?arru-k?n II.
,
biblisch
auch
Sargon II.
war von 721 bis 705 v. Chr. Konig des
neuassyrischen Reiches
und Namensgeber der
Sargoniden
-Dynastie.
Er fuhrte die Titel ?Statthalter des
El
, erlauchter Priester des
A??ur
, Erwahlter von El und
Dag?n
,
Großkonig
, machtiger Konig
(?arru dan-nu)
, Konig des Weltkreises, Konig von Assyrien, Konig der vier Weltgegenden, Liebling der großen Gotter, rechtmaßiger Herrscher, dem A??ur,
Nabu
und
Marduk
ein Konigreich ohnegleichen anvertraut haben.“
[1]
Sargon II. war der Nachfolger von
Salmanassar V.
Wie dieser war er offenbar ein Sohn von
Tiglat-Pileser III.
Die Abstammung von Tiglat-Pileser geht aus einer Knauffliese hervor, in deren Inschrift Sargon als Sohn seines Vor-Vorgangers bezeichnet wird. Auch ist ein an Sargon gerichteter Brief erhalten, in dem der Schreiber Tiglat-Pileser als ?Vater“ des Konigs bezeichnet. Beide Dokumente sind von F. Thomas besprochen worden.
Haufig geht man davon aus, dass er als Usurpator, also durch einen Umsturz, an die Macht kam. Da er seinem Vater nicht direkt in der Herrschaft nachfolgte, galt er zu dessen Lebzeiten sicher nicht als Thronerbe. Uber die Umstande seiner Thronbesteigung berichtet ein Dokument, in dem Sargon alte Privilegien der Stadt
A??ur
bestatigt. Darin heißt es, dass Salmanassar V. die alten Privilegien der Stadt missachtet habe, indem er ihren Burgern Fronarbeit auferlegte. Deshalb habe ihn der Gott
Enlil
gesturzt und Sargon an seiner Stelle zum Konig erhoben. Das Dokument, das von
Henry William Frederick Saggs
publiziert und ins Englische ubersetzt wurde, verrat nach R. Labat ?nur allzu deutlich den Staatsstreich des Usurpators“, ?statt ihn zu verschleiern“. Als kritisch gesichertes Minimum kann man dem Assur-Privileg immerhin entnehmen, dass Salmanassars Herrschaft gewaltsam endete ? dies steht hinter der religios verbramten Rede, dass Enlil ihn gesturzt habe ? und dass Sargon es war, der davon profitierte. Er stellt den Sturz Salmanassars als gottlich gewollt und damit rechtmaßig hin. So hat er ihn auf jeden Fall begrußt, auch wenn er selbst an einem Umsturz gegen den Vorganger nicht beteiligt gewesen sein sollte.
In jedem Falle musste er sich als Nachfolger Salmanassars gewissen Verdachtigungen ausgesetzt sehen und daher ein besonderes Legitimationsbedurfnis haben. So lasst sich der Name
Sargon
(
akkadisch
scharru kin
= ?Der Konig ist legitim“ oder in neuassyrischer Zeit auch im Sinne von ?legitimer Konig“ verstandlich), den der ursprunglich nicht zum Konig Bestimmte gewiss nicht von Geburt an trug, als Anzeichen dafur verstehen, dass Sargon II. bemuht war, ?seine nach menschlichen Maßstaben gewiss nicht legale Thronfolge auch nach außen als dem Willen der Gotter entsprechend und rechtmaßig hinzustellen“ (W. v. Soden).
Abgesehen von der wortlichen Bedeutung des Namens stellte sich Sargon II. mit dieser Benennung in die Tradition des
Sargon von Akkad
, von dem bekannt war, dass er nicht auf dem ublichen ?legalen“ Wege Konig geworden war. Sargon II. konnte sich also mit seiner zweifelhaften Thronbesteigung in die Tradition eines bedeutenden Vorbildes stellen.
Ein Dokument dafur, dass die Traditionen uber Sargon von Akkad in der Zeit Sargons II. gepflegt und weitergefuhrt wurden, ist wohl die sogenannte
Akkadische Sargonlegende
, die von der niederen Herkunft Sargons von Akkad erzahlt und davon, wie er durch die Liebe der Ischtar Konig wurde. Als solcher habe er Taten vollbracht, die fur alle spateren Konige als maßgebendes Vorbild gelten. Die Textuberlieferung wie die sprachliche Fassung dieser Legende sprechen dafur, dass sie in neuassyrischer Zeit entstand; die Leistungen, die Sargon von Akkad zugeschrieben werden, scheinen eher zu Sargon II. zu gehoren. Daher scheint auch dieses Dokument dafur zu sprechen, dass Sargon II. seine unregelmaßige Thronfolge durch Verweis auf Sargon von Akkad rechtfertigte. Auch passt der Umstand, dass es kurz nach seiner Thronbesteigung zu innenpolitischen Problemen kam, dazu, dass Sargons Herrschaftsantritt in eine instabile Zeit fallt, in der eine Usurpation gut vorstellbar ist.
Die Quellen fur die vielen militarischen Unternehmungen Sargons, der sicher zu den Herrschern gehort, ?die die meisten assyrischen Kriege gefuhrt haben“ (Merrill 601), sind die (von
A. Fuchs
herausgegebenen) Konigsinschriften, teilweise auch andere Quellen wie der Bericht uber den ?achten Feldzug“ von 714, den W. Mayer herausgegeben hat. Fur die Feldzuge lasst sich folgende Chronologie aufstellen:
- 720 v. Chr.: Der Aufstand in
Syrien
wird niedergeschlagen, und die
Agypter
werden bei
Raphia
geschlagen.
- 717 v. Chr.: Sieg uber Karkemisch.
- 716 v. Chr.: Bau eines Stutzpunktes an der agyptischen Grenze; Schlacht bei
Wadi al-Arisch
- 714 v. Chr.: Achter Feldzug, der sich gegen
Urartu
richtet: Niederwerfung der
Mannaer
, Verwustung weiter Teile Urartus, dessen Hauptstadt
Tuschpa
aber nicht erobert werden kann; Plunderung von
Musasir
- 711 v. Chr.: Ein neuer Aufstand in der Region
Palastina
wird niedergeschlagen; das Land der
Philister
wird zur
Provinz Asdod
.
- 709 v. Chr.: Sieg uber die sieben Konigreiche der Insel Ia' im Gebiet von Iadnana oder Atnana (
Zypern
), uberliefert durch die
Kition-Stele
.
- 705 v. Chr.: Sargon II. fallt im
Iran
im Kampf gegen die
Kimmerer
.
Die Inschriften Sargons sind selbstverstandlich propagandistisch gefarbt und deshalb nicht in allen Aussagen zuverlassig. Dafur mag folgendes Beispiel stehen: 720 v. Chr. griff Sargon II. eine Allianz von
Babyloniern
und
Elamitern
an, die unter der Fuhrung des
Chaldaers
Marduk-apla-iddina II.
standen, der unrechtmaßig den babylonischen Thron bestiegen hatte.
Wolfram von Soden
behauptet allerdings unter Berufung auf eine babylonische Chronik, der
elamitische
Konig
Humbanigash I.
habe die Schlacht gegen die Assyrer angefuhrt und dort gegen Assyrien gesiegt. Marduk-apla-iddina II. sei hingegen zu spat zur Schlacht erschienen. Auf jeden Fall beanspruchte jede Partei den Sieg fur sich, und Sargon II. zog sich zuruck.
Im Blick auf das innerassyrische Wirken Sargons II. ist zu erwahnen, dass er mit
Dur ?arrukin
(akkadisch fur
Burg Sargons
) eine neue Hauptresidenz begrundete. Zuvor lag diese wie schon in der Regierungszeit seiner Vorganger in
Kalach
.
Dass der Großkonig im Krieg gegen Barbaren ums Leben kam und unbestattet liegen blieb, hat in der damaligen Welt große Besturzung hervorgerufen. Eine Folge davon war, dass sein Nachfolger
Sanherib
das noch unvollendete Dur Scharrukin nicht mehr zu Ende bauen ließ. Wenn die fertiggestellten Gebaude auch vielleicht weiterbenutzt wurden, so lag hier jedoch nicht mehr die Hauptresidenz. Diese wurde von Sanherib nach
Ninive
in seinen neu errichteten eigenen
Palast
verlegt.
Als neuassyrischer Großkonig hat Sargon II. auch Spuren in der
Bibel
hinterlassen. Sie sollen hier gesondert besprochen werden, weil sie einen Grundtext der europaischen Kultur betreffen.
Sein Name wird im Buch Jesaia (
Jes
20,1
EU
) genannt. Die
hebraische
Namensform ?
Sargon
statt
akkadisch
Scharru kin
? ist von dieser Stelle her gelaufig geworden.
Auf den schmahlichen Tod Sargons II. spielt das
Triumphlied uber den Sturz des Weltherrschers
in
Jes
14
EU
an. Dies wird vor allem in den Versen 18?20 deutlich, nach denen der Konig kein Grab gefunden hat. Dass das Lied in Vers 4 als gegen den Konig von Babel (
Babylon
) gerichtet eingefuhrt wird, spricht nicht gegen diese Deutung. Die Babylonier folgten darin den
Assyrern
nach, dass sie den ganzen
Vorderen Orient
und auch
Israel
in ihre Gewalt brachten. Daher besteht kein Problem in der Annahme, dass man ein ursprunglich auf den Tod Sargons II. bezogenes Lied spater babylonischen Konigen (tatsachlich wohl primar ihren Anhangern innerhalb Israels) warnend vorhielt.
Wenn die in der
Bibelwissenschaft
vertretene These zutrifft, dass die biblische Geschichte von Geburt, Aussetzung und Rettung des Mose (
2 Mos
2,1?10
EU
) der akkadischen Sargonlegende nachgestaltet ist, so dass die biblische Geschichte Mose als Gegenbild zu den mesopotamischen Großkonigen darstellen soll, dann ware dies eine israelitische Reaktion auf ein wahrscheinlich zunachst von Sargon II. propagiertes Konigsideal.
Ein besonderes Problem bildet die Frage, inwiefern Sargon II. fur die Eroberung
Samarias
im Jahre 722 v. Chr. und damit fur den Untergang des nordisraelitischen Konigreichs verantwortlich war. In den in Dur ?arrukin gefundenen ?Annalen“ wird diese Eroberung Sargons erstem Regierungsjahr zugeschrieben.
[3]
Im sog.
Kalah-Prisma
Sargons II. heißt es dazu:
?
25
Die Samarier, die gegen
26
meinen koniglichen [Vorganger]
28
Groll hegten
26
und, um keine Untertanigkeit zu bezeugen
27
und keinen Tribut zu liefern,
28
[…] Krieg fuhrten ?
29
in der Kraft der großen Gotter, meiner Herren,
30
kampfte ich mit ihnen.
31
27280 Einwohner nebst Streitwagen
32
und den Gottern, auf die sie vertrauten,
34
rechnete ich
32
als Beute.
33
200 Streitwagen fur mein konigliches Heer
34
hob ich unter ihnen aus,
35
und ihre Reste
36
siedelte ich in Assyrien an.
37
Samaria wandelte ich um und machte es großer als zuvor.
38
Leute aus Landern, die ich mit meiner Hand erobert hatte,
39
ließ ich darin einziehen.
40
Einen General stellte ich als Statthalter uber sie ein
41
und ich zahlte sie zu den Einwohnern Assyriens.“
?
Kalah-Prisma Sargon II.
[4]
Danach hatte also Sargon noch Krieg gegen Samaria gefuhrt und die Stadt eingenommen. In einer babylonischen Chronik wird die Zerstorung der Stadt allerdings noch seinem Vorganger
Salmanassar V.
zugeschrieben.
[5]
Der biblische Bericht uber die Ereignisse in
2 Kon
17
EU
schreibt die Einnahme Samarias ohne Namensnennung dem ?Konig von Assur“ zu. Dieser habe die Stadt nach dreijahriger Belagerung eingenommen (Vers 5). Vorher heißt es, dass Salmanassar gegen den letzten nordisraelitischen Konig Hosea gezogen sei (Vers 3).
Wahrscheinlich lassen sich die verschiedenen Quellenversionen dergestalt miteinander verbinden, dass die Eroberung Samarias tatsachlich noch Salmanassar zuzuschreiben ist, der aber kurz darauf starb, so dass Sargon das Gebiet zur assyrischen Provinz machte, die Oberschicht deportierte und neue Bewohner in Samaria und Umgebung ansiedelte (so Donner, Geschichte Israels 2, 346 und wohl die Mehrheit der Fachleute). Moglich ist auch, dass Salmanassar wahrend der langen Belagerung Samarias starb bzw. ermordet wurde, so dass Sargon die Stadt tatsachlich einnahm und zerstorte.
[6]
Sargon war mit der Konigin
Atalia
verheiratet, die zusammen mit
Yaba
, der Gattin
Tiglat-Pilesars III.
, in
Kalhu
bestattet wurde.
- Bearbeitungen und Ausgaben von Quellen
- Rykle Borger
: [Ubersetzung verschiedener Inschriften Sargons II.] In: O. Kaiser u. a. (Hrsg.):
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
(TUAT) I, Gutersloh 1982?1985, S. 378?387.
- Andreas Fuchs
:
Die Inschriften Sargons II. aus Khorsabad.
Gottingen 1994.
- Walter Mayer:
Sargons Feldzug gegen Urartu ? 714 v. Chr. Text und Ubersetzung.
In:
Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft
115 (1983), S. 65?132.
- H. W. F. Saggs
:
Historical Texts and Fragments of Sargon II. of Assyria, 1. ?The Assur Charta“.
In:
Iraq
37 (1975), S. 11?20.
- Fredy Thomas:
Sargon II., der Sohn Tiglat-Pilesers III.
In: M. Dietrich, O. Loretz (Hrsg.):
Mesopotamica-Ugaritica-Biblica
. Festschrift fur K. Bergerhof (=
Alter Orient und Altes Testament.
Band 232). Kevelaer u. a. 1993, S. 465?470.
- Simo Parpula, Kazuko Watanabe (Hrsg.):
Correspondence of Sargon the Second
, State Archives of Assyria, Helsinki University Press, Teil 1 (Letters from the West), 1987, Teil 2 (Letters from the Northern and Northeastern Provinces), 1990, mit den Herausgebern Giovanni Lanfranchi, Simo Parpola, Teil 3 (Letters from Babylonia and the Eastern Provinces), 2001, Herausgeber Parpula
[7]
- Historische Darstellungen
- Josette Elayi:
Sargon II, King of Assyria
, SBL Press 2017
- Herbert Donner
:
Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzugen
2 Bde. (=
Grundrisse zum Alten Testament.
Bd. 4/1 und 4/2). 2. Auflage, Gottingen 1995.
- Dietz-Otto Edzard
:
Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis Alexander dem Großen.
Munchen 2004, S. 207?213.
- Rene Labat:
Elena Cassin
,
Jean Bottero
,
Jean Vercoutter
(Hrsg.):
Die Altorientalischen Reiche III. Die erste Halfte des 1. Jahrtausends
(=
Fischer Weltgeschichte
.
Band 4). Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1967, S. 58?68.
- Wolfram von Soden
:
Assyrien
. In:
Religion in Geschichte und Gegenwart
(RGG). 3. Auflage. Band 1, Mohr-Siebeck, Tubingen 1957, Sp. 650?655.
- Wolfram von Soden
:
Herrscher im Alten Orient.
Berlin u. a. 1954, S. 94?105.
- Wolfram von Soden:
Der Nahe Osten im Altertum.
In: Golo Mann u. a. (Hrsg.):
Propylaen Weltgeschichte II: Hochkulturen des mittleren und ostlichen Asiens.
Frankfurt am Main u. a. 1962, S. 99 ff.
- Klaas R. Veenhof
:
Geschichte des Alten Orients bis zur Zeit Alexanders des Großen
(=
Grundrisse zum Alten Testament.
Band 11). Gottingen 2001, S. 255?259.
- ↑
A. T. Olmstead
:
The Text of Sargon’s Annals.
In: The American Journal of Semitic Languages and Literatures 47/4, 1931, S. 259?280.
- ↑
siehe hierzu auch
Liste der Herrscher im 8. Jahrhundert v. Chr.
- ↑
Ubersetzung von
Rykle Borger
, in: O. Kaiser u. a. (Hrsg.):
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
(TUAT) I, Gutersloh 1982?1985, S. 379.
- ↑
Ubersetzung von
Rykle Borger
, in: O. Kaiser u. a. (Hrsg.),
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
(TUAT) I, Gutersloh 1982?1985, S. 382.
- ↑
Rykle Borger
: [Ubersetzung verschiedener Inschriften Sargons II.], in: O. Kaiser u. a. (Hrsg.):
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
(TUAT) I, Gutersloh 1982?1985, S. 401.
- ↑
Wolfram von Soden
:
Assyrien
. In:
Religion in Geschichte und Gegenwart
(RGG). 3. Auflage. Band 1, Mohr-Siebeck, Tubingen 1957, Sp. 650?655, hier Sp. 652.
- ↑
Reihe State Archives of Assyira
, Helsinki University Press