Karl Janisch
(*
6. November
1870
in
Berlin
; †
29. Mai
1946
in
Schwegermoor
) war ein deutscher
Maschinenbau
-
Ingenieur
, Regierungsbaumeister und Ehrenburger in
Piesteritz
.
Als Sohn eines Waschereibesitzers wurde Karl Janisch am 6. November 1870 in Berlin geboren. 1877 besuchte er das
Realgymnasium
, an dem er im September 1888 das
Abiturexamen
unter Befreiung von der mundlichen Prufung bestand. Daraufhin nahm er ein Studium an der
Technischen Hochschule Charlottenburg
auf und absolvierte ein Studium des
Maschinenbaus
und der
Elektrotechnik
. Er war ab 1889 Mitglied der Berliner Burschenschaft ?Hevellia“, der er bis zum Lebensende die Treue hielt. Nach Ableistung der vorgeschriebenen Praktika bestand er 1892 die Vorprufung fur das Maschinenbaufach und im November 1894 die Regierungsbaufuhrerprufung. Seine Studienleistungen wurden 1895 mit einer Preismedaille anerkannt, die
Konig Friedrich Wilhelm IV.
gestiftet hatte. Weiterhin erhielt er 1896 eine Pramie des
preußischen
Ministers der offentlichen Arbeiten, womit er die Anerkennung zur
Baumeisterprufung
erhielt, die er im Juli 1897 als Regierungsbaumeister mit Auszeichnung abschloss.
Nachdem Janisch als Regierungsbaumeister (
Assessor
) in die Konigliche Eisenbahndirektion Berlin eingetreten war, ließ er sich beurlauben, um im Hoch- und Untergrundbahnburo von
Siemens & Halske
betriebstechnische Fragen fur die Berliner Hochbahn zu bearbeiten. Noch bevor er im Februar 1900 die endgultige Entlassung aus dem Staatsdienst erbat, unternahm er eine achtmonatige Studienreise in die
USA
zum Studium der amerikanischen Industriebauten.
1902 ubertrug ihm Siemens & Halske das Dezernat fur samtliche bau- und betriebstechnischen Fragen des Siemenskonzerns. Vor allem Planung und Ausfuhrung von Werksbauten fielen dabei in sein Ressort. Diese waren vor allen Dingen in erster Linie von der Nutzung bestimmt. Die asthetische Kategorie des Reprasentativen spielte eine betont untergeordnete Rolle. Grundlage der Entwurfe fur die neuen Produktionsstatten war das Ziel, Zweckbauten zu errichten, die eine optimale und kostengunstige Fertigung ermoglichten und bei wechselndem Bedarf flexibel zu nutzen und erweiterbar waren. Fur die Realisierung solcher Vorhaben benotigte Siemens & Halske einen Fachmann, der vor allem ein mit den Produktionsvorgangen vertrauter Ingenieur sein musste, um dementsprechend eine effektive Grundkonzeption entwickeln zu konnen und fand seinen ?ausfuhrenden Arm“ in Gestalt des Maschinenbauingenieurs Karl Janisch.
[1]
Das typisch Ingenieurmaßige, das Janisch's Bauten auszeichnete und sie zugleich charakterisierte, gipfelte in einem Projekt, das von
Georg Wilhelm von Siemens
zu Beginn des 20. Jahrhunderts veranlasst wurde. So schuf er funktionale, kostengunstige, sozial vertragliche und uber Jahrzehnte erweiterungsfahige Werksanlagen sowie die fruhen Bauteile der
Siedlung Nonnendamm
in
Spandau
, die heute alle noch genutzt werden konnen.
Besonders charakterisierend fur die Arbeit Janischs ist die
Luftschiffhalle
in
Biesdorf
. Die Kriegs- und Schiffbautechnische Abteilung der
Siemens-Schuckertwerke
entwickelte 1907 bis 1911 ein
halbstarres Luftschiff
von 118 m Lange und einem Gasinhalt von 13.000 m³, das mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h fur langere Zeit als das schnellste Luftschiff der Welt galt. Janischs Aufgabe bestand darin, fur die
Siemens-Schuckert I
eine drehbare einschiffige Halle zu konstruieren, die entsprechend der Windrichtung ausgerichtet werden konnte. Dies war die erste Stahlkonstruktion weltweit dieser Art. Eine ahnliche Halle wurde als Doppelhalle in den Jahren 1914/15 auf dem
Luftschiffplatz Nordholz
bei Cuxhaven errichtet. Das halbstarre Siemens-Schuckert I erwies sich jedoch bald darauf den
Starrluftschiffen
des
Grafen von Zeppelin
als unterlegen und es blieb bei einem Einzelstuck. Die Halle diente danach bis 1919 militarischen Zwecken und musste gemaß dem
Versailler Vertrag
demontiert werden. Anlasslich der Umbenennung des Spandauer Stadtteils
Nonnendamm
in
Siemensstadt
1913 erhielt Janisch fur sein engagiertes Wirken den
Ehrentitel
?Baurat“.
Am 1. Februar 1915 wechselte Janisch von Siemens zu den
Bayerischen Stickstoffwerken
, die ebenfalls in Berlin ihren Sitz hatten. Mit Vertragsabschluss vom 5. Marz 1915 begann man unter der Leitung Janischs in
Piesteritz
(heute Ortsteil der
Lutherstadt Wittenberg
) mit der Errichtung der
Reichsstickstoffwerke Piesteritz
. Diese Anlagen sollten den Bedarf der deutschen Landwirtschaft an kunstlichen Dungemitteln im
Ersten Weltkrieg
decken, deren Grundlagen der Chemiker
Fritz Haber
entwickelt hatte. Um die betrachtlich angestiegene Zahl von Industriearbeitern mit Wohnraum versorgen zu konnen, begann man 1916 mit der Errichtung einer Werkssiedlung in Piesteritz. Im Rahmen dieses Aufbauwerkes wurden von Janisch die Architekten und Stadtplaner
Paul Schmitthenner
und
Otto Rudolf Salvisberg
gewonnen, die die Werkssiedlung entwarfen. Dabei wurden in dem Wohnkomplex eine
Schule
, ein
Kindergarten
, ein
Rathaus
und ein Kauf- und Vereinshaus errichtet, sodass die sozialen Belange der Bewohner abgedeckt wurden. Janischs soziales Engagement und sein lebhafter Anteil brachten ihm in Piesteritz hochsten Respekt ein. Aus Dankbarkeit fur das Wirken zum Wohle der Gemeinde Piesteritz verlieh man Janisch am 30. November 1930 in Anerkennung seiner Verdienste um den Ort, insbesondere um das Schulwesen, die Kleinkinderschule, ferner Verschickung erholungsbedurftiger Kinder in Kurheime und vieles andere, die
Ehrenburgerwurde
. Selbst als Janisch sich von Piesteritz verabschiedet hatte, uberwies er dem einstigen Burgermeister
Hans Lorbeer
am 10. Dezember 1945 eine großherzige Spende von 1000
Reichsmark
fur notleidende Kinder. Ein ahnliches Engagement bewies Janisch in Garching (Oberbayern) beim Bau der Werkssiedlung der BKW zusammen mit Salvisberg. Beide wurden 1928 von der Gemeinde zu Ehrenburgern ernannt. Der Erweiterungsbau der Volksschule als Geschenk an die Gemeinde wurde ihm gedankt durch die Bezeichnung ?Karl-Janisch-Schule“. Der zentrale Platz wurde 1950 von der Ursprungsbezeichnung ?Caro-Platz“ umbenannt in ?Janisch-Platz“.
Durch Tuchtigkeit von bescheidenen Verhaltnissen zu hohen Ansehen und ansehnlichen Wohlstand allmahlich emporgestiegen, wurde auch Janisch ein tragisches Opfer des
Zweiten Weltkriegs
. Zuerst in seinem prachtvollen
Wannsee
-Heim, dann in
Schlachtensee
ausgebombt, war er schließlich mit seiner Ehefrau zu einer seiner verheirateten Tochter nach
Elsterwerda
gefluchtet, wurde aber dort von der ostlichen Front uberrollt. Irgendwie gelang ihm dann doch noch der Weg gen Westen. In Berlin wurde der
Karl-Janisch-Weg
nach ihm benannt. Karl Janisch, der 1939 aus Altersgrunden bei den Bayerischen Stickstoffwerken ausschied, verstarb am 29. Mai 1946 in Schwegermoor, das heute ein Ortsteil von
Bohmte
bei
Osnabruck
ist.
In Karl Janisch verkorperte sich die notwendige Verbindung von
Ingenieur
und Architekt, die zur Losung der neuen Aufgaben im Industriebau gefordert war. An der Schwelle zur Moderne gehort er zu jener Generation von Baumeistern, die den industriellen Zweckbau aus den unzureichenden Architekturkonventionen zu losen begannen, ohne den Schritt zur adaquaten neuen Form jedoch selbst zu vollziehen. Einige seiner Bauten sind in Berlin erhalten geblieben und konnten an neue Bedurfnisse adaptiert werden. Die von ihm initiierte Werksiedlung Piesteritz steht seit 1987 als Gesamtensemble unter
Denkmalschutz
.
Bis zu seinem Firmenaustritt schuf er fur den Standort Siemensstadt in Berlin:
- Bereich des Spreegelandes
- Das Kabelwerk Westend (spater Elmowerk) 1898/1899 mit den Erweiterungen 1904/1905 sowie 1912, in Zusammenarbeit mit Carl Dihlmann und Fritz Gottlob
- Das Verwaltungsgebaude Kabelwerk 1909
- die Erweiterungen des Kraftwerkes am Nonnendamm 1904/05, 1911 und 1913
- die Gelbgießerei Nonnendamm 1899/1900 mit der Erweiterung 1907, in Zusammenarbeit mit Carl Dihlmann
- das Wernerwerk I (WWF) 1903?1905 mit den Erweiterungen 1907/08 und 1912
- das Kleinbauwerk 1905/06 mit den Erweiterungen 1907, 1910, 1911 und 1912
- das Blockwerk I 1906 mit den Erweiterungen 1911 und 1914
- die Feuerwache 1912
- das Wernerwerk II 1914
- Bereich Nonnendammallee
- Das Verwaltungsgebaude der Siemens-Schuckertwerke (heute
Siemens AG Berlin
) 1909?1911 mit der Erweiterung 1912/1913
- den
Dynamowerk-Hauptbau
1906/1907 mit den Erweiterungen 1909/1910 und 1911/1912 (11.2)
- das Heizwerk 1910
- die Eisengießerei 1907 mit der Erweiterung 1911/1912
- das
Protos
Automobilwerk (spater Werk fur
Elektronenrohren
und
Stromrichter
) 1906 mit den Erweiterungen 1908/1909 und 1911/1912
- das Chemisch-physikalische Laboratorium 1906/1907
- die Bahnhalle 1907/1908 mit der Erweiterung 1908/1909
- Bereich Gartenfeld
- Das Kabelwerk (Hallenkomplex) 1911/12 mit der Erweiterung 1913
- das Verwaltungsgebaude des Kabelwerkes 1911/1912
- Wolfgang Ribbe,
Wolfgang Schache
:
Die Siemensstadt. Geschichte und Architektur eines Industriestandortes.
Erst, Berlin 1985,
ISBN 3-433-01023-4
.
- Karl H. P. Bienek:
Siemensstadter Lexikon. Arbeiten in Siemensstadt.
ERS-Verlag, Berlin 1993,
ISBN 3-928577-16-6
.
- Joachim Jauch:
Wegweiser zu Berlins Straßennamen. Spandau.
Edition Luisenstadt, Berlin 1996.
- Blickpunkt Piesteritz.
3/96 SKW
- Agnes Wolf:
Karl Janisch
. In: Allgemeines Kunstlerlexikon. Die Bildenden Kunstler aller Zeiten und Volker (AKL). Band 77, de Gruyter, Berlin 2013, S. 290, 291
- ↑
Der vorausschauende Planer ? Auf den Spuren von Karl Janisch.
Siemens Historical Institute, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
5. Juni 2019
;
abgerufen am 6. Juni 2019
.
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