Persuasive Kommunikation

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Persuasive Kommunikation (von lateinisch persuadere ?uberreden“) oder Uberredungskunst (auch Kunst der Uberredung ) ist eine Form der zwischenmenschlichen Kommunikation , die auf das Beeinflussen des Kommunikationspartners zielt. Primares Ziel der persuasiven Kommunikation ist das Erreichen von Einstellungsanderungen, nicht jedoch Verstandigung oder Informationsaustausch. [1] Persuasive Kommunikation wird von der Sprachwissenschaft und der Kommunikationswissenschaft z. B. in der massenmedialen Kommunikation untersucht, spielt jedoch auch in anderen Wissenschaften (z. B. in der Psychologie ) eine Rolle. Persuasive Kommunikation ist zudem ein Teilgebiet der modernen Rhetorik . [2] Aufgrund der Absicht des Beeinflussens und Uberzeugens besteht auch eine große Nahe zur klassischen Rhetorik. [3]

Definition und Vorkommen

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Persuasive Kommunikation kommt an vielen Stellen vor, insbesondere in der Massenkommunikation , der Werbe - und PR-Kommunikation , im Marketing , im Verkaufsgesprach , in der politischen Kommunikation (z. B. Propaganda ) sowie in der Psychotherapie . Persuasive Kommunikation ist, oft unbewusst , auch Teil privater Kommunikation. Bezuglich der wissenschaftlichen Definition und der Abgrenzung des Begriffes Persuasion zu anderen kommunikationswissenschaftlichen und kommunikationspsychologischen Kategorien gibt es keine Einigkeit. Laut Lewandowski (1979) will die persuasive Kommunikation Einstellungen nicht langfristig andern, sondern nur kurzfristige Ziele erreichen. Nach Robert Cialdini ist indes gerade das langfristige Uberzeugen gemeint, welches handlungsleitend wirkt.

Systematisch untersucht wurde die persuasive Kommunikation ab 1953 auch von Carl I. Hovland von der Yale University unter der Systematik ? wer sagt was zu wem “, zusammengefasst als Yale-Ansatz zur Einstellungsanderung . [4] Experimentell konnte die persuasive Wirkung verschiedener Kommunikationsformen verifiziert werden. Unter anderem zeigte sich, dass die Einbeziehung gegnerischer Argumente und Standpunkte in die eigene Kommunikation von Vorteil und geeignet ist, weitere Gegenargumente von vorneherein zu entkraften.

Psychologische Modelle der Einstellungsanderung

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Elaboration-Likelihood-Modell

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Das Elaboration Likelihood Model (kurz: ELM) von Richard E. Petty und John T. Cacioppo unterscheidet zwei Wege, die jeweils zur Uberzeugung beschritten werden konnen:

  • Die zentrale Route spricht den Verstand des Gegenubers an und arbeitet dabei z. B. mit Argumenten .
  • Die periphere Route spricht die Gefuhle des Gegenubers an. Einfluss auf die Uberzeugungskraft haben hier Eigenschaften des Sprechers wie Sympathie und Status aber auch einfache Heuristiken .

Das Modell nimmt ein Kontinuum der Informationsverarbeitung an, geht also davon aus, dass bei starkerer zentraler Verarbeitung die periphere Verarbeitung abnimmt und umgekehrt.

Heuristisch-systematisches Modell

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Das heuristisch-systematische Modell (kurz: HSM) ist ein 1980 von Shelly Chaiken entwickeltes Modell, welches ebenfalls von zwei moglichen Wegen der Einstellungsanderung ausgeht:

  • Die systematische Route entspricht der zentralen Route des ELM, spricht also die rationale Seite des Rezipienten an
  • Die heuristische Route ist jedoch wesentlich enger definiert als die periphere Route des ELM. Im HSM zahlen lediglich Heuristiken zur peripheren Informationsverarbeitung.

Eine Besonderheit des HSM ist, dass die beiden Wege der Informationsverarbeitung gemeinsam auftreten und interagieren konnen.

Emotionale versus rationale Einstellungen

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Einstellungen, die auf vernunftigen Nutzlichkeitserwagungen beruhen (zum Beispiel gegenuber Haushaltsgeraten oder Arbeitskleidung), lassen sich am besten durch rationale Argumente verandern. Einstellungen, die auf Emotionen beruhen (zum Beispiel gegenuber Parfums oder Designerkleidung), lassen sich am besten mit emotionalen Botschaften verandern. [5]

Foot-in-the-door-Technik

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Der Name dieser Technik stammt von Verkaufern von Hausturgeschaften , ist jedoch nicht auf diesen Bereich beschrankt. Sie wird folgendermaßen beschrieben: Man erbittet einen kleinen Gefallen, den das Gegenuber praktisch nicht ausschlagen kann. Wenn man den ?Fuß“ dann einmal ?in der Tur hat“, ruckt man mit der wahren Forderung heraus. Weil Menschen konsistent erscheinen wollen, geben sie der folgenden großeren Bitte haufig nach. Erklarungen liefern die Theorie der Selbstwahrnehmung von Daryl J. Bem und die Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger . ( Siehe auch: Konsistenztheorie .)

Im klassischen Experiment von Jonathan Freedman und Scott Fraser (1966) baten sie kalifornische Hausfrauen, eine Petition fur defensives Fahren zu unterzeichnen. Zwei Wochen spater wurden diese Frauen sowie eine gleich große Gruppe von zuvor nicht angesprochenen Frauen gefragt, ob sie sich eine große Reklametafel fur defensives Fahren in ihren Vorgarten stellen wurden. Die Zahl der Zustimmungen war in der ?Petitions-Gruppe“ dreimal so hoch wie in der Kontrollgruppe . [6] Diese Technik machen sich auch wohltatige Einrichtungen zunutze, so bei Blutspende -Kampagnen oder der Spendenbeschaffung .

Door-in-the-face-Technik

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Die Door-in-the-face-Technik wird folgendermaßen beschrieben: Man fragt nach einem so großen, unverschamten Gefallen, dass praktisch jeder ablehnt. Dann bittet man um etwas sehr viel geringeres (die wahre Forderung) und hat gute Chancen, dass das Gegenuber diese Bitte nicht ausschlagt und zustimmt. Man spricht hier auch von einer Nullpunktverschiebung.

Der US-amerikanische Psychologe Robert Cialdini zeigte die Door-in-the-face-Technik 1975 in einem Experiment: [7]

Eine Gruppe von Personen wurde gefragt, ob sie Jugendliche einmalig und unbezahlt in den Zoo begleiten wurden: nur 17 Prozent stimmten zu. Die Vergleichsgruppe wurde vorab gefragt, ob sie zwei Stunden pro Woche uber einen Zeitraum von zwei Jahren und unbezahlt fur ein Jugendzentrum arbeiten wurde ? worauf die Antwort uberwiegend ?nein“ war. Der eigentlichen Folgefrage, ob man bereit sei, Jugendliche einmalig in den Zoo zu begleiten, stimmten hier drei mal so viele der Versuchspersonen zu.

Persuasive Kommunikation in der Psychotherapie

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Auch im Rahmen von psychologischen und psychotherapeutischen Methoden spielt die persuasive Kommunikation eine wichtige Rolle. Einerseits direkt im Rahmen der aktiven Uberzeugung des Patienten, andererseits indirekt, indem die Erkenntnisse der Persuasionsforschung genutzt werden, um dysfunktionale Uberzeugungsmuster des Patienten in Frage zu stellen. [8] Indem die Persuasionsforschung den Prozess der Entstehung von Einstellungen beschreibt, weist sie auch den Weg zu Ansatzpunkten fur das Infragestellen von Meinungen und Kognitionen . [9] Insbesondere zielgerichtete Interventionen wie z. B. die kognitive Umstrukturierung , bestimmte Formen der Gesprachspsychotherapie und traditionelle psychotherapeutische Methoden [10] sowie effektorientierte Techniken des Coaching nutzen direkt oder indirekt Methoden und/oder Erkenntnisse der persuasiven Kommunikation. [11] [12]

  • Robert B. Cialdini: Die Psychologie des Uberzeugens. 5. Auflage. 2008, ISBN 978-3-456-84478-7 .
  • James Dillard, Michael Pfau: The Persuasion Handbook. 2002, ISBN 0-7619-2006-4 .
  • Richard Geml, Hermann Lauer: Marketing- und Verkaufslexikon. 4. Auflage. Verlag Schaffer-Poeschel, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7910-2798-2 .
  • Noah J. Goldstein, Steve J. Martin, Robert B. Cialdini: Yes!: 50 Scientifically Proven Ways to Be Persuasive. Free Press, 2008, ISBN 978-1-4165-7096-7 .
  • Nina Hesse: Persuasive Kommunikation. Die Kunst der Uberredung. GRIN, 2015, ISBN 978-3-668-32101-4 .
  • Josef Kopperschmidt : Allgemeine Rhetorik, Einfuhrung in die Theorie der Persuasiven Kommunikation. Kohlhammer, Stuttgart 1973.
  • Theodor Lewandowski : Linguistisches Worterbuch. Band 2, UTB, Heidelberg 1979, ISBN 3-494-02021-3 , S. 556.
  • A. Mohler: Die 100 Gesetze uberzeugender Rhetorik. Langen-Muller, Munchen 1984.

Einzelnachweise

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  1. Eberhard Ostermann: Uberreden; Uberzeugen. In: Historisches Worterbuch der Philosophie. Abgerufen am 21. April 2024 .
  2. Gert Ueding, Bernd Steinbrink : Grundriß der Rhetorik. Geschichte ? Technik ? Methode. 5., aktualisierte Auflage. Stuttgart 2011.
  3. Joseph Kopperschmidt: Allgemeine Rhetorik: Einfuhrung in die Theorie der Persuasiven Kommunikation. Kohlhammer, 1976.
  4. E. Aronson , T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. 6. Auflage. Pearson Studium, 2008, ISBN 978-3-8273-7359-5 , S. 200 f.
  5. Petty Fabrigar: The role of affective and cognitive bases of attitudes in susceptibility to affectively and cognitively based persuasion . In: Personality and Social Psychology Bulletin. 25, 1999, S. 363?381.
  6. E. R. Smith, D. M. Mackie: Social Psychology. 2. Auflage. Psychology Press, 2000, ISBN 0-86377-587-X , S. 296.
  7. R. B. Cialdini, J. E. Vincent, S. K. Lewis, J. Catalan, D. Wheeler, B. L. Darby: Reciprocal Concessions Procedure for Inducing Compliance: The Door-in-the-Face Technique . In: Journal of Personality and Social Psychology . Band   31 , Nr.   2 , 1975, S.   206–215 .
  8. Allen E. Bergin: The effect of dissonant persuasive communications upon changes in a self-referring attitude. In: Journal of Personality. Band 30, Nr. 3, September 1962, S. 423?438.
  9. R. B. Cialdini: Influence: The Psychology of Persuasion. New York 2007.
  10. T. Takahashi: A persuasion therapy for panic disorder in old Japanese medical literature. In: Compr Psychiatry. Band 34, Nr. 1, Jan-Feb 1993, S. 31?35.
  11. R. B. Cialdini: Influence: Science and practice. 4. Auflage. Boston 2001.
  12. Linda Wilcoxon Craighead, W. Edward Craighead: Implications of persuasive communication research for the modification of self-statements. In: Cognitive Therapy and Research. Band 4, Nr. 2, Juni 1980, S. 117?134.