한국   대만   중국   일본 
Ship-to-Gaza-Zwischenfall: UN-Sicherheitsrat verlangt Aufklarung ? Wikinews, die freie Nachrichtenquelle Zum Inhalt springen

Ship-to-Gaza-Zwischenfall: UN-Sicherheitsrat verlangt Aufklarung

aus Wikinews, einem freien Wiki fur Nachrichten
Veroffentlicht : 13:53, 2. Jun. 2010 (CEST)
Bitte keine inhaltlichen Veranderungen vornehmen.

New York City ( Vereinigte Staaten ) / Haifa ( Israel ), 02.06.2010 ? In einer von der Turkei beantragten Dringlichkeitssitzung hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am fruhen Dienstagmorgen, dem 1. Juni (Ortszeit) einstimmig die Gewalt gegen Zivilisten bei der israelischen Militaroperation gegen sechs von der turkischen Organisation ?nsani Yardım Vakfı (IHH) gecharterten Schiffe verurteilt und eine unabhangige Aufklarung verlangt. Israel hatte am 31. Mai eine Internationale ?Solidaritatsflotte“ fur Gaza aufgebracht . Die Entschließung des Sicherheitsrat ist volkerrechtlich nicht bindend, da es sich nicht um eine Resolution handelt. Der Sicherheitsrat forderte Israel auf, die Festgenommen unverzuglich freizulassen und die aufgebrachten Schiffe zuruckzugeben.

Oscar Ferndandez-Taranco, der Untergeneralsekretar der Vereinten Nationen fur politische Angelegenheiten, informierte den Sicherheitsrat uber den Zwischenfall, der sich rund 40 Seemeilen vor der Kuste ereignete. Der turkische Außerminister Ahmet Davuto?lu sagt vor dem UN-Gremium, die Freiheit der Hohen See sei eines der altesten Formen des internationalen Rechtes. Das Aufbringen der sechs Schiffe in internationalen Gewassern sei ein Angriff auf die Vereinten Nationen. Er bezeichnete die von israelischen Soldaten ausgefuhrten Totungen als staatlich ausgefuhrten ?Mord“. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant wies darauf hin, dass Israel die Resolution 1860 des Sicherheitsrates erfullen musse und die Blockade des Gazastreifens aufzuheben habe. Es sei die Aufgabe Israels, eine genaue Untersuchung der Umstande zu ermoglichen. Auch Osterreichs Vertreter bei den Vereinten Nationen, Thomas Mayr-Harting, verlangte eine umfassende Aufklarung. Er betonte, dass das Selbstverteidigungsrecht Israels gegen Angriffe auf seine Burger die Militaraktion vom 31. Mai nicht rechtfertige.

Alejandro Wolff unterstrich fur die Vereinigten Staaten die Notwendigkeit humanitarer Lieferungen in den Gazastreifen, bezeichnete jedoch die Wahl des direkten Transportes uber See durch das Free Gaza Movement als unangemessen und verantwortungslos. Frankreich außerte durch Gerard Araud im Sicherheitsrats den Standpunkt, dass die israelische Gewaltanwendung nicht zu rechtfertigen sei und unangemessen war. Doch Frankreich will vor dem Ziehen von Schlussen erst die vollstandigen Umstande kennenlernen, die Israel in Gegenwart eine unbehend einzurichtenden, internationalen unabhangigen Kommission bekanntzugeben habe.

Der standige Vertreter der Palastinensischen Autonomiebehorde bei den Vereinten Nationen, Riyad Mansur, wies darauf hin, dass der Schiffskonvoi dringend benotigte Hilfslieferungen fur Kinder und Kranke im Gazastreifen an Bord habe. Israel sei schon durch die Resolution 1860 aufgefordert worden, die Blockade des Gazastreifens aufzuheben und es sei nun an der Zeit, dass die Vereinten Nationen entschiedene Maßnahmen gegen Israel, das wiederholt gegen internationales Recht verstoßen habe, ergreife und auch andere Probleme in Angriff nehme, wie etwa die Besetzung von Ost-Jerusalem und des Westjordanlandes.

Israels UN-Botschafter Daniel Carmon erklarte, dass der Schiffskonvoi alles andere als eine humanitare Mission war, auch wenn es in den Medien so dargestellt werde. ?Welche Sorte von humanitaren Aktivisten verlangen die Umgehung der Vereinten Nationen, des Roten Kreuzes und anderer international anerkannter Organisationen?“ fragte er. ?Welche Sorte von humanitaren Aktivisten verwendet Messer, Knuppel und andere Waffen, um Soldaten anzugreifen, die ein Schiff im Einklang mit dem internationalen Recht betreten?“ Nach seinen Worten sei die Antwort einfach: es handele sich nicht um humanitare Aktivisten. Vielmehr sei ?nsani Yardım Vakfı, die die Schiffe gechartert hatte, radikal antiwestlich orientiert. Die israelischen Soldaten hatten sich selbstverteidigt, sagte Carmon im Sicherheitsrat. ?Lassen sie es mich sehr deutlich sagen, das war kein friedvoller Protest. Die Leute von ?nsani Yardım Vakfı an Bord der Schiffe waren alles andere als humanitare Aktivisten.“

Die israelische Armee hat Videoaufnahmen veroffentlicht, auf denen zu sehen ist, wie sich abseilende Soldaten von Personen an Bord des turkischen Schiffes ?Mavi Marmara“ mit Knuppeln verprugelt wurden und ein Soldat kopfuber auf ein tiefer liegendes Deck geworfen wurde. Die Aufnahmen sind jedoch aus dem Zusammenhang gerissen, es ist nicht erkennbar, wer und was die Rangeleien ausgelost hat. Es gibt keine unabhangigen Berichte zu dem Vorgang. Von den pro-palastinensischen Aktivisten angefertigtes Bildmaterial wurde bislang nicht veroffentlicht. Die israelischen Behorden lassen keinen Kontakt mit den Aktivisten zu.

Der turkische Ministerprasident Recep Tayyip Erdo?an hat die Herausgabe der aufgebrachten Schiffe ? drei der sechs Schiffe fahren unter turkischer Flagge ? und die Freilassung der turkischen Aktivisten verlangt. Die turkische Regierung hat drei Militarflugzeuge nach Israel entsandt, um tote und verletzte turkische Staatsburger nach Hause zu holen. Außenminister Davuto?lu erklarte bei einem Besuch in Washington, ?psychologisch ist dieser Angriff fur die Turkei wie 9/11, weil turkische Burger von einem Staat angegriffen wurden, nicht von Terroristen, mit Absicht, mit einer klaren Entscheidung der politischen Fuhrer dieses Staates.“

Bei dem Zwischenfall wurden nach israelischen Armeeangaben neun Personen getotet, die internationale Presse berichtet von bis zu 16 Opfern. 45 Verletzte werden in israelischen Krankenhausern behandelt, meldete der israelische Armeerundfunk.

Der Pressesprecher der israelischen Armee, Mark Regev gab in einem Interview mit dem australischen Rundfunksender ABC an, die israelische Armee habe sich an Absatz 67 (a) des ?Handbuches von San Remo uber das in bewaffneten Konflikten auf See anwendbare Volkerrecht“ gehalten. Die Regelung besage, ?wenn es ein Schiff gibt, dass ein blockiertes Seegebiet ansteuert, kann man es sogar noch vor dem Erreichen des blockierten Seegebietes abfangen, wenn man es im voraus gewarnt hat, und das taten wir einige Male und sie [die Aktivisten, Red.] hatten das festgesetzte Ziel, das sie offen erklarten, die Blockade zu brechen. Die Blockade ist verhangt, um unser Volks zu schutzen“, sagte Regev.

Die IHH ist eine Organisation, die wahrend des Bosnienkrieges als Hilfsorganisation gegrundet wurde. Sie unterstutzt nach eigenen Angaben Menschen in Krisengebieten mit Kleidern, Lebensmitteln und Zelten. Israel widerspricht dieser Selbstdarstellung und wirft der Organisation vor, radikal-islamischen Fundamentalismus zu betreiben. Die ?Ship to Gaza“-Aktion sei eine reine Unterstutzungskampagne fur die Hamas, manche der Aktivisten an Bord der von der IHH gecharterten Schiffe hatten Verbindungen zum ?internationalen Dschihad“, sagte Israel auf einer Pressekonferenz. ?Israel verhalt sich, wie Hitler sich gegenuber den Juden verhalten hat. Hitler baute Konzentrationslager in Deutschland, und heute baut das zionistische Gebilde Konzentrationslager in Palastina“ habe der IHH-Vorsitzende Bulent Yilderim gesagt, deswegen beabsichtigte IHH ?eine Provokation hervorzurufen, um Israel und die israelischen Verteidigungsstreitkrafte zu blamieren und der Hamas und ihrer Regierung im Gaza-Streifen zu helfen“. Bulent Yilderim befand sich auf der ?Mavi Mermara“ und wird derzeit in Israel festgehalten.

Das Danish Institute for International Studies ist bei seiner Analyse zu dem Schluss gekommen, dass die turkische Organisation Kontakte zu Hamas, al-Qaida und anderen islamistischen Organisationen hat. Der Terrorismusexperte Evan Kohlmann schrieb 2006, dass die IHH in das Sammeln von Finanzmitteln fur Dschihadisten in Afghanistan, Bosnien und Tschetschenien verstrickt sei.

Bei einem Treffen in Damaskus haben der syrische Prasident Baschar Assad und der libanesische Ministerprasident Saad al-Hariri Besorgnis geaußert, dass der Vorfall zu einem Krieg fuhren konnte. Hariri bezeichnete das israelische Vorgehen als ?gefahrlich und verruckt“. Agyptens Staatsprasident Hosni Mubarak kritisierte die Anwendung ?exzessiver und ungerechtfertigter“ Gewalt. Amr Mussa , der Prasident der Arabischen Liga sagte in Qatar, der judische Staat denke, ?dass er uber dem Gesetz steht“. Mussa halt weitere Friedensverhandlungen mit Israel fur unnotig.

Auf Antrag der Turkei hat sich auch die NATO mit dem Zwischenfall beschaftigt. Nach der Sitzung erklarte Nato-Generalsekretar Anders Fogh Rasmussen, die festgenommenen Zivilisten mussten unverzuglich freigelassen und die aufgebrachten Schiffe freigegeben werden.

Die beiden Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Hoger (Die Linke) sowie Norman Paech, ein weiteres Mitglied der Links-Partei sowie der Arzt Matthias Jochheim und Nader el Sakka von der Palastinensischen Gemeinde Deutschland, die sich ebenfalls an Bord der Schiffe befanden, wurden inzwischen nach Deutschland abgeschoben. Sie wurden in Aschod nach Intervention der deutschen Botschaft freigelassen. Diese funf Deutschen blieben unverletzt. ?Wir haben uns wie im Krieg und gekidnappt gefuhlt“, erklarte Groth vor der Presse in Berlin. Als ?Kriegsverbrechen“ bezeichnete Norman Paech das Abfangen des Konvois. ?Wir haben mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Brutalitat.“ Paech will an Bord der der ?Mavi Marmara“ keine Eisenstangen und Axte gesehen haben. Inge Hoger sagte in der Pressekonferenz, dass die israelischen Einheiten ihr Gepack durchsucht hatten. Bei der Ausreise hatte sie nur ihren Pass mitnehmen konnen.

Uber den Verbleib der restlichen sechs deutschen Staatsangehorigen gibt es noch keine Informationen. Diese wurden offenbar, wie rund 610 weitere Aktivisten in ein erst kurzlich fertiggestelltes Gefangnis bei Be'er Scheva in der Wuste Negev gebracht. Nur etwa 50 Aktivisten hatten sich mit einer freiwilligen Abschiebung einverstanden erklart und Israel bereits verlassen, teilte Jigal Palmor, der Sprecher des israelischen Außenministeriums mit. Wie der Nachrichtensender Al-Dschasira meldete, hat Israel inzwischen zwei Libanesen, die bei der Ersturmung der ?Mavi Mermara“ verletzt wurden, nach Jordanien ausgeflogen. Drei weitere unverletzte Libanesen sollen an den nordlichen Nachbarstaat ubergeben werden. Die Associated Press meldete, dass 124 Aktivisten aus 12 muslimischen Staaten uber den Grenzubergang an der Allenby-Brucke nach Jordanien abgeschoben wurden, darunter zehn Indonesier.

Selbstkritische Tone sind inzwischen aus Israel zu horen. So raumte der Generalstabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkrafte Gabi Aschkenasi ein, dass die an der Abfangaktion beteiligten Kommandoeinheiten nicht optimal ausgerustet waren, um eine Menschenmenge zu zerstreuen. Aus der Befehlsfuhrung der Marine vor Ort wurde auch Kritik an den Geheimdiensten geaußert. Im Armeerundfunk erklarte ein Leutnant, der jedoch anonym blieb, man habe bei der Planung des Kommandounternehmens nicht mit einem derartigen Widerstand gerechnet. In der israelischen Presse wurde Verteidigungsminister Ehud Barak zum Rucktritt aufgefordert. Der Verlauf der ?Operation Himmelswinde“, so hat die israelische Militarfuhrung die Aktion getauft, sei ein Fiasko. Doch der stellvertretende Außenminister Danny Ayalon gab sich am Vormittag noch selbstbewusst: ?Wir mussen uns nicht dafur entschuldigen, dass wir uns selbst verteidigt haben.“ ? Bei Gefechten zwischen bewaffneten Palastinensern und der israelischen Armee wurden im Suden Israels zwei der Palastinenser getotet, berichtete die israelische Presse. Diese sollen nach Angaben des staatlichen Rundfunks zuvor aus dem Gazastreifen nach Israel eingedrungen sein.

Dokument

Themenverwandte Artikel

Quellen