Sonderrechte fur Parteien nationaler Minderheiten
Bei Wahlen zum Deutschen Bundestag und einigen Landtagen genießen Parteien nationaler Minderheiten einige Sonderrechte bzw. werden von einigen Benachteiligungen fur Kleinparteien ausgenommen.
Befreiung von Sperrklauseln
Bei Wahlen zum
Deutschen Bundestag
, zum
Landtag in Schleswig-Holstein
und
Landtag in Brandenburg
gibt es fur Parteien nationaler Minderheiten Befreiungen von den expliziten
Hurden
.
Wahrend bei Bundestagswahlen die Einschrankung der Erfolgswertgleichheit der Stimmen fur alle
Parteien nationaler Minderheiten
aufgehoben ist, gilt dies in
Schleswig-Holstein
fur Parteien der
danischen
sowie in
Brandenburg
fur Parteien der
sorbischen Minderheit
. In
Sachsen
, wo immerhin rund doppelt so viele Sorben wie in Brandenburg leben, gibt es keine solche Regelung im Landeswahlgesetz. Bei Kommunalwahlen gibt es keine Befreiung von der Sperrklausel.
Seit wann gelten die Regelungen
Die Ausnahmeregelungen gelten fur den Deutschen Bundestag seit der Bundestagswahl 1953 und in Schleswig-Holstein seit der Landtagswahl 1958, der ersten Wahl nach den
Bonn-Kopenhagener Erklarungen
vom 29. Marz 1955.
Wie hoch ist die naturliche Hurde
Naturlich mussen die Parteien trotzdem noch so viele Stimmen gewinnen, daß ihnen nach dem verwendeten Berechnungsverfahren noch ein Sitz zusteht (siehe
faktische Hurde
). Beim
Quotenverfahren mit Restausgleich nach großten Bruchteilen
(
Hare/Niemeyer
) sind dies rund die Stimmen fur einen halben Sitz, beim
Divisorverfahren mit Abrundung
(
d’Hondt
) knapp die Stimmen fur einen ganzen Sitz.
Parlamentswahl
|
Faktische Hurde
in Prozent
|
Berechnungs-
verfahren
|
Notige Stimmen bei der
Wahl im Jahre [...]
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Deutscher Bundestag
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0,09 %
|
Hare-Niemeyer
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43.523 [
2002
]
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Landtag Brandenburg
|
0,57 %
|
Hare/Niemeyer
|
7.059 [
2004
]
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Landtag Schleswig-Holstein
|
1,47 %
|
d’Hondt
|
18.584 [
2005
]
|
Deutscher Bundestag
|
0,08 %
|
Hare/Niemeyer
|
36.729 [
2005
]
|
Deutscher Bundestag
|
0,08 %
|
Sainte-Lague
|
38.004 [
2005
]
|
- Bei der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Brandenburg, kann die konkrete notige Stimmenzahl wegen der Rundung des
Quotenverfahrens mit Restausgleich nach großten Bruchteilen
(
Hare/Niemeyer
) starker um den halben Sitzanspruch schwanken. Die absoluten Stimmenzahlen der letzten Wahl entsprechen hier einer Rundung von ca. 0,6. Absolute Stimmenzahlen hangen immer auch von der Wahlbeteiligung ab.
Automatische Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung
Fur Parteien nationaler Minderheiten gelten ebenso nicht die Einschrankungen des Parteiengesetzes fur die
staatliche Parteienfinanzierung
.
Der Sudschleswigsche Wahlerverband
Die bisher einzige Partei, die von den Regelungen fur Minderheitsparteien profitiert, ist der Sudschleswigsche Wahlerverband (SSW) in Schleswig-Holstein, der seit 1958 kontinuierlich im Landtag sitzt, auch wenn er 1983 das einzige Mandat recht knapp mit 1,3 % der Stimmen gewann.
Einen Sitz bekam der SSW auch im 1. Deutschen Bundestag mit einem Wahlergebnis von uber 75.000 Stimmen. Bei den Bundestagswahlen von 1953, 1957 und 1961 erhielt der SSW nicht genugend Stimmen fur einen Sitz ? seit 1953 galt zwar fur den SSW die Sperrklausel nicht mehr, allerdings wurden die Mandate mit dem, große Parteien begunstigenden
Divisorverfahren mit Abrunden
(
d’Hondt
)
verteilt. Danach kandidierte der SSW nur noch auf Landes- und kommunaler Ebene. Mit einem Zweitstimmenanteil von 51.000 Stimmen wie bei
Landtagswahl 2005
und der Verwendung des
Quotenverfahrens mit Restausgleich nach großten Bruchteilen
(
Hare/Niemeyer
) oder des
Divisorverfahrens mit Standardrundung
(
Sainte-Laguë
) hatte der SSW allerdings eine gute Chance auf einen Sitz im Deutschen Bundestag.
Der SSW bezeichnet sich selbst als Partei der danischen und friesischen Minderheit, einige Landtagsabgeordneten des SSW waren bzw. sind auch Friesen, das Landeswahlgesetz begunstigt allerdings explizit nur
Parteien der danischen Minderheit
.
Deutsch-Danisches Papier/Bonn-Kopenhagener Erklarungen 1955
Die Befreiung von der Sperrklausel in Schleswig-Holstein geht zuruck auf die im Vorfeld der bundesdeutschen NATO-Aufnahme gefuhrten
deutsch-danische Verhandlungen
im Februar und Marz 1955, deren Ergebnisse in einem Protokokoll vom 28. Marz 1955 (
Deutsch-Danisches Papier
) festgehalten wurden.
Die Verhandlungen fuhrten zu den
Bonn-Kopenhagener Erklarungen
der Regierungen beider Staaten vom 29. Marz 1955, wobei die Bonner Erklarung des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU) selbst keine Ausfuhrungen zum Wahlrecht enthielt. Ein wichtiger Bestandteil der Erklarung ist aber, daß das Bekenntnis zur Minderheit nicht abgefragt oder uberpruft werden darf.
Das Deutsch-Danische Papier behandelt die Ausnahme der danischen Minderheit von der 5 %-Klausel im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlgesetz und eine Festschreibung der schon seit 1953 bestehenden Regelung fur die Wahlen zum Deutschen Bundestag.
Vor den Bonn-Kopenhagener Erklarungen wurde 1951 unter einer CDU-gefuhrten Landesregierung versucht, dem SSW einen Sitz im Kieler Landtag durch Erhohung der landesweiten Sperrklausel auf 7,5 % zu verwehren. Dagegen zog der SSW vor das Bundesverfassungsgericht und bekam durch Urteil des Zweiten Senats vom 5. April 1952 ? 2 BvH 1/52 ? (
BVerfGE 1, 208
) Recht. Die Sperrklausel wurde auf 5 % der gultigen Stimmen gesenkt, trotzdem scheiterte der SSW 1954 mit 3,5 % an ihr.
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