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"Tutti Frutti" auf RTLnitro: Man mochte sich schamen - Medien - SZ.de

RTLnitro : Wer "Tutti Frutti" anschaut, mochte sich in einer Tour schamen

Lesezeit: 4 min

Wie beim letzten Versicherungsvertrerausflug: Jorg Draeger (r.) und Alexander Wipprecht in der Kulisse von Tutti Frutti . (Foto: dpa)

RTLnitro legt die Ausziehsendung aus den Neunzigern neu auf. Leider kriegen die Moderatoren das mit der Ironie nicht hin.

TV-Kritik von Hans Hoff

Es gibt eindeutig zu wenig nackte Frauenbruste im deutschen Fernsehen . Legionen junger Manner irren schließlich schon seit Jahren durch die zur Verfugung stehenden Kanale und fragen sich, wann sie denn endlich mal wieder eine nackte Frauenbrust zu Gesicht bekommen. Sieht man sonst ja nirgends in diesen so keuschen Zeiten. Dachte man sich wohl zumindest beim RTL -Digitalableger?RTLnitro.

Anders ist namlich nicht zu erklaren, wie man auf eine Idee kommen konnte, deren Beurteilung als genial den Strategen im Sender exklusiv vorbehalten bleibt. Manchmal laufen in diesen Sendern die Dinge halt anders ab als man das in der realen Welt fur moglich halt. Irgendein Chef ist da wahrscheinlich mal nach einem unerwarteten Testosteronschub in der Redaktionskonferenz aufgestanden und hat lauthals die frohe Botschaft verkundet: "Wir bringen Tutti Frutti zuruck auf den Bildschirm." Das mag bei den mehrheitlich eher jungen Mitarbeitern ein paar Momente lang fur Verwirrung gesorgt haben, weil keiner der Mittdreißiger die erwahnte Sendung aus eigener Anschauung kennen konnte. Aber dem wurde abgeholfen. Die meisten riefen ihre Eltern an und horten von denen, was zwischen 1990 und 1993 die Bildschirmwelt bewegt?hat.

Wie die erotische Maueroffnung

Zur Erinnerung: Als Tutti Frutti im Januar 1990 das erste Mal auf Sendung ging, war das Privatfernsehen und damit auch RTL just sechs Jahre alt geworden und die Berliner Mauer gerade mal zwei gute Monate offen. Die Bundesrepublik war im Wandel begriffen, und gerade deshalb knallte eine Sendung wie Tutti Frutti rein wie nichts. Sie war quasi so etwas wie die erotische Maueroffnung. Auf einmal gab es Einblicke, die sich offentlich-rechtliche Sender niemals zu gewahren getraut?hatten.

Nach RTL-Angaben sahen angeblich regelmaßig vier Millionen Menschen zu, wenn Hugo Egon Balder leichtbekleidete Madchen und ein paar Kandidaten empfing, alberne Spielchen spielte, die allein darauf ausgelegt waren, dass sich am Ende oder zwischendrin irgendwer?auszog.

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Eine Art Ballett bewegte sich dann mehr oder weniger gelenk im Takt italienischer Plastikmusik, und am Ende rissen die als Fruchtchen verkleideten Damen ihre knappen Dessous auf, damit man ihre Bruste oder die auf die Bruste geklebten Spielsymbole sehen konnte. Danach mussten die Kandidaten irgendwelche Fragen beantworten und bekamen nach schwer durchschaubaren Kriterien furs Antworten Landerpunkte. Die Regeln waren sehr offensichtlich egal, weil es ja eh nur darum ging, nackte Haut zu zeigen. Auf 4800 entbloßte Bruste kommt die RTL-Statistik, die 150 Ausgaben der Sendung in drei Staffeln?umfasst.

Tutti Frutti war das, was man spater mal Kult genannt hatte, aber 1990 ging man mit dem Begriff noch eher sparsam um. Im Jahre 2016 ist von Sparsamkeit indes keine Rede mehr. Zumindest nicht beim Anpreisen der Neuauflage. "Wir versuchen, den erotischen Mittelstand zu retten", stapelt Alexander Wipprecht gleich zu Beginn die Anspruche sehr hoch. Der Schauspieler ist einer von zwei Moderatoren, die man heutzutage offenbar braucht, um das zu erledigen, was Hugo Egon Balder damals allein hinbekam. Wipprecht zur Seite steht Jorg Draeger, ein Spielshow-Urgestein ( Geh aufs Ganze) , das im Smoking antritt und Menschen interviewt, die fruher mal bei Tutti Frutti blank gezogen?haben.

Leider mussen beide das in einer Kulisse erledigen, die in ihrer billigen Erbarmlichkeit wirkt, als sei sie beim letzten Versicherungsvertreterbelohnungsausflug in einen Budapester Billigpuff ubrig geblieben. Die Moderatoren sind sichtlich uberfordert, und die Schnitte wurden nach der Aufzeichnung ganz offensichtlich von einem Zufallsgenerator gesetzt. Zusatzlich dauert der bittere Ernst, den man Spaß in keiner Sekunde nennen mag, netto 85 Minuten und wird bei Ausstrahlung naturlich noch mit reichlich Werbung angedickt. Man will bei RTLnitro ganz deutlich Kasse machen nach dem Motto "geringstmoglicher Einsatz bei großtmoglicher Gewinnabschopfung". Die Zeiten sind halt hart im Kampf der winzigen?Privatsender.

Kein Vergleich mit 1990, als das Geld noch in Stromen durch die Kommerzkanale floss. "Mit dem Geld, was wir damals allein fur die funf nie gesendeten Piloten ausgegeben haben, konnte ich Genial daneben 20 Jahre machen", hat Hugo Egon Balder mal ausgeplaudert, und in seiner Biographie "Ich hab mich gewarnt" verriet er gar, wie die Gehaltsverhandlungen einst gefuhrt wurden. Demnach saßen Balder und seine damalige Frau mit einem Sendergewaltigen in einem Restaurant zusammen und traumten von einem Jahresgehalt um die 300 000 Mark. Als der Sendergewaltige nach den Gehaltsvorstellungen fragte, konterte Balders Frau frech mit "eine Million Mark". Der Sendergewaltige zogerte nicht eine Sekunde und sagte sofort?zu.

Selbstironie? In keiner Sekunde

Fur Balder wurde die Sendung mit den Brusten dann der Durchbruch in beide Richtungen. "Titten sind mein Schicksal geworden. Gibt aber Schlimmeres", schrieb er spater uber seinen Aufstieg. Auf einmal war er ein Star. Gleichzeitig hatte er aber auch mit dem Fluch zu kampfen, fortan als Titten-Hugo durch die Fernsehwelt zu stapfen. Bemerkbar machte sich das, als er spater mit dem Konzept von Genial daneben beim WDR vorstellig wurde, dort aber abblitzte, weil der damalige Fernsehdirektor ihn nur als den Typen von Tutti Frutti kannte.

Wie wertvoll Balders lassige Art einst war, erkennt man heute sehr deutlich, denn Wipprecht und Draeger bekommen das mit dem demonstrativen Augenzwinkern und der Selbstironie nicht in einer Sekunde hin. Sie wirken wie uberforderte Angestellte eines kurz vor der Pleite stehenden Betriebes, die es versaumt haben, sich zu verdunnisieren, als es darum ging, wer den Junggesellenabschied des Juniorchefs?ausrichtet.

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Aus der SZ.de-Redaktion

Weil sie das mit der Ironie nicht hinbekommen, ist die im Konzept der Show angelegte Frauenfeindlichkeit plotzlich wieder Thema. Man mochte sich in einer Tour schamen, wenn sich die Kandidaten Mike und Antje durch die Spiele muhen und Fragen beantworten mussen, bei denen es darum geht, wie viele Sexpartner der Deutsche durchschnittlich hat (13) und wie viele Kalorien man angeblich beim Geschlechtsverkehr verliert (21). Ob das alles stimmt, ist ebenso wurscht wie die sehr offensichtlich herangezuchtete Begeisterung des Saalpublikums bei dieser erotischen Kaffeefahrt. Man hatte auch ebenso "Brust oder Keule?" fragen?konnen.

Brust gibt es ja reichlich vom Cin-Cin-Playboy-Ballett, das ein ums andere Mal blank zieht und es wie eine Erlosung wirken lasst, wenn der Veteran Balder am Schluss hochstpersonlich einen Kurzauftritt hinlegt. Er spielt einen Zuschauer, der sich die ganze Katastrophe daheim am Fernseher zugeschaut hat und sagt. "War doch toll, und ich habe endlich die Regeln verstanden." Nett gesagt, leider komplett?gelogen.

In der Zentrale bei RTLnitro durfte nach der Show auf jeden Fall das Telefon Sturm klingeln. Dran sind dann die 90er Jahre. Die wollen ihr Tutti Frutti wiederhaben, bevor man noch weiteren Unfug damit?anstellt.

Tutti Frutti, RTLnitro, 30.12., 22.05 Uhr

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