bei welchem auf Widerspruch in Fallen verzichtet wird, in denen ein Zustand durch andere Rechtssubjekte herbeigefuhrt wurde.
[8]
Die Anerkennung kann
konstitutiv
oder
deklaratorisch
wirken, implizit erfolgt sie durch Aufnahme
diplomatischer Beziehungen
. Die
herrschende Meinung
geht davon aus, dass die Anerkennung heute lediglich deklaratorische Bedeutung hat, weil sie bloß feststellt, dass aus Sicht des anerkennenden Staates das andere Gebilde die Elemente aufweist, die ein Staat besitzen muss.
[9]
Denn der Anerkennung liegt namlich meist die Erfullung der
Drei-Elemente-Lehre
zugrunde. Als bekanntes Problem zwischenstaatlicher Anerkennung galt die
Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik
.
Es bestehen auch Regelungen zur Anerkennung von Schulleistungen fur den Hochschulzugang. Sehr verbreitet sind auch
Regelungen
zur ?Anerkennung von Studienleistungen“, etwa in
Prufungsordnungen
, sowie Vorschriften zur Anerkennung von im Ausland erbrachten Leistungen oder Abschlussen. In Deutschland kommen dabei aufgrund der
Kulturhoheit der Lander
vor allem durch Vorschriften der Lander zum Tragen, ggf. koordiniert durch die
Kultusministerkonferenz
. Bei beruflichen Qualifikationen kommt in Deutschland das
Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen
(
Anerkennungsgesetz
) zur Anwendung; zudem ist im
europaischen Sekundarrecht
die gegenseitige
Anerkennung von Berufsabschlussen
durch
Richtlinie 2005/36/EG uber die Anerkennung von Berufsqualifikationen
geregelt.
Die Anerkennung anderer Menschen, Dinge oder Satze schrankt die
Handlungsfreiheit
eines Subjektes ein: Die Anerkennung anderer Menschen schließt Verpflichtungen ihnen gegenuber ein, die von ihrer Respektierung als Personen, uber die Zustimmung zu ihren Wunschen, bis hin zur Wurdigung ihrer Leistungen reicht.
[10]
Gegenuber
juristischen Personen
wie Vereinen, Gemeinden oder Staaten meint Anerkennung eine ?offizielle Bestatigung, Erklarung der Gultigkeit oder der Rechtmaßigkeit“.
[10]
Bezogen auf
Aussagen
oder
Normen
bedeutet Anerkennung ihre Beachtung, Billigung oder
Wahrheitsannahme
.
[10]
Indem das Erkennen in der Anerkennung eine Bedeutung fur das menschliche
Handeln
erlangt, verknupft die Anerkennung
theoretische
und
Praktische Philosophie
. In der
Logik
spielt Anerkennung eine Rolle in der Aussagentheorie
Gottlob Freges
.
Philosophische Ansatze, die Anerkennung oder bedeutungsahnliche Begriffe verwenden, lassen sich bis zu
Rousseau
zuruckverfolgen. Grundlegend ist der Begriff der Anerkennung fur die Philosophie
Immanuel Kants
, auch wenn er diesen nicht unmittelbar verwendet. Dies kommt bereits in der Menschenrechtsformel des
kategorischen Imperativs
zum Ausdruck, wonach man sich oder einen anderen Menschen jederzeit niemals nur als Mittel, sondern stets auch als Zweck behandeln soll.
[11]
Also hat man die eigene Willkur mit der Willkur der anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit in Einklang zu bringen.
[12]
Entsprechend hat ein jeder Mensch ?rechtmaßigen Anspruch auf Achtung von seinen Nebenmenschen, und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden Anderen verbunden.“
[13]
Einen ersten Versuch der Systematisierung des Anerkennungsbegriffes leistete
Johann Gottlieb Fichte
in seiner
Grundlage des Naturrechts
(1796).
- ?Im wechselseitigen Auffordern zu freiem Handeln und im Begrenzen der eigenen Handlungssphare zugunsten des Anderen bildet sich sowohl individuelles wie gemeinsames Bewusstsein ? eines ist nicht ohne das andere.“
[14]
Darauf aufbauend entwickelte
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
1802?1807 in seinen fruhen Schriften in Jena ein theoretisches System, in dessen Zentrum ein Anerkennungsbegriff stand. Bei Fichte und Hegel ersetzt die Anerkennung gewissermaßen den
Gesellschaftsvertrag
als Grundlage von Recht und Staat.
[10]
Mit Hegel endete zunachst die Entwicklung der philosophischen Anerkennungstheorie.
[10]
Der aus Russland stammende, in Frankreich lebende
Alexandre Kojeve
belebte direkt nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges
Hegels Ansatz neu. Dem jungen Hegel folgend hob er hervor, dass Anerkennung zur Bildung des Selbstbewusstseins notwendig sei. Dies bedinge auch, dass niemand fur sich selbst allein diese Entwicklungsstufe erreichen konne. Erst wenn mehrere ?Bewußtseine“ aufeinandertreffen, ereignet sich das, was Hegel ?Bewegung der Anerkennung“, ?Dialektik der Anerkennung“ nennt und den ?Kampf um Anerkennung“ als Spezifikum des Menschen notig macht. Hegel beschreibt dies in seiner ?Phanomenologie des Geistes“ im Kapitel ?Selbstandigkeit und Unselbstandigkeit des Selbstbewusstseins;
Herrschaft und Knechtschaft
“. Folgenschwer hat
Karl Marx
daraus sein Modell des Klassenkampfes entwickelt. Im 20. Jahrhundert beeinflusste dies auch psychoanalytische Entwurfe, etwa
Jacques Lacans
. Auch das Gesellschaftsverstandnis
Tzvetan Todorovs
knupft an Hegel und Kojeve an, wobei er sich gegen
Thomas Hobbes
Bild der Gesellschaft als notwendiges Ubel wendet.
- In Deutschland wurde das Anerkennungsprinzip Hegels 1968 von
Jurgen Habermas
wieder aufgegriffen.
[15]
Habermas wies auf seine Aktualitat hin und betonte die Vorteile des Konzeptes der Anerkennung gegenuber Problemen der Theorien von
Immanuel Kant
oder
Karl Marx
: Bei Kant fehle in der Klarung moralischer Fragen die zwischenmenschliche
Interaktion
und damit tatsachliche Intersubjektivitat. Marx hingegen reduziere Interaktion auf
Arbeit
.
[10]
Hegel habe mit der Anerkennung hingegen richtigerweise Interaktion und Arbeit auseinandergehalten.
[16]
In der Theorie und Terminologie von
Gottlob Frege
ist das Urteilen die Anerkennung des Wahrheitswertes eines Gedankens.
[22]
Die Psychologie betrachtet den engen Zusammenhang von einerseits Anerkennung (als Lob, Bestatigung
[23]
oder Respekt) und andererseits der Entwicklung und Bewahrung des
Selbstwertgefuhls
eines Menschen.
Joachim Bauer
sagt dazu ?Neurobiologische Studien zeigen, dass nichts das Motivationssystem so sehr aktiviert, wie von anderen gesehen und sozial anerkannt zu werden“.
[23]
Fur die
Psychoanalyse
ist Anerkennung ? als mehr oder minder unwillkurliche Geste des Bewusstseins im Rahmen der Tiefenpsychologie der
Abwehrmechanismen
? ein Modus der (buchstablichen)
Wahrnehmung
außerlicher Gegebenheiten (etwa des anatomischen Geschlechtsunterschiedes) in ihrer seelischen Bedeutsamkeit (vgl. etwa
Kastrationsangst
) und die Gegenbewegung zur
Verleugnung
.
Im Konzept ?
Emotionale Kompetenz
“ von Claude Steiner
[24]
spielt die Idee der Anerkennung eine zentrale Rolle: Es wird davon ausgegangen, dass viele Menschen unter einem erheblichen Mangel an Anerkennung und Zuwendung, sogenannten
Positive Strokes
, leiden. Als Ursachen werden verinnerlichte dysfunktionale Beziehungsmuster aus der Kindheit und der weiteren Entwicklung angenommen. Als Folgen dieses Zuwendungsmangels werden seelische Erkrankungen konstatiert.
Claude Steiner entwickelte den Gedanken der ?Stroke-Okonomie“: Anerkennung wird innerhalb der Familie unbewusst knappgehalten. Damit erreichen Eltern, dass eine Situation, in der unbegrenzt Anerkennung gegeben wird, umgewandelt wird in eine Situation, in der Anerkennung Mangelware ist und der Preis dafur entsprechend hoch ist. Nach Steiner dient dies Eltern dazu, ihre Kinder steuern zu konnen. Steiner glaubt, dass Erwachsene immer noch unbewusst diese Regeln im Alltag befolgen und so zu wenig Anerkennung geben und erhalten.
Die Anerkennung der Anderen wird als eine theologische Grunddimension der interkulturellen Kommunikation und der Bildung von
Edmund Arens
und
Helmut Peukert
herausgearbeitet.
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:
Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte
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ISBN 978-3-8260-5831-8
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PDF
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- Christine Wimbauer
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Wenn Arbeit Liebe ersetzt. Doppelkarriere-Paare zwischen Anerkennung und Ungleichheit.
Campus, Frankfurt/New York 2012,
ISBN 978-3593397825
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Anerkennung und Lebensbewaltigung im freiwilligen Engagement. Eine qualitative Studie zur Inklusion benachteiligter Jugendlicher in der Kinder- und
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