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Hermann Rieger: ?Sport ist mein Leben“ | Transfermarkt
06.05.2009 - 15:24 | Quelle: Interview der Woche | Lesedauer: unter 12 Min.
Hermann Rieger
 

Hermann Rieger: ?Sport ist mein Leben“

Hermann Rieger ist der wohl einzige Physiotherapeut in ganz Deutschland mit eigenem Fanclub und einer Straße, die nach ihm benannt wurde. Im Gesprach mit Matthias Seidel gab er einen kleinen Einblick in 27 Jahre HSV.


Transfermarkt.de: Wenn man Ihre Biographie liest und weiß, dass Sie in unglaublich vielen Bundesligaspielen auf der Bank saßen, wenn man sieht, dass es Freundschaftsspiele gab, in denen Sie mitgespielt haben, das Maskottchen wurde nach Ihnen benannt, Sie haben sogar ein Abschiedsspiel bekommen… Da konnte man meinen, Sie sind eher ein Fußballprofi gewesen als ein Masseur. Sind Sie DER HSV-Star?

Hermann Rieger: Nein, ich bin kein Star. Ich bin vom FC Bayern nach Hamburg gegangen ? fur ein Jahr, dachte ich damals. Danach wollte ich wieder zuruck in meine Berge gehen, aber ich habe hier so ein tolles Umfeld gefunden und nette Leute kennen gelernt und bin dadurch zu einem richtigen HSV-Fan geworden, und das bin ich auch heute noch, nach 30 Jahren.

Transfermarkt.de: Haben Sie denn mal gezahlt, bei wie viele Bundesligaspielen Sie auf der Bank saßen?

Hermann Rieger: Nein, ich glaube, es gibt da eine Statistik, aber ich weiß es nicht. Es waren sicher sehr viele, in 27 Jahren bekommt man da so einige zusammen.

Transfermarkt.de: Als Masseur haben Sie in Hamburg Kultstatus erreicht und auch den gesamten Berufszweig ins Rampenlicht geruckt. Welchen Anteil hat denn die medizinische Abteilung ? also auch der Masseur ? am Erfolg einer Mannschaft?

Hermann Rieger: Man sagt ja immer, ein Spieler, der verletzt ist, kann einem Verein nicht helfen, und der Anspruch der medizinischen Abteilung ist naturlich, dass der Spieler schnell wieder fit wird. Ich denke, das ist schon ein großer Anteil. Naturlich kommt es auch immer darauf an, wie groß der Kader ist, wie man den Spieler ersetzen kann. Aber es ist eben immer so: Je schneller der Spieler wieder fit ist, desto mehr Anerkennung findet man beim Trainer und beim Verein, und das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht.

Transfermarkt.de: Und wie sieht der Alltag eines Masseurs aus? Ist es so, dass Sie die Spieler nach der Partie noch bis 3 Uhr nachts durchkneten mussen?

Hermann Rieger: Ja, oft die ganze Nacht, gerade auswarts, da konnen die Spieler nach einem Spiel oft sowieso nicht einschlafen. Wichtig ist eben, dass die Verletzten als Erste drankommen, und bei mir sind die Verletzten immer dreimal am Tag behandelt worden, da war naturlich so manche Nachtschicht dabei. Aber das spurt man nicht, wenn man Freude an seinem Beruf hat, und es ist einfach ein geiles Gefuhl, wenn man am Mittwoch einen verletzten Spieler hat, der am Samstag wieder spielen kann und auch noch ein Tor schießt. Unglaublich, da bekomme ich schon wieder Gansehaut.

Transfermarkt.de: Sie haben ja eben gesagt, dass Sie Ihre Karriere beim FC Bayern Munchen begonnen haben und von dort zum HSV gewechselt sind. Angeblich soll Manni Kaltz bei dem Wechsel mitgewirkt haben. Wie konnen wir uns das denn vorstellen?

Hermann Rieger: Als ich bei Bayern Munchen war, hatte ich immer sieben Nationalspieler und wir hatten damals in der Winterpause 1977/78 das Qualifikationsspiel fur die Weltmeisterschaft in Argentinien gegen England in Munchen und mein Kollege Deuser von der Nationalmannschaft wurde krank. Da hat Gerd Muller gesagt: ?Hermann, Du musst zu uns kommen. Wir brauchen einen Masseur und Du sitzt auf der Huttn und trinkst Deinen Jagertee. Wir brauchen Dich.“ Und dann bin ich da hingefahren und war 10 Tage lang Physiotherapeut der Nationalmannschaft. Dort habe ich dann auch Manni Kaltz kennen gelernt. Auch andere Spieler wollte mich damals bei ihren Vereinen haben. Ich habe damals gedacht ?Aus den Augen, aus dem Sinn.‘, wie es so oft im Leben ist, und habe nicht damit gerechnet, dass da noch etwas kommt. Das war aber nicht so, jeden Tag wurden mir Tickets zugeschickt, und dann war ich Sonntags, wenn ich frei hatte, unterwegs und habe mir die Vereine angesehen. Und das letzte Ticket kam aus Hamburg, das hatte Manni Kaltz organisiert, der hatte mit dem Mannschaftsarzt und dem damaligen HSV-Manager Gunther Netzer gesprochen und denen gesagt, dass da jemand ist, den man in Hamburg brauchen konnte. Und da wusste ich zuerst auch nicht so richtig…Hamburg kannte ich nur dadurch, dass wir mit der Ski-Nationalmannschaft , bei der ich als Trainer tatig war, druber weggeflogen sind. Dann habe ich mit meiner Mutter daruber gesprochen und die sagte: ?Hermann, das machst Du. Hamburg ist eine schone Stadt, da gibt es nette Leute“, und sie hat recht gehabt. Ich habe dort wirklich richtig gut Fuß gefasst, und eigentlich hat Manni Kaltz das moglich gemacht.

Transfermarkt.de: Und dann begannen 27 Jahre in Hamburg…

Hermann Rieger: Ja, ich hatte einen Ein-Jahresvertrag unterschrieben, der dann immer per Handschlag verlangert worden ist.

Transfermarkt.de: Und in den 27 Jahren wollten Sie nicht einmal das Handtuch werfen?

Hermann Rieger: Ich habe naturlich auch viele Angebote von anderen Vereinen bekommen, weil die sich vermutlich auch gedacht haben ?Jetzt muss der Rieger mal wieder weg da oben.“, aber das war nicht so. Wie gesagt, ich habe mich sehr wohl gefuhlt und einen netten Bekanntenkreis gehabt, und da danke ich allen Hamburgern, die mir beigestanden haben.

Transfermarkt.de: In den 27 Jahren haben Sie ja beim HSV sehr viel erlebt, es gibt zum Beispiel das Gerucht, dass Branko Zebec damals auf der Trainerbank eingeschlafen ist. Warum haben Sie ihn nicht geweckt?

Hermann Rieger: Naja, das war ein bisschen anders. Wenn wir ins Stadion gefahren sind, hatte ich gleich viel Arbeit. Branko hatte damals ja ein kleines Problem gehabt und ist gar nicht erst in die Kabine gegangen, sondern direkt vom Bus auf die Trainerbank gegangen. Da ist er halt ein bisschen mude geworden, aber andere Leute haben ihn dann schon geweckt.

Transfermarkt.de: Als Masseur hatten Sie ja auch andere Bezeichnungen beim HSV: Sie wurden als Vater tituliert, als Freund, Sie waren der Seelsorger, die Frohnatur, der Beichtvater… Was hat Ihnen denn am meisten Spaß gemacht?

Hermann Rieger: Das Beste war immer, wenn man helfen konnte. Als Physiotherapeut ist man einfach das Sprachrohr. Man steht zwischen Spielern und Trainer, das ist oft ein schmaler Grat, aber bei mir hat es immer ganz gut geklappt, und wir waren alle Freunde. Wir haben miteinander gearbeitet und auch gefeiert und das war einfach ganz toll beim HSV.

Transfermarkt.de: Und wer hat Ihnen die Sorgen abgenommen, wenn Sie schlimme Momente in Ihrer Karriere hatten, wie zum Beispiel bei Ditmar Jakobs, als Sie einer der ersten vor Ort waren?
(Anmerkung der Redaktion: Ditmar Jacobs verletzte sich am 20. September 1989 im Spiel gegen Werder Bremen schwer, als er einen Torschuss abwehrte und sich in einem defekten Karabinerhaken im Tornetz verfing, der sich in seinen Rucken bohrte. Ditmar Jacobs musste seine Karriere daraufhin beenden.)

Hermann Rieger: Naturlich, das war der schwerste Unfall, den ich je erlebt habe, zumindest bei dem ich als erster am Unfallort war. Das war sehr schlimm. Unglaublich, dass so etwas passiert ist. Ich hoffe, so etwas passiert nie wieder. Es war sein letztes Spiel.

Transfermarkt.de: Zum Gluck sind die Richtlinien danach geandert worden…

Hermann Rieger: Ja, zum Gluck geht es ihm heute den Umstanden entsprechend sehr gut und wir treffen uns ofters im Stadion, und ich freue mich jedes Mal - auch wenn er ein bisschen humpelt -, dass es ihm gut geht.

Transfermarkt.de: Sie hatten ja viele Spieler in Ihren Handen: Kaltz, Magath, Beckenbauer, Barbarez, Albertz…Wer war denn am Hartesten im Nehmen und wer war der großte Jammerlappen?

Hermann Rieger: Naja, Jammerlappen mochte ich nicht sagen, aber es gab halt Leute, die eine hohere Schmerzgrenze hatten, so mochte ich es mal ausdrucken. Und es gab eben Leute, die etwas empfindlicher waren, wenn die Muskeln fest waren, aber dafur ist man als Masseur ja auch da, das zu beheben.

Transfermarkt.de: Wurden Sie die Spieler denn heute bei Wetten Dass erkennen, wenn Sie nur die Wade befuhlen wurden?

Hermann Rieger: Nein, ich glaube, das Gefuhl habe ich nicht mehr, das hat man nur, wenn man taglich an dem Muskel arbeitet, dann kann man den Tonus spuren, aber heute hat sich bestimmt so mancher Muskel verandert.

Transfermarkt.de: Und wie sah das damals aus? 1983: Der HSV hat gerade den großten Erfolg der Vereinsgeschichte gefeiert und den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Haben Sie da sofort mitgefeiert, danach wird keiner mehr massiert, alle trinken nur noch Sekt?

Hermann Rieger: Damals war es genau umgekehrt, weil wir am Samstag noch ein Bundesligaspiel hatten, wo wir auf Schalke noch deutscher Meister geworden sind. Da ist man immer noch am arbeiten, wahrend die anderen schon feiern. Ich musste ja dafur sorgen, dass die Verletzten vom Mittwoch am Samstag wieder spielen konnten, was sehr lang gedauert hat. Ich hatte aber dennoch die Gelegenheit, 2 Stunden lang mit dem Europapokal zu schlafen, aber dann ging es auch schon wieder los, weil wir in der Fruhe wieder abgeflogen sind, und ich musste die Klamotten einpacken und zum Bus bringen. Innerlich hat man schon mitgefeiert, aber ich musste erst die Arbeit erledigen.

Transfermarkt.de: Und was war Ihr personlich großter Erfolg mit dem HSV?

Hermann Rieger: Ach, da gab es so viele, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Sicher, 1983 war das beste Jahr des HSV uberhaupt mit dem Gewinn der Meisterschaft und des Europapokals der Landesmeister. Aber Felix Magath hat uns mal ubernommen, als wir auf Platz 18 standen und er hat uns noch in den UEFA-Cup gefuhrt. Das war unglaublich, wenn ich mich daran erinnere… Das war in Frankfurt und wir mussten noch ein bisschen warten, wie Stuttgart in Rostock spielt und dann hatten wir den UEFA-Cup erreicht, mit einer Mannschaft, die eigentlich im unteren Tabellendrittel hatte sein mussen. Das war auch eine tolle Feier, Magath ist mit dem Anzug ins Wasser gesprungen…das war schon fast wie 1983.
Transfermarkt.de: Sie sind ja jetzt sehr viel unterwegs, sind auch sehr sozial engagiert, aber wie sieht denn Ihr Rentneralltag aus? Sie gehen zum Eishockey, schauen sich Skirennen an…

Hermann Rieger: Ja, ich bin schon ein Sport-Freak, mochte ich sagen. Wenn irgendwo was los ist, bekomme ich Hummeln im Hintern und dann bin ich irgendwo auf einem Sportplatz, bei den Schulern, bei der Jugend, beim Eishockey, was eben so gerade ist.

Transfermarkt.de: Und man sieht Sie jetzt auch ofters in Hannover und in Wolfsburg im Stadion.

Hermann Rieger: In Hannover bin ich naturlich, weil ich im Moment dort wohne, meine Frau kommt ja aus Hannover. Und bei Magath bin ich naturlich auch in Wolfsburg, aber es kommt naturlich immer darauf an, wie der HSV spielt, das hat Prioritat, der HSV geht vor. Und wenn dann noch Platz oder Zeit ist, dann schaue ich mir Wolfsburg oder Hannover 96 an, oder ein Eishockeyspiel oder eine Schulermannschaft in der Eilenriede in Hannover. Es macht mir einfach Spaß, Fußball zu sehen und wenn man immer neben guten Trainern gesessen hat, dann weiß man heute auch, warum sie immer geschimpft haben und warum sie manchmal gelobt haben.

Transfermarkt.de: Und Ihre Beziehung zum Eishockey: Es gab ja auch ein großes Talent in Ihrer Familie…

Hermann Rieger: Ich komme ja aus einem Eishockey-Land. Der SC Riessersee ist in Garmisch, das ist 10 Kilometer von meinem Heimatort, mein Neffe ist Manager vom EHC Munchen, und da helfe ich naturlich auch als Physiotherapeut aus. Das macht auch Spaß, das sind ein bisschen andere Typen, eine andere Sportart…wie gesagt: Sport ist mein Leben.

Transfermarkt.de: Sie sind ja morgen auch im Stadion, wenn der HSV im UEFA-Pokal das Ruckspiel gegen den SV Werder Bremen bestreitet…

Hermann Rieger: Ja, da bin ich naturlich dabei, ich habe bisher alle Spiele mitgemacht und hoffe, dass das auch so bleibt.

Transfermarkt.de: Wann springen Sie eher auf, wenn der HSV ein Tor schießt, oder wenn einer verletzt am Boden liegt?

Hermann Rieger: Ich muss sagen, ich reagiere schon, wenn jemand am Boden liegt und mache mir Gedanken daruber, aber beim Torschrei…ich glaube, wenn ich mich selbst auf der Tribune sehen wurde…ich spiele einfach mit und das macht mir auch Spaß.

Transfermarkt.de: Und was ist Ihr Tipp? Packt es der HSV?

Hermann Rieger: Wir packen es, wir fahren nach Istanbul, davon bin ich uberzeugt. Wir haben ein super Trainerteam und die werden alles machen, dass wir dahin kommen. Was dann passiert ist wieder ein anderes Spiel…

Transfermarkt.de: Wie nah sind Sie denn noch an der Mannschaft dran? Durfen Sie noch die eine oder andere Wade anfassen?

Hermann Rieger: Nein, nein. Das mache ich naturlich nicht. Der HSV ist in der medizinischen Abteilung gut besetzt. Wenn sie mich allerdings fragen wurden, wurde ich gern auch mal wieder aushelfen.

Transfermarkt.de: Aber die Zeiten haben sich schon verandert. Als Sie angefangen haben, waren Sie fast ein Einzelkampfer, heute gibt es ganze Abteilungen.

Hermann Rieger: Ja, das ist heute so, in jedem Verein ist es besser geworden und das ist auch gut so, denn: ?Viele Hande geben bald ein Ende.“ Und der HSV ist gut drauf, man sieht, dass die Verletzten immer schnell wieder fit werden, das beobachte ich naturlich auch.

Transfermarkt.de: Sie sagten ja, dass Sie bei Verletzungen noch selbst innerlich ?aufspringen“. Ich finde es ja immer furchterlich, wenn die Fernsehreporter aus 70 Metern Entfernung schon ihre erste Diagnose abgeben und nicht nur sagen, dass es ein Banderriss ist, sondern auch, dass der Spieler damit dreieinhalb Monate ausfallt. Wie stehen Sie dazu? Kann man so etwas machen, gibt es Standardverletzungen?

Hermann Rieger: Als Physiotherapeut eher als ein Reporter, wurde ich sagen, denn als Physiotherapeut ist man immer auf Ballhohe und sieht, wie die Verletzung zustande gekommen ist, und dann weiß man schon, wo man als erstes hin greifen muss. Aber heute gibt es ja so gute medizinisch-technische Gerate, mit denen man zu 99% die richtige Diagnose stellen kann und in der Medizin ist es eben so: Wenn die Diagnose stimmt und die Behandlung passt, dann muss nach 3 Tagen eine Besserung eintreten, und das war immer die Vorgabe, die wir uns gesetzt haben.

Transfermarkt.de bedankt sich herzlich fur das Interview.


Zum Video-Interview mit Hermann Rieger.

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