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Deutsche Biographie - Hadrian VI.
Dates of Life
1459 ? 1523
Place of birth
Utrecht
Place of death
Rom
Occupation
Papst
Religious Denomination
katholisch
Authority Data
GND: 118544365 | OGND | VIAF: 76430137
Alternate Names
  • Adrian VI.
  • Hadrian VI.
  • Adrian VI.
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Relations

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Citation

Hadrian VI., Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118544365.html [14.05.2024].

CC0

  • Biographical Presentation

    Hadrian VI. , der letzte deutsche Papst. H. war in Utrecht am 2. Marz 1459 geboren. Sein Vater hieß Florentius, seine Mutter Gertrud; der Familienname ist unsicher; Floriszoon und Boyens (oder Boeyens) konnen nicht als Geschlechtsnamen gelten und ob H. zu der Familie Dedel gehort, ist sehr fraglich. Schon fruh verlor er den Vater, einen Gewerbtreibenden; die Mutter war nicht unbemittelt. Den ersten Unterricht genoß er in Delft und Zwoll; im Alter von 17 Jahren kam er nach Lowen, studirte mit großem Eifer, so daß er schon 1478 sich die Magisterwurde der Philosophie erworben. Von Scholastikern und Kirchenvatern fuhlte er sich angezogen, aber auch dem Kirchenrecht lag er ob; fur Mathematik interessirte er sich ebenfalls, dagegen blieben Dichtkunst und die neuen humanistischen Bestrebungen ihm fremd und gleichgultig. Es wird der außerordentliche Fleiß, die unermudliche Ausdauer gelobt, die er in diesen Studienjahren an den Tag legte; dadurch soll er die Augen auf sich gezogen haben. 1488 wurde er selbst Lehrer; an der Lowener Universitat hielt er philosophische Vortrage. Am 21. Juni 1491 erwarb er sich den Doctorgrad der Theologie, wie berichtet wird, auf Kosten der alten Herzogin Margarethe von Burgund, der Wittwe Karls des Kuhnen. Seitdem las er auch uber Theologie; 1493 und 1501 war er Rector der Universitat. Als akademischer Lehrer verschaffte er sich großes Ansehen; auch Gelegenheit zur Predigtthatigkeit empfing er, da man 1492 ihm eine Landpfarre (in Goederhede) gab, und da er Canoniker und Decan in verschiedenen Kirchen Lowens, Antwerpens, Utrechts und Anderlechts bei | Brussel wurde. Wol sollen seine Predigten bisweilen etwas trocken und ungelenk gewesen sein, doch vermehrten sie seinen Ruf als Gelehrter. Er war ein frommer Forscher auf dem Felde der kirchlichen Wissenschaften; er schrieb uber eine Anzahl schwieriger theologischer Probleme, uber die Theorie der Sacramente, uber eine Reihe von dogmatischen und ethischen Streitfragen, uberall mit Scharfsinn und Freimuth, mit Belesenheit und Gewandtheit. Er verfaßte mehrere Schriften, die ungedruckt geblieben; nur zwei seiner Werke wurden veroffentlicht, die ?Quaestiones quodlibeticae“ , 1515, und die ?Quaestiones de sacramentis in quartum sententiarum librum“, 1516. Er war nichts weniger als ein theologischer Neuerer; er bewegte sich in den hergebrachten Geleisen scholastischer Erorterung, aber er hatte uber die einzelnen Fragen seine Ansichten mit Unbefangenheit und Gewissenhaftigkeit sich gebildet und trug sie ohne Ruckhalt vor: so hatte er sich in unzweideutiger Weise gegen die von vielen namhaften Zeitgenossen behauptete Unfehlbarkeit der Papste bestimmt ausgesprochen. H. war ein in den ganzen Niederlanden hochangesehener Lehrer, zu dessen Fußen gesessen zu haben auch Erasmus nachher sich ruhmte, dessen Frommigkeit allgemein gepriesen wurde, der uberall, wo sich ihm Gelegenheit bot, fur Hebung der kirchlichen Zucht und Besserung des Clerus auftrat; in Lowen begann er auf seine Kosten ein Convict zur Bildung von Theologen zu erbauen. Einer der eifrigen Cardinale, der Spanier Carvajal, der wie mancher seiner Genossen von der Nothwendigkeit einer allgemeinen Kirchenreformation durchdrungen war, lernte H. bei einem Aufenthalte in den Niederlanden kennen und verlangte von dem Papste die Berufung des hervorragendsten Lowener Theologen nach Rom, um in ihm einen Helfer fur seine Reformgedanken zu gewinnen. Aber es wurde gerade damals H. ein ganz anderer Auftrag zu Theil. Er wurde ausersehen zum Lehrer des jungen niederlandischen Prinzen Karl (des nachmaligen Karl V.); nur mit Widerstreben trat er 1507 dies Amt an, das ubrigens nicht sofort seine Beziehungen zu Lowen zerriß, sondern Muße zu akademischen und wissenschaftlichen Arbeiten zeitweise ihm noch gewahrte. Als Prinzenlehrer war H. sittenstreng, gutmuthig und wohlwollend, aber etwas pedantisch; er vermochte es nicht, in Karl Geschmack an den Wissenschaften zu erwecken; literarische Kenntnisse und Interessen floßte H. seinem Zogling nur in geringem Maße ein, aber er verschaffte ihm die nothige Belehrung uber Religion und kirchliche Dinge; er pflanzte in seines Schulers Geist die Keime der strengen Religiositat und des kirchlichen Eifers, die nachher in dem Seelenleben des Kaisers sich zu so machtiger Bedeutung entwickelt haben. Wahrend dieser Stellung hatte die Regierung bisweilen Hadrian's Ansichten eingeholt, 1515 wurde H. geradezu in den Staatsrath aufgenommen. Darauf aber beehrte man ihn mit einer sehr schwierigen und delicaten Sendung an den spanischen Hof: er sollte Karls Erbaussichten und Erbrechte auf die spanischen Kronen gegen die politischen Gedanken Konig Ferdinands von Spanien, der eine Theilung der Lander zwischen Karl und seinem Bruder Ferdinand anstrebte, in Schutz nehmen und den Großvater zur Anerkennung der alleinigen Nachfolge des altesten Enkels bewegen. Glucklich fuhrte H. den Auftrag aus; auf dem Sterbebett nahm der alte Konig die Karl ungunstigen Anordnungen zuruck; es muß dahin gestellt bleiben, wie weit gerade das Auftreten des Gesandten dies Ergebniß erzielt. Nach Ferdinands Tode brachte er eine Vollmacht zum Vorschein, die ihn in Abwesenheit des neuen Konigs zum Regenten fur Spanien einsetzte, wahrend Ferdinand zu diesem Amte noch den Primas von Spanien, Ximenez, bestimmt hatte. Es drohte ein Conflict, der so ausgeglichen wurde, daß beide Manner gemeinsam die Regentschaft fuhrten. Dabei uberwog naturlich das großartige staatsmannische Talent des Spaniers; man muß es anerkennen, daß H. sich gefugt, und selbst dem Collegen | sich untergeordnet hat. Er wurde in Spanien Bischof von Tortosa; im November 1516 trat er an die Spitze der Inquisition von Aragon und Navarra, im Marz 1518 auch von Castilien und Leon. Am 1. Juli 1517 hatte Papst Leo X. auf Karls Verwendung ihn zum Cardinal gemacht. Man wird sagen durfen, daß die theologische Eigenartigkeit Hadrian's schon fruher vieles verwandte mit der in Spanien erbluhten Theologie und Kirchlichkeit an sich hatte; wahrend des Aufenthaltes in Spanien trat H. auch in personliche Beziehungen zu den Fuhrern der spanischen Kirche; er und seine neuen Freunde, Juan de Toledo, Marcello Gazzella, Rossi von Cosenza, Gian Pietro Caraffa standen unter dem Einflusse der geistigen Einwirkungen, die von Ximenez ausgingen. In seiner Stellung als Inquisitor wachte H. mit peinlicher Strenge daruber, daß die spanische Inquisition ihren Charakter behielt: als die Cortes Aenderungen forderten und der Papst auf sie eingehen wollte, bestand H. auf Ablehnung der Corteswunsche und setzte seinen Willen durch. Es war ganz naturlich, daß sich H. gegen Luther's reformatorische Absichten wendete; er forderte wahrend der Wormser Verhandlungen 1521 seinen kaiserlichen Zogling durch ein eigenes Schreiben mit mahnenden Worten auf, jenen vom Papst schon verurtheilten Irrlehrer Martin Luther zu bestrafen und unschadlich zu machen. H. hatte sich selbst mit der ganzen Energie der specifisch spanischen Kirchlichkeit identificirt, ? das spanische Kirchenprogramm zu verwirklichen, wo es ihm moglich, war sein Entschluß.

    Wahrend Karls Aufenthalt in Spanien stand H. ihm zur Seite. Nach Karls Abreise, Mai 1520, sollte H. wieder Regent sein; es war eine ungluckliche Wahl. H. mit seiner steifen und angstlichen Gewissenhaftigkeit, seiner pedantischen Ungeschicklichkeit war fur politische Aufgaben wenig geschaffen; und ganz besonders damals, als die Unzufriedenheit der Spanier mit den Anfangen der neuen Regierung zu offener Opposition und Aufstand hingefuhrt, war H. der Lage nicht mehr gewachsen. Erst als man ihm zwei Adelsherren zu Genossen in der Regierung beigegeben, gelang es die Gefahr zu beschworen und das Land zu beruhigen. Das war damals deutlich geworden, daß der fruhere Prinzenerzieher keine staatsmannische Begabung besaß und zum Herrschen nicht geboren war. Dagegen mußte seine kirchliche Haltung sich die allgemeinste Achtung und Verehrung erzwingen; und in den Augen der Welt war er, den sein Furst zwei Mal zum Regenten Spaniens bestimmt, gewiß eine Person, die als intimster Vertrauensmann des jugendlichen Kaisers gelten konnte. Da starb Papst Leo X. am 1. December 1521. In dem Conclave rangen politische Gegensatze und personliche Rivalitaten hart miteinander. Zuletzt als fast jede andere Candidatur sich als unmoglich herausgestellt, wurde des abwesenden H. Name versuchsweise genannt; er fand bei den Anhangern des Kaisers und bei den strengeren Geistern sofort Unterstutzung; besonders die theologischen Autoritaten, Egidio, Carvajal und de Vio sprachen zu seinem Lobe, und so wurde ihm am 9. Januar 1522 das Papstthum zu Theil ? zu allgemeiner Ueberraschung. In Vittoria erhielt H. die erste Kunde dieses Ereignisses am 23. Januar, doch erst am 9. Februar erreichte ihn die officielle Mittheilung der Cardinale. Er besann sich eine Weile; dann aber am 16. Februar nahm er das Papstthum an, in seinem Geiste fest entschlossen, die Mißbrauche und Uebelstande im kirchlichen Leben, die er bisher selbst kennen und fuhlen gelernt, zu beseitigen und jene als nothwendig von ihm und seinen spanischen Gesinnungsgenossen betrachtete Reformation der Kirche anzubahnen. Er annullirte sofort alle die Verleihungen von Gnaden und Aemtern und Pensionen, welche die Cardinale in Rom vorgenommen; er stellte Kanzleiregeln fur seine Verwaltungspraxis auf, welche einfach und streng waren und von dem romischen Herkommen abwichen. | Seine Abreise aus Spanien verzogerte sich noch eine gute Weile; erst am 22. August langte er in Rom an. Ihm waren von den in Spanien gewonnenen Freunden Einzelne gefolgt, die Bischofe Rossi von Cosenza und Caraffa von Chieti, der Jurist Gazzella, und außerdem hatten sich einige jungere spanische Adliche mit Begeisterung ihm angeschlossen, unter ihnen Pedro Pacheco, Bartolome de Cueva, Rodrigo Mendoza, sie alle vom kirchlichen Eifer ihrer Heimath erfullt und zu einflußreichen Stellungen in der allgemeinen Kirche dereinst bestimmt und berufen.

    Ein vielstimmiger Chor von Reformwunschen empfing in Rom den neuen Papst. Cardinal Carvajal begrußte ihn mit einer Anrede in diesem Sinne; Cardinal Egidio uberreichte ihm eine Denkschrift, die ein Programm der gewunschten Kirchenreformation in sich einschloß. Der Nuntius in Deutschland Aleander, der spanische Humanist Vives, mit besonderem Nachdruck aber der Konig der humanistischen Geister Erasmus, sie alle begrußten den neuen Papst mit der zuversichtlichen Erwartung, daß er der reformatorischen Aufgabe sich widmen wurde. H. selbst erklarte auf Erasmus als Mitarbeiter zu zahlen; er wunschte von ihm eine literarische Bekampfung Luther's und seiner Irrlehren und personliche Theilnahme an den allgemeinen Maßregeln der Reform. Zu einer Uebersiedlung oder Reise nach Rom war Erasmus nicht zu bewegen; aber er ertheilte dem Papste seinen Rath: eine Anzahl unabhangiger und ernster, leidenschaftsloser und gelehrter Manner aus den verschiedenen Landern Europa's mochte er in Rom versammeln zur Einfuhrung derjenigen Aenderungen in den kirchlichen Zustanden, die fur nothig galten: allen theologischen Hader vermeidend galt es ihm als Hauptsache, fur den Dienst der Kirche wirklich fromme und tugendhafte Geistliche und Seelsorger zu gewinnen. H. stimmte diesen Gedanken zu. Er ließ sich durch Caraffa und Rossi und Gazzella berathen; zu seinem Secretar machte er den Niederlander Dietrich Heß, einen anderen Niederlander Enckevort stellte er an die Spitze der Dataria. Die Cardinale Carvajal und de Vio und Egidio hatten auf seine Entschlusse den großten Einfluß. So ging er an's Werk.

    Sein erster Gedanke war die Reorganisation des Ablaßwesens. Er hatte fruher selbst uber die Frage schon geschrieben, er brauchte von seiner eigenen fruheren Ansicht jetzt nur Nutzanwendung zu machen. Er fand auch in Rom einen Gelehrten, der schon mehrere Schriften uber dies Thema verfaßt, jenen de Vio (Cajetanus). Zwischen ihnen konnte eine Vereinbarung uber die Theorie nicht schwierig sein. Aber aus der Mitte der Praktiker erhob sich sofort in den Berathungen ein folgenschwerer Widerspruch: man war nicht in der Lage den finanziellen Ertrag des Ablaßwesens zu entbehren; verbotener Mißbrauch und erlaubter Gebrauch waren bei dieser Einrichtung auf das engste in einander verwachsen. Eine Reform, die in der Absicht, die Mißbrauche abzuschneiden, den Gebrauch uberhaupt betrachtlich eingeengt hatte, wurde eine Verkurzung der papstlichen Finanzen zur Folge gehabt haben. ? H. wollte ferner einige eherechtliche Dispense abschaffen, welche nur noch die Bedeutung von Geldabgaben hatten; er gedachte das Sportel- und Taxwesen zu beschneiden, nach welchem Zahlungen beim Antritt geistlicher Aemter an die Curie zu leisten waren. Die Pfrundenverleihung uberhaupt forderte seine Aufmerksamkeit heraus. In Rom gab es viele Aemter, die durch Kauf zuganglich waren; noch Papst Leo X. hatte eine ganze Anzahl derartiger Stellen neu geschaffen. Der Aemterkauf und die ganze Finanzwirthschaft der Anwartschaften und Dispense, der Gnadenerweise und Geldzahlungen war H. verhaßt; an ihre Existenz legte er Hand an. Aber zah und unuberwindlich war die Macht der bestehenden eingewurzelten Verhaltnisse, sogar einem Papst gegenuber, welcher von den besten Absichten erfullt nach reineren Ideen das Leben seiner Kirche neu zu ordnen unternahm. Die Einreden der Praktiker ? Pucci, Soderini ? liefen darauf hinaus, daß die Einkunfte aus jenen Einrichtungen nicht zu entbehren, daß ein Ersatz des zu erwartenden Deficites aus anderen Quellen nicht zu beschaffen. Damit war die Reform uberwunden. Die allgemeine Maßregel setzte der Papst nicht durch; er konnte hochstens seine Freunde Enckevort und Heß instruiren, bei der Erledigung und Expedition der einzelnen zu ihrer Entscheidung gelangenden Falle moglichst sachlich und gewissenhaft zu verfahren. Ein winziges Ergebniß hochgespannter Entwurfe! Der Papst selbst erwog personlich wiederholt die Falle kirchlicher Anstellungen, die an die Curie kamen, mit peinlichster Gewissenhaftigkeit; außerst schwerfallig erledigte er diese Dinge, ? die Geschafte der kirchlichen Centralverwaltung geriethen ins Stocken.

    H. selbst hatte sich der Hoffnung hingegeben, durch die Reformmaßregeln, die er plante, wurde er den Deutschen den Vorwand zum Abfall von der Kirche entziehen und die schon Abgefallenen in den Schooß der Kirche zuruckfuhren konnen. Er entsendete im November 1522 zu dem deutschen Reichstag den Nuntius Francesco Chieregati, Bischof von Teramo, und ließ durch ihn seine reformatorischen Gedanken dem Reiche mittheilen. Mit großartiger Offenheit enthullte er seine Auffassung der ganzen Lage und stellte in den lebhaftesten Farben den sittlichen Verfall in der Kirche dar, der das Strafgericht Gottes (d. h. Luther's Ketzerei) herbeigezogen habe. Der deutsche Reichstag nahm in erster Linie Act von dem Sundenbekenntniß des romischen Papstes und folgerte daraus, daß man Luther's Lehre nicht verfolgen durfte; er forderte Berufung eines Conciles und uberreichte dem papstlichen Vertreter die Beschwerden Deutschlands wider die romische Curie (1523). Auch hier war des Papstes redliche Absicht gescheitert: sein Entschluß, die gesunkene Kirche des Mittelalters durch zeitgemaße Reformen neu zu beleben, hielt die Abwendung der Deutschen von den Principien dieses mittelalterlichen Kirchenthums nicht mehr auf. Mit einem gewissen Hohne wies man in Deutschland seine Eroffnungen zuruck.

    Durch das doppelte Scheitern seiner Absichten war Hadrian's geistige Kraft gebrochen. Seine Stellung in Rom wurde immer peinlicher. Von dem humanistischen Hofe Leos X. wurde er mit beißendem Spott uberschuttet. Die Pensionen der Dichter und Kunstler hatte er beschnitten; nun lasterten und hohnten jene uber ihn. Er lebte einfach wie ein Gelehrter; er hatte sich seine alte Haushalterin aus den Niederlanden mitgebracht; man erklarte ihn fur einen Geizhals; man machte aus dem sittenstrengen und ernsten Mann geradezu eine Caricatur. Er war unerfahren in den großen Geschaften der Kirche, unsicher in allem dem Treiben auf romischem Boden. Das romische Volk legte seine Antipathie schonungslos an den Tag. Auch seine politische Haltung brachte ihm wenig Beifall. Nach sener Wahl hatte man engsten Anschluß an den Kaiser erwartet. Aber H. in seiner unpraktischen Art erklarte, er wolle sich als Vater der ganzen Christenheit bewahren, d. h. er wolle zwischen dem Kaiser und Frankreich neutral bleiben. Erst nach langem Zerren und Zanken, unter vielem Aerger aller Theile brachte ihn die kaiserliche Diplomatie zum Anschluß an den Kaiser; erst am 3. August 1523 trat er der Offensive gegen Frankreich bei. Andererseits hatte das unaufhaltsame Vordringen des Turken ihm großen Kummer gemacht; der Fall von Rhodus hatte sein Gefuhl heftig bewegt. Kein Zureden sparte er, die europaischen Machte zum Kreuzzug wider den Islam zu spornen; aber ohne Frucht verhallten seine Worte.

    Es wird erzahlt, H. habe selbst es als Ungluck bezeichnet, daß in so gefahrvoller Zeit seinem Arm die schwere Burde des Papstthumes auferlegt worden. Fromm und wahrheitsliebend, ernst und streng, voll religiosen Gefuhles und Pflichteifers hatte er sein Amt erfaßt; aber trotz der besten Absichten war | ihm alles, was er unternommen, mißgluckt. Ja, seine reinste That ? die Sendung Chieregati's und die durch ihn ubermittelten Anschauungen und Absichten ? war zur Quelle weiteren Ungluckes fur die ihm anvertraute Kirche geworden. Deutschland rechtfertigte jetzt seinen Abfall von Rom durch den Hinweis auf jene Bekenntnisse des Papstes; nur in dem Fall ware etwas anderes zu erhoffen gewesen, wenn dem papstlichen Bekenntniß unmittelbar die Reformation der Kirche gefolgt ware: sie aber wirklich ins Werk zu setzen, war der edelgesinnte Mann zu schwach, zu unpraktisch, zu ungeschickt. Im Sommer 1523 erkrankte er plotzlich. Das Gerucht, das von Gift redete, verdient keinen Glauben. Er starb am 14. September 1523. Auf sein Grab setzte man die Worte: Hadrianus Sextus hic situs est qui nihil sibi infelicius in vita quam quod imperaret duxit. Der romische Volkswitz aber sagte, da er zwischen Pius II. und Pius III. begraben: Hic jacet impius inter pios. Und selbst der officielle Geschichtschreiber des restaurirten Papstthumes, Pallavicino, nannte ihn: Ecclesiastico ottimo, pontefice in verita mediocre , ? ein Urtheil, das, so hart es klingt, doch nicht ein unrichtiges wird gescholten werden durfen!

    • Literature

      Drei zeitgenossische Biographien des Papstes besitzen wir: von dem Italiener Giovio, dem Niederlander Moring und dem Spanier Ortiz. Sie sind mit einer Menge von Briefen und Documenten zusammengedruckt von Burmann, Hadrianus VI sive Analecta historica de Hadriano VI , 1727. Vgl. Sarpi und Pallavicino, und den Artikel bei Bayle; ferner Mallinkrot, De archicancellariis , 1715, und Eccard, De pontificibus romanis qui reformationem ecclesiae frustra tentarunt , 1718. ? In neuerer Zeit erschienen Gachard, Correspondance de Charles V et d'Adrien VI , 1859;
      Reusens, Syntagma doctrinae theologicae Adriani VI , 1862;
      Bauer, Hadrian VI , 1876. Auch Hofler hat wiederholt uber H. gehandelt (Wahl und Thronbesteigung Adrians VI. , 1872; Der deutsche Kaiser und der letzte deutsche Papst, Karl V. und Adrian VI. , 1876; Zur Kritik und Quellenkunde der ersten Regierungsjahre Karls V. , 1876 und 1878). Einige sehr wichtige Documente uber H. veroffentlichte Hofler fruher in Abhandlungen der Munchener Akademie, IV. 1846. Ueber Chieregati's Sendung an den Nurnberger Reichstag vgl. noch
      B. Morsolin, Francesco Chiericati, vescovo e diplomatico del secolo decimosesto , 1873.

  • Author

    Maurenbrecher.
  • Citation

    Maurenbrecher, "Hadrian VI." in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 302-307 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118544365.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA