Allgemeiner Almosenkasten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Allgemeine Almosenkasten ist eine Stiftung des offentlichen Rechts in Frankfurt am Main , die ihre Wurzeln in der Reformationszeit hat. Der 1530 gegrundete Almosenkasten war ein Vorlaufer der heutigen Sozialhilfe und stellt auch heute noch Gelder fur soziale Belange zur Verfugung, befasst sich aber in erster Linie mit der Verwaltung des eigenen Stiftungsvermogens.

Rechtlich ist der Allgemeine Almosenkasten selbstandig. Es besteht aber eine aus der Geschichte gewachsene ? organisatorisch in der Satzung verankerte ? personelle Verknupfung mit der Stadt Frankfurt. Den Vorsitz des Pflegamtes ? das ist der Stiftungsvorstand ? ubernimmt der zustandige Stadtrat aus dem Magistrat der Stadt Frankfurt (?Pflege“ ist hier im Sinne einer zivilrechtlichen Pflegschaft resp. einer administrativen Pflege gebraucht). Auch die Ertrage aus dem Stiftungsvermogen fließen seit der Ubernahme der Wohlfahrtspflege durch staatliche Institutionen der Stadt Frankfurt zu.

Der Almosenkasten gehort zu den sechs großen ?offentlich-mildtatigen Stiftungen“ in der Stadt Frankfurt. Das sind neben dem Allgemeinen Almosenkasten: das Hospital zum Heiligen Geist , das St. Katharinen- und Weißfrauenstift , die Stiftung Taubstummenanstalt, das Wiesenhuttenstift und die Waisenhausstiftung.

Im Mittelalter sorgten vorwiegend Kirchen und Kloster fur die Kranken und Armen. Das galt auch fur Frankfurt am Main. Ab dem ausgehenden 14. Jahrhundert entstanden in Frankfurt aber auch weltliche Organisationen, die sich dieser Aufgabe widmeten. Hierzu zahlte die Stiftung Almosen zu St. Nikolai , die sich anfangs aus dem 1428 testamentarisch der Stadt Frankfurt zugewandten Vermogen des Arztes Johann Wiesebeder finanzierte. Wer Frankfurter Burger war, einen guten Leumund hatte und seine Bedurftigkeit nachweisen konnte, erhielt pro Woche zwei Laib Brot, die vor der als Ratskapelle genutzten Nikolaikirche am Romerberg verteilt wurden.

Eine Reform der Armenfursorge gehorte zu den wesentlichen Anliegen der Reformation , die in Frankfurt seit 1521 immer mehr Anhanger fand. 1525 kam es zu einem Aufstand der Zunfte , die den Rat der Stadt zur Annahme der 46 Artikel zwangen, in denen sie ihre Forderungen zusammengestellt hatten. Artikel 13 und 14 legten fest, alle Pfrunden und testamentarisch vermachten Almosen kunftig in einen Gemeinen Kasten zur stadtischen Armenfursorge fließen zu lassen, damit die Armen nicht mehr auf Bettelei angewiesen waren. Obwohl der Aufstand im Juni 1525 scheiterte, ubernahm der Rat das Ziel, die sozialen Verhaltnisse in der Stadt zu bessern. 1530 fuhrte die Stadt Frankfurt die Reformation ein und ubernahm das Vermogen und die Einkunfte einiger untergegangener kirchlicher Organisationen, darunter des Gutleuthofes und des Barfußerklosters . Auch die Nikolaikirche wurde profaniert. Am 24. Mai 1530 grundete der Rat den Allgemeinen Almosenkasten. Am Sonntag Laetare , dem 19. Marz 1531 verteilte der Almosenkasten die ersten Zuwendungen. [1]

Der Allgemeine Almosenkasten ubernahm soziale Aufgaben wie die Versorgung Bedurftiger mit Nahrung, Kleidung und Geld und kummerte sich um Geisteskranke ; damit begrundete er eine erste organisierte Versorgung von geistig Behinderten . Der Almosenkasten ubernahm außerdem die Kirchenfabrik , das heißt den Bau und die Renovierung der Kirchen sowie ab 1. Juni 1531 die Fuhrung der Kirchenbucher und andere reine Verwaltungsaufgaben ( Stadtbibliothek , Beerdigungswesen). Frankfurt gehorte damit zu den ersten Stadten mit einer systematischen Fuhrung der Tauf-, Trau- und Sterberegister. [1]

Die Verwaltung der Stiftung oblag den ?Kastenherren“, einem aus verschiedenen Gruppierungen der Stadt zusammengesetzten Rat. Sie fuhrte verschiedentlich zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen, da den Kastenherren das Wirtschaften in die eigene Tasche vorgeworfen wurde, so zum Beispiel 1613 im Zusammenhang mit dem Fettmilch-Aufstand .

Durch kaiserliche Resolutionen wurde die Verwaltung zunachst 1735 neu geordnet; aber die kaiserlichen Anordnungen setzten sich nie vollstandig durch.

Ein Ende fanden diese Auseinandersetzungen erst nach der Zeit Napoleons . Im Jahr 1833 erließ die Freie Stadt Frankfurt eine allgemeine Stiftungsordnung und der Allgemeine Almosenkasten wurde eine selbstandige offentliche milde Stiftung.

Mit der Einfuhrung der neuen Armenordnung am 1. April 1883 [2] ubernahm die Stadt Frankfurt mit der Grundung des stadtischen Armenamtes, das spater als Wohlfahrtsamt , dann als Fursorgeamt und heute als Sozialamt agiert, die Aufgabe der zentralen kommunalen Wohlfahrtspflege. Die Stiftungen, darunter der Almosenkasten, die sich dieser Aufgabe bislang angenommen hatten, verwalten zwar weiterhin ihr Stiftungsvermogen, mussen aber seitdem die Ertrage aus dem Vermogen an die Stadt ? das Sozialamt ? abfuhren.

1989 geriet der Allgemeine Almosenkasten im Zusammenhang der Beker-Affare in die Schlagzeilen, weil er mit 17 Millionen DM aus Stiftungsmitteln Immobiliengeschafte zur Verlegung eines Bordells finanziert hatte. Stadtische Behorden hatten damit versucht, das politische brisante Geschaft aus den stadtischen Gremien herauszuhalten. Der Stiftung sei wegen langfristiger Mietvertrage mit der Stadt fur die Immobilie kein Schaden entstanden. [3]

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. a b Jurgen Telschow: Geschichte der evangelischen Kirche in Frankfurt am Main . Band   1 . Von der Reformation bis zum Ende der Frankfurter Unabhangigkeit 1866. Cocon-Verlag, Hanau 2017, ISBN 978-3-922179-53-5 , S.   80?81 .
  2. Vgl. Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914 , II. Abteilung: Von der Kaiserlichen Sozialbotschaft bis zu den Februarerlassen Wilhelms II. (1881-1890) , 7. Band: Kommunale Armenpflege , bearbeitet von Wilfried Rudloff, Darmstadt 2015, Nr. 15 und Nr. 16.
  3. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. November 1995, S. 52