Adrien Lachenal
(*
19. Mai
1849
in
Genf
; †
29. Juni
1918
in
Versoix
,
heimatberechtigt
in
Plan-les-Ouates
) war ein
Schweizer
Rechtsanwalt
und
Politiker
(
FDP
). Von 1880 bis 1892 gehorte er dem Parlament des
Kantons Genf
an, von 1881 bis 1884 dem
Standerat
. Anschliessend war er
Nationalrat
und zweimal
Nationalratsprasident
. Im Dezember 1892 wurde er in den
Bundesrat
gewahlt, dem er bis 1899 angehorte. 1896 war er
Bundesprasident
. Nach seinem Rucktritt aus der Landesregierung blieb er noch fast zwei Jahrzehnte lang politisch aktiv.
Er war der Sohn des Gerichtsdieners Jacques Lachenal und von Marie-Therese Jacquier. Nach der
Matura
studierte er
Rechtswissenschaft
an den Universitaten
Genf
,
Paris
und
Heidelberg
. Er war Mitglied der akademischen Gesellschaft
Belles-Lettres
und schloss 1872 mit dem
Lizenziat
ab, im selben Jahr erlangte er das Genfer
Anwaltspatent
. 1874 wurde er als stellvertretender
Staatsanwalt
angestellt. Diese Tatigkeit ubte er vier Jahre lang aus und eroffnete daraufhin seine eigene Anwaltskanzlei. 1878 heiratete er Anne Louise Eggly, mit der er vier Kinder hatte.
[1]
Einer seiner Sohne trug denselben Namen.
Adrien Lachenal jr.
(1889?1962) war u. a. Prasident der
Internationalen Vereinigung fur gesetzlichen Arbeiterschutz
.
[2]
Seine Tochter Jeanne war mit dem spateren Botschafter in den USA,
Marc Peter
, verheiratet.
Vor Gericht fiel
Lachenal
als hervorragender Redner und Strafverteidiger auf, durch Verteidigungsmandate in Aufsehen erregenden Prozessen erlangte er Bekanntheit. Von 1885 bis 1892 war er Ersatzrichter am Genfer Kantonsgericht. Lachenal wurde in die
Freimaurerloge
≪Fidelite et Prudence≫ aufgenommen, deren Meister er von 1890 bis 1893 sowie im Jahr 1900 war. Seine militarische Karriere fuhrte ihn bis in den Rang eines
Oberstleutnants
. Daruber hinaus war er Vorsitzender des
Militarkassationsgerichts
und Mitglied der Freimaurerloge ≪Fidelite et Prudence≫, der er vorubergehend vorstand. Obschon er katholisch war, engagierte sich Lachenal im
Kulturkampf
auf Seiten der Radikalen. Von
Antoine Carteret
gefordert, schaffte er 1880 die Wahl in den
Grossen Rat
, dem er bis 1892 angehorte. Bald zahlte er zu den einflussreichsten Politikern der radikalen Fraktion. Mit der Zeit schwenkte er zu einer Politik der Versohnung uber. Sein Engagement in der Sozialpolitik fuhrte schliesslich zur Bildung einer Allianz mit den Sozialisten.
[1]
1881 wahlte der Grosse Rat Lachenal in den
Standerat
. In diesem ausserte er sich insbesondere zu Themen in den Bereichen Militar, Zoll und Finanzen. Nach den
Parlamentswahlen 1884
wechselte er in den
Nationalrat
, in den Jahren 1885 und 1891 amtierte er als
Nationalratsprasident
. Er befasste sich hauptsachlich mit dem
Markenschutz
, der Erweiterung des
Haftpflichtrechts
sowie mit dem
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
.
Nachdem
Numa Droz
seinen Rucktritt auf Ende 1892 bekanntgegeben hatte, begann die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Dieser sollte insbesondere die angespannten schweizerisch-franzosischen Handelsbeziehungen wieder ins Lot bringen und einen Zollkonflikt vermeiden. Zunachst stand der Neuenburger
Robert Comtesse
im Fokus, dann jedoch schien angesichts der schlechter werdenden Beziehungen zu Frankreich ein Genfer Kandidat geeigneter zu sein. Das liberale Zentrum wollte
Gustave Ador
vorschlagen, doch dieser lehnte eine Kandidatur ab. Damit war der Weg frei fur Lachenal. Am 15. Dezember 1892 setzte er sich bereits im ersten Wahlgang mit 139 von 169 gultigen Stimmen durch; auf Comtesse entfielen 22 Stimmen, auf weitere Personen acht Stimmen. Zwei Wochen nach der Wahl brach die Schweiz ihre Handelsbeziehungen zu Frankreich ab.
[3]
Am 1. Januar 1893 ubernahm Lachenal das
Politische Departement
. Wie sein Vorganger Droz durchbrach auch er das damals sonst ubliche Rotationsprinzip, wonach der Aussenminister jahrlich wechselte. Lachenals dringlichste Aufgabe war die Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zu Frankreich. Es gelang ihm nach einigen Monaten, die vorher ublichen Zolltarife zumindest fur die
Freizone
um Genf wiederzuerlangen. Dank dem Einfluss der am
Freihandel
interessierten franzosisch-schweizerischen Handelskammer
Union franco-suisse
gelang es ihm schliesslich im Sommer 1895, eine dauerhafte Losung zu erzielen und den von Frankreich angezettelten Handelskrieg zu beenden. Daruber hinaus nahm die Schweiz offizielle diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu Bulgarien, Japan, Norwegen, Rumanien, Spanien und Tunesien auf. 1896 war Lachenal Bundesprasident und eroffnete in dieser Funktion die
Landesausstellung
in Genf.
[4]
Im selben Jahr stellte er sich als letzter Bundesrat einer
Komplimentswahl
.
[5]
Wegen der Wiedereinfuhrung des Rotationsprinzips gab Lachenal 1897 sein Amt als Aussenminister ab und wechselte ins
Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement
. Neben dem Aufbau weiterer Handelsbeziehungen war er unter anderem mit der Organisation der Schweizer Prasenz an der
Weltausstellung 1900
in
Paris
beschaftigt. Ab 1898 stand er dem
Departement des Innern
vor. Er erarbeitete Gesetze zur Kranken- und Unfallversicherung, ausserdem setzte er sich fur die Vereinheitlichung des Zivil- und Strafrechts sowie fur den Ruckkauf der Eisenbahnen ein. Im Bundesrat war er zunehmend marginalisiert, zumal er krankheitsbedingt haufig abwesend war. Am 13. Dezember 1899 gab er seinen Rucktritt per Ende Jahr bekannt und machte dafur gesundheitliche Grunde geltend.
[6]
Lachenal wurde im Oktober 1899 wieder in den Standerat gewahlt und gehorte diesem bis zu seinem Tod an. Er setzte sich weiterhin fur Verbesserungen in der Handels- und Zollgesetzgebung ein. Von 1900 bis 1912 war er ein zweites Mal im Genfer Grossen Rat vertreten. Dabei nahm er eine Vermittlerrolle zwischen Freisinnigen und Konservativen einerseits sowie zwischen Katholiken und Protestanten andererseits ein. Er initiierte das 1907 in Kraft getretene Gesetz uber die
Trennung von Kirche und Staat
. Ausserdem gehorte er dem Verwaltungsrat der
Schweizerischen Bundesbahnen
und der Kommission des
Schweizerischen Landesmuseums
an.
[7]
Sein Grab befindet sich auf dem
Cimetiere des Rois
in Genf, mit einer Skulptur des Bildhauers Carl Albert Angst.
[8]
[9]
- ↑
a
b
Herrmann:
Das Bundesratslexikon.
S. 206.
- ↑
Martine Piguet / EG:
Adrien Lachenal.
In:
Historisches Lexikon der Schweiz
.
10. Marz 2009
, abgerufen am
2. Oktober 2020
.
- ↑
Herrmann:
Das Bundesratslexikon.
S. 207.
- ↑
Herrmann:
Das Bundesratslexikon.
S. 207?208.
- ↑
Paul Fink:
Die Komplimentswahl von amtierenden Bundesraten in den Nationalrat 1851?1896
. In:
Schweizerische Zeitschrift fur Geschichte
.
Band
45
,
Nr.
2
.
Schweizerische Gesellschaft fur Geschichte
, 1995,
ISSN
0036-7834
,
S.
226?227
,
doi
:
10.5169/seals-81131
.
- ↑
Herrmann:
Das Bundesratslexikon.
S. 208?209.
- ↑
Herrmann:
Das Bundesratslexikon.
S. 209.
- ↑
Christoph Buchi:
Gottesacker fur die republikanische Aristokratie.
In:
Neue Zurcher Zeitung
, 30. Oktober 2009,
abgerufen am 29. Juni 2017
.
- ↑
Fotografie des Grabdenkmals, 1920