Guillaume Raynal
Guillaume-Thomas Francois Raynal
, auch
Abbe
Raynal
[1]
(*
12. April
1713
in
Lapanouse
in der
Rouergue
; †
6. Marz
1796
in
Passy
), war ein franzosischer Schriftsteller. Er wurde durch seine
Geschichte zweier Indien
(1770) beruhmt, eine der meistgelesenen Schriften der
Spataufklarung
.
Histoire philosophique
, 1794
Nach langen Studien bei den
Jesuiten
wurde Raynal 1743
Priester
. 1746 ging er nach Paris, wo er die Kirchengemeinde
Saint-Sulpice
ubernahm. Wenige Zeit spater war er Hauslehrer in tonangebenden Familien und trat in Kontakt mit verschiedenen politischen Personlichkeiten.
In dieser Zeit begann er seine ersten Texte in den
Nouvelles litteraires
(1747?1755) zu veroffentlichen. Ab dem Jahre 1753 fuhrte
Friedrich Melchior Grimm
die handschriftlichen Publikationen als
Correspondance litteraire, philosophique et critique
weiter. Weitere Werke von Raynal waren die
Histoire du Stadhouderat
(1747) und die
Histoire du Parlement d’Angleterre
(1748).
In Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1750 zum Chefredakteur (
directeur
) des
Mercure de France
ernannt. Einer seiner
Proteges
war der Journalist
Jean Baptiste Antoine Suard
.
[2]
Am Sonntag, dem 6. Oktober 1765 traf er in Holbachs ?Coterie“ u. a. mit
Paul Henri Thiry d’Holbach
, Denis Diderot,
Horace Walpole
,
Allan Ramsay
und
David Hume
zu
diner
und Konversation zusammen ? was Horace Walpole nicht davon abhielt, im November 1774 an
Henry Seymour Conway
(1721?1795) zu schreiben, dass der Abbe Raynal eine der lastigsten Kreaturen auf der Welt sei.
Im Jahre 1777 am 25. Mai besuchte er
London
. Dort war er am 30. Mai 1777 im
House of Commons of the United Kingdom
in einer Debatte zum Thema der Abschaffung der
Sklaverei
anwesend. Seine
Englandreise
fuhrte ihn im Juli 1777 auch nach
Bristol
, wo er seinen Freund
Edmund Burke
traf.
1770 publizierte er die erste Ausgabe seiner
Histoire philosophique et politique des etablissements et du commerce des Europeens dans les deux Indes
? das eine Indien steht fur das ostliche Indien oder Asien, das westliche Indien steht fur die Karibik und Lateinamerika ?, an der spater
Denis Diderot
mitarbeitete.
[3]
Nachdem sie 1772 verboten worden war, publizierte der Abbe Raynal die
Histoire de deux Indes
1774 erneut. Die neue Auflage wurde von dem
Klerus
sofort auf den
Index
gesetzt. Die noch konsequentere dritte Auflage erschien 1780. Die drastische Schilderung des Elends, unter denen die
Sklaven
in den amerikanischen
Plantagen
leben mussten, fuhrte zu breiter offentlicher Emporung in Europa und starkte den
Abolitionismus
. Raynal selbst sprach sich nicht fur eine Abschaffung der Sklaverei aus, sondern wollte sie nur mildern und ?Missbrauche“ abstellen. Er stellte sich vor, man konne die Arbeitsbedingungen der Sklaven dahingehend andern, dass sich die Arbeit fur sie lohne und sie aus eigenem Interesse arbeiteten.
[4]
Im Oktober des Jahres 1781 hielt er sich zeitweise in der Schweiz in
Vevey
auf. Das Werk wurde am 21. Mai 1781 vom
Parlement von Paris
dazu verdammt, dass es offentlich vom
Henker
verbrannt wurde. Aber es hatte einigen Erfolg bei den Lesern.
Raynal wurde bedroht. Er fluchtete und verließ Frankreich. Sein Fluchtweg fuhrte ihn uber Belgien im Juli 1781 und von dort nach Mainz im Marz 1782, wo er mit dem Gesandten oder Geschaftstrager der
Republik der Sieben Vereinigten Provinzen
Georg Ernst Lucius
(1736?1800)
[5]
am
kurfurstlichen Hof
Bekanntschaft machte. Anfang April reiste er dann uber
Frankfurt am Main
, wohin er sich seine Post und Korrespondenz hatte nachsenden lassen, nach
Gotha
und
Weimar
, wo er im April 1782 eintraf.
[6]
In Weimar traf er sehr wahrscheinlich mit
Johann Wolfgang von Goethe
zusammen. Letztlich fand er Zuflucht bei
Friedrich dem Großen
in
Preußen
, wo er uber die Neuauflage seines Werkes wachte. Auf dem
Rutli
wollte er ein Monument zum Ruhme der Freiheit errichten, das schließlich 10 Jahre lang auf den
Meggenhorn
von
Luzern
stand.
[7]
[8]
1784 kehrte er nach Frankreich zuruck und hielt sich in
Toulon
auf, dann in
Marseille
. Er begrundete akademische Preise, die den Erfolg seines Werks in den europaischen Akademien verlangerten. Angesichts der revolutionaren Ereignisse richtete er am 31. Mai 1791 einen Brief an die
Nationalversammlung
, in welchem er auf die Anwendung seiner Ideen einging und das neue Regime an seine Verantwortung erinnerte. ?... ich habe zu den Konigen gesprochen, dulden Sie es daher, daß ich heute zum Volk von seinen Irrtumern rede.“ Von den neuen Machthabern wegen dieser Stellungnahme verunglimpft, geriet er in Vergessenheit.
1795 wurde er einige Monate vor seinem Tod zum Mitglied des
Institut de France
gewahlt. Unter Hinweis auf sein hohes Alter lehnte er die Wahl ab und verstarb in Passy am 6. Marz 1796.
Portrat des Guillaume-Thomas Raynal, darunter eine Karte von
Virginia
Er war Mitglied der
Koniglich-Preußischen Akademie der Wissenschaften
,
[9]
der
Royal Society
[10]
und der
Royal Society of Edinburgh
.
[11]
1999 wurde der Asteroid
(11039) Raynal
nach ihm benannt.
[12]
- Histoire philosophique et politique des etablissements et du commerce des Europeens dans les deux Indes.
Amsterdam 1770, Den Haag 1774, Genf 1780.
- Wilhelm Thomas Raynals philosophische und politische Geschichte der Besitzungen und Handlung der Europaer in beyden Indien
. Zehn Bande. Verlag der typographischen Gesellschaft, Kempten 1783?1788 (Digitalisate:
Band 1
?
Band 2
?
Band 3
?
Band 4
?
Band 5
?
Band 6
?
Band 7
?
Band 8
?
Band 9
?
Band 10
).
- Die Geschichte beider Indien.
Franz Greno, Nordlingen 1988,
ISBN 3-8218-4042-0
, Reihe
Die Andere Bibliothek
(Auswahl).
- Staatsveranderung von Amerika.
Frankfurt und Leipzig 1782.
- A. Jay:
Precis historique sur la vie et les ouvrages de l’abbe Raynal.
Paris 1820.
- A. Feugere:
Un Precurseur de la Revolution. L’Abbe Raynal (1713?1796).
Angouleme 1922;
- Raynal, de la polemique a l’histoire
, G. Bancarel, G. Goggi ed. Oxford, SVEC, 2000.
- Ottmar Ette
:
Literatur in Bewegung. Raum und Dynamik grenzuberschreitenden Schreibens in Europa und Amerika.
Weilerswist 2001.
- G. Bancarel:
Raynal ou le devoir de verite.
Geneve Champion, 2004.
- Anoush Fraser Terjanian:
Commerce and Its Discontents in Eighteenth-Century French Political Thought.
Cambridge 2013.
- ↑
2013 ? ANNEE RAYNAL, online
- ↑
Robert Darnton:
Literaten im Untergrund. Lesen, Schreiben und Publizieren im vorrevolutionaren Frankreich.
Carl Hanser Verlag, Munchen, Wien 1985,
ISBN 3-446-13828-5
, S. 13.
- ↑
A Philosophical and Political History of the Settlements and Trade of the Europeans in the East and West Indies.
In:
World Digital Library
.
1798,
abgerufen am 30. August 2013
.
- ↑
Barbara Stollberg-Rilinger
:
Die Aufklarung. Europa im 18. Jahrhundert.
5. Auflage, Reclam, Stuttgart 2021, S. 228 f.
- ↑
Adolf Bach:
Der Satiriker und Diplomat Georg Ernst Lucius (1736/1800).
Emil Semmel Verlag, 1964
- ↑
Hans Joachim Schmitt:
Neues zum Deutschlandaufenthalt des Abbe Raynal im Jahre 1782.
In:
Zeitschrift des Vereins fur hessische Geschichte
(ZHG) Band 106 (2001), S. 51?58, online
(PDF; 50 kB)
- ↑
Das Freiheitsdenkmal fur Guillaume-Thomas Francois Raynal
,
abgerufen am 2. Marz 2021
- ↑
Margrit Wyder:
≪Ich hoffe, es soll nicht zu Stande kommen.≫ Das kurze Leben eines Schweizer Freiheitsdenkmals.
In:
NZZ
, 9. November 2002 (
Online-Version
).
- ↑
Beleg zu seiner Mitgliedschaft in der Koniglich-Preußischen Akademie der Wissenschaften
- ↑
Dokument uber die Aufnahme
im Archiv der
Royal Society
, London
- ↑
Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783?2002.
(PDF-Datei) Royal Society of Edinburgh,
abgerufen am 1. April 2020
.
- ↑
Minor Planet Circ. 36129