Zwangsprostitution
bezeichnet die illegale Praxis, Menschen zur Arbeit als
Prostituierte
zu zwingen. Davon betroffen sind uberwiegend Frauen und Kinder. Zwangsprostitution tritt in der Regel im Zusammenhang mit
Menschenhandel
zum Zweck der
sexuellen Ausbeutung
auf. Der Zwang kann durch physische und psychische
Gewalt
,
Tauschung
,
Erpressung
, Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit des Opfers ausgeubt werden.
Zwangsprostitution ist im
Strafgesetzbuch (Deutschland)
erst seit dem 15. Oktober 2016 im
§ 232a
(StGB) definiert. Zuvor war der Begriff rechtlich nicht definiert. Es handelte sich um eine Wortschopfung, die zuvor in der medialen und politischen Debatte benutzt wurde.
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welche Vorgaben aus Brussel wurden nicht umgesetzt?
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Der organisierte Menschenhandel entwickelte sich in Europa nach dem
Zusammenbruch des Ostblocks
und verstarkte sich im Verlauf der
Jugoslawienkriege
der 1990er Jahre. Die
Schengener Abkommen
und die Errichtung des
Europaischen Binnenmarkts
1993 kamen als verstarkendes Element in derselben Zeit dazu. Seither werden zumeist junge Madchen und Frauen aus
Osteuropa
von organisierten Banden nach Westeuropa gelockt, indem man ihnen eine lukrative Arbeit etwa als Serviererin oder
Aupair
verspricht. Nach ihrer Ankunft werden ihnen die Papiere abgenommen, damit sie sich im fremden Land nicht frei bewegen konnen und abhangig bleiben. Auch Deutschland wird vorgeworfen, nicht entschieden gegen Menschenhandel vorzugehen, da die Bundesregierung einige Vorgaben aus Brussel nicht gesetzlich verankert habe.
[1]
Durch die weitgehende Legalisierung von Prostitution seit dem Jahr 2002 bei gleichzeitigem Fehlen obligatorischer Prufungen fur das Betreiben von Prostitutionsstatten habe sich in Deutschland ein ?Eldorado fur Zuhalter und Bordellbetreiber“ entwickelt, urteilte ein leitender deutscher Kriminalbeamter im Jahr 2011.
[2]
Das
Bundeskriminalamt
veroffentlicht regelmaßig einen Lagebericht zum Menschenhandel. Die Erhebung basiert auf den Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf
Menschenhandel
,
[3]
im Jahr 2016 wurden 363 Ermittlungsverfahren (2014: 392 Verfahren, 2015: 364) in Deutschland im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Es wird vermutet, dass sich dahinter ein großes
Dunkelfeld
verbirgt, zumal nur etwa 10 Prozent der Tater vor Gericht landen und erst nach meist langer Prozessdauer verurteilt werden. In vielen Landern gibt es keine Statistiken.
[4]
Laut der damaligen EU-Innenkommissarin
Cecilia Malmstrom
, die sich auf eine im Jahr 2010 veroffentlichte EU-Studie bezieht, ist die offizielle Zahl der Opfer von Menschenhandel zwischen 2008 und 2010 um 18 Prozent gestiegen: von 6309 auf 7418 im Jahr. Mit den Zahlen der EU-Lander, deren Daten im Jahr 2008 nicht vorhanden waren, ergibt sich 2010 eine Zahl von 9528 Opfern. Insgesamt wurden zwischen 2008 und 2010 in der EU 23623 Opfer von Menschenhandel offiziell registriert, zwei Drittel davon wurden zur Prostitution gezwungen.
[1]
Der
Missbrauchsskandal von Rotherham
in Großbritannien beispielsweise deckte rund 1400 Falle im Umkreis einer nordenglischen Stadt auf, die im Rahmen einer Untersuchung durch das britische Parlament bekannt wurden. Ein umfassender Bericht erschien im August 2014 und bezeichnet die Falle mit dem Sammelbegriff als
sexuellen Missbrauch
und Ausbeutung.
[5]
Ungefahr seit dem Jahr 2000 wurde man in den Niederlanden auf sogenannte ?Loverboys“ aufmerksam. Der Begriff wurde dann in diesem Zusammenhang auch in Belgien verwendet und seit Mitte der 2000er Jahre auch in deutschen Publikationen. Im Mai 2009 berichtete
Bravo Girl
als erstes deutsches Magazin von der Problematik.
Betroffen sind oft
minderjahrige
Madchen und junge Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, oft mit geringem Selbstbewusstsein oder großer Schuchternheit. Sie werden von den Loverboys, oft auch gerade erst Volljahrigen, angesprochen, und ihnen wird zunachst vorgegaukelt, die Loverboys seien in sie verliebt. Die Loverboys geben ihnen Aufmerksamkeit, Komplimente, Zuneigung und oft auch Geschenke. Gleichzeitig machen sie die Opfer emotional abhangig und entfremden sie ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis. Spater verleiten oder zwingen sie sie zur Prostitution. Oft gaukeln sie ihren Opfern vor, das so verdiente Geld zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft verwenden zu wollen. Die Opfer sind oft schwer zu erkennen. Einerseits stecken sie meist gerade in der
Pubertat
und verandern sich auch dadurch stark; andererseits haben einige bereits gelernt, ein Parallelleben mit Lugen und Leugnen zu fuhren. Teilweise achten die Loverboys auf regelmaßigen Schulbesuch. Manchmal sind sie der Familie als Freund bekannt.
[6]
[7]
[8]
[9]
Es gibt eine Reihe von Auffalligkeiten im Verhalten, die auf diese Form des Missbrauchs hinweisen konnen, wenn sie bei einer Person gehauft zusammentreffen. Eine Auflistung dieser Symptome, die ohne Haufung bei vielen pubertierenden Jugendlichen auftreten, hat die ?Elterninitiative fur Loverboy Opfer Deutschland“
(eilod.de)
zusammengestellt.
[10]
Die pensionierte Kommissarin Barbel Kannemann, Aktivistin zum Schutz vor den Loverboys, gab im Januar 2015 an, ihr seien in den Niederlanden rund 3000 und in Deutschland seit 2010 rund 200 Falle bekannt.
[11]
Bis September 2015 stieg die Anzahl der Kannemann bekannten Falle auf 800.
[12]
Die Expertengruppe fur die Bekampfung des Menschenhandels des
Europarates
(
Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings
? GRETA) geht unter Berufung auf das deutsche
Bundeskriminalamt
von 671 Fallen fur Deutschland in 2017 aus.
[13]
Im Sommer 2019 beschaftigte sich der
Landtag Nordrhein-Westfalen
im Rahmen einer offentlichen Anhorung mit dem Thema.
[14]
Das Willem-Pompe-Institut fur Kriminalwissenschaften Utrecht ging schon 2004 davon aus, dass mindestens 100 der 400 Prostituierten im Amsterdamer Rotlichtviertel Loverboy-Opfer sind.
[15]
In der Schweiz per 2020, bezogen auf die letzten drei Jahre, wurden uber 30 als Loverboy-Falle klassifizierbare Beziehungen bei der nationalen Meldestelle ACT212 gemeldet.
[16]
[17]
Gegen die Opfer werden haufig schwerste
Straftaten
gegen die
sexuelle Selbstbestimmung
, gegen die personliche
Freiheit
und gegen die
korperliche Unversehrtheit
begangen. Als Nebenstraftaten kommen meist
Steuerhinterziehung
,
Geldwasche
und Verstoße gegen das
Arbeits-
,
Auslander-
und
Sozialversicherungsrecht
hinzu.
Die Strafverfolgung des kriminellen Menschenhandels gilt als extrem schwierig, da die Tatergruppen sehr straff organisiert und professionell vorgehen und es extrem wenige Strafanzeigen oder Hinweise durch die Opfer gibt, gleichzeitig aber die Opferaussage auch bei Vorliegen anderer Beweise die Voraussetzung fur die
Strafverfolgung
ist.
[18]
Die Opfer sind zu eingeschuchtert, um sich an die Behorden zu wenden. Sie haben
Angst
vor den Tatern, welche nicht nur sie, sondern insbesondere auch ihre Angehorigen
bedrohen
, und mussen ? spatestens nach Abschluss des Verfahrens ? oft mit ihrer
Abschiebung
in ihre Heimatlander rechnen.
Diese Probleme bei der Strafverfolgung fuhren zu einer sehr hohen
Dunkelziffer
in diesem Bereich der Kriminalitat.
Aufgrund der Probleme der Strafverfolgungsbehorden, die Zuhalter und Menschenhandler wirkungsvoll zu bekampfen, gibt es
EU
-weit Bestrebungen, stattdessen die
Freier
, die die Dienste der Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen, strafrechtlich zu belangen.
Die
Allgemeine Erklarung der Menschenrechte
[19]
wurde von der Vollversammlung der
Vereinten Nationen
per Resolution 217 A (III) am 10. Dezember 1948 verabschiedet. Obwohl sie als Erklarung keinen
volkerrechtlich
verbindlichen Charakter besitzt, wird sie im Allgemeinen als Bestandteil des Rechts der Vereinten Nationen angesehen.
Die Praxis der Zwangsprostitution verstoßt gegen viele der in der Erklarung verbrieften Grundrechte:
- Art. 1: ?Alle Menschen sind frei und gleich an Wurde und Rechten geboren. (…)“ Den Zwangsprostituierten werden Wurde und Rechte genommen.
- Art. 2: ?Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklarung verkundeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach … Geschlecht … oder sonstigen Umstanden.“ Den Zwangsprostituierten werden diese Rechte vorenthalten, da sie oft als Leibeigene betrachtet werden.
- Art. 3: ?Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Zwangsprostituierte werden nicht selten ermordet, leben unfrei und genießen keinerlei Sicherheit.
- Art. 4: ?Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten.“ Zwangsprostituierte werden wie Sklaven oder Leibeigene behandelt und von den Tatern wie Sachen gehandelt.
- Art. 5: ?Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung … unterworfen werden.“ Zwangsprostituierte werden nicht selten gefoltert, nahezu immer unmenschlich und erniedrigend behandelt.
- Viele andere Rechte konnen von Zwangsprostituierten ebenfalls nicht wahrgenommen werden.
Die Konvention wurde erlassen mit der Resolution
Ubereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzuberschreitende organisierte Kriminalitat
A/RES/55/25 vom 15. November 2000
. Unterzeichnet wurde sie von Deutschland, Osterreich und der Schweiz am 12. Dezember 2000, von der EU mit
Beschluss 2004/579/EG des Rates vom 29. April 2004
(Amtsblatt L 261 vom 6. August 2004) abgeschlossen.
[20]
Nach Art. 1 ist Sinn des Ubereinkommens die verbesserte Zusammenarbeit bei der Verfolgung der grenzuberschreitenden organisierten Kriminalitat.
Das Protokoll ist eine Anlage zum UN-Ubereinkommen gegen die grenzuberschreitende organisierte Kriminalitat und soll gemaß Artikel 2 den Menschen-, insbesondere den Frauen- und Kinderhandel, verhuten und bekampfen. Die Opfer sollen unter Wahrung ihrer Menschenrechte geschutzt werden. Dies soll durch eine verstarkte Zusammenarbeit der Staaten bei der Verfolgung und Verhutung solcher Taten geschehen. Der Rahmenbeschluss des
Rates der Europaischen Union
zur Bekampfung des Menschenhandels (siehe unten) beruht auf diesem Protokoll.
Die Zwangsprostitution verstoßt gegen ein ganzes Bundel von EU-Rechtsvorschriften. Insbesondere ist Art. 5 der
Charta der Grundrechte der Europaischen Union
einschlagig, der als Art. II-65 Teil des neuen
europaischen Verfassungsvertrages
(VVE) sein wird. Das dort verankerte ?Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit“ ist Ausfluss der unantastbaren
Wurde des Menschen
, die im ersten Artikel der Charta festgesetzt ist.
Die Charta wird durch Inkrafttreten der Verfassung bindend. Die Europaischen Grundrechte gelten jedoch nicht direkt zwischen naturlichen Personen, also beispielsweise zwischen ausgebeuteter Frau und deren Peiniger. Die Grundrechte binden zunachst nur die Organe der EU und die Mitgliedstaaten, soweit sie Unionsrecht ausfuhren (vgl. Art. II-111 VVE).
In der Folge mussen also alle Rechtsakte und Handlungen von EU-Organen bei ihren Handlungen die Grundrechte achten. So darf kein europaisches Gesetz oder Rahmengesetz beispielsweise die Zwangsprostitution direkt oder indirekt fordern.
Eine direkte Handlungspflicht der EU gegen die Zwangsprostitution lasst sich im Einzelfall nicht ableiten. Jedoch sind die Grundrechte auch Teil und Quelle einer allgemeinen Werteordnung, die den generellen Maßstab des Unionshandelns bildet. Hieraus lasst sich dann beispielsweise eine Koordinationsaufgabe der Union ableiten, die strafrechtliche Verfolgung in den Mitgliedstaaten bei grenzuberschreitendem Menschenhandel zu koordinieren.
Dieser Rahmenbeschluss soll die Umsetzung der Charta der Menschenrechte der Europaischen Union (insb. Art. 5 (3)) durch eine Angleichung der einschlagigen Rechtsvorschriften der Mitgliedslander, vor allem hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit, verbessern.
Dazu wurden fußend auf diesem Rahmenbeschluss unter anderem einige Aktionsprogramme (STOP, STOP II) und gemeinsame Initiativen (Equal, Bekampfung der Schleusung von
Migranten
, Austausch von Verbindungsrichtern und -staatsanwalten, Ausbau des europaischen justitiellen Netzes) beschlossen.
Die Mitgliedslander hatten bis zum 1. August 2004 Zeit, ihre Rechtsvorschriften entsprechend anzupassen, und am 1. August 2005 prufte der Rat die Wirksamkeit der Umsetzungen.
Insbesondere mussen die Sanktionen der Mitgliedsstaaten fur die Tater (auch juristische Personen, z. B. Schleuserfirmen, Geldwascheunternehmen) ?wirksam, angemessen und abschreckend“ sein. Die Hochststrafe fur die Tater sollte nicht unter acht Jahren Haft liegen, und es sollten Mittel der innereuropaischen Zusammenarbeit starker in das nationale Recht einbezogen werden (insbesondere die gemeinsamen Maßnahmen gegen die Geldwasche und gegen kriminelle Vereinigungen).
Die Opfer, besonders wenn sie minderjahrig sind, sind zu schutzen.
Die Taten sind grenzuberschreitend zu verfolgen. Zustandigkeitskonflikte sind zu vermeiden.
Mit seiner Entschließung vom 20. Oktober 2003 weist der Rat der Europaischen Union nochmals darauf hin, dass die Umsetzung der oben genannten Charta und des oben genannten Beschlusses von hoher Wichtigkeit sind und von den Mitgliedsstaaten mit angemessener Vehemenz verfolgt werden sollten. Die Problematik des Frauenhandels soll ins Bewusstsein geruckt und der Frauenhandel soll starker bekampft werden als bisher. Hierzu wird insbesondere eine verbesserte Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten angemahnt und die Nutzung bereits bestehender Moglichkeiten gefordert.
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes werden nur wenige Tater angezeigt und nach meist langer Prozessdauer verurteilt. Ein besonderes Problem stellen dabei die Grenzgebiete dar, weil dort zum Beispiel Frauen aus Osteuropa eingeschleust werden.
[4]
Zwangsprostitution wird seit 15. Oktober 2016 nach
§ 232a
StGB n. F. im Zusammenhang mit
Menschenhandel
(
§ 232
StGB), zumeist in Form des
Frauenhandels
bestraft.
[21]
In Erweiterung des allgemeinen Gultigkeitsbereiches des deutschen Strafgesetzbuches (
StGB
) wird gem.
§ 6
Nr. 4 in Verbindung mit §§ 232a, 232 StGB Zwangsprostitution auch dann verfolgt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde.
In den Fallen der § 232 und § 232a Abs. 1 bis 5 StGB kann das Gericht gem.
§ 233b
StGB
Fuhrungsaufsicht
anordnen.
Tatertrage aus der Zwangsprostitution unterliegen bei gewerbs- oder bandenmaßiger Begehung der selbstandigen
Einziehung
(
§ 76a
Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. e StGB).
Am 1. Juli 2017 ist das
Prostituiertenschutzgesetz
in Kraft getreten, das Frauen auch vor Menschenhandel und Zwangsprostitution schutzen soll.
[22]
Seit 15. Oktober 2016 werden auch die
Kunden
von Zwangsprostituierten nach § 232a Abs. 6 StGB strafrechtlich verfolgt. Im nach der Bundestagswahl 2013 zwischen CDU/CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag vereinbarten die Regierungsparteien, kunftig ?gegen diejenigen [vorzugehen], die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen“.
[23]
[24]
Gesetzliche Anpassungen wurden seit 2014 diskutiert
[25]
und im Fruhjahr 2016 mit dem
Gesetz zur strafrechtlichen Verfolgung von Zwangsprostitution
umgesetzt. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu funf Jahren fur Kunden vor, welche die Situation von Zwangsprostituierten ausnutzen, wobei der Kunde unter Umstanden straffrei bleiben kann, wenn er die Zwangsprostitution zur Anzeige bringt.
[26]
Auch eine Bestrafung wegen sexuellen Ubergriffs bzw.
Vergewaltigung
nach § 177 StGB kommt in Betracht, insbesondere seit die Vorschrift zum 10. November 2016 verscharft wurde.
[27]
Seit 1. Oktober 2021 konnen Kunden schon dann bestraft werden, wenn sie
leichtfertig
nicht erkannt haben, dass es sich um eine Zwangsprostituierte handelt. In diesem Fall ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe.
[28]
Das
Palermo-Protokoll der Vereinten Nationen
aus dem Jahr 2000 und der EU-Rahmenbeschluss zur Bekampfung des Menschenhandels vom 19. Juli 2002
[29]
fuhrten mit Wirkung zum 19. Februar 2005 zu einer Gesetzesanderung.
[30]
Mit dem 37. Strafrechtsanderungsgesetz
[31]
wurden §§ 180b, 181 StGB a. F.
[32]
durch Vereinfachung und Vereinheitlichung der Tatbestande in § 232a StGB a. F. neu geregelt. Seit Umsetzung der
EU-Menschenhandelsrichtlinie
von 2011 gilt § 232a StGB n. F.
[33]
Menschenhandel nach § 180b StGB lag vor, wenn jemand zu seiner personlichen Bereicherung auf eine Person in einer Zwangslage (z. B. Geldnot) dahingehend einwirkte, dass diese Person der Prostitution zum Vorteil des Schadigers nachging.
Der Tater wird in diesen Fallen mit
Geldstrafe
oder
Freiheitsstrafe
bis zu funf
Jahren
bestraft.
Ebenfalls als Menschenhandel nach § 180b StGB wurde bestraft, wenn der Tater wissentlich zu seinem
Vermogensvorteil
auf eine Person, welche durch den Aufenthalt in einem fremden Land hilflos war, einwirkte, sexuelle Handlungen an oder vor dritten Personen vorzunehmen oder von oder vor Dritten an sich vornehmen zu lassen. Dieser Paragraph umfasste nicht die Prostitution im klassischen Sinne (siehe unten), sondern beispielsweise die Darbietung oder Erstellung
pornographischen
Materials unter Ausnutzung des Opfers zum Vermogensvorteil des Taters.
Der Tater wurde in diesen Fallen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu funf Jahren bestraft.
Scharfer bestraft (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren) wurde, wer die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbundene Hilflosigkeit einer Person ausnutzte, um diese zur Prostitution zu uberreden (§ 180b). Ein eigener Vermogensvorteil war nicht Tatbestandsmerkmal.
Ebenfalls mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren wurde bestraft, wer eine Person unter 21 Jahren zur Prostitution uberredete. Der Versuch war gemaß Absatz 3 strafbar. Ein eigener Vermogensvorteil war hier nicht Tatbestandsmerkmal.
Der
§ 216
StGB wurde durch BGBl 2004/15 neugefasst und zuletzt durch BGBl 2013/116 geandert.
Er besitzt nur Gultigkeit von Straftaten zum Schaden von schon vorher im Inland wohnenden Personen, da
§ 217
StGB spezifisch die Rechtsfolgen des grenzuberschreitenden Prostitutionshandels festlegt und somit Spezialnorm fur diese Falle ist.
Nach Absatz 1 ist derjenige, der eine Person zur Erlangung einer fortlaufenden Einnahmequelle durch Prostitution ausnutzt, mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Dieser Absatz betrifft nicht die Zwangsprostitution, sondern die Prostitution unter Einwilligung der Prostituierten.
Absatz 2 sieht fur jemanden, der eine Person, um sich durch deren Prostitution eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, ausbeutet, einschuchtert, ihr die Bedingungen fur die Ausubung der Prostitution vorschreibt oder mehrere solche Personen zugleich ausnutzt, eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.
Nach Absatz 3 ist fur Taten der Absatze 1 und 2 eine Strafverscharfung auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu funf Jahren vorgesehen, wenn die Straftaten als Mitglied einer
kriminellen Vereinigung
(fruher ?Bande“) begangen wurden.
Ebenfalls mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu funf Jahren wird gemaß Absatz 4 bestraft, wer durch Einschuchterung eine Person davon abhalt, die Prostitution aufzugeben.
Der
§ 217
StGB bestraft das Zufuhren oder Anwerben einer Person zur Prostitution in einem anderen Staat, als in dem, dessen Staatsangehorigkeit sie besitzt, unabhangig davon, ob sie sich schon in ihrer Heimat prostituiert hat.
Absatz 1 sieht fur Falle, in denen die Prostituierten ihrem Gewerbe freiwillig nachgegangen sind, eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor; bei Gewerbsmaßigkeit der Taten erhoht sich das Strafmaß auf ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.
Der Absatz 2 bedroht im Falle der Zwangsprostitution, unabhangig von der Gewerbsmaßigkeit, die Tater mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Insbesondere kommen auch die Vorschriften gegen
Menschenhandel
(§ 104 a StGB) und schwere
Notigung (Osterreich)
(§ 106 StGB) in Betracht.
Im schweizerischen
Strafgesetzbuch
wurde
Menschenhandel
bis 30. November 2006 nur als Handel mit Menschen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung definiert und unter
Menschenhandel
und im Falle der Zwangsprostitution unter
Forderung der Prostitution
behandelt. Somit entsprach das StGB in seiner Beschrankung auf den Aspekt der sexuellen Ausbeutung nicht mehr den Definitionen des Menschenhandels der Vereinten Nationen und der Europaischen Union.
Im Marz 2000 reichte Nationalratin
Ruth-Gaby Vermot-Mangold
eine
Motion
ein, die vom
Nationalrat
in ein
Postulat
umgewandelt wurde. Darin wird vom Bundesrat verlangt, die Gesetzgebung so anzupassen, dass die vom Menschenhandel betroffenen Personen besser geschutzt und die Tater bzw. Kunden effizienter verfolgt werden. Dazu gehort nicht nur eine Revision des
Opferhilfegesetzes
, sondern auch des
Strafrechts
,
Aufenthaltsrechts
und
Auslanderrechts
. In der Folge dieses Auftrags setzte der Bundesrat eine interdepartementale Arbeitsgruppe (EJPD, EDI, EDA, EVD, EPD) ein, welche die Rechtslage in der Schweiz prufte.
Um den Menschenhandel nach der Ratifizierung des Menschenhandels-Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen besser bekampfen zu konnen, wurde 2003 beim
Bundesamt fur Polizei
die Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel eingerichtet.
Bei dem im Falle von Menschenhandel geschutzten Rechtsgut handelt es sich um das
Selbstbestimmungsrecht
der betroffenen Person. Beeintrachtigt wird insbesondere die
Entscheidungsfreiheit
. Da bei einer beeintrachtigten Entscheidungs- oder Willensfreiheit eine eventuelle Einwilligung des Opfers unerheblich ist, wird das Selbstbestimmungsrecht auf jeden Fall verletzt. Der letzte Punkt wird von der
Interdepartementalen Arbeitsgruppe Menschenhandel
sehr kritisch gesehen, da hier die Gefahr bestehe, die Opfer zu bevormunden, was seinerseits nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht dieser Personen vereinbar sei.
Da die Schweiz sich durch Ratifizierung des Menschenhandels-Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen verpflichtet hat, auch Menschenhandel, welcher im Ausland begangen wurde, zu verfolgen, kommt gemaß Art. 6 Absatz 1 StGB auch in diesen Fallen das Schweizer Strafrecht zur Anwendung, bei unter 18 Jahre alten Opfern nach Art. 5 sogar dann, wenn die Tat am Tatort nicht strafbar ist.
Nach Absatz 1 wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft, wer mit Menschen zum Zwecke der Prostitution oder sexuellen Ausbeutung, der Arbeitsausbeutung oder zwecks einer Organentnahme Handel treibt oder einen Menschen anwirbt. Die Hochststrafe ergibt sich aus Art. 40 StGB (Definition Freiheitsstrafe) und betragt, da nichts anderes bestimmt ist, 20 Jahre.
Gemaß Absatz 2 betragt die Mindeststrafe, wenn das Opfer minderjahrig ist oder der Tater gewerbsmaßig handelt, 1 Jahr Freiheitsstrafe; Geldstrafe ist zusatzlich zu verhangen.
Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer eine Person in der Prostitution festhalt. Gemaß dieser Vorschrift ist schon die Beeintrachtigung der Handlungsfreiheit einer Prostituierten strafbar. Der Begriff ist also viel weiter definiert als im deutschen Strafrecht.
Zahlreiche Berichte finden sich uber Zwangsprostitution im
Zweiten Weltkrieg
, wobei auf Seiten verschiedener Kriegsparteien Frauen systematisch sexuell missbraucht worden sind.
Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden von der
Wehrmacht
und der
SS
Hunderte von
Bordellen
eingerichtet (
Wehrmachtsbordell
und
Lagerbordell
), in denen Frauen zur Prostitution gezwungen wurden.
Nach der deutschen Niederlage wahrend der Besatzungszeit finden sich Berichte uber Zwangsprostitution in der
sowjetischen Besatzungszone
(SBZ), beispielsweise in Marta Hillers autobiografischem Werk
Eine Frau in Berlin
. Durch Rotarmisten kam es nach der Eroberung deutscher Gebiete erst zu Vergewaltigungen, spater begannen die Grenzen zwischen Vergewaltigung und Zwangsprostitution zu verschwimmen. Hiller nannte es ?Essen anschlafen“.
[34]
Nach Schatzungen von Historikern wurden in Ostasien und Sudostasien bis zu 200.000 Madchen und Frauen zur Arbeit in Bordellen der
japanischen Kaiserarmee
gezwungen und
beschonigend
als
Trostfrauen
bezeichnet.
[35]
[36]
Durch einen Bericht des Fernsehmagazines
Weltspiegel
wurde im Dezember 2000 die Ausnutzung von Zwangsprostituierten durch deutsche KFOR- und UNMIK-Soldaten publik.
[37]
[38]
In Mazedonien und im Kosovo stationierte deutsche Soldaten hatten laut einem Bericht von Amnesty International vom Mai 2004
[39]
sexuelle Zwangsdienste von verschleppten Frauen und
Kinderprostituierten
in Anspruch genommen.
[40]
Ehemalige Zwangs- und Kinderprostituierte aus dem Kosovo haben ausgesagt, dass deutsche Soldaten und Offiziere regelmaßig unter ihren Kunden gewesen seien. Im Gegensatz zu den einheimischen Freiern hatten die Deutschen die Prostituierten nicht misshandelt. Deswegen habe man sie auch um Hilfe gebeten bei dem Versuch, aus der unertraglichen Lage zu entkommen. Die vernommenen Deutschen bestreiten dies, auch von vergitterten Fenstern der ?Zimmer“ der Frauen habe man nichts gewusst. Trotz Bekanntwerden stieg die Zahl der Bordelle nach Angaben der UN-Verwaltung von 1999 mit 18 Etablissements, in denen Frauen zur Prostitution gezwungen wurden, auf 2004 schon 200 einschlagige Einrichtungen.
[41]
Nach Vorwurfen von
Medica mondiale
, einer Hilfsorganisation fur traumatisierte Frauen, erklarte das Bundesverteidigungsministerium 2004, dass es umfangreiche Untersuchungen veranlasst habe, die jedoch ergeben hatten, dass die Vorwurfe falsch seien. Denn Soldaten durften in der Freizeit das Lager nicht verlassen, und im Dienst bliebe aufgrund der Einsatzlage gar keine Gelegenheit zum Bordellbesuch.
[42]
Im Juni 2004 erschien ein Enthullungsbericht der UNO-Mitarbeiter Kenneth Cain, Heidi Postlewait und Andrew Thomson mit dem Titel
Emergency Sex and Other Desperate Measures
, a True Story from Hell on Earth
. In ihrem Buch berichten die Autoren von ausschweifenden Sex-Partys mit zur Prostitution gezwungenen Frauen und Madchen, Korruption sowie Drogenmissbrauch auf Missionen in Haiti, Liberia, Somalia ? und im Kosovo. Um das ohnehin angeschlagene Image der Weltorganisation nicht weiter zu demolieren, erwog der damalige Generalsekretar Kofi Annan Presseberichten zufolge rechtliche Maßnahmen gegen die Veroffentlichung.
[41]
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Lilja 4-ever
am Beispiel einer unerfahrenen 17-jahrigen Frau aus Estland, die sich unverhofft nach Schweden in die Zwangsprostitution verkauft wiederfand.
- 2004 erschien der britisch-kanadische Fernsehfilm
Sex Traffic
uber zwei Moldawierinnen.
- 2004 erschien der israelisch-franzosische Film
Gelobtes Land
. Er schildert, wie zwei Osteuropaerinnen nach Israel eingeschleust werden.
- 2004 erschien der amerikanische Film
Spartan
, bei dem die Entfuhrung einer jungen Frau zum Ausloser einer Reihe von Morden wird.
- 2005 wurde die Fernsehminiserie
Human Trafficking ? Menschenhandel
mit Donald Sutherland produziert. Der Film handelt von Zwangsprostituierten, die mit dem Lover-Boy-Schema in die USA geschleust werden, und davon, wie Kinder im Ausland entfuhrt werden, in diesem Fall ein kleines amerikanisches Madchen auf den Philippinen. Der Film zeigt die internationale Vernetzung der Kriminellen und wie schwer es ist, diesen beizukommen.
- Im Film
96 Hours
von 2008 sucht die Hauptperson, gespielt von
Liam Neeson
, seine verschleppte Tochter, die fur die Verbrecher als hubsches und jungfrauliches Madchen hochprofitabel ist, und deckt Schritt fur Schritt die Machenschaften der Menschenhandler auf.
- Der Film
Trade ? Willkommen in Amerika
beschaftigt sich mit den Themen moderne Sklaverei, Sex-Sklaverei, Zwangsprostitution und internationaler Menschenhandel. Die Opfer sind eine 13-jahrige Mexikanerin, ein thailandischer Junge und die Polin Veronica, gespielt von
Alicja Bachleda-Curu?
.
- Der Fernsehfilm
Schimanski: Loverboy
von 2013 mit
Gotz George
und
Anna Loos
thematisierte die Gefahren der Loverboy-Methode.
- Der Film
Eden
von 2012 basiert auf einem realen Fall in den USA.
- Der Film
Sold
von 2014 schildert das Schicksal eines Madchens aus Nepal, das nach Indien verkauft wurde.
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