Der
Allgemeine Almosenkasten
ist eine
Stiftung des offentlichen Rechts
in
Frankfurt am Main
, die ihre Wurzeln in der
Reformationszeit
hat. Der 1530 gegrundete Almosenkasten war ein Vorlaufer der heutigen
Sozialhilfe
und stellt auch heute noch Gelder fur soziale Belange zur Verfugung, befasst sich aber in erster Linie mit der Verwaltung des eigenen Stiftungsvermogens.
Rechtlich ist der Allgemeine Almosenkasten selbstandig. Es besteht aber eine aus der Geschichte gewachsene ? organisatorisch in der Satzung verankerte ? personelle Verknupfung mit der Stadt Frankfurt. Den Vorsitz des Pflegamtes ? das ist der Stiftungsvorstand ? ubernimmt der zustandige Stadtrat aus dem Magistrat der Stadt Frankfurt (?Pflege“ ist hier im Sinne einer zivilrechtlichen
Pflegschaft
resp.
einer administrativen
Pflege
gebraucht). Auch die Ertrage aus dem Stiftungsvermogen fließen seit der Ubernahme der
Wohlfahrtspflege
durch staatliche Institutionen der Stadt Frankfurt zu.
Der Almosenkasten gehort zu den sechs großen ?offentlich-mildtatigen Stiftungen“ in der Stadt Frankfurt. Das sind neben dem Allgemeinen Almosenkasten: das
Hospital zum Heiligen Geist
, das
St. Katharinen- und Weißfrauenstift
, die Stiftung Taubstummenanstalt, das Wiesenhuttenstift und die Waisenhausstiftung.
Im
Mittelalter
sorgten vorwiegend
Kirchen
und
Kloster
fur die Kranken und Armen. Das galt auch fur Frankfurt am Main.
Ab dem ausgehenden 14. Jahrhundert entstanden in Frankfurt aber auch weltliche Organisationen, die sich dieser Aufgabe widmeten. Hierzu zahlte die Stiftung
Almosen zu St. Nikolai
, die sich anfangs aus dem 1428 testamentarisch der Stadt Frankfurt zugewandten Vermogen des Arztes Johann Wiesebeder finanzierte. Wer Frankfurter Burger war, einen guten
Leumund
hatte und seine Bedurftigkeit nachweisen konnte, erhielt pro Woche zwei
Laib
Brot, die vor der als Ratskapelle genutzten
Nikolaikirche
am
Romerberg
verteilt wurden.
Eine Reform der
Armenfursorge
gehorte zu den wesentlichen Anliegen der
Reformation
, die in Frankfurt seit 1521 immer mehr Anhanger fand. 1525 kam es zu einem
Aufstand der Zunfte
, die den Rat der Stadt zur Annahme der
46 Artikel
zwangen, in denen sie ihre Forderungen zusammengestellt hatten. Artikel 13 und 14 legten fest, alle
Pfrunden
und testamentarisch vermachten
Almosen
kunftig in einen
Gemeinen Kasten
zur stadtischen Armenfursorge fließen zu lassen, damit die Armen nicht mehr auf Bettelei angewiesen waren. Obwohl der Aufstand im Juni 1525 scheiterte, ubernahm der Rat das Ziel, die sozialen Verhaltnisse in der Stadt zu bessern. 1530 fuhrte die Stadt Frankfurt die Reformation ein und ubernahm das Vermogen und die Einkunfte einiger untergegangener kirchlicher Organisationen, darunter des
Gutleuthofes
und des
Barfußerklosters
. Auch die Nikolaikirche wurde profaniert. Am 24. Mai 1530 grundete der Rat den Allgemeinen Almosenkasten. Am Sonntag
Laetare
, dem 19. Marz 1531 verteilte der Almosenkasten die ersten Zuwendungen.
[1]
Der Allgemeine Almosenkasten ubernahm soziale Aufgaben wie die Versorgung Bedurftiger mit Nahrung, Kleidung und Geld und kummerte sich um
Geisteskranke
; damit begrundete er eine erste organisierte Versorgung von
geistig Behinderten
. Der Almosenkasten ubernahm außerdem die
Kirchenfabrik
, das heißt den Bau und die Renovierung der Kirchen sowie ab 1. Juni 1531 die Fuhrung der
Kirchenbucher
und andere reine Verwaltungsaufgaben (
Stadtbibliothek
, Beerdigungswesen). Frankfurt gehorte damit zu den ersten Stadten mit einer systematischen Fuhrung der Tauf-, Trau- und Sterberegister.
[1]
Die Verwaltung der Stiftung oblag den ?Kastenherren“, einem aus verschiedenen Gruppierungen der Stadt zusammengesetzten Rat. Sie fuhrte verschiedentlich zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen, da den Kastenherren das Wirtschaften in die eigene Tasche vorgeworfen wurde, so zum Beispiel 1613 im Zusammenhang mit dem
Fettmilch-Aufstand
.
Durch
kaiserliche
Resolutionen wurde die Verwaltung zunachst 1735 neu geordnet; aber die kaiserlichen Anordnungen setzten sich nie vollstandig durch.
Ein Ende fanden diese Auseinandersetzungen erst nach der Zeit
Napoleons
. Im Jahr 1833 erließ die
Freie Stadt Frankfurt
eine allgemeine Stiftungsordnung und der Allgemeine Almosenkasten wurde eine selbstandige offentliche milde Stiftung.
Mit der Einfuhrung der neuen Armenordnung am 1. April 1883
[2]
ubernahm die Stadt Frankfurt mit der Grundung des stadtischen Armenamtes, das spater als
Wohlfahrtsamt
, dann als Fursorgeamt und heute als
Sozialamt
agiert, die Aufgabe der zentralen kommunalen Wohlfahrtspflege. Die Stiftungen, darunter der Almosenkasten, die sich dieser Aufgabe bislang angenommen hatten, verwalten zwar weiterhin ihr Stiftungsvermogen, mussen aber seitdem die Ertrage aus dem Vermogen an die Stadt ? das Sozialamt ? abfuhren.
1989 geriet der Allgemeine Almosenkasten im Zusammenhang der
Beker-Affare
in die Schlagzeilen, weil er mit 17 Millionen DM aus Stiftungsmitteln Immobiliengeschafte zur Verlegung eines Bordells finanziert hatte. Stadtische Behorden hatten damit versucht, das politische brisante Geschaft aus den stadtischen Gremien herauszuhalten. Der Stiftung sei wegen langfristiger Mietvertrage mit der Stadt fur die Immobilie kein Schaden entstanden.
[3]
- ↑
a
b
Jurgen Telschow:
Geschichte der evangelischen Kirche in Frankfurt am Main
.
Band
1
. Von der Reformation bis zum Ende der Frankfurter Unabhangigkeit 1866. Cocon-Verlag, Hanau 2017,
ISBN 978-3-922179-53-5
,
S.
80?81
.
- ↑
Vgl.
Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914
, II. Abteilung:
Von der Kaiserlichen Sozialbotschaft bis zu den Februarerlassen Wilhelms II. (1881-1890)
, 7. Band:
Kommunale Armenpflege
, bearbeitet von Wilfried Rudloff, Darmstadt 2015, Nr. 15 und Nr. 16.
- ↑
Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 4. November 1995, S. 52